Ein Kapitalanlagegeschäft zur Verwaltung eigenen Kapitalvermögens lässt einen Verbraucher nicht zum Unternehmer i. S. d. Art. 17 I EuGVVO werden.
Die Regelung des § 189 ZPO ist auch bei Auslandszustellungen anwendbar. [LS der Redaktion]
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus einer gekündigten Genussrechtsbeteiligung. Mit Datum vom 27.05.2008 zeichnete der Kläger bei der in Wien ansässigen A Investments AG Genussrechte über ... €. Rechtsnachfolgerin der A Investments AG wurde die - gleichfalls in Österreich ansässige - A Investments GmbH, deren Rechtsnachfolgerin in der Folge die in Großbritannien ansässige Beklagte wurde. Der Zeichnung lagen die Genussrechtsbedingungen der A Investments AG zugrunde. Dort findet sich folgende Regelung: „Erfüllungsort ist Sitz der Gesellschaft. Gerichtsstand ist - soweit gesetzlich zulässig - ebenfalls Sitz der Gesellschaft. Die Gerichtsstandsvereinbarung beschränkt nicht das Recht eines Genussrechtsinhabers, Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen. [...]“ Zum 31.12.2018 hat der Kläger die Anlage gekündigt. Mit Schreiben vom Februar 2019 wurde dem Beklagten unter einem auf „A Anlegerverwaltung, Strasse, Ort“ lautenden Briefkopf, dessen Fußzeile jedoch Firma und Anschrift der Beklagten enthält, mitgeteilt, dass sich der Rückzahlungsbetrag zum 31.12.2018 auf 0 € belaufe. Zum Zwecke der Neustrukturierung habe man die „Beteiligungsbuchwerte aller Genussrechtsinhaber zum Stichtag 31.12.2017 temporär auf ein Minimum“ abgewertet. Jedoch bestehe ein deutliches Aufwertungspotenzial, so dass man dem Kläger anbiete, von seiner Kündigung zurückzutreten, um von diesem Potential zu profitieren. Dem Schreiben war zudem eine „Anlegerinformation“ beigefügt, die u. a. eine Benennung des Anlagebetrags mit ... € und des rechnerischen Wertes der Genussrechte per 31.12.2018 enthielt. Ein Betrag war dem Kläger auch bereits in einer „Transaktionsübersicht“ vom 19.12.2016 für den Buchungstag 31.12.2015 mitgeteilt worden.
Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen.
[1]Die Klage ist zulässig und begründet.
[2]I.
[3]Das angerufene Gericht ist örtlich und international zuständig. Die Zuständigkeit folgt aus Art 17 Abs. 1c), 18 Abs. 1 EuGVVO. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Frankenthal. Es handelt sich um eine Verbrauchersache i. S. d. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO.
[4]Der Kläger - ein Rentner und ehemaliger Pädagoge, der in der Vergangenheit als Pharmareferent tätig war - hat im Rahmen seiner informatorischen Befragung unwidersprochen dargelegt, dass er zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Anlagegeschäfts arbeitslos gewesen sei und das Geld aus einer Abfindung gestammt habe. Ihm sei von einem Berater in Aussicht gestellt worden, dass er ja vielleicht auch als Finanzberater für A arbeiten könne, es dann aber gut aussähe, wenn er auch eine entsprechende Anlage zeichne. Letzteres habe er getan, zu einer Tätigkeit für A sei es dann aber nicht gekommen.
[5]Im Hinblick auf die Anlage seiner Abfindung handelt es sich um ein Kapitalanlagegeschäft zur Verwaltung eigenen Kapitalvermögens. Dies lässt einen Verbraucher nicht zum Unternehmer werden (vgl. - für den Verbrauchergerichtsstand nach dem Luganer Übereinkommen, vorliegend gelten jedoch dieselben Grundsätze - BGH, Urteil vom 09.02.2017,
[6]Eine Ausrichtung der gewerblichen Tätigkeit der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten und auch der Beklagten selbst auf Deutschland im Sinne des Art. 17 Abs. 1c EuGVVO ist gegeben. Es wurden Anleger in Deutschland angeworben, auch die Beklagte - wie das Schreiben vom Februar 2019 zeigt -versendet unter einem Züricher Briefkopf mit Londoner Impressum in der Fußzeile an den Kläger in Deutschland in deutscher Sprache abgefasste Geschäftsbriefe und unterhält ein gleichfalls in diesem Schreiben angegebenes Konto bei der Frankfurter Sparkasse.
[7]Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nach Art. 18 EuGVVO auch nicht darauf an, ob sie selbst ihren Sitz in Deutschland hat, es genügt, dass der Kläger hier ansässig ist (vgl. Art. 18 Abs. 1, 2. Alt. EuGVVO).
