Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wird unter den Voraussetzungen des Art. 26 EuGVVO auch dann begründet, wenn der sich rügelos einlassende Beklagte seinen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union hat. [LS von der Redaktion neu gefasst]
Der Kläger, ein Kunstsammler, erwarb im Jahr 1999 im Rahmen einer Auktion in London das Gemälde „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach. Das Gemälde befand sich in der Zeit von 1931 bis 1937 im Besitz der Galerie Stern in Düsseldorf, die der jüdische Kunsthändler Dr. Max Stern in dieser Zeit von seinem Vater übernahm. Bereits im Jahre 1935 wurde Dr. Stern durch die Reichskammer der bildenden Künste die weitere Berufsausübung untersagt, die Verfügung wurde jedoch zunächst nicht vollzogen. Im März 1937 verkaufte Dr. Stern das Gemälde an eine Privatperson aus Essen. Im September 1937 wurde er endgültig gezwungen, seine Galerie aufzugeben, woraufhin er über England nach Kanada emigrierte. Sein Nachlass wird von einem kanadischen Trust verwaltet, dessen Treuhänder die Beklagten sind. Im Juni 2016 wurde auf Veranlassung der Beklagten eine Suchmeldung für das Gemälde auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank (www.lostart.de) veröffentlicht. Auf dieser werden Such- und Fundmeldungen zu Kulturgütern veröffentlicht, die jüdischen Eigentümern infolge des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die ein Verlust vermutet wird bzw. nicht ausgeschlossen werden kann. Die Datenbank wird von einer von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden errichteten Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Magdeburg betrieben. Mithilfe der Veröffentlichungen sollen frühere Eigentümer bzw. deren Erben mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib des Kulturgutes unterstützt werden. Im Rahmen einer Ausstellung des Gemäldes in Baden-Baden wurde der Kläger über die Suchmeldung und darüber in Kenntnis gesetzt, dass Interpol nach dem Gemälde fahnde, da es in Kanada als gestohlen gemeldet worden sei.
Der Kläger sieht sich durch den Eintrag in der Datenbank und die Interpol-Fahndung in seinem Eigentum an dem Gemälde gestört und verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen, sich des Eigentums an dem Gemälde zu berühmen. Hilfsweise begehrt er, sie zu verurteilen, die Löschung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank zu beantragen. Die Klage ist bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
[6] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
[7] 1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. Senat, Urteil vom 23. September 2022 -
[8] a) Der (räumliche) Anwendungsbereich des Art. 26 EuGVVO ist eröffnet. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wird unter den Voraussetzungen des Art. 26 EuGVVO auch dann begründet, wenn der sich rügelos einlassende Beklagte seinen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union hat. Zu der inhaltlich entsprechenden Vorschrift in Art. 18 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend EuGVÜ) hat der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass diese Bestimmung dann nicht anwendbar ist, wenn allein der Kläger in einem Vertragsstaat wohnt und - wie hier - ein Auslandsbezug nur zu Nichtvertragsstaaten besteht (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1996 -
[9] aa) Ein weites Verständnis des Anwendungsbereichs legt bereits der Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO nahe. Danach setzt eine Zuständigkeitsbegründung durch rügeloses Einlassen lediglich die Klageerhebung vor einem mitgliedstaatlichen Gericht voraus, ohne dass der Wohnsitz des Beklagten - anders als etwa bei den in Art. 7 ff. geregelten besonderen Zuständigkeiten - von Bedeutung ist (vgl. Gebauer/Wiedmann in Gebauer/Berner, Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl., Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 2). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat deshalb - wenngleich nicht tragend - schon in Bezug auf Art. 18 Satz 1 EuGVÜ angenommen, dass es auf den Wohnsitz des Beklagten nicht ankomme (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 2000, Group Josi Reinsurance Company SA und Universal General Insurance Company, C-412/98, EU:C:2000:399 Rn. 44).
