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Verfahrensgang

KG, Beschl. vom 22.05.2012 – 1 W 163/11, IPRspr 2012-301

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Zur Umschreibung des Eigentums auf eine ausländische juristische Person ist gegenüber dem Grundbuchamt deren Existenz, Erwerbsfähigkeit sowie die Vertretungsmacht der für sie Handelnden grundsätzlich durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Ist dies wegen der Besonderheiten des auf die juristische Person anzuwenden ausländischen Rechts nicht möglich, können die nach diesem Recht möglichen Nachweise ausreichend sein.

Dies ist bei der Eintragung eines dänischen Vereins der Fall, weil es in Dänemark ein dem deutschen Vereinsregister vergleichbares Register nicht gibt und die Gründung eines Vereins nicht an besondere Formvorschriften gebunden ist. Deshalb kann die Vorlage einer privatschriftlichen Satzung sowie eines Protokolls über die im Rahmen einer Mitgliederversammlung erfolgte Wahl des vertretungsberechtigten Vorstands zum Nachweis genügen.

Rechtsnormen

AEUV Art. 49; AEUV Art. 63
BGB § 873; BGB § 925
EGBGB Art. 11; EGBGB Art. 43
GBO § 20; GBO § 29; GBO §§ 71 ff.

Sachverhalt

Mit notariellem Vertrag veräußerten die eingetragenen Eigentümer Wohnungseigentum an den Beteiligten zu 3) (Erwerber), einen dänischen Verein mit Sitz in Kopenhagen, über den im Register des Gewerbe- und Gesellschaftsamts Kopenhagen Daten gespeichert sind, und ließen es an diesen auf. Der Notar beantragte unter Beifügung der notariell beglaubigten Zustimmung der Verwalterin sowie der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts die Umschreibung des Eigentums auf den Erwerber.

Das AG hat den Antrag mit Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, die Vertretungsberechtigung für den Erwerber sei nicht nachgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde half das AG nicht ab. Daraufhin erhob der Beteiligte Beschwerde beim KG.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die gemäß §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg ...

[2]Zutreffend hat das GBA § 20 GBO zur Grundlage seiner Prüfung gemacht. Das Verfahren vor dem deutschen GBA richtet sich auch bei Auslandsberührung stets nach deutschem Recht – lex fori – (BayObLG, DNotZ 1987, 98, 99) (IPRspr. 1986 Nr. 205 (LS)). Auch materiell-rechtlich findet auf den dinglichen Erwerb deutsches Recht Anwendung – lex rei sitae –, Art. 43 I EGBGB (Reymann, ZNotP 2011, 84, 95; Bausback, DNotZ 1996, 254). Für die Form gilt Art. 11 IV EGBGB, der aber gleichfalls auf das Belegenheitsrecht verweist (BeckOK-Bamberger-Roth-Sprickhoff, 2011, Art. 43 EGBGB Rz. 9). Zur Übertragung des Wohnungseigentums auf den Beteiligten zu 3) ist deshalb die Einigung mit den eingetragenen Eigentümern, § 925 I BGB, und die Eintragung im Grundbuch erforderlich, § 873 I BGB. Gemäß § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks bzw. eines ihm gleichstehenden Wohnungeigentumsrechts die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist.

[3]Im Rahmen von § 20 GBO sind gegenüber dem GBA auch die Existenz und Erwerbsfähigkeit einer juristischen Person sowie die Vertretungsmacht der für sie Handelnden nachzuweisen (BeckOK-GBO-Zeiser, 2. Aufl., Internationale Bezüge Rz. 103 f.; Reymann aaO 96; Bausback aaO 264). Ist der Erwerber eine ausländische juristische Person, muss sie nach dem auf sie anwendbaren Recht rechtsfähig sein (Meikel-Hertel, GBO, 10. Aufl., Einl L Rz. 73; Reymann aaO; Bausback aaO 256). Bei dem Beteiligten zu 3) handelt es sich um einen in Dänemark gegründeten und dort ansässigen Verein. Seine Rechtsfähigkeit richtet sich deshalb nach dänischem Recht (vgl. BGH, MDR 2011, 1306 (IPRspr. 2011 Nr. 225b)). Auch die Frage der Bestellung ihrer Organe und deren Vertretungsmacht richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut (OLG Frankfurt/Main, FGPrax 2008, 165, 166) (IPRspr 2008-218).

[4]Die gegenüber dem GBA zu erbringenden Nachweise haben grundsätzlich in der Form des § 29 I 2 GBO, also durch öffentliche Urkunden zu erfolgen ...

