Der Beitritt eines Verbrauchers zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Personengesellschaft ist als Verbrauchergeschäft anzusehen, wenn der Zweck des Beitritts vorrangig nicht darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzulegen. Bei einer privaten Vermögensanlage ist unerheblich, woher das Geld stammt und wie hoch die Anlage ist. Vor diesem Hintergrund ist eine Genussrechtsbeteiligung als Verbrauchergeschäft anzusehen.
Gemäß § 183 Abs. 1 ZPO (idF vom 11. Juni 2017) in Verbindung mit Art. 14 EuZVO kann die Zustellung an den Beklagte per Einschreiben mit (internationalem) Rückschein veranlasst werden.
Im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 EuZVO ist allgemein anerkannt, dass bei Zustellungen an juristische Personen bzw. Gesellschaften für die Beurteilung der vorhandenen Sprachkenntnisse weder allein auf die Sprachkenntnisse der Organe der betroffenen juristischen Person/Gesellschaft noch auf die der das zuzustellende Schriftstück im Ausland unmittelbar entgegennehmenden Person abgestellt werden kann. Es genügt vielmehr, wenn im Rahmen der üblichen dezentralen Organisationsstruktur eines Unternehmens die mit der Sache befasste Abteilung über eine der entsprechenden Sprache kundige Person verfügt, deren Einschaltung in die Übersetzung des Schriftstücks nach den gesamten Umständen erwartet werden kann.
Für die Wirksamkeit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Rechtswahlklausel ist gemäß Art. 27 Abs. 4 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 EGBGB aF das Recht maßgebend, das nach der Klausel angewendet werden soll. Nach österreichischem Recht reicht die Rechtswahl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus.
Das solchermaßen anwendbare Sachrecht gilt nicht nur für die Erfüllung vertraglich begründeter Verpflichtungen (Art. 32 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB aF), sondern unter anderem auch für die Folgen der Nichterfüllung (Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB aF), mithin für Fragen des Schuldnerverzugs und die Bestimmung gesetzlicher Zinsen einschließlich Prozesszinsen. [LS der Redaktion]
[Siehe auch die Entscheidungen des OLG Köln gleichen Datums –
Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine englische Limited mit Sitz in W., im Zusammenhang mit einer Genussrechtsbeteiligung auf Rückzahlung der getätigten Einlage sowie auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Die Klägerin zeichnete im Jahr 2007 eine Genussrechtsbeteiligung an der K. (im Folgenden: K.) mit Sitz in P. Bei der Zeichnung wurden die Genussrechtsbedingungen "K. B." zugrunde gelegt. Unter dem 21.5.2007 erklärte die Klägerin ihre Zustimmung zur Neufassung der Genussrechtsbedingungen und den Emittentenwechsel von der K. auf deren Rechtsnachfolgerin, die I. mit Sitz in P. Die Genussrechtsbedingungen "H." (im Folgenden: GRB) sahen in § 13 Nr. 1 für die Genussrechtsbedingungen sowie alle sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten die ausschließliche Geltung des Rechts der Republik Österreich vor. Rechtsnachfolgerin der I. wurde im Jahr 2013 die ebenfalls in der Republik Österreich ansässige O., die mit Wirkung zum 31.12.2018 grenzüberschreitend auf die im Vereinigten Königreich ansässige Beklagte verschmolzen wurde.
Die Klägerin, die die Genussrechtsbeteiligung im November 2011 mit Wirkung zum 31.12.2012 ordentlich und sodann mit anwaltlichem Schreiben vom 19.4.2019 außerordentlich gekündigt hat, begehrt von der Beklagten, deren Rechtsvorgängerin unter Hinweis auf die Mindestvertragsdauer von 14 Jahren die ordentliche Kündigung zum 31.12.2021 bestätigt hatte, im Wesentlichen die Rückzahlung der getätigten Einlage nebst Zinsen sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat mit Urteil vom 24.11.2020 die Beklagte zur Zahlung mit der beantragten Zug-um-Zug-Einschränkung sowie zur Freistellung der Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihr Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt.