[10] bb) Nach heutiger Rechtslage kann kein Zweifel an der Richtigkeit dieser Sichtweise bestehen. Dies zeigt der Vergleich mit der ebenfalls im siebten Abschnitt zu findenden Regelung in Art. 25 EuGVVO. Unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift können die Parteien eine ausdrückliche Vereinbarung über die Zuständigkeit schließen, ohne dass es - anders als noch nach Art. 17 EuGVÜ und Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel I-VO) - auf deren Wohnsitz ankommt. Die Regelung stellt gemäß Art. 6 Abs. 1 EuGVVO eine Ausnahme von dem ansonsten geltenden Grundsatz dar, dass die internationale Zuständigkeit nach der lex fori zu bestimmen ist, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat hat. In Art. 6 Abs. 1 EuGVVO wird zwar lediglich auf Art. 25 EuGVVO und nicht auf Art. 26 EuGVVO verwiesen. Neben der formalen Nähe zeigt aber insbesondere der sachliche Zusammenhang beider Vorschriften, dass der Wohnsitz des Beklagten in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO ebenfalls ohne Bedeutung ist (vgl. BeckOK ZPO/Gaier [1.3.2023], Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 6; Gebauer/Wiedmann in Gebauer/Berner, Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl., Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 2; MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl., Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 4; E. Pfeiffer/M. Pfeiffer in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr [Mai 2022], Art. 26 EuGVVO Rn. 7 f.; Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Art. 26 EuGVVO Rn. 1; Staudinger in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl., Art. 26 Brüssel Ia-VO Rn. 3). Denn Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO stellt - wie der Europäische Gerichtshof zu der gleichlautenden Regelung in Art. 24 Satz 1 Brüssel I-VO entschieden hat - eine stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und damit eine Vereinbarung der Zuständigkeit dieses Gerichts dar (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016, Taser International und SC Gate 4 Business u.a., C-175/15, EU:C:2016:176 Rn. 21 und 33 mwN). Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ausdrücklicher und stillschweigender Vereinbarungen über die Zuständigkeit besteht nicht. In beiden Fällen wird mit der Begründung der Zuständigkeit dem Grundsatz der Privatautonomie Rechnung getragen, der nach dem Erwägungsgrund 14 der Brüssel I-Verordnung (jetzt: Erwägungsgrund 19 EuGVVO) eine Ausnahme von der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach der lex fori rechtfertigt.
[11] cc) Es entspricht auch dem Zweck der Verordnung, einen weiten Anwendungsbereich des Art. 26 EuGVVO anzunehmen. Der Erlass von Zuständigkeitsregeln soll für die damit zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten das Funktionieren des Binnenmarktes erleichtern (vgl. EuGH, Urteil vom 1. März 2005, Owusu und Jackson, C-281/02, EU:C:2005:120 Rn. 33 zum EuGVÜ). Diesem Anliegen wird dadurch entsprochen, dass die Hemmnisse beseitigt werden, die sich aus der Anwendbarkeit der lex fori und den Unterschieden in den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften zu der rügelosen Einlassung des Beklagten ergeben können; die Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung werden durch einen weiten Anwendungsbereich am besten gewährleistet (vgl. Stein/Jonas/ Thole, ZPO, 23. Aufl., Art. 26 EuGVVO Rn. 14).
[12] dd) Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV besteht nicht. Die richtige Auslegung des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO ist insbesondere im Hinblick darauf, dass es nach Ansicht des Gerichtshofs für die Zuständigkeitsbegründung durch Einlassung auf das Verfahren schon nach der früheren Rechtslage nicht auf den Wohnsitz des Beklagten ankam (vgl. Rn. 9), derart offenkundig zu beantworten, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt („acte claire“; vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2015, van Dijk, C-72/14 und C-197/14, EU:C:2015:564 Rn. 55 ff.; BGH, Urteil vom 30. November 2022 -
[13] b) Die Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 EuGVVO sind erfüllt.
