In einem Fall, in dem Fahrzeuge von ihrem Hersteller in einem Mitgliedsstaat mit einer Software ausgerüstet worden sind, die die Daten über den Abgasausstoß manipuliert, und danach bei einem Dritten in einem anderen Mitgliedsstaat erworben werden, liegt der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO in diesem letztgenannten Mitgliedsstaat.
Auch im Falle von sogenannten Massen- oder Streuschäden ist im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die eine offensichtlich engere Verbindung des Sachverhalts zu einer bestimmten Rechtsordnung begründen.
Als Teil der lex fori können gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auch die nach spanischem Sachrecht erforderlichen Feststellungen zum Eintritt eines Schadens und zu dessen Höhe getroffen werden. Art. 15 lit. c, Art. 22 Abs. 1 Rom II-VO stehen dem nicht entgegen. [LS von der Redaktion bearbeitet]
Die in Madrid (Spanien) wohnhafte Klagepartei erwarb mit Kaufvertrag vom xx.xx.2015 einen S. Altea XL 1.6 mit einer Laufleistung von 0 km für ... € von einem Dritten. Der Kaufpreis ist finanziert worden, wodurch Kosten in Höhe von ... € entstanden sind. Am 13. April 2025 hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 117.614 km. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten entwickelter und hergestellter Dieselmotor vom Typ EA189 verbaut, der aufgrund einer entsprechenden Typgenehmigung nach EU 5 zugelassen wurde. Die im Zeitpunkt des Kaufs im Fahrzeug installierte Software zur Steuerung der Abgasnachbehandlung verfügte über die sogenannte „Umschaltlogik“, das heißt, sie erkannte, ob sich das Fahrzeug in einem nach dem NEFZ durchgeführten Testlauf befand, und optimierte dann den Ausstoß an Stickoxid (NOx).
Die Klagepartei verlangt von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, hilfsweise materiellen und - in Höhe von ... € - immateriellen Schadensersatz. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Das Landgericht Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2023 weitgehend abgewiesen und der Klägerseite lediglich immateriellen Schadensersatz in Höhe von ... € zuerkannt. Gegen dieses Urteil hat die Klägerseite Berufung einlegen lassen. Die Klagepartei verfolgt ihr erstinstanzliches Klageziel, insbesondere eine Erstattung des Kaufpreises weiter, während die Beklagte eine vollständige Klageabweisung erstrebt.
[1]B.
[2]Die zulässige Berufung der Klägerseite ist teilweise begründet und das erstinstanzliche Urteil aus diesem Grund in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Im Übrigen ist sie unbegründet und aus diesem Grund zurückzuweisen. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist lediglich hinsichtlich eines geringen Teils der zugesprochenen Zinsen begründet, im Übrigen allerdings (weit überwiegend) unbegründet und aus diesem Grund zurückzuweisen.
[3]I. Die Rechtsmittel sind zulässig.
[4]1. ... 2. ... II. Die Berufung der Klägerseite ist teilweise begründet.
[5]1. Auf den Streitfall ist spanisches Sachrecht anzuwenden.
[6]a) Die Anwendung des spanischen Rechts folgt aus der Regelung des Art. 4 Abs. 1 der VO (EG) 864/2007 (nachfolgend Rom II-VO).
[7]aa) Nach dieser Regelung ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staats anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.
[8]bb) Es liegt ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung vor.
[9](1) Die Begriffe der unerlaubten Handlung beziehungsweise eines außervertraglichen Schuldverhältnisses sind jeweils europäisch-autonom zu verstehen (vgl. Erwägungsgrund 11 zur Rom II-VO; Lehman in: Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, Rom-Verordnungen, 4. Aufl., Art. 4 Rn. 38).
[10]Der Begriff der unerlaubten Handlung bezieht sich auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – C-96/00, EuZW 2002, 539 Rn. 33).
[11]Dabei ist für das Bestehen eines Vertrags wesentlich, dass eine von einer Partei freiwillig eingegangene Verpflichtung gegenüber einer anderen Partei vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-334/00, EuZW 2002, 655 Rn. 23). Die Freiwilligkeit ist dabei im Sinne von rechtsgeschäftlichem Handlungswillen zu verstehen (vgl. Lehman in: Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, Rom-Verordnungen, 4. Aufl., Art. 4 Rn. 46).
[12](2) Vorliegend ist die Beklagte gegenüber der Klägerseite keine freiwillige Verpflichtung eingegangen. Der Umstand, dass die Beklagte als Mutterkonzern des Fahrzeugherstellers nach dem spanischen Recht möglicherweise in die vertragliche Beziehung der Klägerseite zu dem Kfz-Händler einbezogen wird, ändert hieran nichts. Die im spanischen Recht vorgenommene Qualifizierung ist - wie ausgeführt - für die Auslegung des Begriffs der unerlaubten Handlung in Art. 4 Rom II-VO nicht maßgeblich.
