Zur internationalen Zuständigkeit, zu den Anforderungen an die Zustellung der verfahrenseinleitenden Antragsschrift und zum anwendbaren Sachrecht bei Scheidung einer deutsch-franzöischen Ehe.
Die Beteiligten haben 1991 in Deutschland geheiratet. Aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen; der 1991 geborene Sohn L. und die 1995 geborene Tochter V. Ihr letzter gemeinsamer Wohnsitz war in W./Frankreich; der AGg. hat dort noch immer seinen Aufenthalt. Seit der Trennung im Februar 2013 lebt die ASt. mit der gemeinsamen Tochter alleine. Die ASt. hat Antrag auf Scheidung der Ehe zum AG – FamG – Landau in der Pfalz gestellt. Der AGg. hat später Scheidungsantrag zum Tribunal de grande instance de Strasbourg gestellt. Das AG – FamG – Landau/Pfalz hat nach Anhörung der ASt. die Ehe geschieden und festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Eine Anhörung des AGg. ist unterblieben, weil dieser zum Anhörungstermin nicht erschienen ist. Mit seiner Beschwerde beantragt der AGg. die Aufhebung des Scheidungsbeschlusses. Die ASt. verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
[1]II. ... Dagegen ist es nicht zu beanstanden, dass das FamG in Landau in der Pfalz die Ehe der Beteiligten geschieden hat.
[2]1. Das FamG in Landau war entgegen der Auffassung des AGg. nicht verpflichtet, das Verfahren mit Rücksicht auf das von ihm beim FamG in Strasbourg anhängig gemachte Scheidungsverfahren auszusetzen.
[3]Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der EU Anträge auf Ehescheidung zwischen denselben Parteien gestellt, setzt gemäß Art. 19 I EuEheVO das später angerufene Gericht das Verfahren vom Amts wegen aus, bis die – internationale – Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist.
[4]Hier ist das deutsche Gericht in Landau zuerst angerufen worden.
[5]Ein Gericht gilt zu dem Zeitpunkt als angerufen, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück bei ihm eingereicht wurde, sofern der Antragsteller es in der Folgezeit nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks zu bewirken (Art 16 I lit. a EuEheVO).
[6]Der Scheidungsantrag der ASt. ist am 18.6.2014 beim AG Landau in der Pfalz eingegangen. Die Zustellung war von Amts wegen zu bewirken (§ 124 FamFG i.V.m. §§ 253, 166 II ZPO); die ASt. musste hierzu nichts veranlassen.
[7]Demgegenüber ist der Scheidungsantrag des AGg. erst am 29.10.2014 beim Tribunal de grande instance in Strasbourg eingereicht worden.
[8]Damit hat das später angerufene französische Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis die Zuständigkeit des deutschen Gerichts geklärt ist.
[9]2. Auch eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Feststellung der ordnungsgemäßen Zustellung der verfahrenseinleitenden Antragsschrift der ASt. an den AGg. gemäß Art. 19 EuZVO war nicht geboten.
[10]Die Zustellung erfolgte am 9.8.2014 durch Übersendung der Antragsschrift an die Adresse des AGg. in Wissembourg auf dem Postweg per Einschreiben mit Rückschein; dies ist nach Art. 14 EuZVO zulässig.
[11]Der AGg. hat die Annahme der in deutscher Sprache abgefassten Antragsschrift, der keine Übersetzung in die französische Sprache beigefügt gewesen ist, nicht verweigert. Hierzu wäre er gemäß Art. 8 EuZVO (nur) berechtigt gewesen, wenn er die deutsche Sprache nicht versteht.
[12]Für das FamG bestand kein Veranlassung zu Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Zustellung. Denn der AGg. hat nach Erhalt der Antragsschrift mit – ebenfalls in deutscher Sprache abgefasstem – persönlichem Schreiben an das FamG Landau vom 20.8.2014 mitgeteilt, dass sein Rechtsanwalt urlaubsabwesend sei und dass eine Erklärung zum Scheidungsantrag und Angaben zum Versorgungsausgleich nach dessen Rückkehr abgegeben bzw. gemacht würden.
[13]Es kann dahinstehen, ob sich der AGg. mit diesem Schreiben bereits im Sinne der o.g. Vorschrift auf das Verfahren eingelassen hat. Jedenfalls durfte das FamG aufgrund dieses Schreibens davon ausgehen, dass der AGg. sich auf das bei ihm anhängige Verfahren einlassen will und dass er die deutschen Sprache ausreichend beherrscht. Denn aus dem Antwortschreiben war zu erkennen, dass der AGg. den Inhalt der Antragsschrift und der ihm ebenfalls in deutscher Sprache übermittelten gerichtlichen Verfügung (insbes. die Aufforderung, die ihm übersandten Fragebögen zum Versorgungsausgleich ausgefüllt zurückzusenden) verstanden hatte.
[14]Der Senat ist im Übrigen nach dem im Anhörungstermin gewonnenen Eindruck auch davon überzeugt, dass der AGg. die deutsche Sprache ausreichend versteht, so dass er auch nicht zur Verweigerung der Annahme berechtigt gewesen wäre.
[15]Zwar hat er im Termin ausnahmslos französisch gesprochen und wiederholt erklärt, er könne nur einfache, alltägliche Sachverhalte auf Deutsch erfassen.