[5]Es ist ebenfalls richtig, dass die erforderlichen Nachweise auch nicht anderweitig durch öffentliche Urkunden, insbes. nicht durch Registerauszüge oder notarielle Vertretungsbescheinigungen erbracht werden können. Ein dem deutschen Vereinsregister vergleichbares Register existiert in Dänemark nicht. Soweit in der – deutschen – Literatur zum dänischen Recht ein Vereinsregister erwähnt wird (vgl. Dübeck, Einführung in das dänische Recht, 1996, 279; Hadding-Schneider-Hansen, Die Vertretung verselbständigter Rechtsträger in europäischen Ländern, Teil III, Dänemark, Niederlande und Schweiz, 1998, 39), entspricht dies nicht mehr dem aktuellen Recht, wie sich den Ausführungen von Prof. S. in dessen Gutachten vom 30.1.2012 entnehmen lässt. Danach besteht ein Vereinsregister seit 1.11.1999 nicht mehr. Soweit der Beteiligte im Register der Handels- und Gesellschaftsagentur in Kopenhagen eingetragen ist, hat dies für die Beurteilung seiner Rechtsfähigkeit keine Bedeutung, und die Vertretungsbefugnisse lassen sich dem Register ebenfalls nicht entnehmen (vgl. Dübeck aaO; Gutachten Prof. H.) Letzteres wird durch den zur Akte gereichten Auszug aus dem Register vom 23.2.2011 bestätigt. Dieser enthält lediglich Angaben zur Rechtsform des Beteiligten zu 3) als Verein, seinen Namen und seine Kontaktdaten. Hinweise auf seine Organe finden sich dort nicht.

[6]Allerdings wird die von dem Senat geteilte Auffassung vertreten, eine Lockerung der strengen Beweisanforderungen des § 29 I GBO zugunsten der Möglichkeit freier Beweiswürdigung sei dort geboten, wo die Beibringung von Urkunden unmöglich ist und sich der Antragsteller auch sonst in Beweisnot befindet (Senat, Beschl. vom 26.8.1997 – 1 W 2905/97, NJW-RR 1998, 447, 449 m.w.N.). Erwerbsfähigkeit und Vertretungsberechtigung können deshalb bei ausländischen Gesellschaften abweichend von § 29 GBO nachgewiesen werden, wenn das ausländische Recht kein beweiskräftiges Register kennt und es nach der betreffenden Rechtsordnung auch sonst keinen vollständigen Beweis durch öffentliche Urkunden gibt (Meikel-Hertel aaO Rz. 79; Bausback aaO 266; Reymann aaO). Dem GBA sind die nach dem ausländischen Recht möglichen Nachweise vorzulegen, die dann aber auch ausreichen (Meikel-Hertel aaO). Deshalb soll zum Nachweis der Vertretungsberechtigung bei einer der OHG vergleichbaren dänischen interessentskab (IS) die Abschrift des Gesellschaftsvertrags genügen (vgl. BeckOK-GBO-Zeiser aaO Rz. 111.4, der dies u. Hinw. auf DNotI-Olsen/Beltoft, Notarielle Fragen des internationalen Rechtsverkehrs, Bd. III, 1995, 72 zudem bei der kommanditselskab (KS) für ausreichend erachtet, was im Hinblick auf die Ausführungen von Prof. H. ggf. aber nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprechen könnte). Für den Beschwf. kann nichts anderes gelten. Auch er kann hinsichtlich seiner Erwerbsfähigkeit und der Vertretungsbefugnis seines Vorstandsvorsitzenden keine öffentlichen Urkunden vorlegen. Andererseits kann er sich aber als eine in einem EU-Mitgliedstaat gegründete juristische Person grunds. auf die europäischen Grundfreiheiten berufen. Ob der Beschwf. vorliegend Rechte aus der Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV, herleiten kann, muss nicht entschieden werden. Zumindest ist aber der freie Kapitalverkehr berührt, Art. 63 I AEUV, der u.a. auch Immobilieninvestitionen von Gebietsfremden im Inland erfasst, vgl. Anh I zu Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages vom 24.6.1988 (ABl. Nr. L 178; zu deren Hinweischarakter vgl. EuGH, Urt. vom 22.4.2010 – Mattner: Vera Mattner ./. Finanzamt Velbert, Rs C-510/08, Slg. 2010 I-03553). Dem Beschwf. wären Investitionen in deutsche Immobilien wie hier dem Erwerb von Wohnungseigentum nicht möglich, müsste er die erforderlichen Nachweise in der Form des § 29 GBO erbringen.

[7]Vor diesem Hintergrund sind die von dem Beschwf. zum Nachweis seiner Erwerbsfähigkeit und der Vertretungsberechtigung eingereichten Unterlagen ausreichend. Die Gründung eines dänischen Vereins erfolgt durch Vertrag zwischen den Mitgliedern. Die Einhaltung einer besonderen Form ist nicht erforderlich (Dübeck aaO; Hadding-Schneider-Hansen aaO 17; ebenso [die Gutachter] H. und S.). Der Beschwf. hat seine Vereinssatzung vom 24.11.2008 vorgelegt. Darin sind u.a. sein Name (§ 1), sein Zweck (§ 2) sowie die Wahl des Vorstands und die Befugnis des Vorsitzenden zur Vertretung beim Kauf von Grundeigentum geregelt (§ 10). Dem Protokoll über die am selben Tag abgehaltene Hauptversammlung ist zu entnehmen, dass ... zum Vorsitzenden des Beteiligten zu 3) gewählt worden war. Seine Wiederwahl erfolgte am 22.11.2010, was aus dem Protokoll über die an diesem Tag abgehaltene Hauptversammlung folgt. Die Identität des Vorsitzenden bei der Genehmigung der Auflassung vom 16.3.2010 ist durch einen dänischen Notar beglaubigt worden (vgl. hierzu Cornelius, DNotZ 1996, 352, 358).

Fundstellen

LS und Gründe

FGPrax, 2012, 236
Rpfleger, 2012, 686

nur Leitsatz

ZIP, 2012, 1560

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2012-301

Lizenz

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