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Verfahrensgang

KG, Beschl. vom 11.09.2007 – 1 W 81/07, IPRspr 2007-238

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit
Handels- und Transportrecht → Allgemeines Handelsrecht einschl. UN-Kaufrecht

Leitsatz

Die Zulässigkeit der Firma einer Gesellschaft englischen Rechts (Private Limited Company) mit Sitz in Großbritannien richtet sich nach deutschem Recht, soweit die Firma auch für die nach §§ 13d, 13e und 13g HGB anzumeldende Zweigniederlassung verwandt werden soll.

Rechtsnormen

EGV-Amsterdam Art. 43; EGV-Amsterdam Art. 48
FGG § 27; FGG §§ 27 ff.
HGB § 13d; HGB § 13e; HGB § 13g; HGB § 18; HGB § 30
MarkenG § 5; MarkenG § 15
ZPO § 546

Sachverhalt

Die Beteiligte ist eine im Handelsregister von Cardiff eingetragene Gesellschaft englischen Rechts (Private Limited Company) mit Sitz in Birmingham. Ihr Geschäftsführer hat die Errichtung einer Zweigniederlassung in Berlin zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet. Das AG hat die Eintragung mit Beschluss vom 17.7.2006 abgelehnt, da die Firma ‚Autodienst-Berlin Limited’ unzulässig sei. Das LG hat die Beschwerde der Beteiligten mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und ausgeführt, der Firma fehle die nach §§ 18 I, 30 HGB gebotene Unterscheidungskraft. Auch dem Zusatz ‚Berlin’ komme keine Kennzeichnungskraft zu, weil am Ort der Niederlassung weitere Unternehmen der Branche ansässig seien. Eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EG sei gerechtfertigt, da ein schützenswertes Interesse an der firmenrechtlichen Freihaltung reiner Gattungsbezeichnungen bestehe.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 ff. FGG) und begründet. Die Entscheidung des LG beruht auf einem Rechtsfehler (§ 27 I FGG i.V.m. § 546 ZPO). Einer Zurückverweisung an das LG zur weiteren Sachverhaltsfeststellung bedarf es nicht, weil die Sache entscheidungsreif ist.

[2]Rechtsfehlerfrei ist das LG zunächst davon ausgegangen, dass sich die Zulässigkeit der Firma – soweit sie wie hier auch für die nach §§ 13d, 13e und 13g HGB anzumeldende Zweigniederlassung verwandt werden soll – nach deutschem Recht richtet (Senat, NJW-RR 2004, 976, 977 f.; vgl. auch BGH, NJW 2007, 2328, 2329 (IPRspr 2007-232b)). Entgegen der Ansicht des LG erfüllt die Firma der Beteiligten jedoch die Anforderungen des deutschen Rechts. Sie ist im Sinne von § 18 I HGB zur Kennzeichnung geeignet und besitzt Unterscheidungskraft.

[3]Die Kennzeichnungseignung ist gegeben, wenn der Firma Namensfunktion zukommt. Dafür genügt es, dass sie – wie hier – eine wörtliche und aussprechbare Bezeichnung des Kaufmanns darstellt (vgl. MünchKommHGB-Heidinger, 2. Aufl., § 18 Rz. 11). Die nach § 18 I HGB erforderliche (abstrakte) Unterscheidungskraft liegt vor, wenn die Kennzeichnung nach ihrer Art geeignet ist, ihren Inhaber von anderen Unternehmensträgern zu unterscheiden. Rechtlich zutreffend nimmt das LG an, dass bloße Branchen- oder Gattungsbezeichnungen – wie hier ‚Autodienst’ – diese Individualisierungsfunktion regelmäßig nicht erfüllen und gleichzeitig dem Freihaltebedürfnis des Verkehrs widersprechen, solche Bezeichnungen zu verwenden (vgl. MünchKommHGB-Heidinger aaO Rz. 26). Jedoch ist für die Unterscheidungskraft auf die gesamte Firma, nicht auf einen ihrer Bestandteile abzustellen (BayObLGZ 1977, 187, 190); Branchen- oder Gattungsbezeichnungen können – auch durch Ortsangaben (vgl. OLG Frankfurt, Rpfleger 2005, 366) – individualisiert werden. In ihrer Gesamtheit kommt der Firma der Beteiligten durch den weiteren Bestandteil ‚Berlin’ ausreichende Eigenart zu. Dem steht nicht entgegen, dass in Berlin weitere Unternehmen mit dem selben Geschäftsgegenstand ansässig sind. Für die Unterscheidbarkeit kommt es auf die Eigentümlichkeit des Namens und nicht darauf an, ob die Bezeichnung des Geschäftsgegenstands mit dem individualisierenden Merkmal auch für andere Unternehmen zutrifft. Aus der vom LG zitierten Entscheidung des BayObLG (NJW-RR 2003, 1544 ff.) folgt nichts anderes. Dort fehlte es an einer Individualisierung der Gattungsbezeichnung ‚Handwerker’, was für den Zusatz ‚Profi-’ gerade verneint wurde (anders BayObLGZ 1977, 187 für den Zusatz ‚alles aus einer Hand’).

[4]Es besteht auch kein Bedürfnis, die Zusammensetzung ‚Autodienst-Berlin’ firmenrechtlich freizuhalten. Dritte haben weiterhin die Möglichkeit, Firmen zu gebrauchen, die die Gattungsbezeichnung ‚Autodienst’ mit anderweitiger – zulässiger – Ortsbezeichnung oder einem sonstigen individualisierenden Zusatz enthalten. Auch eine beschreibende Verwendung der Wörter ‚Autodienst’ und ‚Berlin’ ist durch §§ 5, 15 MarkenG nicht ausgeschlossen. Danach kommt es auf eine europarechtskonforme Auslegung des § 18 I HGB (vgl. dazu OLG München, Beschl. vom 7.3.2007 – 31 Wx 92/06 (IPRspr 2007-35)) nicht mehr an.

[5]Die Firma der Bekl. verstößt nicht gegen das Irreführungsverbot des § 18 II HGB. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der ortsbezogene Zusatz geeignet ist, über geschäftliche Verhältnisse irrezuführen, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind. Die Beteiligte ist zumindest auch in Berlin, dem Ort ihrer Zweigniederlassung tätig. Mit dem Zusatz wird auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie zu den führenden Unternehmen ihrer Branche in Berlin gehört, da die Branchenbezeichnung allgemein gehalten ist und der Ortsname auch nicht adjektivisch verwandt wird.

[6]Schließlich ist auch die nach § 30 III und I HGB gebotene konkrete Unterscheidungskraft gewahrt. Im Handelsregister des AG ist keine Firma eingetragen, die sowohl die Bezeichnung ‚Autodienst’ als auch – in irgendeiner Form – einen Zusatz mit dem Wortbestandteil ‚Berlin’ enthält.

Fundstellen

LS und Gründe

DNotZ, 2008, 392, mit Anm. Kanzleiter
FGPrax, 2008, 35
GmbHR, 2008, 146
NZG, 2008, 80
Rpfleger, 2008, 85

nur Leitsatz

ZIP, 2008, 510

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-238

Lizenz

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