Die internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen eine in der Schweiz ansässige Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, mit der ein in Deutschland wohnhafter Unfallgeschädigter Schadenersatz wegen eines Verkehrsunfalls in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union fordert, richtet sich unbeschadet des Umstands, dass die Klage im Inland unter der Adresse der als „Direktion für Deutschland“ bezeichneten Organisationseinheit zugestellt werden kann, nach dem Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 [LugÜ II].
Der im Bezirk des LG Passau wohnhafte Antragsteller verlangt mit seiner bei diesem Gericht erhobenen Klage von den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am xx.xx.2023 in Slowenien zugetragen hat. Das vom Antragsgegner zu 2) gesteuerte Wohnmobil ist bei der Antragsgegnerin zu 1) haftpflichtversichert. Die Antragsgegnerin zu 1) ist eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Gesellschaftssitz in St. Gallen/Schweiz und einer im Handelsregister B des Amtsgerichts Frankfurt am Main eingetragenen Zweigniederlassung. Der Antragsgegner zu 2) ist im Bezirk des Landgerichts Stuttgart wohnhaft.
Die Antragsgegner rügten bereits in ihrer Verteidigungsanzeige und nochmals mit der Klageerwiderung die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gericht. Daraufhin hat der Antragsteller beim Bayerischen Obersten Landesgericht den Antrag gestellt, für den Rechtsstreit das Landgericht Passau, hilfsweise das Landgericht Stuttgart und wiederum hilfsweise das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht zu bestimmen.
[1]II.
[2]Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Passau als das für den Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner (örtlich) zuständige Gericht.
[3]1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, weil die Antragsgegner ihren jeweiligen inländischen (allgemeinen oder besonderen) Gerichtsstand in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken haben, und daher das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil durch die Einreichung der Klageschrift beim Landgericht Passau ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst worden ist (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 8).
[4]Der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners zu 2) richtet sich gemäß §§ 12, 13 ZPO nach dessen Wohnsitz und befindet sich im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart.
[5]Die Antragsgegnerin zu 1) verfügt im Inland über keinen allgemeinen Gerichtsstand, weil sie nicht in Deutschland ansässig ist. Sie ist eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Gesellschaftssitz in St. Gallen/Schweiz, mithin in einem durch das Luganer Übereinkommen gebundenen Vertragsstaat. Gemäß Art. 60 LugÜ haben Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung dieses Übereinkommens ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich (a) ihr satzungsmäßiger Sitz, (b) ihre Hauptverwaltung oder (c) ihre Hauptniederlassung befindet. Im Streitfall kommt nach dem Akteninhalt nur der Satzungssitz als Anknüpfungspunkt in Betracht. Die „Direktion für Deutschland“, an deren inländischer Anschrift Zustellungen vorgenommen werden können (vgl. auch Lafontaine in Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kapitel 42 Rn. 85; Piontek in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, 1. Teil VVG und Nebengesetze, VO [EU] 1215/2012 Art. 13 Rn. 4; Staudinger in Rauscher, EuZPR - EuIPR, 5. Aufl. 2021, Art. 10 Brüssel Ia-VO Rn. 8, Art. 13 Brüssel Ia-VO Rn. 33; im Anwendungsbereich des Art. 21 Abs. 5 der Richtlinie 2009/103/EG außerdem: EuGH, Urt. v. 10. Oktober 2013, C-306/12 – Spedition Welter, NJW 2014, 44 Rn. 31) und vorliegend die Klageschrift zugestellt worden ist, ist Schadenregulierungsbeauftragte dieser Versicherungsgesellschaft. Als Organisationseinheit bearbeitet und reguliert sie für das ausländische Versicherungsunternehmen Haftpflichtansprüche, die in Deutschland wohnhafte Geschädigte gegen die Versicherungseinrichtung wegen eines Verkehrsunfalls erheben (Art. 79b, 79c SVG [Schweizerisches Strassenverkehrsgesetz]). Ausweislich des Eintrags im ELektronisch geführten Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main, dessen Inhalt offenkundig i. S. d. § 291 ZPO und somit im vorliegenden Verfahren verwertbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Mai 2023,
