Die Begründung des Gerichtsstands in Verbrauchersachen gemäß Art. 15 I lit. c EuGVO setzt nicht voraus, dass der Beklagte in dem Mitgliedstaat, in dem sich der Wohnsitz des Verbrauchers befindet, auch noch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung beziehungsweise -zustellung eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche Tätigkeit auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet.
Der Kl. macht gegenüber der Bekl. Schadensersatzansprüche wegen angeblich fehlerhafter Vermögensverwaltung geltend.
Die Bekl., die unter A International Bank Ltd firmierte und ihren Firmensitz in Stadt 1 hat, ist eine Tochtergesellschaft der B ..., X & Y Inc., eines US-amerikanischen Börsenmaklerhauses mit Sitz in Stadt 2. Die Bekl. unterhielt in Stadt 3 eine Zweigniederlassung, die geschlossen und im Handelsregister gelöscht wurde, nachdem die B ..., X & Y Inc. ihr Privatkundengeschäft mit deutschen Kunden an die Schweizer Bank C verkauft hatte. Die Mitarbeiter D und E der Niederlassung der Bekl. hatten den Kl. in Stadt 4 aufgesucht. Der Kl. eröffnete ein Euro- sowie ein US-Dollar-Konto.
Nach Kündigung der Konten durch den Kl. infolge angeblichen Wertverlusts der Depots und Schließung durch die Bekl. wiesen die Konten des Kl. noch ein Barguthaben und Wertpapiere auf. Der Kl. hat daraufhin Klage vor dem LG Frankfurt/M. erhoben, mit welcher er u.a. die Übertragung des Barguthabens und der Wertpapierbestände sowie Schadensersatz begehrt hat. Das LG hat die Klage durch Urteil mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kl. mit seiner Berufung.
[1]II. Die Berufung ist zulässig, jedoch nur hinsichtlich des hilfsweise gestellten Verweisungsantrags begründet.
[2]Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist in jedem Verfahrensabschnitt, auch in der Rechtsmittelinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Auch nach dem Inkrafttreten des ZPO-RG kann die Berufung daher darauf gestützt werden, dass das untere Gericht mit Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen oder verneint hat. § 513 II ZPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGHZ 153, 82 (IPRspr. 2003 Nr. 481); Geimer, IZPR, 5. Aufl., Rz. 1855).
[3]Das LG Frankfurt/M. hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu Unrecht verneint. Gemäß Art. 15 I lit. c EuGVO ist das LG Saarbrücken, in dessen Bezirk der Kl. seinen Wohnsitz hat, international und örtlich zuständig. Auf den Hilfsantrag des Kl. war daher der Rechtsstreit an das zuständige LG Saarbrücken gemäß § 281 ZPO zu verweisen. In der Rechtsmittelinstanz hat die Verweisung durch Urteil und unter gleichzeitiger Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu erfolgen (vgl. BGH, NJW-RR 1988, 1405; NJW 1955, 1508; OLG Hamburg vom 9.11.2006 – 3 U 58/06).
[4]Die EuGVO, die am 1.3.2002 in Kraft getreten ist und Vorrang gegenüber dem nationalen Zivilprozessrecht hat und dieses verdrängt (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Einl Rz. 19), ist vorliegend anwendbar. Die Bekl. hat ihren Sitz in einem Mitgliedstaat.
[5]Liegt der Sitz bzw. Wohnsitz des Beklagten in einem anderen Mitgliedstaat als im Gerichtsstaat, ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nur begründet, wenn sie sich aus den besonderen Voraussetzungen der Art. 5 bis 24 EuGVO ergibt (Art. 2 I i.V.m. Art. 60 EuGVO).
[6]Da der Kl. nach seinem Vortrag Ansprüche aus einem Vertrag, den er zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden kann, im Sinne des Art. 15 I EuGVO geltend macht, greifen die besonderen Zuständigkeitsregeln für Verbrauchersachen gemäß Art. 15, 16 EuGVO ein, die – abgesehen von Art. 5 Nr. 5 EuGVO – abschließend sind und einen Rückgriff auf Art. 5, 6 EuGVO ausschließen (vgl. Kropholler aaO Art. 16 EuGVO Rz. 1; so bereits auch Mankowski, RIW 1996, 1005 zur EuGVÜ).