[1]II.
[2]1. Die Berufung ist begründet, soweit sie sich gegen einen Teil der zugesprochenen Hauptforderung (dazu unter b bb), der auf die Hauptforderung zuerkannten Zinsen in einer 4 Prozent p.a. übersteigenden Höhe (dazu b cc) und der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (dazu unter b dd) wendet. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.
[3]a) Das Landgericht ist mit Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen.
[4]aa) aaa) Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteile vom 7. November 2001 -
[5](1) Die Zuständigkeitsbestimmungen der EuGVVO finden unbeschadet des in der Zwischenzeit vollzogenen Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union vorliegend Anwendung. Dies ergibt sich aus Art. 67 Abs. 1 lit. a) des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 24. Januar 2020 (ABl. EU Nr. L 29 S. 7 ff. vom 31. Januar 2020; im Folgenden: Austrittsabkommen bzw. AA). Danach sind unter den dort aufgestellten und vorliegend erfüllten Voraussetzungen die Zuständigkeitsbestimmungen der EuGVVO auf gerichtliche Verfahren anwendbar, die vor dem Ablauf der - gemäß Art. 2 lit. e), Art. 126 AA am 31. Dezember 2020 endenden - Übergangszeit eingeleitet worden sind (vgl. im Einzelnen Wagner, IPRax 2021, 1, 6; Dickinson, IPRax 2021, 213, 219). Das ist hier der Fall.
[6](2) Ferner ist der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet, denn der Streitgegenstand der Klage, auf den in diesem Zusammenhang maßgeblich abzustellen ist (vgl. nur EuGH, Urteil vom 15. Mai 2003 - Rs. C-266/01- TIARD SA, Slg. I-4881, 4895 Rn. 42), betrifft - was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt - eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO.
[7](3) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich vorliegend aus dem für Verbrauchersachen vorgesehenen Gerichtsstand der Art. 17 Abs. 1 lit. c), Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 29. Januar 2021 -
[8]Nach diesen Vorschriften kann ein Verbraucher, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht den anderen Vertragspartner in Anspruch nehmen (Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO). Die Anwendung dieser Vorschriften setzt unter anderem voraus, dass zwischen dem Verbraucher und einem beruflich oder gewerblich Handelnden ein Vertrag tatsächlich geschlossen wurde. Bei der gebotenen autonomen Auslegung dieser Voraussetzung ist zu berücksichtigen, dass Art. 17 Abs. 1 EuGVVO eng auszulegen ist. Die Vorschrift beinhaltet eine Abweichung sowohl von der allgemeinen Zuständigkeitsregel in Art. 4 Abs. 1 EuGVVO, nach der die Gerichte im Mitgliedstaat des Beklagtenwohnsitzes zuständig sind, als auch von der besonderen Zuständigkeitsregel des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO für Verträge oder Ansprüche aus Verträgen, nach der das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre (vgl. EuGH, Urteile vom 6. September 2012 - Rs. C-190/11 - Mühlleitner, NJW 2012, 3225 Rn. 26 f.; und vom 28. Januar 2015 - Rs. C-375/13 - Kolassa, NJW 2015, 1581 Rn. 28). Außerdem kann mit dem Erfordernis eines tatsächlichen Vertragsschlusses die Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes sichergestellt werden, die ausweislich ihres 15. Erwägungsgrundes zu den Zielen der EuGVVO zählt.
[9]Nach dieser Maßgabe hat das Landgericht sowohl die Verbrauchereigenschaft der Klägerin als auch die Voraussetzungen einer Verbrauchersache im Sinne von Art. 17 EuGVVO, die gegenständlich auf (vertragliche und deliktische) Ansprüche gestützte Klagen eines Verbrauchers erfasst, die untrennbar mit einem - wie hier - tatsächlich geschlossenen Verbrauchervertrag verbunden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 2. April 2020 - Rs. C-500/18 - AU ./. Reliantco Investments -, WM 2020, 870 Rn. 58 ff.; ebenso schon zu Art. 13 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00 - Gabriel -, Slg. 2002 I-6367 Rn. 56; vgl. ferner Gottwald, in: MünchKommZPO, 6. Aufl., Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 6), zutreffend bejaht.