[6]Jedoch besteht für sie im Streitfall die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und ein besonderer Gerichtsstand im Oberlandesgerichtsbezirk München. Dies genügt, um den Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu eröffnen und die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts zu begründen. In Fällen mit Auslandsberührung ist es für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausreichend, wenn für den Streitgenossen ohne inländischen allgemeinen Gerichtsstand ein besonderer Gerichtsstand im Bundesgebiet eröffnet ist (BGH, Beschl. v. 20. Oktober 2020,
[7]Direktklagen des Unfallgeschädigten gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung sind Versicherungssachen im Sinne des Titels II Abschnitt 3 (Zuständigkeit für Versicherungssachen) des Luganer Übereinkommens (vgl. EuGH, Urt. v. 13. Dezember 2007, C-463/06 – FBTO/Jack Odenbreit, NJW 2008, 819 Rn. 30 zu Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b] der Verordnung [EG] Nr. 44/2001; Nordmeier in Thomas/Putzo, ZPO, 45. Aufl. 2024, Art. 10 EuGVVO Rn. 1; Paulus in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 66. EL Januar 2023, VO [EG] 1215/2012 Art. 10 Rn. 40, Art. 13 Rn. 19 ff.; Staudinger in Rauscher, EuZPR - EuIPR, Art. 10 Brüssel Ia-VO Rn. 16; Staudinger in Münchener Kommentar zum StVR, Bd. 3, 2019, 1. Kapitel II. Rn. 36). Für solche Direktklagen ergibt sich aus Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) LugÜ eine Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Klägers unter der Voraussetzung, dass eine unmittelbare Klage des Geschädigten gegen den in einem Vertragsstaat des Luganer Übereinkommens ansässigen Haftpflichtversicherer des Schädigers zulässig ist (vgl. EuGH, Urt. v. 13. Juli 2017, C-368/16 – Assens Havn, NJW 2017, 2813 Rn. 40 zu Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b] der Verordnung [EG] Nr. 44/2001; BGH, Urt. v. 23. Oktober 2012,
[8]Eine solche Direktklage des geschädigten Antragstellers gegen die in der Schweiz ansässige Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ist möglich. Nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO), die wegen des ausländischen Unfallorts Anwendung findet (vgl. Lafontaine in Geigel, Haftpflichtprozess, Kapitel 42 Rn. 88; Bachmeier in Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen, 3. Aufl. 2022, § 4 Rn. 221, 223; Piontek in Prölss/Martin, VVG, VO [EU] 1215/2012 Art. 13 Rn. 4), reicht es aus, wenn das Versicherungsvertragsstatut oder das Deliktstatut die Direktklagemöglichkeit eröffnet (vgl. EuGH, Urt. v. 9. September 2015, C-240/14 – Prüller-Frey/Brodnig, NJW 2016, 385 Rn. 39 bis 41; Paulus in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, VO [EG] 1215/2012 Art. 13 Rn. 21; Thole in Stein/Jonas, ZPO, Art. 13 EuGVVO Rn. 11). Entsprechendes gilt gemäß Art. 11 i. V. m. Art. 9 des Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht zum 4. Mai 1971 (Haager Straßenverkehrsübereinkommen; HStÜ), das die Schweiz und Slowenien ratifiziert haben (Lafontaine in Geigel, Haftpflichtprozess, Kapitel 42 Rn. 87; Engel in Herberger/Martinek/ Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. Stand: 1. Juli 2023, Art. 18 Rom II-VO Rn. 3; Auer in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, VO [EG] 44/2001 Art. 11 Rn. 16; Bachmeier in Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen, § 5 Rn. 669). Danach kann vorliegend kein Zweifel an der Zulässigkeit einer Direktklage bestehen. Das Recht der Schweizerischen Eidgenossenschaft als mögliches Vertragsstatut gestattet mit Art. 65 SVG die Direktklage des Unfallgeschädigten gegen den Haftpflichtversicherer (vgl. auch BGH, Urt. v. 23. Oktober 2012,
[9]Danach ist für die Antragsgegnerin zu 1) ein besonderer inländischer Gerichtsstand am Gericht des Klägerwohnsitzes im Oberlandesgerichtsbezirk München eröffnet.
