Die Wahl des österreichischen Rechts in Genussrechtsbedingungen ist nicht überraschend i.S.d. § 864a ABGB, wenn die Emittentin ihren Sitz in Österreich hat und dies für den Anleger auch ohne Weiteres erkennbar ist.
Die Emittentin von Genussrechten trifft die Pflicht, vertragswidrige Beeinträchtigungen des Genussrechtskapitals zu unterlassen bzw. zu unterbinden. Verletzt sie diese Pflicht, indem sie die Genussrechte im Zuge einer grenzüberschreitenden Verschmelzung ohne angemessenen Ausgleich (Gewährung gleichwertiger Rechte oder Abfindung) zum Untergang bringt, kann eine vertragliche Schadensersatzverpflichtung gegenüber den betroffenen Anlegern entstehen.
Ob ein Anspruch auf Prozesszinsen besteht, richtet sich nach dem auf den Rechtsstreit anwendbaren Sachrecht und nicht nach dem anwendbaren Prozessrecht. Denn bei dem Anspruch auf Prozesszinsen handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Anspruch, so dass die lex fori nicht zur Anwendung gelangt (entgegen OLG Frankfurt, Urteil vom 22. Mai 2007 -
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung, hilfsweise auf Abrechnung, im Zusammenhang mit einer Genussrechtsbeteiligung in Anspruch. Die Klägerin zeichnete im Jahr 2007 vinkulierte Namens-Genussrechte an der X Investments AG, einer Aktiengesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in Wien. Die X Investments AG wurde im Jahr 2013 durch formwechselnde Umwandlung zur X Investments GmbH (Im Folgenden X), die sodann mit Wirkung zum 31.12.2018 auf die Beklagte, eine Gesellschaft nach dem Recht Englands und Wales mit Sitz in London, verschmolzen wurde. Im Zusammenhang mit dem Verschmelzungsvorgang teilte die X Anlegerverwaltung der Klägerin im Februar 2019 mit, dass sich aufgrund der Verschmelzung die Genussrechte in Aktien (sog. B-Shares) der Beklagten umgewandelt hätten. In der Fußzeile dieses Schreibens war die Firma und Anschrift der Beklagten angegeben. Die Klägerin kündigte die Genussrechtsbeteiligung mit anwaltlichem Schreiben vom 06.05.2019 außerordentlich und fristlos und machte zudem Auszahlungsansprüche gegenüber der Beklagten unter Fristsetzung zum 20.5.2019 geltend. Die Beklagte wies die außerordentliche Kündigung der Klägerin zurück und lehnte eine Zahlung ab.
Die Klägerin hat mit ihrer der Beklagten am 21.8.2019 zugestellten Klage beantragt, die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Genussrechtsbeteiligung der Klägerin auf den 31.12.2018 (letzter Bilanzstichtag vor der erklärten Kündigung), hilfsweise auf den 6.5.2019 (Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung), abzurechnen und die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, das abgerechnete Auseinandersetzungsguthaben an sie, die Klägerin, zur Auszahlung zu bringen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 6.11.2020 abgewiesen. Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Genussrechtsbeteiligung der Klägerin auf den letzten Bilanzstichtag vor Kündigung, somit den 31.12.2018, abzurechnen, hilfsweise auf den Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung am 6.5.2019, sowie die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, das abgerechnete Guthaben an die Klägerin zur Auszahlung zu bringen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
[1]II.
[2]... Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (u. 1.) und begründet (u. 2.).
[3]1.
[4]Die Klage ist zulässig.
[5]1.1 ... 1.2
[6]Das Landgericht Bremen ist nach Art. 17 Abs. 1 lit. c), 18 Abs. 1 EuGVVO auch örtlich und international zuständig. Vorliegend ist der Gerichtsstand für Verbrauchersachen eröffnet.
[7]Die Klägerin hat die Genussrechte zu privaten Zwecken erworben (s. etwa das Vermittlungsprotokoll v. 15.05.2017, Bl. 5 der Akte) und ist danach Verbraucherin im Sinne dieser Bestimmungen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte, wie sich schon aus der Vielzahl an Parallelverfahren unter Beteiligung deutscher Anleger unschwer ergibt, ihre Geschäftstätigkeit jedenfalls auch auf Deutschland ausgerichtet. Hierfür spricht zudem, dass in den eingereichten Unterlagen zur Zeichnung der Genussrechte wiederholt Stuttgart als Sitz der „Anlegerverwaltung Europa“ erwähnt wird (s. etwa Bl. 15 der Akte).
