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Verfahrensgang

OLG München, Beschl. vom 09.11.2020 – 34 Wx 235/20, IPRspr 2020-234

Rechtsgebiete

Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit
Rechtsgeschäft und Verjährung → Stellvertretung

Leitsatz

Im Falle der Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft (hier: einer auf den British Virgin Islands ansässigen Limited) richtet sich das Eintragungsverfahren im Wohnungsgrundbuch nach deutschem Recht als der lex fori.

Können die Anforderungen des § 29 I 2 GBO wegen des Inhalts des ausländischen Rechts (hier: der British Virgin Islands) nicht vollständig erfüllt werden, muss sich das Grundbuchamt zwar mit den danach möglichen Nachweisen begnügen, darf aber im Interesse der Sicherheit des Grundstücksverkehrs und der Gewährleistung der Richtigkeit des Grundbuchs verlangen, dass der Antragsteller sämtliche nach dem ausländischen Recht bestehenden Möglichkeiten ausschöpft, mögen sie in dem jeweiligen Staat im inländischen Rechtsverkehr auch unüblich sein.

Die Frage der Bestellung ihrer Organe und deren Vertretungsmacht ist im Falle einer ausländischen Gesellschaft nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen. Zur Vertretung einer nach dem Recht der British Virgin Islands gegründeten Limited sind ihre directors berechtigt. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

16/2004 BC (Virgin Is./UK) s. 96; 16/2004 BC (Virgin Is./UK) s. 107; 16/2004 BC (Virgin Is./UK) s. 129; 16/2004 BC (Virgin Is./UK) s. 231; 16/2004 BC (Virgin Is./UK) s. 233
BNotO § 21
GBO § 20; GBO § 29; GBO § 32

Sachverhalt

Die Beteiligte zu 1 ist im Wohnungsgrundbuch als Miteigentümerin von Grundbesitz, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung, einem Keller und einem Tiefgaragenstellplatz eingetragen. Mit notariellem Vertrag aus 2014 veräußerte die Beteiligte zu 1 o.g. Anteil an die Beteiligte zu 2, eine Gesellschaft in der Rechtsform der Limited mit Sitz auf den British Virgin Islands. Dabei wurde die Beteiligte zu 2 von X.X. vertreten. 2014 wurde antragsgemäß im Wohnungsgrundbuch eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu 2 eingetragen. Auf den Antrag auf Vollzug der Auflassung in 2016 hin erklärte das Grundbuchamt, dass die eingereichten Unterlagen hinsichtlich des Vertretungsnachweises der Käuferin nicht ausreichten. Der Urkundsnotar legte zwischen 2016 und 2019 nochmals Dokumente vor, die vom Grundbuchamt als unzureichend bewertet wurden.

Am 21.2.2020 hat der Urkundsnotar Beschwerde eingelegt. Das Grundbuchamt hat am 25.3.2020 eine Zwischenverfügung erlassen. Der Urkundsnotar hat mit Schreiben vom 14.4.2020 bezugnehmend auf die Zwischenverfügung vom 25.3.2020 und den vorhergehenden Schriftverkehr wiederum Beschwerde eingelegt und auf die Beschwerde vom 21.2.2020 verwiesen. Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 8.5.2020 erklärt, der Beschwerde vom 14.4.2020 nicht abzuhelfen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II:

[2]Die Beschwerde vom 14.4.2020, über die allein noch zu entscheiden war, ist zulässig, aber unbegründet.

[3]1. ... 3. Die Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

[4]a) Auch im Falle der Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft richtet sich das Eintragungsverfahren nach deutschem Recht als der lex fori (Senat vom 14.10.2015, 34 Wx 187/14 (IPRspr 2015-281) = NZG 2015, 1437/1438; OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 12 (IPRspr 2014-31); OLG Naumburg BeckRS 2014, 14966; OLG Köln FGPrax 2013, 18/19 (IPRspr 2012-21); Demharter § 1 Rn. 29; Hügel/Holzer § 1 Rn. 37; Sieghörner/Nicht in Keller/Munzig § 8 Einl. Rn. 359), hier also nach den Bestimmungen der GBO.

