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Verfahrensgang

OLG München, Beschl. vom 17.08.2005 – 31 Wx 49/05, IPRspr 2005-221

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Das Gesellschaftstatut einer ausländischen Gesellschaft (hier: einer Private Limited Company) entscheidet auch darüber, wer gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft ist und welchen Umfang dessen Befugnisse haben. Daher ist bei der Eintragung einer Zweigniederlassung der Private Limited Company in das Handelsregister die Anmeldung einer Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht zulässig.

Angesichts der differenzierten Regelungen des englischen Rechts, das eine Beschränkung des Direktors zur Vornahme von In-sich-Geschäften aus Treuepflichten ableitet, verbietet es sich, die Vertretungsbefugnis des Directors einer Private Limited Company pauschal mit derjenigen des von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführers einer deutschen GmbH gleichzusetzen.

Rechtsnormen

BGB § 181
EGV-Amsterdam Art. 43; EGV-Amsterdam Art. 48
GmbHG § 8
HGB § 13d; HGB § 13e; HGB § 13g

Sachverhalt

Die Beteiligte ist eine Gesellschaft (Private Limited Company) mit Sitz in England. Sie hat die Errichtung einer Zweigniederlassung in Deutschland zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Zugleich wurde beantragt einzutragen, dass der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Insoweit hat das Registergericht die Eintragung abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch Beschluss des LG Augsburg vom 24.5.2005 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

[2]1. Die Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung wie der englischen Private Limited Company in das deutsche Handelsregister richtet sich nach §§ 13d, 13e, 13g HGB. Die Eintragung hat deklaratorische Bedeutung (KG, FGPrax 2004, 45) (IPRspr. 2003 Nr. 215). Dabei sind auch die Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft zur Eintragung anzumelden (§ 13g II 2 HGB i.V.m. § 8 IV GmbHG).

[3]a) Die Geschäftsführung wie auch die Vertretungsmacht der Organe einer Gesellschaft richten sich nach dem Personalstatut der Gesellschaft (Palandt-Heldrich, BGB, 64. Aufl., Anh zu Art. 12 EGBGB Rz. 13). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat – unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (vgl. EuGH, NJW 2002, 3614 [Überseering]; EuGH, ZIP 2003, 1885 [Inspire Art]; BGHZ 154, 185/189 (IPRspr. 2003 Nr. 13)). Personalstatut ist in diesen Fällen unabhängig vom tatsächlichen Verwaltungssitz das Recht des Staats, in dem die Gesellschaft gegründet wurde (vgl. BGH, NJW 2005, 1648 (IPRspr 2005-212); BGH, NJW 2003, 1461 (IPRspr. 2003 Nr. 13); BayObLGZ 2002, 413/417 (IPRspr. 2002 Nr. 23)). Die Frage, wer gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft ist und welchen Umfang dessen Befugnisse haben, bestimmt sich deshalb hier nach englischem Recht.

[4]b) Eine Private Limited Company wird von einem oder mehreren Geschäftsführern (Director) vertreten. Nach englischem Recht besteht kein allgemeines gesetzliches Verbot von In-sich-Geschäften des rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreters, wie es § 181 BGB ausspricht. Beschränkungen im Hinblick auf In-sich-Geschäfte des Direktors einer englischen Gesellschaft ergeben sich jedoch aus Treuepflichten, die auf dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen der Gesellschaft und den für sie handelnden Vertretern beruhen (vgl. ausführlich zum englischen Recht Wächter, ZNotP 2005, 122/132 f. und NZG 2005, 338; Schall, EWiR 2004, 1225). Angesichts der differenzierten Regelungen des englischen Rechts verbietet es sich, die Vertretungsbefugnis des Director einer Private Limited Company pauschal gleichzusetzen mit derjenigen des von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführers einer deutschen GmbH. Dabei ist es ohne Belang, ob die Vorschrift des § 181 BGB ausdrücklich genannt oder ihr Inhalt umschrieben wird. In beiden Fällen würde die Vertretung der englischen Gesellschaft durch ihren Direktor mit den dem deutschen Rechtssystem eigenen Regelungen beschrieben, denen sie überhaupt nicht unterliegt. Das widerspräche der Verpflichtung aus Art. 43 und 48 EG, die Rechtspersönlichkeit der Beteiligten und ihre Eigenschaft als Gesellschaft englischen Rechts zu achten.

[5]c) Das Handelsregister dient dazu, bestimmte tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, die für den Rechtsverkehr von besonderer Bedeutung sind, in einer zuverlässigen und vollständigen Weise zu beurkunden (OLG Hamm, NJW-RR 1993, 807/809; KG, FGPrax 2000, 249; Keidel-Krafka-Willer Registerrecht, 6. Aufl., \linebreak Rz. 1). Bei einer dem deutschen Recht unterliegenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist es dementsprechend im Handelsregister einzutragen, wenn der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, weil in diesem Fall die Vertretungsmacht des Geschäftsführers vom gesetzlichen Regelfall abweicht. Der Rechtsverkehr soll deshalb auf die gegenüber der gesetzlichen Regelung erweiterte Befugnis des Geschäftsführers hingewiesen werden, im Namen der Gesellschaft mit sich selbst Geschäfte abzuschließen und so Vermögen der Gesellschaft zu verlagern (BGHZ 87, 59/62). Wird dagegen bei der Eintragung der Zweigniederlassung einer nach englischem Recht gegründeten Private Limited Company der Zusatz aufgenommen, dass der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, bewirkt das in mehrfacher Hinsicht eine Irreführung (vgl. auch Klose/Mokroß, DStR 2005, 1013/ 1015). Zum einen wird der Anschein erweckt, der Umfang der Vertretungsmacht des Geschäftsführers und die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft unterlägen deutschem Recht, was nicht der Fall ist. Zum anderen wird durch die undifferenzierte Übertragung von Kategorien des deutschen Rechts auch bezüglich des Umfangs der Vertretungsmacht der für die Gesellschaft geltende rechtliche Rahmen verkürzt dargestellt und ein Rechtszustand im Handelsregister verlautbart, der tatsächlich so nicht gegeben ist. Das widerspricht dem Zweck des Handelsregisters, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zuverlässig und vollständig darzustellen. Zu Recht sind die Vorinstanzen daher einigen gegenteiligen Entscheidungen (LG Freiburg, GmbHR 2005, 168/169 (IPRspr 2004-229); LG Ravensburg, GmbHR 2005, 489/490 (IPRspr 2005-209); LG Augsburg, NZG 2005, 356 (IPRspr 2004-231)) nicht gefolgt.

Fundstellen

LS und Gründe

DB, 2005, 1955
GmbHR, 2005, 1302
NJW-RR, 2005, 1486
NZG, 2005, 850
RNotZ, 2005, 553
ZIP, 2005, 1826
DNotZ, 2006, 152
Rpfleger, 2006, 84

nur Leitsatz

EWiR, 2005, 765, mit Anm. Just/Fried

Aufsatz

Schall, NZG, 2006, 54

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2005-221

Lizenz

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