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Verfahrensgang

LG Frankenthal, Urt. vom 19.02.2020 – 3 O 186/19, IPRspr 2020-307
OLG Zweibrücken, Urt. vom 20.05.2021 – 4 U 34/20, IPRspr 2021-191

Rechtsgebiete

Verfahren → Zustellung

Leitsatz

Soweit ein Rückschein nicht zur Akte gelangt ist, ist als gleichwertiger Beleg jedes Mittel zur Zustellung eines Schriftstücks und zum Beweis dieser Zustellung anzusehen, das vergleichbare Garantien hinsichtlich des Erhalts des Schriftstücks durch den Empfänger und der Umstände davon wie ein Einschreiben mit Rückschein aufweist.

Die EuZVO regelt lediglich, wie zustellungsbedürftige Schriftstücke zu übermitteln sind, und nicht, welche Form zuzustellende Schriftstücke haben müssen. Auch elektronisch signierte Dokumente sind für eine Auslandszustellung geeignet. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

EuGVVO 1215/2012 Art. 7
EuZVO 1348/2000 Art. 8
EuZVO 1393/2007 Art. 14; EuZVO 1393/2007 Art. 19
ZPO § 331

Sachverhalt

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Auszahlung und Abrechnung eines Auseinandersetzungsguthabens aus Genussrechtsbeteiligungen in Anspruch. Die Beklagte ist eine englische Ltd. und Rechtsnachfolgerin der … AG, welche ihren Sitz in Österreich hatte. Bei der Zeichnung wurden die Genussrechtsbedingungen der … zugrunde gelegt. 2017 hat die … den Saldo der Anlage und den Rückzahlungsbetrag beziffert. Ausweislich eines Schreibens vom Februar 2019 teilt die … dem Kläger mit, dass die … mit der Beklagten zum Stichtag des 31.12.2018 verschmolzen worden wäre und hierdurch automatisch der Wandel der Genussrechte/-scheine in Aktien erfolge. 2019 haben die Klägervertreter die außerordentliche Kündigung erklärt. Mit Schreiben der Beklagten vom 27.06.2019 hat die Beklagte auf 2,5 Seiten in deutscher Sprache zu dem Schreiben vom 17.06.2019 Stellung genommen. Das Schreiben ist vom vertretungsberechtigten Direktor der Beklagten unterzeichnet worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu zahlen. Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die zulässige Klage ist begründet.

[2]A.

[3]Die Klage ist zulässig und der Beklagten wirksam zugestellt worden.

[4]1. Es besteht ein Gerichtsstand im Sinne von Art  7 Abs. 1 lit. c EuGVVO, nachdem insoweit ein schlüssiger Vortrag der entsprechenden Voraussetzungen durch die Klagepartei ausreicht (MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl. 2017, Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 13, m.w.N.). Entsprechend dem Hinweis der Kammer mit Verfügung vom 02.10.2019 (Bl. 65 d. A.) gilt dies auch gegenüber dem Rechtsnachfolger (BGH, Urt. v. 09.02.2017 - IX ZR 67/16 (IPRspr 2017-252), BeckRs 2017, 103609, beck online, Rn. 53).

[5]2. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Feststellung der ordnungsgemäßen Zustellung der gemäß Art. 19 der VO (EG) Nr. 1393/2007 (EuZVO) war nicht geboten.

[6]Die Zustellung erfolgte ausweislich der Verfügung der Geschäftsstelle vom 22.08.2019 durch Übersendung der Klageschrift an die Adresse der Beklagten auf dem Postweg per Einschreiben mit Rückschein (Bl. 48 d.A.). Dies ist nach Art. 14 EuZVO zulässig.

