Die internationale Zuständigkeit für Klagen wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 81 lit. a GGV) bestimmt sich gemäß Art. 79 III lit. a GGV, Art. 68 II EuGVO alter Fassung (Brüssel I-VO) für Verfahren, die durch die in Art. 81 GGV genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden, nicht nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO alter Fassung, sondern nach der für Verletzungsklagen spezielleren Vorschrift zur internationalen Begehungszuständigkeit in Art. 82 V GGV.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt jedenfalls aus Art. 82 IV lit. b GGV, Art. 68 II 24 Satz 1 EuGVO alter Fassung (jetzt Art. 26 I 1 EuGVO), wenn sich die Beklagte auf das Verfahren vor einem deutschen Gericht (hier: Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht) rügelos eingelassen hat.
Der Einwand in einer Klageerwiderung, die Klage sei wegen der vor einem anderen ausländischen (hier: französischen) Gericht erhobenen Klage unzulässig, kann als Rüge der internationalen Unzuständigkeit deutscher Gerichte gewertet werden. Jedoch reicht eine in erster Instanz erhobene Zuständigkeitsrüge nicht aus, um die Begründung der Zuständigkeit gemäß Art. 24 Satz 2 EuGVO alter Fassung auch für die Berufungsinstanz auszuschließen. [LS der Redaktion]
Die Kl. ist Herstellerin der Porsche-Fahrzeuge. Sie ist Inhaberin verschiedener Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die Räder für Fahrzeuge zeigen. Die in Italien geschäftsansässige Bekl. zu 1), deren Geschäftsführer der Bekl. zu 2) ist, produziert Felgen für Personenkraftwagen verschiedener Automobilhersteller. Zu ihrem Sortiment zählen Leichtmetallfelgen, die die genannten Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Kl. nachbilden. Auf den Felgen der Bekl. zu 1) sind deren Marke „WSP Italy“ und der Hinweis „Not O.E.M.“ angebracht. Die Bekl. zu 1) bietet ihre Leichtmetallräder auf ihrer in Deutschland in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite „www.wspitaly.com“ an. Bei den für Fahrzeuge der Kl. bestimmten Leichtmetallrädern gibt die Bekl. zu 1) an, es handele sich um Ersatzfelgen, die nur für Porsche verwendbar seien. Die Kl. sieht in den Leichtmetallrädern Verletzungen ihrer Gemeinschaftsgeschmacksmuster.
Die Kl. hat beantragt, die Bekl. unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Kraftfahrzeugräder gemäß näher bezeichneten Abbildungen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, zu bewerben, abzubilden oder in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder sonstwie in den Verkehr zu bringen. Ferner hat die Kl. die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Bekl. begehrt und sie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Bekl. sind der Klage entgegengetreten.
Das LG hat die Bekl. antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Bekl. ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, verfolgen die Bekl. ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter. Der Senat hat mit Beschluss vom 2.6.2016 (GRUR 2016, 1057 = WRP 2016, 1377 – Kraftfahrzeugfelgen I) dem EuGH verschiedene Fragen zur Auslegung des Art. 110 I GGV zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat hierüber durch Urteil vom 20.12.2017– Acacia ./. Pneusgarda u.a. (Rs C-397/16 und C-435/16, GRUR 2018, 284 = WRP 2018, 308 ) entschieden.
[16] B. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die uneingeschränkt zulässige Revision ist unbegründet. Die Klage ist zulässig und begründet ...
[18] II. Die Revision der Bekl. ist unbegründet. Die Klage ist zulässig (dazu unter B. II. 1) und begründet (dazu unter B. II. 2).
[19] 1. Die von der Kl. erhobene Klage ist zulässig.
[20] a) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 II 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. vom 5.3.2015 – I ZR 161/13 (IPRspr 2015 Nr. 153), GRUR 2015, 1004 Rz. 9 = WRP 2015, 1219 – IPS/ISP m.w.N.), ist im Streitfall gegeben.
[21] aa) Allerdings hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus Art. 79 I 1 GGV i.V.m. Art. 5 Nr. 3 EuGVO a.F.
[22] Gemäß Art. 79 I 1 GGV ist, soweit in der Verordnung nichts anderes bestimmt ist, das EuGVÜ auf Verfahren betreffend Gemeinschaftsgeschmacksmuster anzuwenden. Nach Art. 68 II EuGVO a.F. gelten Verweise auf das EuGVÜ als Verweise auf die EuGVO a.F., soweit diese (hier Art. 5 Nr. 3 EuGVO a.F.) die Bestimmungen des EuGVÜ (hier Art. 5 Nr. 3) ersetzt. In der GGV ist für Klagen wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 81 lit. a GGV) zur internationalen Zuständigkeit etwas anderes bestimmt. Gemäß Art. 79 III lit. a GGV, Art. 68 II EuGVO a.F. ist auf Verfahren, welche durch die in Art. 81 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden, Art. 5 Nr. 3 EuGVO a.F. nicht anwendbar. Für Verletzungsklagen wird Art. 5 Nr. 3 EuGVO a.F. vielmehr durch die speziellere Vorschrift zur internationalen Begehungszuständigkeit in Art. 82 V GGV ersetzt (vgl. Ruhl, GGV, 2. Aufl., Art. 79 Rz. 12; Büscher-Dittmer-Schiwy-Auler, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medienrecht, 3. Aufl., Art. 79 GGV Rz. 5).