[8]Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin sei keine „Verbraucherin“ im Sinne der Art. 17 Abs. 1 lit. c, 18 Abs. 1 EuGVVO, da sie wegen der ihr im Zuge der Verschmelzung gewährten „B-Shares“ als Aktionärin anzusehen sei, was einer Verbrauchereigenschaft widerspreche, liegt dies aus Sicht des Senats fern. Denn die Klägerin hat keine „B-Shares“ gezeichnet, sondern Genussrechte. Durch die nachträglich – ohne Einverständnis oder auch nur vorhergehende Anhörung der Klägerin – erfolgte Verschmelzung kann eine verbraucherschützende Zuständigkeit jedoch schlechterdings nicht wieder entzogen werden (so auch: OLG Celle, Beschluss vom 29. Januar 2021 –
[9]Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Gerichtsstandsvereinbarung des § 13 Abs. 2 der GRB. Diese Bestimmung steht einer Zuständigkeit des Landgerichts Bremen nicht entgegen, da sie schon ihrem Wortlaut nach nicht das Recht der Genussrechtsinhaber beschränkt, das Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen (so im Ergebnis auch OLG Dresden, Beschluss vom 08.03.2021 – Az.
[10]2.
[11]Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von ... EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
[12]2.1
[13]Für die rechtliche Beurteilung des Falles ist aufgrund der in § 13 Nr. 1 der GRB getroffenen Rechtswahl das Recht der Republik Österreich maßgeblich.
[14]a.
[15]Die Bestimmung des Vertragsstatuts erfolgt hier nach den Art. 27 ff. EGBGB a.F., durch welche das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen (EVÜ) in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Danach stand den Parteien die Wahl des anwendbaren Rechts grundsätzlich frei (Art. 27 EGBGB a.F.). Der die Verbraucherverträge regelnde Art. 6 Abs. 1 Rom-I VO ist vorliegend nicht anwendbar, da die Klägerin ihre Genussrechtsbeteiligung bereits im Jahr 2007, also noch vor Geltung der Rom-I VO zum 17. Dezember 2009 (s. Art. 28 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 25.09.2009 [Rom-I VO], BGBl. 2009, 1574), abgeschlossen hatte. Der Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsschlusses ist auch bei Dauerschuldverhältnissen, wie beispielsweise Genussrechtsbeteiligungen (vgl. BGH, Urteil vom 05. Oktober 1992 –
[16]Die Rechtswahl zugunsten des österreichischen Rechts ist nach der gebotenen Einbeziehungskontrolle (vgl. Staudinger/Wendland, BGB, 2019, Anh. zu §§ 305-310 Rn. N22; MüKoBGB/Martiny, 8. Aufl. 2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 13) vorliegend wirksam erfolgt.
[17]Bei den Genussrechtsbedingungen handelt es sich schon dem äußeren Erscheinungsbild nach um allgemeine Geschäftsbedingungen der X (vgl. zur AGB-Eigenschaft von Genussrechtsbedingungen auch BGH, Urteil vom 22.3.2018 –
[18]Die Wahl des österreichischen Rechts ist hier nicht überraschend i.S.d. § 864a ABGB erfolgt, da die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihren Sitz in Österreich hatte und dies für die Klägerin ausweislich der Zeichnungsunterlagen auch ohne weiteres erkennbar war (s. etwa den Zeichnungsschein, Bl. 5 Rückseite der Akte: „Genussrechte der X Investments AG, Wien“). Auch § 13a öKSchG gelangt hier nicht zur Anwendung. Diese Bestimmung gilt schon ihrem Wortlaut nach nur für Rechtswahlklauseln, die bei Verbraucherverträgen zu der Anwendung des Rechts eines Nicht-EWR-Mitgliedstaates führen. Schließlich steht auch Art. 27 Abs. 3 EGBGB a.F. der Rechtswahl nicht entgegen. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Sachverhalt, abgesehen von der Rechtswahlklausel, nur mit einem Staat verbunden ist, dessen Recht nicht gewählt worden ist. Dies ist hier allerdings nicht der Fall, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihren Sitz in Österreich hatte und der Bezug zum österreichischen Recht hierdurch gegeben war (vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 –
[19]Auch eine ergänzende Anwendung der zwingenden Bestimmungen des deutschen Rechts gemäß Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F. bzw. Art. 5 EVÜ kommt hier nicht in Betracht. Nach diesen Regelungen durfte bei Verträgen über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen zu einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Berechtigten (Verbrauchers) zugerechnet werden konnte, sowie bei Verträgen zur Finanzierung eines solchen Geschäfts eine Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, gewährte Schutz entzogen wurde. Die Zeichnung von Wertpapieren, hier Genussrechten, wird von dieser Norm jedoch schon gar nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 –
[20]b.
