PDF-Version

Verfahrensgang

OLG Köln, Urt. vom 15.10.2013 – 3 U 209/12, IPRspr 2013-62

Rechtsgebiete

Handels- und Transportrecht → Land- und Lufttransport (bis 2019)

Leitsatz

Die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten, die dem Hauptfrachtführer in einem Vorprozess durch gerichtliche Inanspruchnahme vonseiten des Absenders beziehungsweise dessen Rechtsnachfolger entstanden sind, ist in der CMR nicht geregelt, so dass insoweit das ergänzende nationale (hier: österreichische) Recht maßgeblich ist. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

ABGB (Österr.) § 1037; ABGB (Österr.) §§ 1333 f.
BGB § 288; BGB § 291
CMR Art. 17
EGBGB Art. 27 ff.
EuZVO 1393/2007 Art. 8; EuZVO 1393/2007 Art. 14
EVÜ Art. 3
ZPO § 183; ZPO § 1068

Sachverhalt

Die Kl. macht als Transportversicherer der U GmbH (Versicherungsnehmerin) mit Sitz in X/Österreich aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche aus einem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Bekl. geschlossenen Frachtvertrag geltend. Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Bekl., den Transport einer Aufrollmaschine von Schio/Italien nach Zülpich/Deutschland durchzuführen. Nach Übernahme des Transportguts durch die Bekl. verunfallte der Lkw auf der Transportstrecke in der Ortschaft N, Vicenca/Italien. Das Fahrzeug stürzte samt Ladung um, weil dessen Fahrer einen Kreisverkehr mit unangepasster Geschwindigkeit befahren und dadurch die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte. Die Bekl. wurde noch am selben Tag von der Versicherungsnehmerin für den eingetretenen Schaden schriftlich haftbar gemacht. Dem streitgegenständlichen Transport lag ein Handelsgeschäft zwischen der in Italien ansässigen Verkäuferfirma Q S.r.l. und der in Zülpich ansässigen Käuferfirma U 2- und Wellepappenfabrik zugrunde. Der Transportversicherer der Verkäuferin – die B AG – glich den entstandenen Schaden aus und nahm im weiteren Verlauf ihrerseits die Versicherungsnehmerin in einem Rechtsstreit vor dem LG Bonn in Regress, nachdem diese trotz entspr. Aufforderung keinen Schadensersatz geleistet hatte. Ob der Bekl. im Rahmen dieses Rechtsstreits im Herbst 2010 wirksam der Streit verkündet wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil wurde die Versicherungsnehmerin vom LG Bonn zu einer Schadensersatzzahlung verurteilt. Die Kl. leistete daraufhin Zahlung und glich zudem die Kosten des Vorprozesses aus.

Die Kl. macht nunmehr gegen die Bekl. gerichtlich u.a. die Erstattung der Schadensersatzkosten sowie der Vorprozesskosten geltend. Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Bekl.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Bekl. hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

[2]1. ... 3. Der Kl. steht darüber hinaus aus übergegangenem Recht gemäß § 1037 österr. ABGB unter dem Gesichtspunkt der GoA dem Grundsatz nach auch ein Anspruch auf Erstattung der ihrer Versicherungsnehmerin im Vorprozess vor dem LG Bonn (Az.: 11 O 66/10) entstandenen Kosten zu.

[3]Die CMR regelt nur wichtige frachtrechtliche Fragen, enthält aber keine abschließende Kodifikation des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs. Soweit sie im Hinblick auf konkrete Probleme überhaupt keine oder jedenfalls keine abschließende Regelung enthält, ist das nach den Grundsätzen des IPR des angerufenen Gerichts maßgebende nationale Recht ergänzend heranzuziehen (Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Vor Art. 1 CMR Rz. 5). Die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten, die dem Hauptfrachtführer in einem Vorprozess durch gerichtliche Inanspruchnahme vonseiten des Absenders bzw. dessen Rechtsnachfolgers entstanden sind, ist in der CMR nicht geregelt. Es entspricht der Rspr. des BGH, dass insoweit etwa auch die Vorschriften über den Schuldnerverzug entsprechende Anwendung finden (BGH, Urt. vom 24.5.2000 – I ZR 80/98 = NJW-RR 2001, 170).