[10](a) Dies gilt zunächst für die von der Berufung angegriffene Annahme, dass es sich bei der Klägerin um eine Verbraucherin im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO handle.
[11]Dabei ist der Verbraucherbegriff eng auszulegen, so dass für die Frage, ob eine Person als Verbraucher gehandelt hat, maßgeblich die Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht ihre subjektive Stellung ist (EuGH, Urteil vom 25. Januar 2018 - Rs. C-498/16 - Schrems/Facebook, NJW 2018, 1003 Rn. 29; EuGH, Urteil vom 2. April 2020 - Rs. C-500/18 -, AU ./. Reliantco Investments, WM 2020, 870 Rn. 47; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020 -
[12]Dementsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden, dass der Beitritt eines Verbrauchers zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Personengesellschaft als Verbrauchergeschäft anzusehen ist, wenn der Zweck des Beitritts vorrangig nicht darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzulegen (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - C-215/08 -, Friz GmbH ./. von der Heyden, WM 2010, 882 Rn. 25 ff.). Bei einer privaten Vermögensanlage ist unerheblich, woher das Geld stammt und wie hoch die Anlage ist (EuGH, Urteil vom 2. April 2020 - Rs. C-500/18 -, AU ./. Reliantco Investments, WM 2020, 870 Rn. 53 f.; BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2017 -
[13]Vor diesem Hintergrund ist die durch die Klägerin gezeichnete Genussrechtsbeteiligung an der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Verbrauchergeschäft anzusehen. Die entsprechende Feststellung durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Ihr liegt entsprechendes Vorbringen der Klägerin auf Seite 4 der Klagebegründung zugrunde, demzufolge die Klägerin hierbei als Verbraucherin gehandelt hat. Diesem Vortrag ist die Beklagte, die auf Seiten 1 f. der Klageerwiderung (GA 61 f.) lediglich den Abschluss eines Vertrages zwischen ihr und der Klägerin in Abrede gestellt hat, in erster Instanz nicht entgegen getreten, so dass er als unstreitig zugrunde zu legen ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei Zeichnung der Genussrechtsbeteiligung zu einem Zweck gehandelt haben könnte, der zumindest teilweise ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch mit der Berufung nicht geltend gemacht. Der in erster Instanz erhobene Einwand der Beklagten, sie habe mit der Klägerin keinen Vertrag abgeschlossen, übersieht im Übrigen, dass für die Ermittlung der für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO erheblichen Fragen des Vertragsschlusses und der räumlichen Verknüpfung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses - hier die Zeichnung der Genussrechtsbeteiligung an der Rechtsvorgängerin der Beklagten - abzustellen ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 26. November 2008 -
[14](b) Soweit die Beklagte mit der Berufung einwendet, weder sie noch ihre Rechtsvorgängerinnen - die I. bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die O., - hätten sich zielgerichtet mit ihrer operativen Tätigkeit an den deutschen Markt gewandt, vermag sie damit nicht durchzudringen (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 31. März 2021 -
[15]bbb) Entgegen der von der Berufung vertretenen Annahme steht der in § 13 Nr. 2 GRB vereinbarte Gerichtsstand am "Sitz der Gesellschaft" der Klage vor deutschen Gerichten nicht entgegen. Denn der - unterstellt wirksam vereinbarte - Gerichtsstand ist kein ausschließlicher. Dies ergibt sich aus Satz 3 des von der Berufung selektiv wiedergegebenen § 13 Nr. 2 GRB, der ausdrücklich vorsieht, dass "Die Gerichtsstandsvereinbarung ... nicht das Recht eines Genussrechtsinhabers [beschränkt], Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen". Ein solcher Vorbehalt war gemäß Art. 17 Nr. 2 EuGVVO aF (jetzt Art. 19 Nr. 2 EuGVVO) nur für eine Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen eines Verbrauchervertrages auch zwingend geboten, was wiederum impliziert, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst davon ausgegangen ist, dass die Anleger Verbraucher sein würden. Damit wird allenfalls das dem Genussrechtsinhaber eingeräumte Wahlrecht um einen zusätzlichen Gerichtsstand erweitert (ebenso OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27. Mai 2021 -
[16]ccc) Schließlich liegt - entgegen der von der Beklagten auf Seite 3 der Klageerwiderung (GA 63) hilfsweise vertretenen Auffassung - eine innergesellschaftliche Streitigkeit, die eine ausschließliche Zuständigkeit gemäß Art. 24 Nr. 2 EuGVVO begründen könnte, nicht vor.
