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Verfahrensgang

LG Frankenthal, Urt. vom 10.07.2020 – 9 O 55/19, IPRspr 2020-345
OLG Zweibrücken, Urt. vom 25.03.2021 – 4 U 137/20, IPRspr 2021-248

Rechtsgebiete

Handels- und Transportrecht → Wertpapierrecht
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit
Vertragliche Schuldverhältnisse → Allgemeines Vertragsrecht

Leitsatz

Eine grenzüberschreitende Verschmelzung hat keinen Einfluss auf die Rechtsfolgen einer bereits gekündigten Genussrechtsbeteiligung.

Auch hinsichtlich Prozesszinsen richtet sich die Verzinsung insgesamt nach dem auf den Rechtsstreit anwendbaren Sachrecht und nicht nach dem anwendbaren Prozessrecht. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

ABGB (Österr.) § 1000; ABGB (Österr.) § 1333; ABGB (Österr.) § 1334
BGB § 291

Sachverhalt

Der Kläger nimmt die Beklagte nach Kündigung einer Genussrechtsbeteiligung auf Rückzahlung seiner in Höhe von ... € getätigten Einlage sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Der Kläger mit Wohnsitz in Deutschland zeichnete am 27.5.2008 bei der in Österreich ansässigen T. AG Genussrechte über ... €. Rechtsnachfolgerin der Emittentin wurde in der Folgezeit zunächst die ebenfalls in Österreich ansässige T. GmbH, welche sodann mit Wirkung ab dem 31.12.2018 grenzüberschreitend auf die im Vereinigten Königreich ansässige Beklagte verschmolzen wurde. Der Kläger hatte bereits mit Schreiben vom 2.6.2016 die ordentliche Kündigung seiner Genussrechtsbeteiligung mit Wirkung zum 31.12.2018 erklärt.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil des Einzelrichters dem Klagebegehren in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit weiterhin dem Ziel der Klageabweisung. Sie beantragt, das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Nachdem die Beklagte ihre Zustimmung zu der von dem Senat angeregten Teilklagerücknahme betreffend die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verweigert hat, führt ihre Berufung insoweit und außerdem hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Verzugszinsen zu einem Teilerfolg. Zum weit überwiegenden Teil ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet.

[3]1.

[4]Das Erstgericht hat die Beklagte zu Recht zur Auszahlung des Nominalbetrages der Genussrechtsbeteiligung des Klägers in Höhe von ...  verurteilt.

[5]Der Kläger hat seine am 27. Mai 2008 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer Gesellschaft österreichischen Rechts (T. AG bzw. GmbH), gezeichnete Beteiligung (vinkulierte Namensgenussrechte) mit Schreiben vom 2. Juni 2016 mit Wirkung zum 31. Dezember 2018 wirksam gekündigt.

[6]Die Beklagte hat die Rechtsgültigkeit der Kündigung vorgerichtlich nicht in Frage gestellt, was ihr Schreiben an den Kläger vom Februar 2019 (Anlage K5, Bl. 10, 11 der Akte erster Instanz) belegt. Darin wird von ihr bestätigt, dass die vom Kläger ausgesprochene Kündigung unabhängig von der Neustrukturierung zum 31.12.2018 wirksam ist.

[7]Entgegen dem von der Beklagten im Prozess eingenommenen Rechtsstandpunkt hat die grenzüberschreitende Verschmelzung der (Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen) österreichischen Emittentin auf die Beklagte keinen Einfluss auf die mit der Kündigung der Genussrechtsbeteiligung des Klägers ausgelösten Rechtsfolgen. Insbesondere wurde der Kläger zum Verschmelzungszeitpunkt (31. Dezember 2018) nicht etwa für eine logische Sekunde Inhaber von „B-Anteilen“ an der Beklagten.

[8]Mit Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Verschmelzung ging vielmehr das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die Beklagte als übernehmende Gesellschaft über. Die übernehmende Gesellschaft erwirbt die übertragende Gesellschaft vollständig, ohne dass deren Verpflichtungen erlöschen, wie dies bei einer Liquidation der Fall wäre. Dies führt ohne Novation dazu, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Das nationale Recht (hier: der Republik Österreich), das vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf solche Verträge anzuwenden war, bleibt auch nach der Verschmelzung auf sie anzuwenden (EuGH, Urteil vom 7.4.2016 – C-483/14, zitiert nach juris, Rdnrn. 57, 58) …

[9]2.

[10]Da sich die Beklagte mit der Rückzahlung in Verzug befindet, hat der Kläger Anspruch auf Verzugszinsen nach Maßgabe des infolge Rechtswahl auf den Streitfall anwendbaren Rechtes der Republik Österreich in Höhe von 4 Prozent per anno gemäß §§ 1333 Abs. 1, 1334 Satz, 1000 ABGB (so auch OLG Dresden, Urteil vom 3. März 2021 - 5 U 1581/20).

[11]Der Kläger kann keine höheren Prozesszinsen gemäß § 291 BGB verlangen, da sich die Verzinsung insgesamt nach dem auf den Rechtsstreit anwendbaren Sachrecht und nicht nach dem anwendbaren Prozessrecht richtet. Im Verhältnis zwischen den Parteien kommt aufgrund der Vereinbarung vom 27. Mai 2008 insgesamt österreichisches Recht zur Anwendung. Zwar ist die Frage, ob für den Anspruch auf Prozesszinsen das Vertragsstatut oder die lex fori maßgeblich ist, umstritten. Da jedoch der Anspruch auf Prozesszinsen materiell-rechtlicher Art ist und lediglich durch die Rechtshängigkeit ausgelöst wird (Ernst in MünchnerKomm, BGB, 6. Aufl. § 291 Rdnr. 5), ist § 291 BGB nach von dem Senat für zutreffend gehaltener Auffassung nur anwendbar, wenn das deutsche Recht für die Beurteilung des Rechtsstreits berufen ist (vgl. OLG München Urteil vom 25.3.2015 - Az.: 15 U 458/14 (IPRspr 2015-43), zitiert nach juris, Rdnrn. 84-88). Das ist hier nicht der Fall.

[12]3. ...

Fundstellen

LS und Gründe

NJW-RR, 2021, 1338
NZG, 2021, 1018
ZInsO, 2021, 2044

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2021-248

Lizenz

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