[8]Sollte die EuGVVO nach vollzogenem „Brexit“ nicht mehr anwendbar sein, ergäbe sich dasselbe Ergebnis aus den Regelungen des Luganer Abkommens.
[9]Soweit die Beklagte im Zusammenhang mit der Frage des Verbrauchergerichtsstandes mit Schriftsatz vom 03.07.2020 (Bl. 121 ff. d. A.) dahingehenden Vortrag hält, dass infolge der Verschmelzung der A Investment GmbH als übertragender Rechtsträger auf die Beklagte als übernehmender Rechtsträger die ursprüngliche Emittentin der Genussrechte „spätestens mit Wirkung zum 31.12.2018 erloschen“ sei, dem Kläger daher als Inhaber „sogenannter Sonderrechte im umwandlungsrechtlichen Sinn anlässlich der Durchführung der Verschmelzung in umwandlungsrechtlich zulässiger Art und Weise zu den Genussrechten gleichwertige Rechte in Form von B-Anteilen der Beklagten gewährt worden seien“ und sich hierdurch - so versteht das Gericht die Essenz der weiteren Ausführungen - sich sowohl die Anwendbarkeit der EuGVVO als auch die Verbrauchereigenschaft des Klägers verflüchtigt habe, ist dies ohne Belang. Denn wie beklagtenseits bereits mit Schriftsatz vom 28.08.2019 (Bl. 51 d. A.) unstreitig gestellt wurde, ist „das in Rede stehende Genussrechtsverhältnis mit Wirkung zum 31. Dezember 2018 gekündigt worden“. Sollte es also die im Schriftsatz vom 03.07.2020 (Bl. 121 ff. d. A.) dargelegten Transformationen in „B-Anteile“ gegeben und sollte dies die weiter dargelegten rechtlichen Wirkungen gehabt haben, hatte der Kläger aufgrund der zum Stichtag vollzogenen Kündigung jedenfalls keinen Anteil mehr hieran.
[10]Auch die Gerichtsstandsvereinbarung in § 13 Abs. 2 der Vertragsbedingungen stünde - eine Wirksamkeit unterstellt - der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht entgegen. Zwar solle demnach der Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft sein, es heißt jedoch im folgenden ausdrücklich, dass diese Vereinbarung das Recht eines Genussrechtsinhabers nicht beschränkt, „Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen“ (vgl. zur Frage der Zuständigkeit auch LG Trier, Zwischenurteil vom 07.04.2020,
[11]II.
[12]Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde die Klage wirksam zugestellt.
[13]Die Zustellung der Klageschrift wurde nach im Juli 2019 (noch vor dem „Brexit“) nach Art. 14 EUZVO im Wege des Einschreibens mit Rückschein veranlasst (Bl. 38 Rs. d. A.) Auch ist der Rückschein in der Folge zurückgesandt worden (Bl. 38a d. A.). Zwar ist auf dem in Rücklauf gelangten Rückschein das die Auslieferung bescheinigende Feld nicht ausgefüllt und es wurde - wohl im Postbetrieb - der handschriftliche Vermerk „kein Rückschein mehr nach Großbritannien“ angebracht. Jedoch haben die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 15.08.2019 (Bl. 39 d. A.) unter Vollmachtsversicherung angezeigt, dass sich die Beklagte gegen die Klage verteidigen werde. Daher ist davon auszugehen, dass eine Zustellung spätestens zum 15.08.2019 erfolgt war. Der Wirksamkeit der Zustellung steht auch nicht entgegen, dass die Klageschrift in deutscher Sprache abgefasst war. Die Beklagte - der Name des „Directors“ lautet i. Ü. B - kommuniziert (siehe etwa das bereits erwähnte Schreiben vom Februar 2019) mit dem Kläger selbst in deutscher Sprache.
[14]Selbst wenn man zunächst von einer Fehlerhaftigkeit der Zustellung ausgehen sollte, wäre der Mangel nach § 189 ZPO geheilt, denn die Bevollmächtigten der Beklagten haben die Klage erhalten. Die Regelung des § 189 ZPO ist auch bei Auslandszustellungen anwendbar (vgl. Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 189 Rn. 3; Zöller-Geimer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 183, Rn. 26; OLG Celle, Beschluss vom 23.08.2018,
[15]III.
[16]Einer Verurteilung der Beklagten steht auch nicht entgehen, dass der Klägervertreter zum Verhandlungstermin vor dem Landgericht Frankenthal im Wege der Bild- und Tonübertragung aus dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg zugeschaltet war.
[17]...