[21]Österreichisches Recht bleibt schließlich auch nach der Verschmelzung der X auf die Beklagte anwendbar, auch wenn deren Sitz nunmehr in London liegt. Denn durch eine grenzüberschreitende Verschmelzung erfolgt grundsätzlich keine Änderung des auf bestehende Verträge anzuwendenden Rechts (vgl. EuGH, Urteil vom 12.11.2015 – Az. C-483/14, Rn. 59 ff.; Klampfl, GesRZ 2016, 228).
[22]2.2
[23]Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von ... EUR aus § 1295 ABGB.
[24]Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hat ihre vertraglichen Pflichten aus dem Genussrechtsverhältnis verletzt, indem sie der Klägerin in Folge des Verschmelzungsvorganges keine mit der Genussrechtsbeteiligung gleichwertigen Rechte gewährt hat. Sie ist daher zum Schadensersatz verpflichtet.
[25]a.
[26]Der Genussrechtsvertrag stellt ein Dauerschuldverhältnis eigener Art dar, da das Genussrecht auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist (OGH, Urteil vom 29.01.2003 – Az.
[27]Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat hier die bezeichnete Rücksichtnahmepflicht verletzt, als sie durch die durchgeführte Verschmelzung ohne jede Mitwirkung bzw. Zustimmung der Klägerin die dieser zustehenden Genussrechte ohne angemessenen Ausgleich (Gewährung gleichwertiger Rechte oder Abfindung) vernichtet hat (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 29. Januar 2021 –
[28]Für die Frage, ob den Inhabern von Genussrechten gleichwertige Rechte gewährt worden sind, kommt es nicht auf eine etwaige „Gleichartigkeit“ der gewährten Rechte, sondern vielmehr allein auf deren wirtschaftliche Gleichwertigkeit, also die Wertäquivalenz, an (Ledineg, a.a.O., S. 39; Zollner/Hartlieb, ecolex 2015, 122, 123; für das dt. Recht s. etwa OLG Dresden, Beschluss vom 08.03.2021 – Az.
[29]Nach diesen Maßgaben sind der Klägerin vorliegend keine gleichwertigen Rechte gewährt worden (so im Ergebnis u.a. auch OLG Dresden, Beschluss vom 08.03.2021 – Az.
[30]Aber selbst wenn man eine „Gleichartigkeit“ ausreichen lassen wollte (in diese Richtung für das österreichische Recht wohl Reich-Rohrwig, ecolex 2013, 133, 142), ergäbe sich vorliegend nichts anderes. Denn die B-Shares sind auch in diesem Sinne nicht „gleichwertig“ mit den Genussrechten. Denn zum einen besteht für sie kein direkter Anspruch auf Kündigung und Auszahlung zum eingezahlten Nennbetrag. Bei einem Verkauf der (nicht fungiblen) B-Shares würde sich der Preis nämlich nicht am ursprünglichen Einzahlungsbetrag orientieren. Zum anderen ist das – wirtschaftlich betrachtet bei entsprechenden Anlageformen entscheidende – Recht zur Gewinnbeteiligung nachteilig zu Lasten der Anleger geändert worden. Während in § 4 Abs. 3 der GRB noch eine im Falle eines Unternehmensgewinns grundsätzlich zu zahlende „Mindestdividende“ vorgesehen war, wird die Ausschüttung von Dividenden selbst bei Vorliegen eines Jahresüberschusses nunmehr in das Belieben der Gesellschaft gestellt (vgl. Ziffer 89.2 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten). Schließlich betrifft die Beteiligung der Klägerin jetzt eine britische Limited, was hinsichtlich des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union mit zusätzlichen Anlegerrisiken verbunden ist (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 25. Februar 2021 –
[31]Selbst wenn, wie die Beklagte vorträgt, das Englische Recht Genussrechte nicht kennen sollte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Ausgestaltung von Rechten als „gleichwertig“ wäre auch in diesem Fall nicht per se ausgeschlossen gewesen. Ob die Verschmelzung auf eine Gesellschaft einer Rechtsordnung, die keine gleichwertigen Rechte kennt, von Vornherein hätte unterbleiben müssen (vgl. LG Frankenthal, Urteil v. 19.02.2020 - Az.