[10]2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
[11]a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, welche durch eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht begründet werden kann, sondern für eine solche Voraussetzung ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17. September 1980,
[12]b) ... c) Die Antragsgegner sollen nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen des Antragstellers als Streitgenossen im Sinne von § 59 ZPO in Anspruch genommen werden.
[13]Das Bestehen einer Streitgenossenschaft ist nach deutschem Recht zu beurteilen, weil dies eine verfahrensrechtliche Frage ist, für die das Recht des Gerichtsortes gilt (vgl. BayObLG, Beschl. v. 25. Juli 1995,
[14]d) Ein gemeinsamer Gerichtsstand, der einer Bestimmung grundsätzlich entgegenstünde, ist im Streitfall nicht eröffnet.
[15]aa) Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand besteht nicht beim Landgericht Passau, denn dort besteht keine örtliche Zuständigkeit für eine Klage gegen den Antragsgegner zu 2).
[16]Weil sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall in Slowenien ereignet hat, liegt im Verhältnis zwischen den in Deutschland wohnhaften (Art. 62 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO, § 7 BGB) Prozessparteien, dem Antragsteller und dem Antragsgegner zu 2), ein sogenannter unechter Inlandsfall vor, auf den die Brüssel-Ia-VO grundsätzlich Anwendung findet (vgl. Staudinger in Münchener Kommentar zum StVR, Band 3, 1. Kapitel, II. Rn. 38). Denn bereits wegen des ausländischen Unfallorts hat der Rechtsstreit einen grenzüberschreitenden Bezug. Die Regelungen der Brüssel-Ia-VO sind in Deutschland unmittelbar geltendes Recht.
[17]Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 63 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO gibt lediglich die internationale Zuständigkeit – hier der deutschen Gerichte – vor, verweist aber wegen der örtlichen Zuständigkeit auf das nationale Prozessrecht. Der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners zu 2) besteht danach – wie ausgeführt – beim Landgericht Stuttgart, §§ 12, 13 ZPO.
[18]Für ihn ist daneben kein weiterer inländischer Gerichtsstand, insbesondere kein Gerichtsstand beim Landgericht Passau, unter dem Aspekt der Streitgenossenschaft gemäß Art. 8 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO eröffnet. Nach dieser Vorschrift kann, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, eine Person mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats auch vor dem Gericht desjenigen Ortes verklagt werden, an dem einer der Mitbeklagten seinen Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen. In der vorliegenden Streitsache ist im Inland jedoch kein weiterer Antragsgegner ansässig, der als sogenannter Ankerbeklagter fungieren könnte. Die Antragsgegnerin zu 1) ist am Wohnsitzgericht des Antragstellers lediglich gemäß Art. 11 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) LugÜ gerichtspflichtig, sodass sie als Ankerbeklagte nicht in Betracht kommt. Der besondere Gerichtsstand am Klägerwohnsitz kann nicht den „Anker setzen“ für eine Klage gegen den Antragsgegner zu 2) als Streitgenossen (vgl. BGH NJW 2015, 2429 Rn. 13 ff. m. w. N. (IPRspr 2015-219c); Thole in Stein/Jonas, ZPO, Art. 13 EuGVVO Rn. 16; Staudinger in Münchener Kommentar zum StVR, Bd. 3, 1. Kapitel II. Rn. 22). Zudem ist Art. 8 Brüssel-Ia-VO nach allgemeiner Meinung nur anwendbar, wenn der Wohnsitzstaat des Streitgenossen nicht zugleich der Gerichtsstaat ist (Thole in Stein/Jonas, ZPO, Art. 8 EuGVVO Rn. 4).
