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Verfahrensgang

OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 19.02.2008 – 20 W 263/07, IPRspr 2008-218

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Im Rahmen der Eintragung der Zweigniederlassung einer in Großbritannien gegründeten Private Company Limited by Shares in das Handelsregister ist eine Eintragung der Befreiung des „director“ vom Verbot des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung auch dann ausgeschlossen, wenn eine solche Regelung in die Satzung der Limited aufgenommen wurde.

Soll die Firma einer im EU-Ausland gegründeten Gesellschaft für die in Deutschland tätige Zweigniederlasssung unverändert verwendet und in das Handelsregister eingetragen werden, so muss sie zugleich den Anforderungen des deutschen Rechts entsprechen, soweit § 18 HGB im öffentlichen Interesse zum Schutz des Rechtsverkehrs vor Täuschung und Missbrauch die Unterscheidbarkeit und Kennzeichnungskraft der einzelnen Firmen fordert und eine Irreführung verbietet. Allerdings kann unter Umständen eine an der europäischen Niederlassungsfreiheit orientierte Auslegung der Vorschrift geboten sein.

Rechtsnormen

BGB § 181
EGV-Amsterdam Art. 43; EGV-Amsterdam Art. 48
GmbHG § 8
HGB § 13d; HGB § 13e; HGB § 13g; HGB § 18
HRV § 3; HRV § 40; HRV § 43

Sachverhalt

Die ASt., eine in Großbritannien registrierte Private Company Limited by Shares, meldete durch ihre Geschäftsführerin mit notariell beglaubigter Urkunde die Errichtung einer Zweigniederlassung zur Eintragung in das Handelsregister B. an. Dabei wurde zur Vertretungsberechtigung der Geschäftsführer neben den Angaben zur Einzel- und Gesamtvertretung auch eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung angemeldet.

Mit Zwischenverfügungen beanstandete der Registerrichter die Anmeldung. Nachdem eine Änderung der Anmeldung nicht erfolgt war, wies das AG die Anmeldung unter Bezugnahme auf die in den Zwischenverfügungen aufgezeigten und nicht beseitigten Eintragungshindernisse zurück.

Hiergegen legte die ASt. unter Beschwerde ein, welche das LG zurückwies. Hiergegen wendet sich die ASt. mit der weiteren Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, führt aber in der Sache nicht zum Erfolg, da die Vorinstanzen die Anmeldung bezüglich der Befreiung des Geschäftsführers (directors) vom Verbot des Insichgeschäfts und der Mehrfachvertretung zu Recht beanstandet haben und die ASt. insoweit trotz diesbezüglicher Anfrage des Registergerichts den Eintragungsantrag weder teilweise zurückgenommen noch eine getrennte Bescheidung der einheitlichen Anmeldung begehrt hat.

[2]Die Anmeldung und Eintragung einer englischen Private Limited Company bestimmt sich nach §§ 13d, 13e und 13g HGB. Die Eintragung hat in Abteilung B des deutschen Handelsregisters zu erfolgen, da dort gemäß § 3 der Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (Handelsregisterverordnung – HRV) vom 12.8.1937 (RMBl. 5115) neben Kapitalgesellschaften deutschen Rechts und deren Zweigniederlassungen auch die Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger einzutragen sind, wenn diese der Rechtsform nach dem deutschen Recht in der Abteilung B einzutragenden Rechtsträgern vergleichbar sind (§ 40 Nr. 2 i.V.m. § 43 Nr. 2 HRV, § 13d HGB). Von einer derartigen Vergleichbarkeit der britischen Private Company Limited by Shares mit der GmbH deutschen Rechts ist insbesondere unter Berücksichtigung der Elften Richtlinie des Rates 89/666 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, vom 21.12.1989 (ABl. Nr. L 395/36) und der Zwölften Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 21.12.1989 (89/667EWG; ABl. Nr. L 395/40), welche eine Auflistung der der GmbH vergleichbaren ausländischen Gesellschaftsformen enthält, auszugehen (vgl. KG, FGPrax 2004, 45 (IPRspr. 2003 Nr. 215); OLG Celle, GmbHR 2005, 1303 (IPRspr 2005-215); OLG Frankfurt, NZG 2006, 515 (IPRspr 2005-226); Wachter, ZNotP 2005, 122/123; Klose-Mokroß, DStR 2005, 971, 972). Die Eintragung hat deklaratorische Bedeutung (KG, FGPrax aaO; OLG München, Rpfleger 2006, 84 (IPRspr 2005-221)).