[5]b) Gemäß § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist …

[6]c) Wird die Auflassung durch einen Vertreter erklärt, ist dessen diesbezügliche Berechtigung als andere Voraussetzung der Eintragung i.S. von § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO, also durch öffentliche Urkunden nachzuweisen (OLG Jena FGPrax 2018, 104/105 (IPRspr 2018-20); OLG Brandenburg MittBayNot 2011, 222/223; Demharter § 29 Rn. 15; Hügel/Otto § 32 Rn. 1; Sieghörner/Nicht in Keller/Munzig § 8 Einl. Rn. 360; Meikel/Hertel § 29 Rn. 121; Bausback DNotZ 1996, 254/265; a.A. OLG Nürnberg FGPrax 2014, 156/157 (IPRspr 2014-36)). § 32 GBO gewährt zwar insofern eine Erleichterung, als der Nachweis einer in einem Register eingetragenen Vertretungsberechtigung durch eine Bescheinigung nach § 21 Abs. 1 BNotO erbracht werden kann. Diese Erleichterung ist aber grundsätzlich beschränkt auf Eintragungen in einem deutschen Register (OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 12 f. (IPRspr 2014-31); OLG Nürnberg FGPrax 2014, 156/157 (IPRspr 2014-36); OLG Naumburg BeckRS 2014, 14966; OLG Brandenburg MittBayNot 2011, 222/223; OLG Hamm NJOZ 2011, 2021/2022; NJW-RR 1995, 469/470 (IPRspr. 1994 Nr. 196); Schaub in Bauer/Schaub § 32 Rn. 10; Hügel/Otto § 32 Rn. 29; Meikel/Hertel Einl G Rn. 78; Bausback DNotZ 1996, 254/265; a.A. Volmer in Keller/Munzig § 32 Rn. 51; Schöner/Stöber Rn. 3636h; Heckschen BB 2015, 592). Ausnahmsweise genügt die von einem deutschen Notar aufgrund einer Einsicht in ein ausländisches Register ausgestellte Bescheinigung, wenn feststeht, dass dieses Register dem deutschen entspricht (Senat vom 14.10.2015, 34 Wx 187/14 (IPRspr 2015-281) = NZG 2015, 1437/1438; OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 12/13 (IPRspr 2014-31); OLG Schleswig FGPrax 2008, 217 (IPRspr 2007-23)/ (IPRspr 2008-215); Schaub in Bauer/Schaub § 32 Rn. 11; Demharter § 32 [...] Rn. 8; Heckschen BB 2015, 592). Kennt indes das einschlägige ausländische Recht kein beweiskräftiges Handelsregister und gibt es nach dessen Vorschriften auch sonst keinen vollständigen Beweis für die Vertretungsberechtigung, dann kann und muss das Grundbuchamt den nach dem ausländischen Recht möglichen Nachweis verlangen, dieser reicht dann aber aus (OLG Jena FGPrax 2018, 104/105 (IPRspr 2018-20); KG FGPrax 2012, 236 (IPRspr 2012-301); Hügel/Zeiser IPR Rn. 107; Meikel/Hertel Einl G Rn. 79; Bausback DNotZ 1996, 254/265 f.).

[7]d) Die Frage der Bestellung ihrer Organe und deren Vertretungsmacht ist im Falle einer ausländischen Gesellschaft nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen (OLG Jena FGPrax 2018, 104/105 (IPRspr 2018-20); Senat vom 14.10.2015, 34 Wx 187/14 (IPRspr 2015-281) = NZG 2015, 1437/1438; OLG Naumburg BeckRS 2014, 14966; KG DNotZ 2012, 604; Schaub in Bauer/Schaub AT K Rn. 111; Hügel/Zeiser IPR Rn. 99; Bausback DNotZ 1996, 254/261). Zur Vertretung einer nach dem Recht der British Virgin Islands gegründeten Limited sind gemäß section 129 subsection 2 BVI Business Companies Act 2004 ihre directors berechtigt.

[8]aa) Der Nachweis, dass die handelnde Person director i.S. dieser Bestimmung und damit vertretungsberechtigt ist, kann durch eine Bescheinigung des registered agent der Gesellschaft geführt werden. Gemäß section 96 subsection 1 BVI Companies Act 2004 bewahrt er die Unterlagen der Gesellschaft auf, darunter gemäß lit. c das register of directors; Änderungen sind ihm gemäß subsection 2 lit. a innerhalb von 15 Tagen mitzuteilen. Der registered agent ist daher in der Lage, Bescheinigungen für die Gesellschaft auszustellen. Gemäß section 107 BVI Companies Act 2004 ist er hierzu auch berechtigt.

[9]Allerdings handelt es sich bei diesen Bescheinigungen nicht um - ausländische - öffentliche Urkunden, da der registered agent als Organ der Gesellschaft fungiert und ihm hoheitliche Aufgaben nicht übertragen sind. Können demnach die Anforderungen des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO wegen des Inhalts des ausländischen Rechts nicht vollständig erfüllt werden, muss sich das Grundbuchamt zwar mit den danach möglichen Nachweisen begnügen, darf aber im Interesse der Sicherheit des Grundstücksverkehrs und der Gewährleistung der Richtigkeit des Grundbuchs verlangen, dass der Antragsteller sämtliche nach dem ausländischen Recht bestehenden Möglichkeiten ausschöpft, mögen sie in dem jeweiligen Staat im inländischen Rechtsverkehr auch unüblich sein.

[10]Die Bescheinigung des registered agent ist daher im Original vorzulegen, muss mit seinem Siegel versehen sein und bedarf der Unterschriftsbeglaubigung durch einen auf den British Virgin Islands zugelassenen notary public.

[11]Das Grundbuchamt fordert zudem mit Recht, dass die Bescheinigung mit einer besonderen Versicherung der Richtigkeit der bestätigten Tatsache versehen ist.