[17]Wie sich aus § 9 GRB ergibt, hat es sich bei der Genussrechtsbeteiligung, auf deren außerordentliche Kündigung die vorliegende Klage gestützt ist, gerade nicht um eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung gehandelt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 3. März 2021 -
[18]bb) Das Landgericht ist auch zutreffend vom Vorliegen eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien ausgegangen.
[19]aaa) Die Klageschrift ist der Beklagten gemäß § 183 Abs. 1 ZPO (idF vom 11. Juni 2017) in Verbindung mit Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten ("Zustellung von Schriftstücken") und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 13. November 2007 (ABl. EU Nr. L 234 S. 79 vom 10. Dezember 2007; im Folgenden: EuZVO), die auch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich ungeachtet dessen Austritts aus der Europäischen Union gemäß Art. 68 lit. a), Art. 126 AA vorliegend Anwendung findet, ordnungsgemäß zugestellt worden. Danach kann - wie geschehen (GA 51) - die Zustellung an die Beklagte per Einschreiben mit (internationalem) Rückschein veranlasst werden. Der Nachweis der Zustellung an die Beklagte ist durch die elektronische Zustellbestätigung (GA 54 f.) sowie dadurch erbracht, dass sie durch ihre Prozessbevollmächtigten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. November 2019 auf die Klage erwidert und mit weiterem Schriftsatz vom 13. Februar 2020 dupliziert hat (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 3. März 2021 -
[20]Auch der weitere Einwand der Beklagten, demzufolge sich aus dem Klagevorbringen nicht ersehen lasse, dass sie - die Beklagte - von W. aus geführt werde, verfängt nicht. Abgesehen davon, dass die Beklagte selbst das den director als ihren Vertreter ausweisende Passivrubrum der Klage in die Berufungsbegründung aufgenommen hat, ist dem Senat aus anderen Verfahren (
[21]bbb) Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der Umstand, dass die Klage in deutscher Sprache verfasst war und nicht in die englische Sprache übersetzt wurde, als unschädlich (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 3. März 2021 -
[22]Dabei ist im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 EuZVO allgemein anerkannt, dass bei Zustellungen an juristische Personen bzw. Gesellschaften für die Beurteilung der vorhandenen Sprachkenntnisse weder allein auf die Sprachkenntnisse der Organe der betroffenen juristischen Person/Gesellschaft noch auf die der das zuzustellende Schriftstück im Ausland unmittelbar entgegennehmenden Person abgestellt werden kann. Es genügt vielmehr, wenn im Rahmen der üblichen dezentralen Organisationsstruktur eines Unternehmens die mit der Sache befasste Abteilung über eine der entsprechenden Sprache kundige Person verfügt, deren Einschaltung in die Übersetzung des Schriftstücks nach den gesamten Umständen erwartet werden kann (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 9. Mai 2019 -
[23]Davon ist bei Würdigung des Parteivortrags und der zur Verfahrensakte gereichten Unterlagen auszugehen. Abgesehen davon, dass der vertretungsberechtigte director der Beklagten, der bereits alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten war, deutscher Staatsangehöriger ist und als solcher die deutsche Sprache sowie - wie seine in anderen Verfahren vor dem Senat (
[24]Es fügt sich in das Gesamtbild, dass die Beklagte die Annahme der Klageschrift nicht verweigert bzw. sie diese nicht zurückgesandt hat.