[3]Gemäß § 13g II 2 HGB i.V.m. § 8 IV GmbHG ist auch die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft anzumelden. Eine Eintragung der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB oder einer dem Inhalt dieser Vorschrift nachgebildeten Umschreibung der Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts und/oder der Mehrfachvertretung kommt jedoch für die directors einer englischen Limited nicht in Betracht. Für die körperschaftliche Verfassung einer Gesellschaft, insbesondere die Frage, welche Organe diese bestellen muss und darf, sowie für die Geschäftsführungsbefugnis und den Umfang der Vertretungsmacht dieser Organe ist das Personalstatut der Gesellschaft maßgeblich (vgl. Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004; Palandt-Heldrich, BGB, 66. Aufl., Anh Art 12 EGBGB Rz. 6 und 13; Ulmer, NJW 2004, 1201). Da nach der Rechtsprechung des EuGH die in einem Vertragsstaat wirksam gegründete Gesellschaft in den übrigen Vertragsstaaten in der Rechtsform ihrer Gründung auch dann anzuerkennen ist, wenn sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einem anderen Vertragsstaat hat und sich nur dort wirtschaftlich betätigt (vgl. EuGH [Überseering], NJW 2002, 3614 und [Inspire Art], ZIP 2003, 1885 und BGH, NJW 2003, 1461 (IPRspr. 2003 Nr. 13) und 2005, 1648 (IPRspr 2005-212)), ist hier englisches Gesellschaftsrecht maßgeblich.

[4]Das englische Recht kennt für die directors einer Private Company Limited by Shares keine dem generellen Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB vergleichbare Regelung.

[5]Vielmehr ist dort die Vertretungsmacht der directors Dritten gegenüber grundsätzlich unbeschränkt. Zugleich ergeben sich jedoch Beschränkungen aus den besonderen Treuepflichten, welche auf dem Vertrauensverhältnis zwischen der Gesellschaft und den directors beruhen. Nach der sog. non-conflict rule ist es dem director untersagt, sich in eine Position so begeben, in der seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft mit seinem persönlichen Interesse kollidieren könnten. Diesbezügliche Pflichtverletzungen führen jedoch nicht zur Unwirksamkeit, sondern zur Anfechtbarkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte. Allerdings ist insoweit eine Pflichtverletzung nicht gegeben, wenn der director im konkreten Einzelfall die Interessenkollision gegenüber der Gesellschafterversammlung oder – soweit in der Satzung vorgesehen – gegenüber den übrigen directors offenlegt und diese zustimmen (vgl. Wachter aaO 122/132; Kasolowsky/Schall, Ausgewählte ausländische Gesellschaftsformen Rz. 35 in Hirte-Bücker: Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2004; Herchen, RIW 2005, 529/ 531). Darüber hinaus bedürfen bestimmte Rechtsgeschäfte eines directors nach englischem Gesellschaftsrecht in jedem Fall der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, wie etwa langfristige Anstellungsverträge sowie Rechtsgeschäfte über wesentliche Vermögenswerte (vgl. Wachter aaO 133). Dabei können zwar ggf. die Zustimmungserfordernisse in der Satzung abweichend geregelt werden, während die Offenlegungs- und Anzeigepflichten aber zwingendes Recht sind und somit nicht zur Disposition stehen (vgl. Kasolowsky/Schall aaO 54; Wachter aaO 132/133; Kasolowsky/Schall aaO Rz. 35). Somit bestehen wesentliche rechtssystematische Unterschiede zwischen dem diesbezüglichen deutschen und englischen Recht. Insbesondere kennt das englische Gesellschaftsrecht im Unterschied zu § 181 BGB keine generelle und uneingeschränkte Gestattung des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung. Aus diesen Gründen erachtet der Senat in Übereinstimmung mit der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung der OLG München (Rpfleger aaO und GmbHR 2006, 603 (IPRspr 2006-253)), Celle (aaO) sowie Hamm (FGPrax 2006, 276) (IPRspr 2006-254) und Düsseldorf (NJW-RR 2006, 1040/1042) (IPRspr 2006-249) für den director einer in das deutsche Handelsregister deklaratorisch einzutragenden Zweigniederlassung einer englischen Limited eine Eintragung der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung als ausgeschlossen.

[6]Dies gilt auch für den hier gegebenen Fall, dass eine diesbezügliche Gestattung des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung in die Satzung (Articles of Association) der Limited aufgenommen wurde. Dies geht ersichtlich auf eine Empfehlung von Heinz (Die englische Limited, 2. Aufl., § 18 Rz. 81) zurück, der von einer Eintragungsfähigkeit einer solchen Ermächtigung mit dem zusätzlichen Hinweis, dass die Offenlegungspflichten der Geschäftsführer unter dem Companies Act 1989 hiervon nicht berührt werden, ausgeht (ähnlich wohl Kasolowsky/Schall aaO 55). Dem kann jedoch nach Auffassung des Senats nicht gefolgt werden. Denn eine derartige Eintragung im deutschen Handelsregister wäre vom Ansatz her verfehlt, weil durch sie eine Irreführung des Rechtsverkehrs herbeigeführt würde. Denn hierdurch würde der unzutreffende Eindruck hervorgerufen, dass die diesbezügliche Vertretungsregelung der directors dem deutschem Recht unterliegt oder zumindest das anwendbare ausländische Recht eine dem deutschen Recht vergleichbare Regelung enthält. Dies ist jedoch angesichts der bereits aufgezeigten inhaltlichen und rechtssystematischen Unterschiede nicht der Fall. So muss auch Heinz (aaO Rz. 80) zugestehen, dass im Fall einer Abbedingung der Klausel 85 des Table A der Mustersatzung nach englischem Gesellschaftsrecht Insichgeschäfte zwar weitestgehend, aber im Unterschied zur gesetzlichen Regelung des § 181 BGB eben doch nicht generell möglich sind. Deshalb kommt die Eintragung einer derartigen Ermächtigung des directors, einer englischen Limited zum Selbstkontrahieren und einer Mehrfachvertretung per [se] in das Handelsregister auch bei Aufnahme einer diesbezüglichen Klausel in die Satzung nicht in Betracht (vgl. ebenso Krafka/Willer, Registerrecht, 7. Aufl., Rz. 322 und NZG 2006, 512/513 (IPRspr 2006-253); Just, Die englische Limited in der Praxis, 2. Aufl., Rz. 50; Wachter, GmbHR 2005, 169/ 172; Kloße-Mockroß aaO 1013/1015).

