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Verfahrensgang

OLG Nürnberg, Beschl. vom 25.03.2014 – 15 W 381/14, IPRspr 2014-36

Rechtsgebiete

Rechtsgeschäft und Verjährung → Stellvertretung

Leitsatz

Die Vertretungsmacht des „director“ oder „associate director“ einer englischen Limited Company kann gegenüber dem Grundbuchamt durch die Bescheinigung eines englischen Notars nachgewiesen werden, der das Bestehen der Gesellschaft und die Vertretungsmacht nach Einsicht in das englische Handelsregister und die dort befindlichen Unterlagen („memorandum“, „articles of association“ und Protokollbuch) bestätigt.

Rechtsnormen

BNotO § 20; BNotO § 21
CA 2006 (UK) s. 15
HApostilleÜ Art. 1 ff.; HApostilleÜ Art. 5
ZPO § 418

Sachverhalt

Im Grundbuch von Ansbach, dessen Eigentümerin die Beschwf. ist, ist u.a. eine Grundschuld zugunsten der D.T.C. Ltd., London eingetragen. Mit Schreiben aus 2013 beantragte die Beschwf. die Löschung der Rechte der D.T.C. Ltd.. Beigefügt war eine Löschungsbewilligung der D.T.C. Ltd., die von V. W. unterzeichnet war, mit einer notariellen Beglaubigung der Unterschrift und der Bestätigung, dass Frau W. aufgrund einer beglaubigten Sondervollmacht gehandelt habe. In Ablichtung beigefügt waren die beglaubigte Abschrift einer Vollmacht der D.T.C. Ltd., die von O. O. als director und R. S. als associate director unterzeichnet war, und eine mit Apostille versehene Erklärung des notary public N. A. T., London.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Löschung der Grundschuld liegen nicht vor, weil die Berechtigung, die Grundschuldgläubigerin bei Abgabe der Löschungsbewilligung zu vertreten, nicht ausreichend nachgewiesen ist ...

[2]1. ... 2. ... d) Der Nachweis ist auch nicht durch andere im Grundbuchverfahren zulässige Beweismittel erbracht. Die von einem englischen notary public ausgestellten Bescheinigungen vom 23.1.2013 und vom 14.10.2013 bestätigen zwar, dass die genannten Personen sie unterzeichnet haben, nicht aber das Weiterbestehen der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Bestätigung und die Vertretungsberechtigung für die Grundschuldgläubigerin.

[3]aa) Gemäß Art. 1 Satz 1 und 2 lit. c, 2 Satz 1, 3 I, 4, 5 II des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5.10.1961 (BGBl. 1965 II 876) bedürfen notarielle Urkunden, die in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats errichtet worden sind und die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats vorgelegt werden sollen, zur Bestätigung der Echtheit der Unterschrift, der Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat und ggf. der Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist, nicht der Legalisation, sondern nur einer Apostille der zuständigen Stelle des Ausstellungsstaats. Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland sind Vertragsstaaten (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 29 Rz. 54). Die Apostille verleiht der Urkunde Beweiskraft aber nur hinsichtlich der Echtheit der Unterschrift, der Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat und ggf. der Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist (Art. 5 II des Übereinkommens), nicht auch hinsichtlich des übrigen Inhalts. Sie steht damit einer öffentlich beglaubigten Urkunde nach deutschem Recht gleich und beweist die in ihr bezeugte Unterschriftsleistung.

[4]bb) Ob die Urkunde weitergehende Beweiskraft hat, bestimmt sich zunächst nach dem Recht des Ausstellungsstaats (Zöller-Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 438 Rz. 1). Das Eintragungsverfahren und die zu erbringenden Nachweise – und damit auch die Anerkennung der Beweiskraft ausländischer Urkunden – richten sich aber nach der GBO als der lex fori (OLG Köln, FGPrax 2013, 18 (IPRspr 2012-21); OLG Dresden, NZG 2008, 265 (IPRspr 2007-235); KG, DNotZ 2012, 604; Zöller-Geimer aaO; Staudinger-Magnus, BGB, 13. Bearb., Art. 32 Rz. 113). Bei ausländischen Urkunden hat das Registergericht entsprechend zu überprüfen, ob die Urkunde den deutschen verfahrensrechtlichen Anforderungen entspricht (MünchKomm-Spellenberg, 5. Aufl., Art. 11 EGBGB Rz. 193) ...

