Bietet ein im Ausland ansässiges Glücksspielunternehmen über eine Website virtuelle Glücksspiele an, so kann gem. Art. 17, 18 EuGVVO die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gegeben sein, wenn der Teilnehmer ein in Deutschland wohnender Verbraucher ist. Es findet gem. Art. 6 Rom I‑VO deutsches Recht Anwendung. Daneben kommt die Zuständigkeit des Deliktsgerichtsstandes nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO in Betracht [LS der Redaktion]
Die Beklagte ist ein Anbieter von Online-Glücksspielen mit Sitz in C.. Die Beklagte betriebt u.a. die M. und E. unter der URL www.U. und www.X.. Die Internetseiten www.U. und www.X. wurden bis 14.10.2020 ausschließlich von der Beklagten betrieben. Alle streitgegenständlichen Spieleinsätze wurden vor diesem Zeitpunkt getätigt. Zudem sind Spiele bei E. ab dem 26.03.2014 streitgegenständlich. Ein monatliches Limit für die Höhe der Einsätze war bei der Beklagten nicht vorgesehen. Über eine Glücksspiellizenz in G. oder für H. verfügte die Beklagte im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze des Klägers nicht. Für die von der Beklagten unter den Marken U. und X. im Internet bis zum 14.10.2020 angebotenen Glücksspiele verfügte sie seit vielen Jahren, insbesondere auch im streitgegenständlichen Zeitraum, ununterbrochen über eine Glücksspielerlaubnis nach gibraltarischem Recht. Dies wurde auf der Homepage sowie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten entsprechend dargestellt. Die Glücksspiele der Beklagten wurden im Einklang mit der C.Lizenz angeboten, was von der zuständigen Aufsichtsbehörde in C. fortlaufend überwacht wurde.
Der in 00000 B. wohnhafte Kläger unterhielt bei E. ein Spielerkonto, auf das er regelmäßig Einzahlungen tätigte und Online-Casino-Spiele bei E. spielte. Der Kläger zahlte in dem Zeitraum ab dem 26.03.2014 insgesamt ... [Euro] auf das Spielerkonto bei E. ein. Im Laufe der Spieltätigkeit wurden insgesamt ... Euro von diesem Spielerkonto an den Kläger ausgezahlt. Hiernach ergibt sich ein Verlust des Klägers aus Spielen bei E. in Höhe von ... Euro. Der Kläger unterhielt darüber hinaus bei L. seit 2015 ein Spielerkonto, auf das er regelmäßig Einzahlungen tätigte und Online-Casino-Spiele bei L. spielte. Der Kläger zahlte in dem Zeitraum ab dem 05.06.2015 insgesamt ... [Euro] auf das Spielerkonto bei L. ein. Im Laufe der Spieltätigkeit wurden insgesamt ... Euro von diesem Spielerkonto an den Kläger ausgezahlt. Hiernach ergibt sich ein Verlust des Klägers aus Spielen bei L. in Höhe von ... Euro.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ... Euro nebst Zinsen zu zahlen und ihn von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von ... Euro nebst Zinsen freizustellen.
[1]I.
[2]Die Klage ist zulässig (unten 1.) und hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg (unten 2.).
[3]1. Die Klage ist zulässig.
[4]a) Das Gericht ist international und örtlich zuständig.
[5]aa) Dies folgt zunächst aus Art. 18 Abs. 1 Alt. 2, 17 Abs. 1 c) der Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 (Amtsbl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO; im Folgenden: EuGVVO).