[4]Der Rückgriff auf das maßgebliche nationale Recht führt hier zur Anwendbarkeit österreichischen Rechts. Da der streitgegenständliche Frachtvertrag vor dem 17.12.2009 geschlossen wurde, findet das EVÜ vom 19.6.1980 (Art. 27 ff. EGBGB) Anwendung. Nach Nr. X. der AGB (AB) der Kl., welche dem Transportauftrag zugrunde lagen und damit auch Bestandteil des geschlossenen Frachtvertrags geworden sind, haben die Parteien vorliegend die Geltung österreichischen materiellen Rechts vereinbart, was nach Art. 3 EVÜ grundsätzlich zulässig ist. Die Wirksamkeit der Rechtswahl beurteilt sich nach österreichischem Recht, nach dem eine Rechtswahlvereinbarung auch durch AGB im Grundsatz zulässig ist (vgl. KG Berlin, Urt. vom 21.1.1998 – 11 U 6378/97 (IPRspr. 1998 Nr. 138), zit. n. juris). Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Klausel bestehen vorliegend nicht. Insbesondere ist die Vereinbarung österreichischen Rechts angesichts des Sitzes der Versicherungsnehmerin nicht überraschend.

[5]Es entspricht gefestigter Rspr. des OGH in Wien, dass der Regressanspruch des Hauptfrachtführers gegen den Unterfrachtführer unter dem Gesichtspunkt der GoA nach § 1037 österr. ABGB grundsätzlich auch die Kosten eines vorangegangenen Schadenersatzprozesses umfasst, sofern dem Unterfrachtführer in diesem Prozess wirksam der Streit verkündet wurde (OGH, Urt. vom 17.5.2000 – 2Ob108/00x; Urt. vom 16.1.2001 – 4Ob313/00h). Dies gilt auch dann, wenn der regresspflichtige Schuldner dem Vorprozess nicht als Nebenintervenient beigetreten ist. Die Prozesskosten des Vorprozesses sind als typische Folge der unterlassenen Streithilfe zu qualifizieren und insoweit von der Interventionswirkung der Streitverkündung umfasst. Hat sich der regresspflichtige Schuldner trotz Streitverkündung nicht am Prozess zwischen dem Gläubiger und dem in Anspruch genommenen Schuldner beteiligt, so ist anzunehmen, dass er die Prozessführung durch diesen als auch seinem Interesse dienend betrachtet. Er hat dann ab dem Zeitpunkt der Streitverkündung sowohl die der nunmehr regressierenden Hauptpartei des Vorprozesses selbst entstandenen als auch die dem dort obsiegenden Prozessgegner ersetzten Kosten zu tragen (OGH, Urt. vom 14.10.2008 – 8Ob92/08z). Die Streitverkündung dient im Zusammenhang des § 1037 österr. ABGB dazu, den als Schuldner eines Ersatzanspruchs in Frage Kommenden darauf aufmerksam zu machen, dass der Anspruchsteller als Partei eines anhängigen Verfahrens beabsichtigt, dieses Verfahren auch im Interesse des Ersatzpflichtigen zu führen, also dort nicht nur seine eigenen, sondern auch die fremden Interessen zu verfolgen. Zu ersetzen ist daher nur der Prozessaufwand, der ab Zustellung der Streitverkündung entsteht. Erst ab diesem Zeitpunkt hat der Regresspflichtige es in der Hand, sich selbst am Verfahren zu beteiligen, um auf diese Weise den Prozessaufwand möglichst gering zu halten oder die Aufforderung zum Beitritt unbeachtet zu lassen (OGH, Urt. vom 16.01.2001 aaO).