[5](2) Es kann davon ausgegangen werden, dass ein englischer notary public mit einem deutschen Notar grundsätzlich vergleichbar ist (ebenso Staudinger-Magnus aaO) und dass zu den Aufgaben des notary public auch die Bestätigung von Tatsachen gehört.

[6](3) Das Fortbestehen der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung und die Vertretungsberechtigung der unterzeichnenden Personen sind aber durch die in den Urkunden vom 23.1.2013 und 14.10.2013 enthaltenen Feststellungen nicht nachgewiesen.

[7]Eine notarielle Bescheinigung, die inhaltlich allein auf einer Einsichtnahme des Notars in das beim Companies House geführte Register beruht, ist nicht geeignet, die Vertretungsbefugnis eines director nachzuweisen. Das beim Companies House geführte Register entspricht nicht dem deutschen Handelsregister, da ihm keine vergleichbare Publizitätsfunktion zukommt. Die Vertretungsbefugnis eines director kann auf dem Gesellschaftsvertrag oder einem entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung beruhen so dass sie sich nur durch eine Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen (articles of association, minute book) feststellen lässt (OLG Köln aaO; OLG Dresden aaO Tz. 49 zit. n. juris; KG aaO 606, Tz. 13 zit. n. juris). Das certificate of incorporation des Registrar of Companies erbringt im englischen Rechtskreis zwar den Beweis dafür, dass die Gesellschaft als juristische Person entstanden ist, trifft jedoch weder eine Aussage dazu, ob diese juristische Person noch zu einem späteren Zeitpunkt existent ist, noch dazu, wer sie wirksam vertreten kann (OLG Dresden aaO zit. n. juris; s. 15 (4) Companies Act 2006: is conclusive evidence that the requirements ... as to registration have been complied with and that the company is duly registered).

[8]In der Rspr. wird als geeignet zum Nachweis der Vertretungsberechtigung eine Vertretungsbescheinigung durch einen englischen Notar angesehen, die dieser auf der Grundlage der Einsicht in das Register, das memorandum und die articles of association sowie das Protokollbuch der Gesellschaft erstellt (KG aaO 604 Tz. 15 zit. n. juris; OLG Hamm, FGPrax 2006, 276 (IPRspr 2006-254) Tz. 34 zit. n. juris). Hinsichtlich der Vertretungsberechtigung ist diese Bestätigung nicht mit der Bestätigung nach § 21 BNotO vergleichbar, da sie nicht lediglich den von der registerführenden Behörde geprüften Inhalt des Registers wiedergibt, sondern auf einer eigenen Prüfung der beim Register vorhandenen Dokumente beruht. Da es sich deshalb der Sache nach um eine gutachterliche Äußerung handelt, muss die Bescheinigung die tatsächlichen Grundlagen der notariellen Feststellungen enthalten (OLG Hamm aaO); ansonsten ist eine Beweiswürdigung durch das GBA nicht möglich. Auch die Beweiskraft einer Notarbestätigung über amtlich wahrgenommene Tatsachen nach § 20 I 2 BNotO, § 418 ZPO gilt nur für die Tatsachen, nicht für die daraus gezogenen Schlussfolgerungen (OLG Frankfurt, NZG 2013, 143; Rpfleger 1996, 151; OLG München, RNotZ 2010, 62; Demharter aaO Rz. 29).

[9]Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die notarielle Bescheinigungen vom 23.1.2013 und vom 14.10.2013 stützen sich zwar nicht nur auf die Einsicht des Gesellschaftsregisters, sondern auch auf ‚die Unterlagen der Gesellschaft’ (23.1.2013) bzw. das memorandum, die articles of association und das Protokollbuch der Gesellschaft (14.10.2013). Sie erfassen mithin die Unterlagen, die eine Aussage über das Bestehen und den Bestand der bescheinigten Vertretungsmacht ermöglichen. Nähere Angaben zu den konkreten Schriftstücken, aus denen die getroffenen Feststellungen abgeleitet werden – etwa den Beschluss, durch den die Bestellung der Unterzeichner erfolgt ist –, sind nicht enthalten. Eine Prüfung, ob die bescheinigten Tatsachen nachvollziehbar sind, ist nicht möglich.

Fundstellen

LS und Gründe

DNotZ, 2014, 626
FGPrax, 2014, 156
Rpfleger, 2014, 492
WM, 2014, 1483
ZIP, 2014, 2033

nur Leitsatz

RNotZ, 2014, 621

Bericht

Mense, EWiR, 2015, 375, Anm.

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2014-36

Lizenz

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