[14] aa) Die internationale Zuständigkeit ergibt sich nicht bereits aus anderen Vorschriften der Verordnung, insbesondere ist Art. 7 Nr. 2 EuGVVO nicht einschlägig, weil die Beklagten ihren Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat haben; die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gemäß Art. 24 EuGVVO besteht ebenfalls nicht.
[15] bb) Die Beklagten haben sich auf das Verfahren eingelassen. Von einer Einlassung auf das Verfahren ist auszugehen, wenn die Zuständigkeitsrüge nicht spätestens in der Stellungnahme erhoben wird, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2015 -
[16] Dies ist nicht der Fall. Dabei kann dahinstehen, ob die von den Beklagten in erster Instanz erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit zugleich eine Rüge nach Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO darstellt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 -
[17] 2. Das Berufungsgericht sieht die Klage zu Recht als unbegründet an.
[18] a) Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet beurteilt das Berufungsgericht die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche nach deutschem Recht.
[19] aa) Soweit die Klage auf eine Eigentumsverletzung gestützt wird, folgt die Anwendbarkeit des deutschen Rechts - was im Ergebnis offenbleiben kann - entweder aus Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (nachfolgend: Rom II-VO) oder aus Art. 43 Abs. 1 EGBGB.
[20] (1) Nach den maßgeblichen Vorschriften der Rom II-VO wäre vorliegend deutsches Recht anwendbar.
[21] (a) Der Anwendungsbereich der Rom II-VO ist nach deren Art. 1 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich eröffnet, da die Beklagten ihren Wohnsitz nicht in Deutschland haben und die Sache deshalb eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten, die nicht sämtlich Mitgliedstaaten der Europäischen Union sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2022 -
[22] (b) Nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Dies führt zur Anwendung des deutschen Sachrechts.
[23] (aa) Der Bundesgerichtshof hat zur internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (jetzt: Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) entschieden, dass der Begriff der unerlaubten Handlung aufgrund seiner autonomen Auslegung die nach deutschem Recht als dinglich zu qualifizierende Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemäß § 1004 BGB erfasst (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2008 -
[24] (bb) Findet die Regelung Anwendung, dann ist an den Erfolgsort anzuknüpfen, also den Ort, an dem der erste Verletzungserfolg im Hinblick auf den Geschädigten eingetreten ist; dabei kommt es auf den vom Kläger behaupteten Schadenserfolg an (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - IX ZR 103/17 (IPRspr 2018-330), BGHZ 217, 300 Rn. 83 f.). Danach wäre deutsches Recht anzuwenden, weil sich der Kläger durch das Verhalten der Beklagten in seinem Eigentum an dem Gemälde gestört sieht, das sich bei ihm in Deutschland befindet.
[25] (2) Sollten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemäß § 1004 BGB hingegen nicht unter Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO fallen, fände, weil der Anspruch auf das Eigentum an einer Sache gestützt wird, die Vorschrift des Art. 43 Abs. 1 EGBGB Anwendung (vgl. etwa BeckOGK/Spohnheimer, BGB [1.5.2023], § 1004 Rn. 327; BeckOGK/Prütting/A. Zimmermann, EGBGB [1.12.2022], Art. 43 Rn. 127 ff.; MüKoBGB/Raff, 9. Aufl., § 1004 Rn. 305; Staudinger/Thole, BGB [1.7.2022], § 1004 Rn. 621). Nach dieser Vorschrift unterliegen Rechte an einer Sache dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. Damit wäre hier ebenfalls deutsches Recht anwendbar.
[26] bb) Für das von der Revision durch die Suchmeldung ebenfalls als verletzt angesehene Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist der Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung nach deren Art. 1 Abs. 2 lit. g nicht eröffnet. Der Persönlichkeitsschutz und die sich daraus herleitenden Ansprüche unterfallen Art. 40 EGBGB (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2018 -
b) ...