[7]Den Gerichtsstand der Niederlassung gemäß Art. 5 Nr. 5 EuGVO hat das LG zu recht verneint. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Niederlassung der Bekl. in Stadt 3 bereits geschlossen und im Handelsregister gelöscht. Der Gerichtsstand der Niederlassung setzt jedoch voraus, dass der Beklagte in einem Mitgliedstaat eine Niederlassung besitzt und die Streitigkeit aus deren Betrieb herrührt. Dass sie bei Abschluss der Verträge noch bestand, reicht hingegen nicht aus (vgl. BGH, VersR 2008, 940 (IPRspr 2007-128b); Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 24). Darauf, ob die vertraglichen Verpflichtungen in Stadt 3 zu erfüllen waren, kommt es nicht an, da die Zuständigkeitsregelung des Art. 5 Nr. 1 lit. b Spiegelstrich 2 EuGVO (Gerichtsstand des Erfüllungsorts) durch die speziellen Regelungen über den Gerichtsstand in Verbrauchersachen gemäß Art. 15, 16 EuGVO verdrängt wird, wobei der Verbrauchergerichtsstand neben der Zuständigkeit für vertragliche Ansprüche auch eine Annexzuständigkeit für etwaige deliktische Ansprüche begründet (vgl. Schlosser aaO Art. 15 EuGVVO Rz. 2).
[8]Art. 15 I lit. c EuGVO setzt voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag bildet, den eine Person (der Verbraucher) zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann. Weitere Voraussetzung ist, dass der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten – einschließlich des Mitgliedstaats – ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
[9]Der Kl. ist als Verbraucher anzusehen. Allein der Umstand, dass er mit den in größerem Umfang getätigten Wertpapiergeschäften Gewinn erzielen wollte, begründet für sich allein weder eine berufliche noch gewerbliche Tätigkeit (vgl. BGH, WM 1991, 360 (IPRspr. 1991 Nr. 169); OLGR Celle 2007, 615). Des Weiteren ist nach dem Vortrag des Kl. auch ein Vertrag mit der Bekl. zustande gekommen, der in den Bereich der von der Bekl. ausgeübten gewerblichen Tätigkeit fällt. Art. 15 I EuGVO gilt für Verträge jeglicher Art (vgl. MünchKommZPO-Gottwald, 3. Aufl., Art. 15 EuGVO Rz. 1).
[10]Bei sog. doppelrelevanten Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind, reicht für die Zulässigkeit der Klage die einseitige Behauptung aller erforderlichen Tatsachen durch den Kläger aus (vgl. BGHZ 124, 237 (IPRspr. 1993 Nr. 180); Schlosser aaO Rz. 4). Nach dem Vortrag des Kl. ist ein Vermögensverwaltervertrag mit der Bekl. zustande gekommen.
[11]Der Kl. hat vorgetragen, dass er bei der Geschäftsanbahnung im Mai 1990 in Stadt 4 gegenüber den Mitarbeitern der Bekl. D und E darauf hingewiesen habe, dass er selbst weder Zeit noch den erforderlichen Sachverstand für Anlageentscheidungen habe und deshalb einen größeren Betrag fachmännisch und möglichst etwas günstiger als bei einer Anlage in festverzinslichen Papieren von der Bekl. verwaltet haben möchte. Es sei vereinbart worden, dass er Einzahlungen auf das eröffnete Konto leisten undD und E sich sodann eigenständig um die Geldanlage kümmern sollten. Zu keiner Zeit sei er darauf hingewiesen worden, dass nicht die Bekl., sondern die B ... X & Y Inc. mit Sitz in Stadt 2 Vertragspartnerin sein solle. Ein solcher Hinweis lasse sich auch aus keinem der in englischer Sprache verfassten und von ihm unterzeichneten Dokumente in transparenter Form entnehmen. Das Merkblatt für neue Kunden habe er erstmals im vorliegenden Prozess gesehen. Bei Geschäftsanbahnung seien ihm keinerlei Unterlagen über die Organisationsstruktur der ... Gruppe übergeben worden. Davon, dass die Bekl. nur eine Übermittlungsfunktion für die B ... X & Y Inc. wahrnehme, sei nie die Rede gewesen.