[13]Im Übrigen ist auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27. November 2023 (
[14]cc) Der Schaden ist vorliegend in dem Staat eingetreten, in dem das Fahrzeug von der Klägerseite erworben worden ist.
[15]Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 9. Juli 2020 (C-343/19, NJW 2020, 2869) entschieden, dass sich der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in einem Fall, in dem Fahrzeuge von ihrem Hersteller in einem Mitgliedsstaat mit einer Software ausgerüstet worden sind, die die Daten über den Abgasausstoß manipuliert, und danach bei einem Dritten in einem anderen Mitgliedsstaat erworben werden, in diesem letztgenannten Mitgliedsstaat befindet.
[16]Zwar ist diese Entscheidung zur Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit gemäß Art. 7 Nr. 2 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel I-VO) ergangen. Allerdings müssen die Bestimmungen der Rom II-VO und der Brüssel I-VO miteinander im Einklang stehen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 zur Rom II-VO), so dass sie einheitlich auszulegen sind (vgl. Lehman in: Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, Rom-Verordnungen, 4. Aufl., Art. 4 Rn. 40).
[17]Damit ist der Schaden der Klägerseite dort eingetreten, wo sie das streitgegenständliche Fahrzeug erworben hat, also in Spanien und ist nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO spanisches Recht anzuwenden.
[18]b) Die Anwendung deutschen Rechts folgt nicht aus der - vorrangigen - Regelung des Art. 14 Rom II-VO. Die Parteien haben keine Rechtswahl getroffen. Dies ist insbesondere auch nicht stillschweigend erfolgt. Die Klägerseite hat erstinstanzlich eine stillschweigende Wahl des deutschen Rechts damit begründet, dass die Parteien jeweils für und gegen deliktische Ansprüche aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung argumentierten, wofür es im spanischen Recht keine Anspruchsgrundlage gebe. Vorgerichtliche Schriftsätze und Erklärungen der Beklagten hat die Klägerseite hierzu nicht vorgelegt. Da die Beklagte im Rahmen dieses Rechtsstreits bereits mit der Klageerwiderung die Unanwendbarkeit deutschen Rechts gerügt hat, kommt eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten des deutschen Sachrechts nicht in Betracht. Diese würde sich im Übrigen auch nicht aus dem bloßen Umstand einer Argumentation auf Basis deutschen Rechts ergeben, weil eine solche auch vorsorglich erfolgen oder auf der irrtümlichen Annahme der Anwendbarkeit deutschen Rechts beruhen kann.
[19]Auf eine entsprechende Vereinbarung beruft sich die Klägerseite im Berufungsrechtszug auch nicht mehr.
[20]c) Die Anwendung des deutschen Sachrechts folgt auch nicht aus der Regelung des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO.
[21]aa) Nach dieser Regelung ist das Recht eines anderen Staats als des in Abs. 1 bezeichneten anzuwenden, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit diesem Staat aufweist. Als Regelbeispiel einer offensichtlich engeren Verbindung zu einem anderen Staat nennt Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO ein zwischen den Parteien bereits bestehendes Rechtsverhältnis, das seinerseits mit der unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.
[22]bb) Das Ziel dieser als Ausweichklausel bezeichneten Regelung ist die Flexibilisierung der Rechtsanwendung. Durch das Zusammenspiel von starren Regeln und Ausnahmeklauseln soll dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit auf der einen Seite und nach Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite Rechnung getragen werden (vgl. Lehman in: Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, Rom-Verordnungen, 4. Aufl., Art. 4 Rn. 137). Das Tatbestandsmerkmal „offensichtlich engere Verbindung“ sowie die systematische Interpretation unterstreichen allerdings, dass es sich hierbei um eine nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehende Korrektur der Regelanknüpfung aus Art. 4 Abs. 1 Rom II VO handelt (vgl. Gebauer/Wiedmann/StA.nger, Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl., Art. 4 Rom II VO Rn. 10; MüKoBGB/Junker, 8. Aufl., Art. 4 Rom II VO Rn. 46; vgl. auch Erwägungsgrund 18 zur Rom II VO).
[23]cc) Im Streitfall ist das Regelbeispiel des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO nicht erfüllt.
[24](1) Als ein Rechtsverhältnis im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II VO wird ausdrücklich ein zwischen den Parteien bestehender Vertrag genannt. Wie oben bereits ausgeführt wurde, bestehen zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits keine vertraglichen Beziehungen.