[19]Ein gemeinsamer Gerichtsstand ergibt sich vorliegend auch nicht aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel-Ia-VO. Nach dieser Bestimmung, die auch die örtliche Zuständigkeit regelt (BayObLG, Beschl. v. 6. Februar 2023,
[20]Ein Gerichtsstand am klägerischen Wohnsitz ist schließlich nicht nach Art. 13 Abs. 2 i. V. m. Art. 11 Abs. 1 Buchst. b) Brüssel-Ia-VO begründet, weil diese Vorschriften nicht anwendbar sind, wenn Anspruchsteller und Anspruchsgegner – wie hier – im selben Staat ihren (Wohn-)Sitz haben (Eichelberger in BeckOK ZPO, Brüssel-Ia-VO Art. 11 Rn. 16; Nordmeier in Wieczorek/Schütze, ZPO, EUV 1215/2012 Art. 11 Rn. 6; Dörner in EG-Anerkennungs-/Vollstreckungs-ZustVO, 7. Aufl. 2017, EuGVVO Art. 11 Rn. 3). Zudem sind die Vorschriften nicht in Bezug auf den Fahrer des versicherten Fahrzeugs (hier den Antragsgegner zu 2]) anwendbar (vgl. Lafontaine in Geigel, Haftpflichtprozess, Kapitel 42 Rn. 85; vgl. zur Ablehnung eines gemeinschaftlichen „Opfergerichtsstands“ am Wohnort des Klägers bei einer Klage gegen Halter und Versicherer des Fahrzeugs in einem unechten Inlandsfall auch OLG Hamm, Beschl. v. 15. Januar 2019, 32 SA 64/18, juris Rn. 10 ff.).
[21]bb) Auch sonst ist für einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand im Inland nichts ersichtlich.
[22](1) Für die Antragsgegnerin zu 1) besteht keine (weitere) örtliche Zuständigkeit am allgemeinen Gerichtsstand des Antragsgegners zu 2), dem Landgericht Stuttgart.
[23]Zwar kann der Geschädigte gemäß Art. 11 Abs. 2 LugÜ den Versicherer vor jedes Gericht ziehen, bei dem eine Zuständigkeit nach Art. 8 bis 10 LugÜ für die Klage des Versicherungsnehmers und der übrigen am Versicherungsverhältnis Beteiligten gegeben ist (vgl. BGH NJW 2015, 2429 (IPRspr 2015-219c); Sendmeyer, NJW 2015, 2384 [2385]). Wegen des ausländischen Sitzes der Versicherung und des im Ausland belegenen Unfallorts folgen daraus jedoch vorliegend keine weiteren inländischen Gerichtsstände.
[24]Der Gerichtsstand für Versicherungssachen gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) LugÜ legt nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit des mitgliedstaatlichen Gerichts fest, in dessen Bezirk sich der Wohnsitz des Klägers befindet (vgl. zu Art. 11 Abs. 1 Buchst. b] Brüssel-Ia-VO: EuGH, Urt. v. 30. Juni 2022, C-652/20 – HW u.a./Allianz ELementar Versicherungs AG, NJW-RR 2022, 1140 Rn. 41 ff.). Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) LugÜ räumt einem geschädigten Kläger daher nicht die Möglichkeit ein, neben dem Gericht, in dessen Bezirk sich sein Wohnsitz befindet, jedwedes andere Gericht seines Wohnsitzstaates anzurufen.