[6]Erstattungsfähig sind damit grundsätzlich die Kosten des Vorprozesses, die nach wirksamer Zustellung einer Streitverkündungsschrift im Vorprozess entstanden sind. Die Versicherungsnehmerin der Kl. hat der Bekl. im Vorprozess vor dem LG Bonn (Az.: 11 O 66/10) mit Schriftsatz vom 14.10.2010 ... den Streit verkündet. Ausweislich des Rückscheins ... ist diese Streitverkündungsschrift der Bekl. am 9.11.2010 zugestellt worden. Gegen die Wirksamkeit der Zustellung bestehen keine Bedenken. Die Zustellung erfolgt nach §§ 183 I Nr. 1, 1068 I ZPO i.V.m. Art. 14 I EuZVO durch die Post mittels Einschreiben mit Rückschein. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein (§§ 183 II 1, 1068 I 1 ZPO). Da die Streitverkündung in dem vor dem LG Bonn geführten Vorprozess erfolgte, befindet dieser Rückschein sich in den dortigen Akten, die beigezogen wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der Wirksamkeit der Streitverkündung steht es nicht entgegen, dass weder diese noch die ihr beigefügten Anlagen vor Zustellung übersetzt wurden. Ausweislich der zugrunde liegenden gerichtlichen Verfügung vom 19.10.2010 ... erfolgte die Zustellung der Streitverkündung mit der ausdrücklichen Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 8 I EuZVO. Eine entspr. Annahmeverweigerung, die zu einer Rücksendung des zuzustellenden Schriftstücks geführt hätte (Art. 8 II EuZVO), ist demgegenüber nicht erfolgt ...Erstattungsfähig sind damit die nach Zustellung der Streitverkündungsschrift am 9.11.2010 entstandenen Kosten der jeweiligen Unterbevollmächtigten der Parteien des Vorprozesses, die durch die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2010 entstanden sind ...

[7]Die weitergehenden, bereits vor Zustellung der Streitverkündungsschrift an die Bekl. entstandenen Kosten des Vorprozesses sind demgegenüber auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzugs erstattungsfähig, da es insoweit an der, gemäß §§ 1333, 1334 ABGB auch nach österreichischem Zivilrecht erforderlichen Mahnung fehlt. Nach § 1334 ABGB fällt dem Schuldner eine Verzögerung zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Ist die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, trägt der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat. Bei dem vorliegenden Schadenersatzanspruch aus Art. 17 CMR bedarf es mangels gesetzlich oder vertraglich festgelegter Fälligkeit folglich ebenso wie im deutschen Recht einer Mahnung, um die Verzugsfolgen (Ersatzfähigkeit eines Verspätungsschadens) herbeizuführen. Eine solche Einmahnung lag aber jedenfalls bei Beginn des Vorprozesses noch nicht vor, da die Haftbarmachung vom 25.5.2009 keine Bezifferung des Schadens enthält. Eine weitere Korrespondenz zwischen den Parteien erfolgte insoweit unstreitig nicht.

[8]Es kann schließlich auch dahinstehen, ob eine solche Mahnung in der Zustellung der Streitverkündungsschrift gesehen werden kann (offengelassen von OLG Düsseldorf, Urt. vom 27.1.2010 – 18 U 116/09 (IPRspr 2010-62b) = TranspR 2010, 242), da auch in diesem Fall lediglich die nach Zustellung angefallenen Kosten des Vorprozess erstattungsfähig wären, deren Erstattungsfähigkeit sich aber, wie dargelegt, bereits aus einem anderen Rechtsgrund ergibt.

[9]4. Soweit die Kosten des Vorprozesses demnach erstattungsfähig sind, folgt der Zinsanspruch aus §§ 288 I, 291 BGB. Insoweit ist deutsches Recht anzuwenden, weil die Vorschriften über die Prozesszinsen – unabhängig vom gewählten Vertragsstatut – für alle Inlandsprozesse maßgeblich sind (OLG Frankfurt, Urt. vom 22.5.2007 – 9 U 12/07 (IPRspr 2007-25) = NJW-RR 2007, 1357; OLG Düsseldorf, Urt. vom 26.10. 1999 – 21 U 48/99 (IPRspr. 1999 Nr. 35) = MDR 2000, 575).

Fundstellen

LS und Gründe

RdTW, 2015, 136
TranspR, 2015, 112

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2013-62

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>