[16]Er war allerdings durchaus in der Lage, auch in deutscher Sprache gehaltene Erörterungen und Fragen des Senats – etwa im Zusammenhang mit seinen Versorgungsanrechten oder in Bezug auf die in Verfahren mit Auslandsbezug geltenden Formalien – inhaltlich zu erfassen. Er hat dies durch entsprechende Gesten kund getan, bevor ihm die Sachverhalte durch den Vorsitzenden oder seine Rechtsanwältin übersetzt worden sind. Zudem ist er dem Vorhalt der ASt. nicht entgegengetreten, in der Familie sei stets – auch in den letzten zehn Jahren vor der Trennung, in denen sie nicht mehr in der Pfalz, sondern in Wissembourg wohnten – im Wesentlichen Deutsch gesprochen worden, der AGg. unterhalte sich mit seinen Kindern ausschließlich auf Deutsch, weil diese die französische Sprache nicht erlernt hätten.
[17]3. Das zuerst angerufene deutsche Gericht hat seine internationale Zuständigkeit für die Entscheidung über die Ehescheidung zu Recht bejaht.
[18]Seine Zuständigkeit ist nach Art 3 I lit. a Spiegelstrich 5 f. EuEheVO gegeben. Die ASt. hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit Februar 2013 und damit seit mehr als einem Jahr vor Antragstellung in Deutschland (Spiegelstrich 5); weil die ASt. deutsche Staatsangehörige ist, hätte auch ein Mindestaufenthalt von sechs Monaten vor der Antragstellung genügt (Spiegelstrich 6).
[19]Die insgesamt sieben Tatbestände, an die nach Art. 3 EuEheVO die internationale Zuständigkeit anknüpft, sind gleichrangig; der auf Scheidung der Ehe antragende Ehegatte kann unter den möglichen Gerichtsständen wählen. Die ASt. durfte den Scheidungsantrag damit bei der – auch örtlich zuständigen (nach § 122 Nr. 5 FamFG) – familiengerichtlichen Abteilung des AG Landau in der Pfalz stellen.
[20]4. Die Entscheidung des FamG in der Ehesache ist schließlich auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
[21]a) Das auf die Ehescheidung anzuwendende Sachrecht bestimmt sich nach der Rom III-VO.
[22]Da die Ehegatten keine Vereinbarung zum auf die Ehescheidung anzuwendenden Recht getroffen haben (Art. 5–7), ist auf die objektive Anknüpfungsregel des Art. 8 abzustellen. Die dort festgelegten insgesamt vier Anknüpfungstatbestände (litt. a–d) gelten in der festgelegten Reihenfolge. Sind die Voraussetzungen einer vorgenannten Anknüpfung gegeben, bestimmt sich das anzuwendende Recht ausschließlich nach ihr, nachstehende Anknüpfungsregeln bleiben unberücksichtigt.
[23]Hier bestimmt sich das anzuwendende Sachrecht nach lit. d, mithin nach dem Recht des Staats des angerufenen Gerichts (lex fori), weil eine Anknüpfung nach den litt. a–c nicht in Betracht kommt.
[24]Die beteiligten Ehegatten hatten bei Anrufen des Gerichts keinen gemeinsamen Aufenthaltsort (lit. a); die ASt. lebte im Juni 2014 in Deutschland, der AGg. in Frankreich.
[25]Der letzte gemeinsame Aufenthalt (in Frankreich) endete mehr als ein Jahr vor der Anrufung des Gerichts (lit. b); die ASt. lebt seit der Trennung im Februar 2013 in Deutschland.
[26]Die beteiligten Ehegatten haben keine gemeinsame Staatsangehörigkeit (lit. c); die ASt. ist Deutsche, der AGg. Franzose.
[27]Damit kommt auf die Ehescheidung deutsches Sachrecht zur Anwendung.
[28]b) Die Ehe der Beteiligten ist zu scheiden, weil sie gescheitert ist (§ 1565 I 1 BGB). Das Scheitern der Ehe wird unwiderlegbar vermutet, weil die Ehegatten seit mehr als einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten – wenn auch bei verschiedenen Gerichten – die Scheidung beantragt haben (§ 1566 I BGB):
[29]Beide Ehegatten haben dem Senat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung auch bestätigt, dass sie ihre Ehe für gescheitert halten und geschieden werden wollen. Der AGg. ist nur mit einer Scheidung durch ein deutsches Gericht nicht einverstanden; nach seiner Auffassung müsse das vom ihm angerufene Gericht in Strasbourg die Ehe scheiden, weil die Ehegatten vor der Trennung zehn Jahre lang in Wissembourg gelebt hätten.
[30]5. Der Versorgungsausgleich unterliegt nach Art. 17 III 1 EGBGB dem nach der Rom-III-VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht. Er ist – von Amts wegen – nur durchzuführen, wenn danach deutsches Recht anzuwenden ist und ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören.
[31]Hier ist nach dem Scheidungsstatut deutsches Sachrecht anzuwenden; die ASt. war bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags im August 2014 deutsche Staatsangehörige. Damit ist der Versorgungsausgleich im Grundsatz durchzuführen.
[32]Es greift jedoch die Ausgleichssperre des § 19 III VersAusglG, weil der derzeit allein mögliche Ausgleich der Anrechte der ASt. für diese unbillig wäre.
[33]Es ist deshalb anzuordnen, dass ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. Ausgleichsansprüche nach der Scheidung bleiben hiervon unberührt (§ 19 IV VersAusglG).