[25]Eine Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgarts folgt auch nicht aus Art. 6 Nr. 1 LugÜ, dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft. Zwar kann gemäß Art. 6 Nr. 1 LugÜ bei dem Gericht, in dessen Bezirk der sogenannte Ankerbeklagte seinen (inländischen) Wohnsitz hat, Klage auch gegen den im Ausland ansässigen Streitgenossen erhoben werden. Der im Inland wohnhafte Antragsgegner zu 2) käme auch grundsätzlich als sogenannter Ankerbeklagter in Betracht. Einem Rückgriff auf den Gerichtsstand des Sachzusammenhangs hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) steht jedoch der abschließende Charakter der Zuständigkeitsregeln in Versicherungssachen entgegen. Nach dem klaren Wortlaut des Art. 8 LugÜ bestimmt sich die Zuständigkeit für Klagen in Versicherungssachen ausschließlich nach den Regelungen des Abschnitts 3 des Titels II (Art. 8 bis 14) des Luganer Übereinkommens (vgl. auch Paulus in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, VO [EG] 1215/2012 Art. 10 Rn. 16; Thole in Stein/Jonas, ZPO, Art. 8 EuGVVO Rn. 6; Staudinger in Rauscher, EuZPR - EuIPR, Art. 10 Brüssel Ia-VO Rn. 7; Staudinger in Münchener Kommentar zum StVR, Bd. 3, 1. Kapitel II. Rn. 22 und 37; Staudinger, IPRax 2018, 366 [370]).
[26](2) Auch unter anderen Aspekten ist ein einheitlich zuständiges Gericht für den Rechtsstreit nicht ersichtlich.
[27]In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob für die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) ein weiterer Gerichtsstand in Frankfurt am Main nach Art. 8 i. V. m. Art. 5 Nr. 5 LugÜ eröffnet wäre. Denn dort besteht jedenfalls für die gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtete Klage keine örtliche Zuständigkeit, insbesondere keine Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO. Auf die Ausführungen unter Ziffer 2. d) aa) kann zur Begründung verwiesen werden.
[28]3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie. Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand haben. Hat einer der Streitgenossen im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, sind in die Auswahl die für diesen Streitgenossen im Inland eröffneten besonderen Gerichtsstände einzubeziehen.
[29]Der Senat wählt unter den danach in Betracht kommenden Landgerichten Stuttgart und Passau das Landgericht Passau.
[30]Das Landgericht Frankfurt am Main kann auf der Grundlage des Akteninhalts nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen werden. Im Prozessrechtsverhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) wäre ein besonderer Gerichtsstand in Frankfurt am Main nach Art. 8 i. V. m. Art. 5 Nr. 5 LugÜ nur dann eröffnet, wenn mit der Benennung zur Schadenregulierungsbeauftragten auch der Status einer Niederlassung i. S. d. Art. 5 Nr. 5 LugÜ verliehen worden wäre (vgl. Staudinger in Staudinger, BGB, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2021, Vierter Teil IntVertrVerfR Rn. 180, 318) und der für den besonderen Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 5 LugÜ erforderliche Bezug des Streitstoffs zum Betrieb der Zweigniederlassung in Frankfurt am Main tatsächlich bestehen würde (dazu: Staudinger in Rauscher, EuZPR – EuIPR, Art. 10 Brüssel Ia-VO Rn. 8, Art. 13 Brüssel Ia-VO Rn. 26 a. E.). Die Eintragung der „Direktion für Deutschland“ als Zweigniederlassung im Handelsregister könnte zwar für eine Qualifikation als Niederlassung i. S. d. Art. 5 Nr. 5 LugÜ sprechen (ablehnend: Nordmeier in Wieczorek/Schütze, ZPO, EUV 1215/2012 Art. 10 Rn. 35). Jedoch kann nicht festgestellt werden, dass die Streitigkeit den erforderlichen Bezug zu dieser Niederlassung hat (dazu: Nordmeier in Wieczorek/Schütze, ZPO, EUV 1215/2012 Art. 10 Rn. 36). Die Parteien haben hierzu nichts vorgetragen, obwohl sie Gelegenheit dazu erhalten haben.
[31]Bei der somit zwischen den Landgerichten Stuttgart und Passau zu treffenden Wahl ist der Anwendungsvorrang des Luganer Übereinkommens zu beachten (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Oktober 2020,
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