Erbringt die im Ausland (hier: Türkei) geschäftsansässige Partei eines Kaufvertrags die charakteristische Hauptleistung, so findet gemäß Art. 28 II EGBGB grundsätzlich das Rechts des ausländischen Staats Anwendung, in dem die Hauptniederlassung dieser Partei liegt.
Sofern die Voraussetzungen des Art. 29 I, II EGBGB nicht vorliegen, kommt deutsches Recht auch nicht über Art. 34 EGBGB zur Anwendung, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Regelung des Art. 29 EGBGB lückenhaft ist.
Die Kl. eine türkische Firma, verlangt von dem Bekl. Zahlung des Restkaufpreises für einen Teppich, den dieser anlässlich einer Reise in die Türkei erstanden hat. Der Bekl. verlangt widerklagend Rückabwicklung des Kaufvertrags.
Das AG hat die Klage der Kl. abgewiesen und der Widerklage stattgeben.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kl.
[1]II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Das angerufene OLG ist gemäß § 119 I 1 lit. b GVG zur Entscheidung über die Berufung zuständig.
[2]Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Ansicht des AG ist die Klage – bis auf einen Teil der Nebenforderungen – begründet, die Widerklage dagegen unbegründet. Die Kl. kann von dem Bekl. Zahlung des Restkaufpreises für den Teppich verlangen. Der Bekl. dagegen hat keinen Anspruch auf Rückerstattung der von ihm geleisteten Zahlungen.
[3]A. Anders als das AG und der Bekl. meinen, ist auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht deutsches, sondern türkisches Recht anzuwenden. Danach ist es dem Bekl. verwehrt, sich auf die verbraucherschützenden Normen des BGB (§§ 312, 355) zu berufen.
[4]Da der Kaufvertrag zwischen den Parteien in der Türkei geschlossen wurde, sind für das anzuwendende Recht Art. 27 ff. EGBGB einschlägig. Deutsches Recht wäre danach anwendbar, wenn die Voraussetzungen von Art. 29 I, II EGBGB vorliegen. Dies ist jedoch nicht der Fall.
[5]Art. 29 I Nrn. 1 und 2 EGBGB liegen von vornherein nicht vor.
[6]Nach Art. 29 I Nr. 3 EGBGB müsste die Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden sein, den Verbraucher zum Vertragsschluss zu veranlassen.
[7]U.a. nach Ansicht des LG Tübingen (NJW 2005, 1513) (IPRspr 2005-15) – deren Richtigkeit hier dahinstehen kann – soll diese Alternative vorliegen, wenn die Reise von dem Verkäufer zu diesem Zweck zumindest mitorganisiert oder mitveranlasst wurde bzw. wenn Reiseveranstalter und Verkäufer geschäftsmäßig zusammenwirken.
[8]Dies hat der Bekl. zwar behauptet. Sein Vortrag ist zum einen aber nur pauschal – es handelt sich um nicht mehr als Behauptungen ins Blaue hinein –, zum anderen bleibt der Bekl. ein Beweisangebot hierfür schuldig.
[9]Im Übrigen reichen die zwischen den Parteien unstreitigen Indizien des Reiseverlaufs für die Annahme eines geschäftsmäßigen Zusammenwirkens nicht aus. Auch die von dem AG durchgeführte Beweisaufnahme hilft hier nicht weiter. Das AG hat – was die Kl. zu Recht rügt – über weitgehend unstreitige Behauptungen des Bekl. Beweis erhoben.
[10]Deutsches Recht ist auch nicht über Art. 34 EGBGB anwendbar, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Regelung des Art. 29 EGBGB lückenhaft ist (vgl. OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.10.1999 – 21 U 48/99 (IPRspr. 1999 Nr. 35)).
[11]Die Rechtswahl richtet sich danach nach Art. 28 EGBGB.
[12]Weil die Parteien keine nach Art. 27 I EGBGB zulässige Rechtswahl getroffen haben, ist nach Art. 28 I EGBGB ausschlaggebend, zu welchem Recht der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Dies ist hier das türkische Recht.
[13]Gemäß Art. 28 II EGBGB wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort bzw. – bei juristischen Personen wie hier – ihre Hauptniederlassung hat. Dies ist hier die Türkei, da die Kl. dort ihren Sitz hat und charakteristische Leistung des vorliegenden Kaufvertrags die Übergabe des Kaufgegenstands – des streitbefangenen Teppichs – durch die Kl. ist (so auch OLG Düsseldorf aaO m.w.N.).
[14]Auch die übrigen Umstände des Vertragsschlusses geben keine Veranlassung für die Annahme, dass der Vertrag eine engere Verbindung zum deutschen Recht aufweist (Art. 28 V EGBGB). So geben die Vertragssprache (hier Deutsch) und die Währung (hier Euro) nur einen schwachen Hinweis auf die Rechtsordnung des Landes, in dem sie Verwendung finden (vgl. OLG Düsseldorf aaO m.w.N.).
[15]B. Die Ansprüche der Kl. ergeben sich danach aus dem türkischen Obligationengesetz (OG) vom 4.10.1926 in der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags geltenden Fassung.
[16]Der Senat hat insoweit auf die Einholung eines eigenen Rechtsgutachtens nach § 293 ZPO verzichtet, nachdem bereits einige Entscheidungen deutscher Gerichte zu Parallelfällen veröffentlicht wurden und die Kl. das vom AG Rosenheim im Jahr 2006 zu einem Parallelfall eingeholte Gutachten des Prof. Dr. D. vorgelegt hat. Auf dieser Grundlage ergibt sich Folgendes:
[17]Nach Art. 208 OG ist der Bekl. als Käufer verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache – den Teppich – abzunehmen. Der Bekl. schuldet danach den mit der Klage geforderten Restkaufpreis in Höhe von 2 000 Euro. Die Widerklage, mit der er Rückzahlung der auf den Kaufpreis gezahlten Beträge verlangt (2 300 Euro), ist dagegen unbegründet.
[18]Soweit der Bekl. den Rücktritt vom Kaufvertrag geltend macht, findet dies im OG keine Stütze.
[19]Ein denkbarer Rücktrittsgrund nach Art. 8 OG setzt voraus, dass ein Haustürgeschäft vorliegt. Ein solches definiert die Vorschrift als Verkauf, der außerhalb der üblichen Verkaufsorte wie Geschäfte, Messen, Märkte oder ähnlichem stattfindet. Schon dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Bekl. den Teppich in den Verkaufsräumen der Kl. erstanden hat.
[20]Auch der Einwand des Bekl., der von der Kl. verlangte Kaufpreis sei überhöht gewesen, greift nicht durch. Nach Art. 21 OG ist der Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags wegen Wuchers berechtigt, wenn – objektiv – ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und – subjektiv – der Abschluss des Vertrags von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des anderen herbeigeführt worden ist.
[21]Der Bekl. hat weder zu den objektiven noch zu den subjektiven Voraussetzungen dieser Vorschrift vorgetragen.
[22]Ein Anspruch auf die von der Kl. geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 I BGB ab Rechtshängigkeit, d.h. ab 8.3.2005 – dem Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids an den Bekl. Insoweit ist deutsches Recht anzuwenden, weil die Vorschriften über die Prozesszinsen – unabhängig vom gewählten Vertragsstatut – für alle Inlandsprozesse maßgeblich sind (im Ergebnis wie hier: OLG Düsseldorf aaO; zum Problem vgl. auch MünchKomm-Ernst; 4. Auflage, § 291 Rz. 5).
[23]Für einen – möglichen – früheren Verzugsbeginn aus türkischem Recht fehlen entsprechende Darlegungen vonseiten der Kl.