[32]b.
[33]In der klägerseits erklärten außerordentliche Kündigung und dem Rückzahlungsbegehren gegenüber der Beklagten ist die konkludente Geltendmachung von Schadensersatz zu erblicken (so auch OLG Dresden, Beschluss vom 08.03.2021 – Az.
[34]c.
[35]Das Verschulden der Rechtsvorgängerin der Beklagten wird nach § 1298 ABGB vermutet.
[36]d.
[37]Der Begriff des Schadens nach § 1293 ABGB wird im österreichischen Recht grundsätzlich weit ausgelegt (vgl. OGH, Beschluss vom 30.01.2019, Geschäftszahl
[38]Vorliegend hatten die Genussscheine der Klägerin zum 31.12.2018 nach der Mitteilung der Beklagten einen rechnerischen Wert von ... EUR (s. Bl. 9 Rückseite der Akte). Die für die Höhe ihres Anspruches darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat zu dem Wert ihrer im Verschmelzungszeitpunkt bestehenden Genussrechte mit dem Verweis auf diese Information hinreichend substantiiert vorgetragen (so auch OLG Dresden, Beschluss vom 08.03.2021 – Az.
[39]Dass für Zwecke des Steuerrechts und der Rechnungslegung die Übernahme des Vermögens der übertragenden Gesellschaft durch die Beklagte im Innenverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2017 erfolgt ist (vgl. § 4 Abs. 2 des Verschmelzungsplans), führt (anders als die Beklagte nunmehr offensichtlich meint) auch nicht zum Erlöschen der Genussrechte zu diesem Stichtag. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem Schreiben der X Anlegerverwaltung aus Februar 2019 (vgl. Bl. 9 der Akte: „Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde mit Stichtag 31.12.2018 die TLI mit der neu gegründeten Aktiengesellschaft Y Infrastructure Holding Limited („YIH“) verschmolzen […]. Mit der Verschmelzung folgte der automatische Wandel Ihrer Genussrechte/-scheine in Aktien der YIH.“) und aus der Mitteilung des rechnerischen Wertes der Genussrechte/-scheine zum 31.12.2018 (Bl. 9 Rückseite der Akte). Der Vortrag der Beklagten in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 10.06.2021, wonach „die B-Anteile damit ab dem 01.01.2018 – 0:00 Uhr gewährt worden“ seien (Seite 8 des Schriftsatzes), überzeugt vor diesem Hintergrund nicht.
[40]Der Wert der klägerischen Genussrechte war hier auch nicht durch etwaige Verluste der X bzw. der Beklagten reduziert. Die Beklagte hat das Bestehen von Verlusten schon gar nicht hinreichend schlüssig dargelegt (so LG Hamburg, Urteil vom 25. Februar 2021 –
[41]Dass die beklagtenseits zunächst vorgelegten Rechnungslegungsunterlagen (wie in § 5 Abs. 1 der GRB vorgesehen) nach IFRS erstellt worden sind und danach für die Ermittlung von Verlusten zum 31.12.2017 überhaupt herangezogen werden konnten, erscheint zudem zweifelhaft. So spricht schon die Veröffentlichung des bezeichneten Jahresabschlusses im österreichischen Firmenbuch eher für einen nach dem Unternehmensgesetzbuch (UGB; vgl. dort § 277) erstellten Abschluss. Auch der Umstand, dass die X in § 4 Abs. 1 des Verschmelzungsplanes (Anlagen zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.07.2020) als eine „kleine GmbH“ im Sinne des § 221 Abs. 1 UGB bezeichnet worden ist, deren Jahresabschluss gemäß § 268 Abs. 1 UGB nicht durch einen Abschlussprüfer zu prüfen ist, deutet eher gegen eine Rechnungslegung nach IFRS. § 9 Abs. 2 des Verschmelzungsplans stellt zudem klar, dass die Bewertung des Aktiv- und Passivvermögens der X den österreichischen unternehmens- und steuerrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung – und mithin nicht den IFRS/IAS – folgt. Soweit die Beklagte mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.06.2021 unter Bezugnahme auf ein „Statement of financial position as of 31 December 2017“ nunmehr vorträgt, dass auch die nach den IFRS-Vorschriften erstellten Rechnungslegungsunterlagen „für die Genussrechtsinhaber keine vorteilhafteren Ergebnisse“ auswiesen (Seite 10 des Schriftsatzes), ergibt sich insoweit nichts anderes. Denn die für die Berechnung des Verlustanteils nach § 5 Abs. 1 der GRB erforderliche, nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellte Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2018 (oder für die vorangegangenen Geschäftsjahre) legt die Beklagte weiterhin nicht vor.
