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Verfahrensgang

LG Köln, Urt. vom 16.03.2022 – 16 O 558/20, IPRspr 2022-35

Rechtsgebiete

Allgemeine Lehren → Rechtswahl
Zuständigkeit → Versicherungs-, Verbraucher-, Arbeitsgerichtsstand
Vertragliche Schuldverhältnisse → Verbraucherrecht

Leitsatz

Eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigen ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt, stellt eine unangemessene Benachteiligung gegenüber dem Verbraucher dar. Die Überschrift "Anwendbares Recht" vermittelt dem Verbraucher einen falschen Eindruck und hält ihn potenziell davon ab, geeignete Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Insgesamt wird aus der pauschalen Verweisung auf ausländisches Recht nicht hinreichend konkret erkennbar, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen schließlich Anwendung finden. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB §§ 305 ff.; BGB § 307; BGB § 812; BGB § 818
EuGVVO 1215/2012 Art. 17; EuGVVO 1215/2012 Art. 18
Rom I-VO 593/2008 Art. 6

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen die Beklagte Rückzahlungsansprüche in Zusammenhang mit Online-​Sportwetten und Online-​Glücksspielen geltend. Die Beklagte, ein in H ansässiges Unternehmen, ist Betreiberin der Internetseite https://..., auf der sie öffentlich Online-​Sportwetten und Online-​Casinospiele anbietet. Sie verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über die Glücksspielerlaubnis nach dem Recht des Staates H , jedoch nicht über eine Konzession im Bundesland Nordrhein-​Westfalen. Der in Bergisch Gladbach in Nordrhein-​Westfalen wohnhafte Kläger nahm 2017 bis 2020 über die Internetseite der Beklagten an Online-​Glücksspielen (Casinospielen) teil. Die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) lauten auszugsweise: “Anwendbares Recht: Die vorliegenden Verträge unterliegen dem Recht von H und werden entsprechend ausgelegt." Der Kläger leistete im streitgegenständlichen Zeitraum Einzahlungen in Höhe von ... EUR an die Beklagte, denen Auszahlungen in Höhe von ... EUR gegenüberstanden. Der Verlust (Differenz der Ein- und Auszahlungen) des Klägers beträgt ... EUR.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die Klage ist zulässig und begründet.

[2]I.

[3]Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel-​Ia-​VO/EuGVVO).

[4]Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag verklagen, wenn sein Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

[5]Als Verbraucher i.S.d Art. 17 EuGVVO ist jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer (gegenwärtigen oder zukünftigen) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können (MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2022, Brüssel Ia-​VO Art. 17 Rn. 2).

[6]Der Kläger ist Verbraucher mit Wohnsitz in Bergisch Gladbach. Dies hat die Beklagte nicht substantiiert in Abrede gestellt. Die Beklagte übt ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus. Sie hat ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen auf Deutschland ausgerichtet, indem sie ihre Dienste über ihre deutschsprachige Internetdomain Kunden in Deutschland angeboten hat.

[7]II.

[8]Auf den jeweiligen Spielvertrag ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) VO (EG) 593/2008 (Rom-​I-VO) deutsches Recht anzuwenden, da der Kläger nach seinem schlüssigen Vortrag seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und er von seiner Wohnung in Bergisch Gladbach aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an den Online-​Casinospielen und -Sportwetten teilgenommen hat.

[9]Die in Ziff. 24 der AGB von der Beklagten enthaltene Rechtswahlklausel steht dem nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob die Klausel, mit der das Recht von H gewählt wurde, wirksam in den Spielvertrag einbezogen wurde, denn die Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam (vgl. LG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 12 O 510/20 (IPRspr 2021-202) -​, Rn. 22, juris).

[10]Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-​l-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Die §§ 305 ff. BGB bleiben somit anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH stellt eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigen ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt, eine unangemessene Benachteiligung gegenüber dem Verbraucher dar (vgl. BGH, Urt. v. 19. 07. 2012 - I ZR 40/11 (IPRspr 2012-25b), MMR 2013, 501, 504, beck-​online). Die Überschrift "Anwendbares Recht" vermittelt dem Verbraucher einen falschen Eindruck und hält ihn potenziell davon ab, geeignete Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Insgesamt wird aus der pauschalen Verweisung auf ausländisches Recht nicht hinreichend konkret erkennbar, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen schließlich Anwendung finden.

[11]III.

[12]Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von ... EUR aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB.

[13]1. ...

Fundstellen

Volltext

Link, NRWE (Rechtsprechungsdatenbank NRW)
Link, openJur

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2022-35

Lizenz

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