[25]b) Das Landgericht hat der Klage mit Recht überwiegend stattgegeben (dazu bb); soweit es auf die Klageforderung Zinsen in einer 4 Prozent p.a. übersteigenden Höhe zugesprochen hat (dazu cc), ist sein Urteil nicht frei von Rechtsfehlern. Entsprechend verhält es sich für den gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, der nur in einer etwas geringeren als der ausgeurteilten Höhe begründet ist (dazu dd).
[26]aa) Soweit das Landgericht der Klage in Anwendung deutschen Sachrechts weitgehend entsprochen hat, hat es allerdings verkannt, dass vorliegend österreichisches Sachrecht Anwendung findet.
[27]aaa) Die Frage, welches Recht auf den vorliegend zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt Anwendung findet, bemisst sich nach den Artt. 27 ff. EGBGB in ihrer bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: EGBGB aF). Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (["Rom I"], ABl. EU Nr. L 177 S. 6 vom 4. Juli 2008, ber. in ABl. EU 2009 Nr. L 309 S. 87) findet vorliegend keine Anwendung, denn sie erfasst gemäß ihrem Art. 28 Abs. 1 nur solche Verträge, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden. Dies ist hier nicht der Fall.
[28]bbb) (1) Vorliegend führt die zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB aF getroffene Rechtswahl zur Anwendung österreichischen Sachrechts (vgl. Art. 35 Abs. 1 EGBGB aF).
[29](a) Für die Wirksamkeit der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Rechtswahlklausel ist gemäß Art. 27 Abs. 4 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 EGBGB aF das Recht maßgebend, das nach der Klausel angewendet werden soll (BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 -
[30]bb) Ob der Tatbestand des Art. 31 Abs. 2 EGBGB aF erfüllt ist, kann dahinstehen. Art. 31 Abs. 2 EGBGB aF führt auch in Verbindung mit § 305c Abs. 1 BGB zu keinem anderen Ergebnis, denn die Wahl des österreichischen Rechts ist nicht überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihren Sitz in P. hatte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 -
[31](c) Die Rechtswahl ist schließlich auch nicht durch Art. 27 Abs. 3 EGBGB aF eingeschränkt (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27. Mai 2021 -
[32](2) Das solchermaßen anwendbare Sachrecht gilt nicht nur für die Erfüllung vertraglich begründeter Verpflichtungen (Art. 32 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB aF), sondern unter anderem auch für die Folgen der Nichterfüllung (Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB aF), mithin für Fragen des Schuldnerverzugs und die Bestimmung gesetzlicher Zinsen einschließlich Prozesszinsen (vgl. von Hoffmann, in: Soergel, BGB, Band 10: EGBGB, 12. Aufl., Art. 32 Rn. 36; OLG Zweibrücken, Urteil vom 20. Mai 2021 -
[33]bb) Nach Maßgabe des österreichischen Rechts ist die Klage in der Hauptsache in Höhe des Nennbetrages (... EUR) begründet, während ein weiter gehender Anspruch nicht gegeben und das landgerichtliche Urteil insoweit abzuändern ist.