[25](2) Auch eine außervertragliche Sonderverbindung, insbesondere eine auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis beruhende, kann Anknüpfungspunkt gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO sein. Als entsprechende gesetzliche Sonderbeziehungen kommen insbesondere solche des Familienrechts in Betracht (vgl. BeckOK-BGB/Spickhoff, Stand: 1. August 2024, Art. 4 Rom II VO Rn. 18), die hier nicht vorliegen.
[26]Ein gesetzliches Schuldverhältnis aus einer etwaigen Garantie oder aber aus der Erteilung einer Übereinstimmungsbescheinigung (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111) besteht vorliegend bereits deswegen nicht, weil die Beklagte nicht die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist.
[27](3) Die Regelung des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO würde ferner selbst in dem Fall, dass zwischen den Parteien eine vertragliche Beziehung unterstellt würde, zur Anwendung des spanischen Rechts führen. Denn die Folge des Bestehens einer vertraglichen Beziehung wäre, dass die unerlaubte Handlung dem Recht unterliegen würde, dem das Sonderrechtsverhältnis unterfällt. Auf eine solche vertragliche Beziehung der gewerblich tätigen Beklagten mit der Klägerseite, die das Kraftfahrzeug als Verbraucherin erworben hat, würde nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO das Recht des Staats anzuwenden sein, in dem der Verbraucher (also die Klägerseite) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dass die Beklagte ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Spanien ausrichtet (vgl. Art. 6 Abs. 1 b Rom I-VO), indem sie die streitgegenständlichen Dieselmotoren auch auf den dortigen Markt gebracht hat, ist zwischen den Parteien nicht streitig.
[28]dd) Es besteht aber auch sonst keine offensichtlich engere Verbindung der vorliegend geltend gemachten unerlaubten Handlung der Beklagten zur Bundesrepublik Deutschland als zu Spanien.
[29](1) Hierbei gilt es zu ermitteln, welches Recht aus räumlich-funktionaler Sicht am stärksten mit dem Sachverhalt verbunden ist; welches Recht dem Richter besser vertraut oder für den Geschädigten vorteilhafter ist, ist hingegen irrelevant (vgl. JurisPK-BGB/Lund, Stand: 1. Juli 2023, Art. 4 Rom II-VO Rn. 25). Es ist deshalb nach der Feststellung des nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO anzuwendenden Rechts zu prüfen, ob der Fall unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Umstände mit einem anderen Staat derart enger verbunden ist, dass es „zufällig“ erschiene, ihn nach dem durch die Regelanknüpfung bestimmten Recht zu beurteilen (JurisPK-BGB/Lund, Stand: 1. Juli 2023, Art. 4 Rom II-VO Rn. 25). Dabei ist die Ausweichklausel nur dann anzuwenden, wenn im konkreten Einzelfall über die notwendigerweise typisierenden Regelanknüpfungen die kollisionsrechtliche Einzelfallgerechtigkeit am Maßstab eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Haftendem und Geschädigten nicht hergestellt werden kann (vgl. Rauscher/Pabst, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Stand: Januar 2023, Art. 4 Rom II VO Rn. 83).
[30](2) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
[31](a) Der Bundesgerichtshof hat in dem bereits zitierten Urteil vom 27. November 2023 (
[32](b) Der gegenständliche Sachverhalt ist mit demjenigen, den der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung zu beurteilen hatte, vergleichbar. Es sind von klägerischer Seite keine Umstände vorgetragen, die eine engere Verbindung des im Streit stehenden Sachverhalts zu Deutschland als zu Spanien begründen. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber mit der Regelung in Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO von dem Grundsatz ausgegangen ist, dass bei der Bestimmung des anzuwendenden Sachrechts die Verbindung des Sachverhalts zu dem Ort, an dem der Deliktserfolg eintritt (Erfolgsort), im Grundsatz näher ist als zu dem Ort, an dem das schadensbegründende Ereignis erfolgt ist.
[33](aa) Vorliegend ist die Verbindung zu Spanien insbesondere dadurch begründet, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von der Klägerseite in Spanien erworben wurde und damit dort sowohl Handlungs-als auch (faktischer) Erfolgsort liegen. Die Klägerseite hat darüber hinaus ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien, das Fahrzeug wurde in Spanien zugelassen und wird in Spanien genutzt. Dieser Umstand ist deswegen von Bedeutung, weil etwaige behördliche Restriktionen, die unterhalb des Widerrufs der Typgenehmigung (über die in Deutschland zu entscheiden wäre) erfolgen, von den Regeln und Gepflogenheiten des Staats abhängen, in dem das Fahrzeug zugelassen ist. So gibt es zum Beispiel in vielen deutschen Städten sogenannte Umweltzonen, die die Nutzung bestimmter emissionsstärkerer Fahrzeuge erschweren könnten.