[12]Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass der Aussteller der Bestätigung tatsächlich der registered agent der Gesellschaft ist. Hierzu ist eine gemäß section 233 subsection 1 lit. c BVI Companies Act 2004 ausgestellte Bescheinigung des von der BVI Financial Services Commission eingesetzten Registrar of Corporate Affairs - ebenfalls im Original - vorzulegen.

[13]Sämtliche Dokumente sind mit der Apostille und in beglaubigter deutscher Übersetzung einzureichen, soweit der Grundbuchrechtspfleger hiervon nicht absieht, weil er der englischen Sprache hinreichend mächtig ist.

[14]Handelt es sich bei dem registered agent seinerseits um eine juristische Person, bedarf es darüber hinaus des Nachweises, dass die Person, die die Bestätigung unterschrieben hat, hierzu für den registered agent berechtigt war, sei es als gesetzlicher Vertreter, sei es durch rechtsgeschäftliche Vollmachtserteilung. Auch für den Nachweis dieser Berechtigung gelten die zuvor dargestellten Grundsätze (OLG Jena FGPrax 2018, 104/105 (IPRspr 2018-20)).

[15]bb) Weiter kommt zum Nachweis der Stellung als director und damit der Vertretungsberechtigung die Bescheinigung eines auf den British Virgin Islands zugelassenen public notary in Betracht.

[16]Es ist anerkannt, dass ein britischer notary public mit einem deutschen Notar vergleichbar ist (OLG Nürnberg FGPrax 2014, 156/157 (IPRspr 2014-36); Meikel/Hertel Einl G Rn. 89). In Bezug auf den Nachweis der Vertretungsberechtigung entspricht die Bestätigung eines notary public allerdings nicht ohne Weiteres der Bestätigung nach § 21 BNotO, da letztere auf einer eigenen Prüfung der Dokumente der Gesellschaft beruht und somit auch eine gutachterliche Äußerung beinhaltet. Daher genügt die Bestätigung durch einen britischen notary public nicht, wenn sie allein auf einer Einsichtnahme in das Companies House beruht; aus der Bescheinigung müssen vielmehr die tatsächlichen Grundlagen - etwa Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft wie Gesellschaftsvertrag, Protokollbuch - der notariellen Feststellungen hervorgehen (OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 12/13 (IPRspr 2014-31); OLG Nürnberg FGPrax 2014, 156/157 (IPRspr 2014-36); OLG Köln FGPrax 2013, 18/19 (IPRspr 2012-21); KG DNotZ 2012, 604/606; Schöner/Stöber Rn. 3636j), da sonst eine Beweiswürdigung durch das Grundbuchamt nicht möglich ist. Denn das britische Companies House ist im Hinblick auf die Beweiskraft der Eintragungen dem deutschen Handelsregister nicht vergleichbar (OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 12/13 (IPRspr 2014-31); OLG Nürnberg FGPrax 2014, 156/157 (IPRspr 2014-36); OLG Köln FGPrax 2013, 18/19 (IPRspr 2012-21); KG DNotZ 2012, 604/606; Schöner/Stöber Rn. 3636j). Bezüglich Eintragungen in letzteres kommt dem Registergericht eine materielle Prüfungskompetenz zu (Hopt in Baumbach/Hopt HGB 39. Aufl. § 8 Rn. 8; MüKoHGB/Krafka, 4. Aufl. § 8 Rn. 60), die dem Companies House fehlt (OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 12/13 (IPRspr 2014-31); KG DNotZ 2012, 604/605; Heckschen BB 2015, 592).

[17]Wegen der grundsätzlichen Übereinstimmung des Rechtssystems der British Virgin Islands mit dem britischen (OLG Jena FGPrax 2018, 104/105 (IPRspr 2018-20); Meikel/Hertel Einl G Rn. 109) gilt all dies auch für einen dort zugelassenen public notary und das Register of Companies. Insbesondere fehlt einer Eintragung in letzteres die erforderliche Beweiskraft. Denn section 231 subsection 1 lit. b BVI Companies Act 2004 stellt die Mitteilung des register of directors an den Registrar of Corporate Affairs frei. Auch kann die Gesellschaft diesem selbst im Falle einer solchen Mitteilung gemäß subsection 3 anzeigen, dass sie künftige Änderungen nicht mitteilen wird. Eine materielle Prüfungskompetenz sieht der BVI Companies Act 2004 an keiner Stelle vor. Zum Nachweis der Vertretungsberechtigung ist also eine den oben genannten Vorgaben entsprechende Bescheinigung eines public notary erforderlich.

[18]Die Bescheinigung des public notary ist im Original, versehen mit der Apostille und mit beglaubigter deutscher Übersetzung vorzulegen, soweit der Grundbuchrechtspfleger hiervon nicht absieht (OLG Jena FGPrax 2018, 104/105 (IPRspr 2018-20)).

[19]cc) ...

Fundstellen

Bericht

Wachter, EWiR, 2021, 461
GWR, 2021, 102

LS und Gründe

FGPrax, 2021, 11
NJW-RR, 2021, 42
NZG, 2021, 74
RNotZ, 2021, 405
Rpfleger, 2021, 274

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2020-234

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