[6]Danach kann der "Verbraucher" an seinem Wohnsitz einen Vertragspartner wegen Streitigkeiten "aus dem Vertrag" verklagen, wenn der Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger ist als "Verbraucher" in diesem Sinne anzusehen. Der Verbraucherbegriff ist autonom auszulegen. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO erfasst danach alle Verträge, die eine Einzelperson zur Deckung ihres Eigenbedarfs beim privaten Verbrauch schließt und die nicht in Bezug zu einer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit stehen (BGH, Urt. v. 28.02.2012 -
[7]Der Annahme der Verbrauchereigenschaft steht auch nicht entgegen, dass das Spielen des Klägers nicht der Freizeitbeschäftigung gedient hat, sondern der Kläger das rechtsmissbräuchliche und treuwidrige Geschäftsmodell des "Spielens ohne Risiko" betreibt. In einem solchen Fall ist die Verbrauchereigenschaft zwar zu verneinen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 242 BGB in einem solchen Fall LG F. I, Endurt. v. 13.04.2021 -
[8]Auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO liegen vor. Die Beklagte als Vertragspartner hat ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen auf G., wo der Kläger seinen Wohnsitz hat, ausgerichtet, indem sie ihre Dienste über ihre deutschsprachigen Internetdomains, nämlich www.U. und www.X., Kunden in G. angeboten hat. Einigkeit besteht darüber, dass das autonom auszulegende Tatbestandsmerkmal des "Ausrichtens" jedenfalls erfüllt ist, wenn dem Vertragsschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung des Vertragspartners vorausgegangen ist. Mit dem Anbieten der Dienste in deutscher Sprache kommt zum Ausdruck, dass eine Werbung um Kunden in G. und auch ein Angebot der Dienste insbesondere in G., dem Wohnsitzstaat des Klägers, durch die Beklagte beabsichtigt und angestrebt war (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2023 -
[9]Schließlich gilt Art. 17 Abs. 1 EuGVVO auch für Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrages (vgl. BGH, Beschl. v. 25.07.2024 -
[10]Die Beklagte hat sich im Übrigen rügelos i.S. des [Art. 26] Abs. 1 Satz 1 EuGVVO eingelassen (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.01.2025 -
[11]bb) Darüber hinaus folgt die internationale Zuständigkeit des Gerichts aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Insoweit folgt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus dem Umstand, dass der Kläger seinen Anspruch auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2021, § 284 Abs. 1 StGB stützt. Das schädigende Ereignis auf Grund dieser Anspruchsgrundlagen waren die Zahlungen des Klägers an die Beklagte. Die Zahlungen gab der Kläger bei sich in Auftrag. Nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO besteht ein Gerichtsstand sowohl am - nach der EuGVVO autonom zu bestimmenden - Handlungs- als auch am Erfolgsort (vgl. EuGH, Urt. v. 28.01.2015 - C-375/13, NJW 2015, 1581, 1583 Rn. 45). In der vorgenannten Entscheidung hat der EuGH zudem ausgeführt, dass zwar bei einem Vermögensschaden nicht grundsätzlich der Wohnort des Geschädigten als Erfolgsort angenommen werden kann (EuGH, Urt. v. 28.01.2015 - C-375/13, NJW 2015, 1581, 1583 Rn. 49). Eine Zuständigkeit am Wohnort besteht aber, wenn dieser "tatsächlich der Ort des ursächlichen Geschehens oder der Verwirklichung des Schadenserfolgs" ist (EuGH, Urt. v. 28.01.2015 - C-375/13, NJW 2015, 1581, 1583 Rn. 50). Das ist vorliegend indes der Fall. Der Geldabfluss, und damit der Schaden, hat sich unmittelbar in G. verwirklicht (vgl. LG Meiningen, Versäumnisurt. v. 26.01.2021 -
[12]b) ... c) ... 2. Die Klage hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung in Höhe der im streitgegenständlichen Zeitraum aufgelaufenen Verluste, also in Höhe von insgesamt ... Euro, nebst Zinsen sowie die Freistellung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verlangen. Die weitergehende Klage ist dagegen unbegründet und abzuweisen.
[13]Im Einzelnen:
[14]a) Das Gericht geht zunächst davon aus, dass auf den vorliegenden Rechtsstreit deutsches Recht anwendbar ist. Dies folgt, soweit es um Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geht, aus Art. 12 Abs. 1 e) Rom-I-VO. Danach ist für die Folgen der Nichtigkeit eines Vertrages, insbesondere die Rückgewähr der erbrachten Leistungen, das Vertragsstatut maßgebend. Nach Art. 6 Abs. 1 b) Rom-I-VO unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Dies ist vorliegend nach dem oben zu Art. 18 EuGVVO Gesagten der Fall (s. zum Ganzen überzeugend BGH, Beschl. v. 25.07.2024 -
[15]Bezogen auf die von dem Kläger ebenfalls geltend gemachten deliktsrechtlichen Ansprüche folgt die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus dem in Folge des Geldabflusses in G. belegenen Schadensort einschlägigen Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.01.2025 -
[16]b) ...
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