[34]In Anwendung des österreichischen Sachrechts, das bei der rechtlichen Behandlung von Genussrechten der deutschen Rechtslage ähnlich ist (so ausdrücklich östOGH, Urteile vom 29. Januar 2003 -
[35]aaa) Dabei ist vorliegend in der klägerseits erklärten außerordentlichen Kündigung und dem Rückzahlungsbegehren gegenüber der Beklagten die konkludente Geltendmachung von Schadensersatz zu erblicken (so auch Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 1. Juli 2021 -
[36]Für die Annahme eines solchen Anspruchs kann dahinstehen, ob die mit dem Rückzahlungsbegehren einhergehende Erklärung der außerordentlichen Kündigung in dem anwaltlichem Schreiben vom 19. April 2019 verfristet ist, wie die Beklagte - gestützt auf nicht anwendbares deutsches Sachrecht - (auf Bl. 63 eA) meint, denn der geltend gemachte Schadensersatzanspruch setzt tatbestandlich den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht voraus. Ohnedies würde der Einwand der Beklagten nicht durchgreifen, denn die zugrundeliegende Annahme der Beklagten liegt mit Blick auf den nicht alltäglichen Lebenssachverhalt fern.
[37]bbb) Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin hat ihre vertraglichen Pflichten aus dem Genussrechtsverhältnis in haftungsbegründender Weise schuldhaft verletzt, indem sie der Klägerin im Zusammenhang mit der zum Untergang der Genussrechte führenden Verschmelzung der O. auf die Beklagte keine der Genussrechtsbeteiligung gleichwertigen Rechte gewährt hat.
[38](1) Der Umstand, dass die ursprünglich bestehenden Genussrechte aufgrund des Verschmelzungsvorganges und dem damit einhergehenden Erlöschen der O. gemäß § 96 Abs. 2 östGmbHG in Verbindung mit § 225a östAktG untergegangen sind, hindert die Geltendmachung von vertraglichen Schadensersatzansprüchen dabei nicht. Der Bestand des den (untergegangenen) Genussrechten zugrundeliegenden Schuldverhältnisses bleibt davon unberührt und somit weiter maßgeblich sowohl für die Ausgestaltung der (erloschenen) Genussrechte und der beiderseitigen Vertragspflichten als auch für die rechtliche Beurteilung etwaiger Verletzungen von Vertragspflichten und die damit verbundenen Rechtsfolgen (zutreffend OLG Stuttgart, Urteil vom 31. März 2021 -
[39]Auch bewirkt der Umstand, dass die O. auf die Beklagte, eine Limited englischen Rechts, verschmolzen wurde, keine Änderung des anwendbaren Rechts, so dass unverändert österreichisches Recht Anwendung findet. Die Verschmelzung hat gemäß § 3 Abs. 2 östEU-VerschmelzungsG, § 96 östGmbHG, § 225a Abs. 3 östAktG zur Folge, dass die übernehmende Gesellschaft - hier die Beklagte - als Gesamtrechtsnachfolgerin in die Rechte und Pflichten der bisherigen Gesellschaft und somit an deren Stelle als Vertragspartnerin der bereits begründeten Schuldverhältnisse eintritt, ohne dass es dadurch zu einer Veränderung des auf die Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts kommt (vgl. EuGH, Urteil vom 7. April 2016 - Rs. C-483/14 -, IPRax 2016, 589 Rn. 58, 70 f.).
[40](2) (a) Nach österreichischem Recht ist das auf Einräumung von Genussrechten gerichtete Rechtsgeschäft ein Vertrag sui generis, der ein Dauerschuldverhältnis begründet (östOGH, Urteil vom 29. Januar 2003 -
[41](b) So liegt der Fall hier. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat mit der zum Untergang der Genussrechte führenden Verschmelzung auf die Beklagte gegen ihre in § 8 GRB verankerte Verpflichtung zum Bestandsschutz der Genussrechte verstoßen. Nach § 8 Nr. 1 GRB war die Rechtsvorgängerin der Beklagten grundsätzlich dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass im Fall ihrer Beteiligung an einem Umwandlungsvorgang oder einer Bestandsübertragung der Bestand der Genussrechte davon nicht berührt würde, wobei im Fall einer solchen Maßnahme für den Fall der Einräumung gleichwertiger Rechte an betroffene Genussrechtsinhaber der Bestandsschutz nach § 8 Nr. 2 GRB als gewahrt anzusehen sein sollte (vgl. auch § 96 Abs. 2 östGmbHG i.V.m. § 226 Abs. 3 östAktG). Daran fehlt es hier.