[34]Auch kann die Nutzung eines Fahrzeugs durch die staatlichen Behörden unterschiedlich reglementiert werden. So hat zum Beispiel das KBA in Deutschland einen verpflichtenden Rückruf für alle Pkw mit einem EA189-Motor angeordnet, während die in Spanien zuständige Typgenehmigungsbehörde keine Mängel festgestellt und dementsprechend keinen Rückruf angeordnet hat. Dementsprechend ist das Aufspielen des Software-Updates, mit dem die Umschaltlogik bei den betroffenen Fahrzeugen beseitigt werden soll, in Spanien als eine freiwillige Service-Maßnahme möglich, während sie etwa in Deutschland verpflichtend ist.
[35]Daraus folgt, dass der Ort des Erwerbs und der Nutzung beziehungsweise Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht lediglich ein zufälliger und für die Beurteilung des Sachverhalts unerheblicher Umstand ist, sondern durchaus im Rahmen der rechtlichen Prüfung der streitgegenständlichen unerlaubten Handlung Berücksichtigung finden kann.
[36](bb) Die Umstände, die eine Verbindung zu Deutschland begründen, sind letztlich die Entwicklung der Umschaltlogik, die einheitliche Typzulassung sowie die Durchführung der Ermittlungsverfahren im Hinblick auf das entsprechende Verhalten der Beklagten jeweils in Deutschland. Soweit die Klägerseite mit ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M. den erstgenannten Umstand in mehrere Einzelpunkte aufspaltet, wie das Auslösen des zugrundeliegenden technischen Vorgangs, die unternehmerische Entscheidung zum Einbau der Abschalteinrichtung, die Produktion und Erstbedatung der Abschalteinrichtung bei der B. GmbH in Stuttgart und die Erstbedatung der Abschalteinrichtung in Salzgitter, kann das nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es letztlich darum geht, dass die Entwicklung des im Streit stehenden Dieselmotors mit der unzulässigen Abschalteinrichtung in Deutschland erfolgt ist. Dabei handelt es sich der Sache nach nur um Vorbereitungshandlungen zu dem schadensbegründenden Ereignis des Inverkehrbringens, das nach der Entscheidung des Verordnungsgebers für sich gesehen nicht ausreicht, um eine hinreichend enge Verbindung zu dem Staat zu begründen, in dem dieses Ereignis stattgefunden hat.
[37]Die einheitlich für Europa in Deutschland erfolgte Typgenehmigung mag für die Beurteilung des streitgegenständlichen Sachverhalts nicht gänzlich ohne Belang sein, gerade weil das Verhalten der Beklagten gegenüber dem KBA im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens relevant sein kann. Allerdings gehört auch dieses Verhalten zum schadensbegründenden Ereignis, dem nach der Bewertung durch den Verordnungsgeber im Grundsatz ein geringeres Gewicht beizumessen ist als dem Ort des Schadenseintritts. Spezielle Umstände, die im vorliegenden Fall dem Ort, an dem das schadensbegründende Ereignis stattgefunden hat, ein besonderes, überdurchschnittliches Gewicht gegenüber dem Ort verleihen, an dem der Schadenserfolg eingetreten ist, liegen nicht vor.
[38]Dass die Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte weitgehend in Deutschland geführt wurden, ist ebenfalls nur durch den Umstand begründet, dass das schadensbegründende Ereignis in Deutschland stattgefunden hat. Eine weitergehende Verbindung des streitigen Sachverhalts zu Deutschland als sie bereits durch den Ort des schadensbegründenden Ereignisses existiert, wird durch diese Ermittlungsverfahren nicht begründet. Im Übrigen steht es den Gerichten in allen Ländern frei, die Ergebnisse der Ermittlungsverfahren in anderen Ländern zu verwerten.