[7]Da zwischen dem director und dem ständigen Vertreter keine Personenidentität besteht, stellt sich die vom OLG München GmbHR 2006, 603 (IPRspr 2006-253)) erörterte Problematik der Eintragungbefreiung des ständigen Vertreters von den Beschränkungen des § 181 BGB hier nicht und wurde auch von den Vorinstanzen nicht beanstandet.

[8]Obwohl es für die vorliegende Entscheidung wegen des bis zur Entscheidung des LG nicht beseitigten Eintragungshindernisses bezüglich der Vertretungsregelung, welches die Zurückweisung und des Eintragungsantrags rechtfertigt, nicht mehr ankommt, weist der Senat im Hinblick auf die gesetzliche Verpflichtung der ASt. zur ordnungsgemäßen erneuten Anmeldung der Zweigniederlassung darauf hin, dass er die Beanstandung der Firma der Zweigniederlassung nicht als rechtlich begründet erachtet.

[9]Nach IPR in der Ausprägung durch die bereits zitierte Rechtsprechung des EuGH ist auf die Firma das Gesellschaftsstatut des Gründungsstaats der Gesellschaft unabhängig vom Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes anzuwenden. Nach dem insoweit sehr liberalen britischen Recht (vgl. hierzu Triebel-Hogdson-Kellenter-Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 3 Rz. 607 ff; Güthoff, Gesellschaftsrecht in Großbritannien, 3. Aufl., 51) ergeben sich bezüglich der angemeldeten Firma keine rechtlichen Bedenken.

[10]Soll die Firma der im EU-Ausland gegründeten Gesellschaft – wie im vorliegenden Fall – für die in Deutschland tätige Zweigniederlassung unverändert verwendet und in das Handelsregister eingetragen werden, so muss sie aber zugleich den Anforderungen des deutschen Rechts entsprechen, soweit § 18 HGB im öffentlichen Interesse zum Schutz des Rechtsverkehrs vor Täuschung und Missbrauch die Unterscheidbarkeit und Kennzeichnungskraft der einzelnen Firmen fordert und eine Irreführung verbietet, wobei eine an der europäischen Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 und 48 EG orientierte Auslegung geboten sein kann (vgl. KG, Rpfleger 2007, 85; OLG München, GmbHR 2007, 855; Triebel-v.Hase-Melerski, Die Limited in Deutschland, 2006, Rz. 462 f.; Wachter, ZNotP 2005, 122/138).

[11]Nach diesen Maßstäben ist die angemeldete Firma der Zweigniederlassung der Limited entgegen der Auffassung der Vorinstanzen rechtlich zulässig. Nach dem seit der Neufassung durch das HRefG nunmehr einheitlich für alle Einzelkaufleute und sämtliche Handelsgesellschaften geltenden § 18 I HGB muss die Firma nur noch zur Kennzeichnung des Kaufmanns bzw. der Gesellschaft geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen; daneben hält § 18 II HGB in eingeschränktem Umfang an dem bereits früher geltenden Grundsatz des Irreführungsverbots fest. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Firmenbestandteil ‚Hausverwaltung’ bei isolierter Betrachtung zwar um eine bloße Gattungs- oder Branchenbezeichnung, die für sich genommen unzulässig wäre. Durch den Zusatz ‚Rhein-Main’ wird die Firma jedoch hinreichend individualisiert und erhält die erforderliche Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Liberalisierung des Firmenrechts in Bezug auf geographische Zusätze bestehen gegen die Wahl dieser Firma im Hinblick auf den Sitz der Zweigniederlassung und die beabsichtigte Tätigkeit in deren räumlichem Umfeld keine durchgreifenden Bedenken (vgl. Ebenroth-Boujong-Zimmer, HGB, 2. Aufl., § 18 Rz. 53 ff.; MünchKommHGB-Heidinger, 2. Aufl., § 18 Rz. 142 ff.; OLG Stuttgart, FGPrax 2004, 40; KG, Rpfleger 2008, 85 (IPRspr 2007-238)).

Fundstellen

LS und Gründe

DB, 2008, 1488
FGPrax, 2008, 165
GmbHR, 2009, 214

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2008-218

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