[42]Dabei kann die Frage, ob die Klägerin ohne ihre Zustimmung überhaupt Inhaberin der "B-Shares" (im Folgenden: B-Anteile) an der Beklagten geworden ist (vgl. dazu OLG Stuttgart, Urteil vom 6. Oktober 2021 -
[43](aa) Die Beurteilung der Gleichwertigkeit, für die das österreichische Recht kein eigenes Prüfungsverfahren vorsieht (vgl. Ledineg, Die Schutzvorschriften für Inhaber von Sonderrechten bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen nach österreichischem Recht und ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, Graz 2018, sub Ziffer 4.3.2.4 [S. 44]), bemisst sich nach wirtschaftlichen Maßstäben. Es müssen mithin den Genussrechtsinhabern keine gleichartigen Rechte, jedoch gleichwertige Rechte eingeräumt werden, denn die Genussrechtsinhaber sollen durch eine Verschmelzung keinen Vermögensnachteil erleiden (vgl. Ledineg a.a.O., Zollner/Hartlieb, ecolex 2015, 122, 123; siehe auch Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 1. Juli 2021 -
[44](bb) Nach dieser Maßgabe stellen die B-Anteile an der Beklagten keine der Genussrechtsbeteiligung gleichwertigen Rechte dar.
[45](aaa) Gegenteiliges folgt nicht aus der registergerichtlichen Rechtmäßigkeitsbescheinigung nach § 14 Abs. 3 öst EU-Verschmelzungsgesetz (vgl. GA 20). Die für grenzüberschreitende Verschmelzungen vorgesehene registergerichtliche Prüfung, die rein formeller Natur ist, umfasst nicht die Frage der Gleichwertigkeit der für den Entfall von Genussrechten gewährten Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft (vgl. Ledineg, Die Schutzvorschriften für Inhaber von Sonderrechten bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen nach österreichischem Recht und ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, Graz 2018, sub Ziffer 4.3.2.4 [S. 44]; ebenso Schleswig-Holsteinisches OLG, a.a.O.).
[46](bbb) Der Annahme einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit steht bereits das auffällige Missverhältnis der Beteiligungswerte vor und nach der Verschmelzung entgegen (vgl. Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 1. Juli 2021 -
[47](α) ... (β) ... (αα) ... (ββ) ... (ccc) ... (ddd) ... (eee) ... (3) ... (4) ... ccc) Als Folge der schuldhaften Verletzung der Verpflichtung zum Bestandsschutz der Genussrechte durch ihre Rechtsvorgängerin hat die Beklagte gemäß § 920 Satz 1, § 1295 Abs. 1 in Verbindung mit § 1323 Satz 1 östABGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten, der vorliegend auf Geldersatz gerichtet ist.
[48](1) ... (2) ... (a) ... (b) ... (aa) ... (bb) ... ddd) Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass der Anspruch nach den Genussrechtsbedingungen wegen des fehlenden Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2018 noch nicht fällig sei. Da sie sich beharrlich weigert, für ihre Rechtsvorgängerin einen entsprechenden Jahresabschluss zu erstellen, ist sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im österreichischen Recht bekannt ist (vgl. nur östOGH, Urteil vom 14. Oktober 1997 -
[49]cc) Ferner kann die Klägerin - was ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - auf die zugesprochene Hauptforderung Zinsen lediglich in Höhe von 4 Prozent p.a. verlangen.
[50]Der Anspruch auf Zinsen bemisst sich nach der lex causae, mithin hier nach dem materiellen Recht der Republik Österreich. Gemäß § 1333 Abs. 1, §§ 1334, 1000 Abs. 1 östABGB beläuft sich die Zinshöhe auf vier Prozent p.a. (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 3. März 2021 -
[51]dd) Die Berufung hat schließlich teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die in Höhe von ... EUR zugesprochenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wendet …
Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.