Eine in den AGB gegenüber einem Verbraucher getroffene Rechtswahl kann nach Art. 6 Rom I-VO unwirksam sein, wenn sie missbräuchlich ist. Dies ist der Fall, wenn sie den falschen Eindruck erweckt, auf das gesamte Vertragsverhältnis sei ausschließlich ausländisches Recht anwendbar, ohne einen Hinweis auf die fortbestehende Anwendbarkeit zwingender Bestimmungen des deutschen Rechts. [LS der Redaktion]
Die Beklagte mit Sitz in Malta ist Betreiberin von Online-Casinos bzw. Online-Glücksspielen. Sie verfügte hierzu über eine nach maltesischem Recht wirksame Erlaubnis. Über eine Glücksspiellizenz nach baden-württembergischem Recht verfügte die Beklagte nicht. Die Beklagte bot jedenfalls auch in den Jahren 2017 und 2018 Online-Glücksspiele über ihre deutschsprachige Internetdomain https://...com an. Der Kläger war mit seiner E-Mail-Adresse unter der Kundennummer ... bei der Beklagten als Spieler registriert. Im Zeitraum vom xx.xx.2017 bis xx.xx.2018 nahm der Kläger an von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen, namentlich an Automatenspielen (sog. „einarmiger Bandit“) teil. Die Höhe der vom Kläger erbrachten Spieleinsätze war zwischen den Parteien erstinstanzlich streitig. Die Abbuchungen und Auszahlungen erfolgten über ein in Deutschland geführtes Konto des Klägers. Zwischen den Parteien ist streitig, ob in den AGB eine Rechtswahl zugunsten des maltesischen Rechts getroffen worden ist.
Das Landgericht Waldshut-Tiengen hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger ... € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
[1]II.
[2]Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet ...
[3]A.
[4]Das Landgericht ist zutreffend von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO) ausgegangen, was die Beklagte mit der Berufung nicht mehr angreift. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts (LGU S. 4).
[5]B.
[6]1. Das Landgericht ist zu Recht von der Anwendbarkeit deutschen Rechts für den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB ausgegangen.
[7]a) Nach Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
[8]Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind Verbraucher natürliche Personen, die zu einem privaten Zweck einen Vertrag schließen, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Begriff des Verbrauchers ist eng auszulegen und nach der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person zu bestimmen, so dass ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter Geschäfte als Verbraucher und im Rahmen anderer als Unternehmer angesehen werden kann. Es fallen nur Verträge unter diese Sonderregelung, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen schließt (BGH, Urteil vom 09.02.2017 -
[9]b) Dass der Kläger in diesem Sinn als Verbraucher gehandelt hat und die Tätigkeit der Beklagten (auch) auf den deutschen Markt ausgerichtet war, wird von der Beklagten mit der Berufung nicht mehr angegriffen.
[10]c) Die Parteien haben keine (wirksame) abweichende Rechtswahl getroffen. Denn die in Ziffer 2.16 der AGB der Beklagten enthaltene Rechtswahl zu Gunsten des maltesischen Rechts ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
[11]aa) Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.
[12]Eine in AGB enthaltene Rechtswahlklausel ist missbräuchlich, wenn sie den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht des Mitgliedstaats des Gewerbetreibenden anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre (EuGH, Urteil vom 28.7.2016 - C -191/15, NJW 2016, 2727 Rn. 71, beck-online).
[13]Dementsprechend sind die §§ 305 ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossen haben, anzuwenden (BGH, Urteil vom 19.07.2012 -
[14]bb) Gemessen hieran ist die Rechtswahlklausel in den AGB der Beklagten unwirksam, sie ist nicht klar und verständlich. Denn sie erweckt den falschen Eindruck, auf das gesamte Vertragsverhältnis sei ausschließlich maltesisches Recht anwendbar, ohne einen Hinweis auf die fortbestehende Anwendbarkeit zwingender Bestimmungen des deutschen Rechts.
[15]Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht auf „die Besonderheiten des deutschen Apothekenrechts“ beschränkt, sondern betrifft allgemein die Überprüfung von Rechtswahlklauseln in Verbraucherverträgen anhand des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers, hier also nach deutschem Recht. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der zitierten Rechtsprechung des EuGH.
[16]d) Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. e) Rom-I-VO ist das Vertragsstatut auch maßgebend für die Folgen der Nichtigkeit eines Vertrags, und zwar unabhängig davon, ob das Rückabwicklungsverhältnis nach dem Vertragsstatut dem Vertragsrecht oder dem Bereicherungsrecht zugewiesen wird (vgl. nur BeckOGK/Weller, Rom I-VO, Stand: 01.10.2020, Art. 12, Rn. 43).
[17]2. ...
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