[12]Legt man dies zugrunde, dann ist ein Vertrag mit der Bekl. zustande gekommen, da die Bekl. nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie Leistungen nicht im eigenen Namen, sondern nur jeweils für die Partnergesellschaft der ... Gruppe – vorliegend die B ... X & Y Inc. mit Sitz in Stadt 2 – erbringen will.
[13]Aus dem Schreiben der Bekl. vom 19.4.1999 ergibt sich zwar, dass für den Kl. ein Konto bei der B ... X & Y Inc. in Stadt 2 eröffnet wurde. Dieser Umstand besagt jedoch nichts darüber, wer Vertragspartner hinsichtlich der – auch nach dem Vortrag der Bekl. unstreitig erbrachten – Beratungsleistungen war. Des Weiteren steht dem Vortrag des Kl. nicht entgegen, dass die Niederlassung der Bekl. in Stadt 3 ausweislich des Handelsregisterauszugs Repräsentanz im Sinne des § 53a KWG war und ihr insoweit allein die Weiterleitung von Kundenaufträgen an die kontoführende Gesellschaft oblag. Diese beschränkte Zuständigkeit einer Repräsentanz gilt nur für die eigentlichen Bankgeschäfte im Sinne des § 1 I KWG; die Erbringung von Beratungs- und Betreuungsleistungen ist auch einer Repräsentanz nicht verwehrt (vgl. BGH, VersR 2000, 1375). Da der Kl. nach seinem Vortrag keine Unterlagen über die Organisationsstruktur der ... Gruppe – insbesondere nicht das Merkblatt für neue Kunden – erhalten hat und sonst auch nicht auf eine bloße Vermittlungstätigkeit seitens der Mitarbeiter der Bekl. für die B ... X & Y Inc. hingewiesen wurde, war für ihn nicht erkennbar, dass D und E die Anlageberatung nicht namens der Bekl., sondern für die B ... X & Y in Stadt 2 erbringen wollten. Soweit er Unterlagen unterzeichnet hat – nämlich die Erklärung für die amerikanische Steuerbehörde sowie den Kontoeröffnungsantrag nebst Client Background – kann man aus diesen für die Frage, wer Vertragspartner hinsichtlich einer Vermögensverwaltung oder Anlageberatung sein sollte, nichts herleiten. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte durfte der Kl. das Schreiben der Bekl. vom 19.4.1999 so verstehen, dass die Bekl. selbst bzw. ihre Mitarbeiter in Stadt 3 die Beratungsleistungen erbringen würden. In jenem Schreiben – das im Briefkopf die Bekl./Niederlassung Stadt 3 ausweist – ist vom Beginn einer ‚hoffentlich langen, erfolgreichen Zusammenarbeit’ die Rede.
[14]Des Weiteren heißt es: ‚Durch unseren persönlichen Service sowie durch unsere angesehene Analyseabteilung werden wir ihr Depot professionell betreuen.’ Allein der kleingedruckte Hinweis in der Fußzeile des Schreibens, in welchem es neben Angaben zur Gesellschaftsform der Bekl. heißt: ‚Die deutschen Niederlassungen der A International Bank Limited sind der deutsche Repräsentant der Gesellschaften der ... Gruppe. Kundenkonten werden nicht von den Niederlassungen selbst, sondern von den anderen Gesellschaften der ... Gruppe geführt, einschließlich A International Bank Limited, Stadt 1. Die deutschen Niederlassungen sind insofern nur als Repräsentant tätig.’, war weder von der Form noch von seinem Inhalt geeignet, dem Kl. vor Augen zu führen, dass die Bekl. bzw. ihre Niederlassung sich lediglich auf eine Botentätigkeit für die B ... X & Y Inc. beschränken wollte. Dass sie Beratungsleistungen nicht im eigenen Namen, sondern nur für die zuständige Partnergesellschaft erbringen wollte, geht daher – mangels entsprechender Klarstellung – gemäß § 164 II BGB zu Lasten der Bekl. (vgl. BGH aaO; OLG Frankfurt, WM 2002, 1219).