[23] bb) Es kann offenbleiben, ob die deutschen Gerichte im vorliegenden Fall gemäß Art. 82 V GGV international zuständig sind. Nach dieser Bestimmung können die Verfahren, welche durch die in Art. 81 litt. a und d GGV genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden, bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Es kann dahinstehen, ob die vom Berufungsgericht herangezogene deutschsprachige Bewerbung der angegriffenen Felgen auf der Internetseite der Bekl. zu 1) danach eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet (zur parallelen Vorschrift des Art. 97 V GMV vgl. BGH, Urt. vom 9.11.2017 – I ZR 164/16 (IPRspr 2017 Nr. 260b), GRUR 2018, 84 Rz. 30 = WRP 2018, 77 [Parfummarken]; krit. Kur, GRUR 2018, 358, 359 f.; Vorlagebeschl. des Court of Appeal für England und Wales vom 1.2.2018 – [2018] EWCA Civ 86, BeckRS 2018, 5777 Rz. 54 ff.).
[24] cc) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt jedenfalls aus Art. 82 IV lit. b GGV, Art. 68 II, 24 Satz 1 EuGVO a.F. (jetzt Art. 26 I 1 EuGVO), weil sich die Bekl. auf das Verfahren vor den deutschen Gerichten rügelos eingelassen hat.
[25] (1) Nach Art. 82 IV lit. b GGV, Art. 68 II EuGVO a.F. ist – ungeachtet der in den Abs. 1, 2 und 3 vorgesehenen Zuständigkeiten – Art. 24 EuGVO a.F. (als Nachfolgeregelung von Art. 18 EuGVÜ) anzuwenden, wenn der Beklagte sich auf das Verfahren vor einem anderen Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht einlässt. Gemäß Art. 24 Satz 1 EuGVO a.F. wird das Gericht eines Mitgliedstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nach Art. 24 Satz 2 EuGVO a.F. nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Art. 22 ausschließlich zuständig ist. Die Rüge der internationalen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts muss vor dem ersten Verteidigungsvorbringen erhoben werden (vgl. EuGH, Urt. vom 24.6.1981 – Elefanten Schuh GmbH ./. Pierre Jacqmain, Rs C-150/80, Slg. 1981, 1671, juris Rz. 16; BGH, Beschl. vom 18.9.2001 – IX ZB 75/99 (IPRspr. 2001 Nr. 184), NJW-RR 2002, 1357, 1358, juris Rz. 24; Ruhl aaO Art. 82 Rz. 23; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl., Art. 26 EuGVVO Rz. 2 und 5; MünchKommZPO-Gottwald, 5. Aufl., Art. 26 Brüssel Ia-VO Rz. 7), d.h. vor der unmittelbar auf Klageabweisung gerichteten Verteidigung erfolgen (vgl. Saenger-Dörner, ZPO, 7. Aufl., Art. 26 EuGVVO Rz. 5).
[26] (2) Im Streitfall hat sich die Bekl. in diesem Sinne rügelos auf das Verfahren vor den deutschen Gerichten eingelassen.
[27] Allerdings hat das Berufungsgericht den Einwand der Bekl. in der Klageerwiderung, die Klage sei wegen der vor einem französischen Gericht erhobenen Klage unzulässig, als Rüge der internationalen Unzuständigkeit deutscher Gerichte gewertet. Eine in erster Instanz erhobene Zuständigkeitsrüge reicht jedoch nicht aus, um eine Zuständigkeitsbegründung gemäß Art. 24 Satz 2 EuGVO a.F. auch für die Berufungsinstanz auszuschließen. Es ist vielmehr erforderlich, dass die Bekl. die Rüge in der Rechtsmittelinstanz rechtzeitig wiederholt (vgl. BGH, Beschl. vom 27.6.2007 – X ZR 15/05 (IPRspr 2007-142), BGHZ 173, 40 Rz. 16; Zöller-Geimer aaO Art. 26 EuGVVO Rz. 4; MünchKommZPO-Gottwald aaO Art. 26 Brüssel-Ia-VO Rz. 7). Daran fehlt es vorliegend. Es kann offenbleiben, ob mit dem Berufungsgericht eine Rüge der internationalen Zuständigkeit in dem von der Bekl. im Berufungsverfahren erhobenen Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit der Inanspruchnahme der deutschen Gerichte gesehen werden kann. Diesen Einwand haben die Bekl. nicht bereits in der Berufungsbegründung und damit vor ihren auf Klageabweisung gerichteten Angriffen gegen das landgerichtliche Urteil erhoben, sondern erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgebracht. Dass die Bekl. ansonsten die internationale Zuständigkeit rechtzeitig gerügt hat, ist von der Revision nicht konkret dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Die pauschale Bezugnahme der Berufungsbegründung auf das Vorbringen der Bekl. in der ersten Instanz ist dazu nicht ausreichend. Damit sind die deutschen Gerichte durch die rügelose Einlassung der Bekl. in der Berufungsbegründungsschrift international zuständig geworden.