[42]Ausweislich der Anlegerinformation zum 31.12.2018 (Bl. 9 Rückseite der Akte) betrug der rechnerische Wert der Genussrechte der Klägerin zum Verschmelzungsstichtag insgesamt ... EUR. Im Zuge der Verschmelzung erhielt sie hierfür 13.693 B-Shares mit einem Nennwert von jeweils 0,001 EUR (also einem rechnerischen Gegenwert von ... EUR). Die Klägerin hat aufgrund der Verschmelzung danach einen finanziellen Schaden in Höhe von ... EUR erlitten.
[43]2.3
[44]Die Klägerin hat überdies einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch in Höhe von ... EUR gegen die Beklagte. Denn die Klägerin hat durch ihr Schreiben vom 06.05.2019 (Bl. 11 der Akte) hinreichend deutlich gemacht hat, kein Interesse an den gewährten B-Shares zu haben. Sie hat insoweit von der ihr durch die Beklagte ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit, die Anteile zum Nennbetrag von jeweils 0,001 EUR an diese zurückzugeben, Gebrauch gemacht.
[45]2.4
[46]Der Zahlungsanspruch der Klägerin richtet sich gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der X. Denn das Rechtsverhältnis der Genussrechtsinhaber ist im Zuge der Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen, die somit neue Vertragspartnerin geworden ist (vgl. Fritzer/Hartlieb, ÖBA 2017, 16, 21).
[47]2.5
[48]Ob sich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von ... EUR daneben auch aus § 226 Abs. 3 öAktG i.V.m. § 96 Abs. 2 öGmbHG i.V.m. § 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union (EU-VerschG) ergibt (zu der Problematik einer europarechtskonformen Auslegung dieser Norm s. etwa EuGH, Urteil vom 12.11.2015, Az. C-483/14; OGH, Urteil vom 21.06.2016 – Az.
[49]2.6
[50]Nach alledem besteht der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Klägerin in der begehrten Höhe.
[51]2.7
[52]Die Klägerin hat des Weiteren auch einen Anspruch auf Verzinsung und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Auch diese Nebenansprüche unterliegen gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F. dem österreichischen Recht als Vertragsstatut.
[53]a.
[54]Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus § 1333 Abs. 2 ABGB. Zu den nach dieser Vorschrift zu ersetzenden Schäden gehören auch die notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden außergerichtlichen Beitreibungs- oder Einbringungsmaßnahme, etwa die Kosten eines anwaltlichen Mahnschreibens (vgl. auch LG Hamburg, Urteil vom 25. Februar 2021 –
[55]b.
[56]Der Zinsanspruch folgt als Verzögerungsschaden aus §§ 1333 Abs. 1, 1334 i.V.m. § 1000 Abs. 1 ABGB. Nach diesen Vorschriften sind gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von 4 Prozent p.a. zu zahlen, hier hinsichtlich der Hauptforderung allerdings erst mit Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist zum 21.05.2019 und bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erst ab Eintritt der Rechtshängigkeit am 21.08.2019. Ein weitergehender Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 BGB steht der Klägerin hingegen nicht zu, da sich die Verzinsung insgesamt nach dem auf den Rechtsstreit anwendbaren Sachrecht und nicht nach dem anwendbaren Prozessrecht richtet (so im Ergebnis auch OLG Dresden, Urteil vom 03.03.2021 – Az.
[57]2.8 ...