[15]Der Vertrag fällt auch in den Bereich der von der Bekl. ausgeübten bzw. auf den deutschen Mitgliedstaat ausgerichteten Bereich ihrer Tätigkeit. Die Bekl. gehört zur ... Gruppe, die bestimmte Kapitalanlagegeschäfte, wie sie von dem Kl. getätigt wurden, auf dem deutschen Markt anbietet bzw. angeboten hat. Dass die Niederlassung der Bekl. im Zusammenhang mit der Abwicklung derartiger Geschäfte nach den internen Richtlinien der ... Gruppe nicht zur Abgabe von Anlageempfehlungen befugt und auf die bloße Weiterleitung von Kundenaufträgen an die jeweils kontoführende Gesellschaft beschränkt sein sollte, ist unerheblich. Nach dem Vortrag des Kl. – auf den im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung abzustellen ist – haben die Mitarbeiter der Niederlassung der Bekl. dem Kl. eine umfassende Beratung bzw. Betreuung hinsichtlich der streitgegenständlichen Anlagegeschäfte zugesagt.
[16]Des Weiteren ist es unschädlich, dass die Bekl. ihre Niederlassung in Deutschland im Jahre 2004 in Hinblick auf den Verkauf des Privatkundengeschäfts mit deutschen Kunden seitens B ... X & Y Inc. an die Schweizer Bank C geschlossen hat. Die Begründung des Gerichtsstands in Verbrauchersachen gemäß Art. 15 I lit. c EuGVO setzt nach Sinn und Zweck des Schutzgerichtsstands nicht voraus, dass der Beklagte in dem Mitgliedsstaat, in dem sich der Wohnsitz des Verbrauchers befindet, auch noch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung/-zustellung eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche Tätigkeit auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet. Anknüpfungspunkt ist vielmehr allein, dass ein Verbrauchervertrag zustande gekommen ist, der in den Bereich der im Mitgliedstaat des Verbrauchers einmal ausgeübten Tätigkeit fällt.
[17]Der insoweit begründete Gerichtsstand bleibt auch nach Einstellen der Tätigkeit bestehen.
[18]Eine Regelung, in welchem Zeitpunkt die (später weggefallenen) Voraussetzungen für eine nach der Verordnung zu begründende Zuständigkeit spätestens noch vorgelegen haben müssen, fehlt in der EuGVO (vgl. hierzu Kropholler aaO Vor Art. 2 EuGVO Rz. 15). Art. 15 I lit. c EuGVO bedarf daher der Auslegung, wobei davon auszugehen ist, dass die Verordnung im Interesse einer einheitlichen Anwendung grundsätzlich autonom unter Berücksichtigung ihrer Systematik und Zielsetzungen auszulegen ist (vgl. BGH, VersR aaO).
[19]Zwar könnte die sprachliche Fassung des Art. 15 I lit. c EuGVO, der darauf abstellt, dass der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet, dafür sprechen, dass dieses Erfordernis auch noch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung/-zustellung gegeben sein muss. Auch im Rahmen des Art. 5 Nr. 5 EuGVO, der eine Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Niederlassung vor dem Ort des Gerichts, an dem diese sich befindet, begründet, wird nach h.M. in Rspr. u. Lit. (vgl. Nachweise in BGH, VersR aaO) darauf abgestellt, ob die Niederlassung bei Einreichung oder Zustellung der Klage bzw. bei Schluss der mündlichen Verhandlung noch besteht. Im gleichen Sinne hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.6.2007 (vgl. VersR aaO nebst krit. Anm. Staudinger, PRax 2008, 107) auch Art. 15 II EuGVO, der für Verbrauchersachen die Möglichkeit eröffnet, einen Vertragspartner vor den Gerichten des Mitgliedstaats zu verklagen, in dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, auch wenn der Vertragspartner im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz hat, aber in einem Mitgliedstaat eine Niederlassung besitzt, ausgelegt. Zu der Frage, ob Art. 15 I EuGVO anders als Art. 5 Nr. 5 bzw. Art. 15 II EuGVO auch abgeschlossene Sachverhalte einbezieht, hat der BGH in seiner Entscheidung (aaO) keine Stellung genommen, da er bereits den Anwendungsbereich der EuGVO nicht für eröffnet erachtet hat.
[20]Nach Auffassung des Senats gebieten Sinn und Zweck der besonderen Zuständigkeitsregelungen für Verbrauchersachen jedoch die Einbeziehung auch abgeschlossener Sachverhalte in den Regelungsbereich des Art. 15 I lit. c EuGVO (vgl. Staudinger aaO, der ebenfalls davon ausgeht, dass der einmal begründete Gerichtsstand perpetuiert wird).
