Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die einen Verbrauchervertrag ausländischem Recht (hier: dem Recht von Gibraltar) unterwirft, unterliegt der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB, da gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom l-VO eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen darf, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.
Eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigkeiten ausschließlich ausländisches Recht gelten lässt, stellt gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar, da die Überschrift ,,Anwendbares Recht" dem Verbraucher einen falschen Eindruck vermittelt und ihn potenziell davon abhält, geeignete Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. [LS der Redaktion]
Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Spieleinsätzen beim Online-Glücksspiel. Die Beklagte ist seit Jahren Betreiberin der Internetseite ww.c.com, auf der sie öffentlich Casino-Spiele anbietet, darunter unter anderem virtuelle als auch liveübertragene Roulette-Spiele als auch virtuelle Automatenspiele. Sie verfügt über die Glücksspiellizenz des Staates Malta, jedoch nicht über eine Konzession für das Anbieten von Online-Glücksspielen im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Der Kläger ist wohnhaft in T in Nordrhein-Westfalen und nutze die Internetseite im Zeitraum Dezember 2013 – Oktober 2020. Die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten eine pauschale Rechtswahl zugunsten des Rechts von Gibraltar.
Der Kläger behauptet, insgesamt habe er in dem Zeitraum von 2017-2020 Geld bei der Beklagten auf deren Internetseite verspielt. Die Zahlungen seien über sein in Deutschland geführtes Girokonto erfolgt. Er habe weder aus Schleswig-Holstein noch aus dem Ausland an den Glücksspielen teilgenommen. Er habe nicht gewusst, dass das angebotene Online-Glücksspiel verboten sei, sondern sei vielmehr von der gesetzlichen Erlaubnis ausgegangen. Erst Anfang Oktober 2020 habe er durch Mitteilung eines Mitarbeiters der Beklagten erfahren, dass die Roulette-Spiele ausgeschlossen würden, um eine Lizenz des deutschen Staates zu erhalten. Erst daraufhin habe er sich darüber informiert, dass in Deutschland Online-Glücksspiel illegal sei. Vorher habe er eine Veröffentlichung in Bezug auf eine Illegalität nicht zur Kenntnis genommen. Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen.
[1]I.
[2]Die Klage ist zulässig und begründet.
[3]1) Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Aachen ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag verklagen, wenn sein Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Als Verbraucher ist jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer (gegenwärtigen oder zukünftigen) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können (Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, Art. 17 EuGVVO, Rn. 2). Der Kläger ist somit Verbraucher mit Wohnsitz in Stolberg bei Aachen, während die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland ausrichtet. Dies ergibt sich daraus, dass die Dienste in deutscher Sprache angeboten werden und sich Kunden mit dem Herkunftsland Deutschland anmelden können.
[4]2) Die Anwendbarkeit des deutschen materiellen Zivilrechts ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO. Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO ist eröffnet. Ein Fall des Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO ist nicht eröffnet. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO liegen vor. Der Kläger handelte als Verbraucher. Die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit unter anderem auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet. Auch die Rückabwicklung von nichtigen Verträgen unterfällt dem Vertragsstatut. An der Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts ändert es auch nichts, dass laut Ziffer 24 der Allgemeinen Vertragsbedingungen die Beklagte den Vertrag dem Recht von Gibraltar unterwerfen möchte. Die Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-l-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Die §§ 305 ff. BGB bleiben somit anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH stellt eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen Unternehmer gegenüber Deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigen ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt eine unangemessene Benachteiligung gegenüber dem Verbraucher dar (vgl. BGH, Urt. v. 19. 7. 2012 -
[5]3) ...
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