[7]Soweit ein Rückschein nicht zur Akte gelangt ist, ist dies unerheblich. Wird der Rückschein nicht zurückgeschickt, ist zum Nachweis der Zustellung auch jedes andere Beweismittel zulässig. Als gleichwertiger Beleg ist nach Ansicht des EuGH jedes Mittel zur Zustellung eines Schriftstücks und zum Beweis dieser Zustellung anzusehen, das vergleichbare Garantien hinsichtlich des Erhalts des Schriftstücks durch den Empfänger und der Umstände davon wie ein Einschreiben mit Rückschein aufweist. Dies kann insbesondere ein anderes Dokument sein, mit dem die die Rechte des Empfängers wahrende Zustellung nachgewiesen wird (Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, VO (EG) 1393/2007 Art. 14 Rn. 15, 16, beck-online). Vorliegend ist die Zustellung durch die Verteidigungsanzeige des Beklagten vom 10.09.2019 nachgewiesen. Dort hat der Beklagtenvertreter ausgeführt: „Die Beklagte wird sich verteidigen“. Damit hat er zugestanden, die Klage erhalten zu haben, denn ein anderer Weg auf dem die Beklagte etwas erhalten haben soll, gegen das er sich verteidigen will, ist nicht erkennbar.

[8]Darüber hinaus hat der Beklagtenvertreter mit der Klageerwiderung vom 26.09.2019 klargestellt einen Briefumschlag erhalten zu haben, der „die Klageschrift“ enthielt, so dass auch deshalb von einer wirksamen Zustellung auszugehen ist.

[9]Soweit der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 26.11.19 darauf hinweist, dass der vermeintlich verfahrenseinleitende Schriftsatz dem vertretungsberechtigten Mitglied des Verwaltungsrates nicht übergeben wurde, ist dies unverständlich, da ausweislich der Klageerwiderung der Beklagten ein Briefumschlag übermittelt wurde (Bl. 58 d.A.). Darüber hinaus geht die Kammer davon aus, dass die Mandatierung des Beklagtenvertreters durch eine ordnungsgemäß bevollmächtigten Person erfolgte, so dass es für eine Zustellung ausreicht, wenn der ordnungsgemäß Bevollmächtigten Beklagtenvertreter die Klage erhalten hat.

[10]3. Die Beklagte war auch nicht gemäß Art. 8 EG-ZustellVO zur Verweigerung der Annahme des Schriftstücks berechtigt und auch nicht darüber zu belehren, da das Schriftstück in einer der Sprachen abgefasst war, die die Beklagte versteht. Insoweit kann jedenfalls auf das Verständnis des Geschäftsführers der Beklagten abgestellt werden. Davon dass dieser hinreichend der deutschen Sprache mächtig ist, war bereits bei Vorliegen der Klageschrift auszugehen, da der Klageschrift ein von diesem unterzeichnetes Schriftstück vom 27.06.2019 (Bl. 26ff. d.A.) beigefügt war, in welchem ausführlich auch komplizierte juristische Sachverhalte dargestellt werden, so dass von einem ausgesprochen guten Sprachverständnis des Direktors der Beklagten ausgegangen werden konnte (Pfälz. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22.5.2015 - 2 UF 19/15 (IPRspr 2015-242), NJW-RR 2015, 1157, beck-online).

[11]4. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, dass elektronisch signierte Dokumente für eine Auslandszustellung nicht geeignet wären, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Die EuZVO regelt lediglich, wie zustellungsbedürftige Schriftstücke zu übermitteln sind und nicht welche Form zuzustellende Schriftstücke haben müssen.

[12]5. Es kann dahinstehen, ob die Einlassungsfrist für den Beklagten nicht ausreichend gewesen sein soll, da dies die Gültigkeit der Klageerhebung nicht berührt (MüKoZPO/Prütting, 5. Aufl. 2016, ZPO § 274 Rn. 16). Nachdem eine Verteidigungsanzeige erfolgt ist, ist der Erlass eines Versäumnisurteils gemäß § 331 ZPO ausgeschlossen und die Erwägungen des Beklagtenvertreters hierzu unerheblich.

[13]B.

[14]Die Klage ist begründet.

[15]1. ...

Fundstellen

LS und Gründe

BeckRS, 2023, 19610

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2020-307

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