[21]Im Rahmen des Art. 15 I lit. c EuGVO ist bereits eine sprachliche Differenzierung – wie sie z.B. in Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVO zwischen bereits erfüllten oder noch zu erfüllenden vertraglichen Verpflichtungen vorgenommen wird – nicht angezeigt. Die Ausübung bzw. Ausrichtung der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit stellt per se einen abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Vorgang dar, der dem ggf. hierauf beruhenden Vertragsschluss vorangeht. Das seitens des BGH in der Entscheidung vom 12.6.2007 (aaO) angeführte Argument, dass der Verordnungsgeber – soweit er in der Vergangenheit liegende Sachverhalte habe einbeziehen wollen – dies auch ganz bewusst durch entsprechende sprachliche Formulierungen zum Ausdruck gebracht habe, greift insofern für Art. 15 I lit. c EuGVO nicht ein. Anders als im Rahmen des Art. 5 Nr. 5 EuGVO spielt auch das Argument der Sachnähe des zuständigen Gerichts, das bei Schließung der Niederlassung entfällt, im Rahmen des Verbrauchergerichtsstands am Wohnsitz des Klägers von vornherein keine Rolle.
[22]Entscheidend ist jedoch, dass eine Auslegung dahingehend, dass die Begründung des Gerichtsstands für Verbrauchersachen gemäß Art. 15 I lit. c EuGVO durch das dem Vertragsabschluss nachfolgende Einstellen der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit im Mitgliedstaat des Verbrauchers nicht berührt wird, im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes geboten ist.
[23]Wie der EuGH (11.9.2008 – C-180/06) festgestellt hat, sind die besonderen Bestimmungen über die Zuständigkeit für Verbrauchersachen von dem Bestreben getragen, den Verbraucher als den wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner zu schützen. Ihm darf daher der Entschluss zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte nicht dadurch erschwert werden, dass er bei den Gerichten des Staats klagen muss, in dessen Hoheitsgebiet sein Vertragspartner seinen Sitz hat. Durch die besonderen Bestimmungen über Verbrauchersachen sollen die Schwierigkeiten beseitigt werden, auf die ein Verbraucher bei einer Auseinandersetzung über einen Verbrauchervertrag stoßen kann, wenn er in einem anderen Staat Klage erheben muss.
[24]Den insoweit als schutzwürdig anerkannten Interessen des Verbrauchers liefe es zuwider, wenn ein Vertragspartner sich – möglicherweise gar bewusst – der Gerichtspflichtigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers dadurch nachträglich entziehen könnte, dass er die Niederlassung, an welcher er eine zum Vertragsschluss führende berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat, schließt und seine gewerbliche Tätigkeit im Mitgliedstaat des Verbrauchers einstellt. Der in seinem Anwendungsbereich im Interesse des Verbraucherschutzes bewusst weit gefasste Art. 15 I lit. c EuGVO würde insofern leerzulaufen drohen.
[25]Auch der 11. Erwägungsgrund der Verordnung, wonach Zuständigkeitsvorschriften in hohem Maß vorhersehbar sein müssen, spricht im Lichte des Verbraucherschutzes für die Einbeziehung abgeschlossener Sachverhalte in den Anwendungsbereich des Art. 15 I lit. c EuGVO. Der Verbraucher muss darauf vertrauen dürfen, dass er seinen Vertragspartner – der im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine zum Vertragsabschluss führende berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat – in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, verklagen kann und nicht auf eine Klage in dem Mitgliedstaat angewiesen ist, wo sich der Sitz seines Vertragspartners befindet. Dass vorliegend der Vertragsabschluss vor Inkrafttreten der EuGVO erfolgte, ist unerheblich. Art. 15 EuGVO entspricht – soweit vorliegend einschlägig – dem bereits auch in der EuGVÜ (Art. 13) enthaltenen Gerichtsstand für Verbrauchersachen.
[26]Danach war der Rechtsstreit – unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils – an das international und örtlich zuständige LG Saarbrücken zu verweisen. Von einer wirksamen Zustellung der vor dem LG Frankfurt/M. erhobenen Klage ist gemäß § 189 ZPO auszugehen. Das zuzustellende Schriftstück (Klageschrift) ist dem Prozessbevollmächtigten der Bekl. – infolge Weiterleitung durch einen Mitarbeiter der H. Capital Markets Bank Ltd. – tatsächlich zugegangen.