[39]Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen des Art. 4 Rom II-VO unter anderem dazu dienen sollen, die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen zu verbessern (vgl. Erwägungsgrund 16 und 6 zu Rom II VO). Hierzu hat der EuGH entschieden (vgl. Urteil vom 9. Juli 2020 - C-343/19, NJW 2020, 2869 Rn. 36), dass ein Automobilhersteller, der unzulässige Manipulationen an in anderen Mitgliedsstaaten in den Verkehr gebrachten Fahrzeugen vornimmt, vernünftigerweise erwarten kann, dass er vor den Gerichten dieser Staaten verklagt wird. Damit kann er auch vernünftigerweise erwarten, dass das Sachrecht des Staats zur Anwendung kommt, in dem mit der Erhebung der Klage zu rechnen gewesen ist. Hinzu kommt, dass die Käufer von manipulierten und damit mangelhaften Fahrzeugen die Möglichkeit haben, nicht nur gegen den Fahrzeughersteller, sondern auch gegen den Fahrzeugverkäufer Klage zu erheben. Dass solche Klagen gegen die in Spanien tätigen Fahrzeughändler in Spanien erhoben und nach spanischem Sachrecht entschieden werden, liegt auf der Hand. Dass die ebenfalls in Anspruch genommenen Fahrzeughersteller dann gemeinsam mit den Händlern verklagt werden und sich die dann zu treffenden Entscheidungen nach dem gleichen Sachrecht richten, erscheint ebenfalls plausibel und dürfte dem zu erwartenden Geschehensablauf entsprechen. Dass die im Ausland ansässigen Käufer nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, den Fahrzeughersteller unter Anwendung des ihnen bekannten Sachrechts an ihrem eigenen Wohnsitz zu verklagen, erscheint hingegen ungewöhnlich und nicht ohne weiteres vorhersehbar.
[40]ee) Auch die Berücksichtigung der in der Literatur diskutierten Rechtsfigur der sogenannten Massenschäden führt nicht zur Anwendung des deutschen Rechts.
[41](1) Der Massenschaden ist bereits keine allgemein anerkannte Rechtsfigur, die in Rechtsprechung und Literatur ihren festen Platz hätte. Vielmehr wird in der Literatur vereinzelt vertreten, dass bei der kollektiven Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus sogenannten Massenschäden, die in unterschiedlichen Staaten entstanden sind, eine im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO offensichtlich engere Verbindung der unerlaubten Handlung mit dem Staat bestehe, in dem die einheitliche schadensverursachende Handlung vorgenommen worden sei (so Wais, IPRax 2022, 141 für die kollektive Geltendmachung der Verbraucheransprüche mit Bezug zu den in der Verbandsklage-RL aufgeführten europäischen Rechtsakten). Außerdem wird der Vorschlag geäußert, Massenschäden über Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO einheitlichem Recht zuzuführen (vgl. Wagner, IPRax 2006, 372 u. IPRax 1999, 211; kritisch Erman/Stürner, BGB, 17. Aufl., Art. 4 EGV 864/2007 Rn. 29; Rauscher/Pabst, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Stand: Januar 2023, Art. 5 Rom II-VO Rn. 110; auch im Grundsatz ablehnend BeckOGK-Rom II-VO/Müller, Stand: 1. Dezember 2022, Art. 5 Rn. 132, der die Anwendung der Ausweichklausel nur höchst ausnahmsweise für zulässig erachtet, wenn eine individuelle Rechtsverfolgung aufgrund des jeweils geringen Schadensumfangs sonst praktisch nicht erfolgen würde). Dabei wird, soweit ersichtlich, die Anwendung der Ausweichklausel bei Massenschäden hauptsächlich in der Konstellation diskutiert, dass Ansprüche einer Mehrzahl von Geschädigten eines Unfalls zu beurteilen sind. Würden einige der Geschädigten den gleichen gewöhnlichen Aufenthaltsort wie der Schädiger haben und andere Geschädigte nicht, hätte dies zur Folge, dass für die Ansprüche einiger Geschädigter nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO das Sachrecht des Staats gelten würde, in dem sie (und der Schädiger) ihren Aufenthaltsort haben, und für die übrigen Geschädigten das Sachrecht des Staats, in dem der Unfall passiert ist (vgl. MüKoBGB/Junker, 8. Aufl., Art. 4 Rom II-VO Rn. 59).
[42]In der Rechtsprechung wurde die Regelung des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO auf „Massenschäden“ soweit ersichtlich nur einmal angewendet, und zwar vom Landgericht Essen im Urteil vom 1. Juli 2020 (
[43]Soweit die Klägerseite die Entscheidung des französischen Kassationsgerichts vom 10. Oktober 2018 (Az: 15-26.093) anführt, hat sie selbst keinen Vortrag dazu gehalten, welche Ausführungen das Kassationsgericht gemacht habe. Soweit ersichtlich, hat das Kassationsgericht ausgeführt, dass auf den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt (mangelhafte Prüfung von Brustimplantaten durch den TÜV Rheinland) die Rom II-VO keine Anwendung finde, da die maßgeblichen Handlungen vor Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt seien. Daher hat das Kassationsgericht die zuvor in Frankreich geltenden kollisionsrechtlichen Regelungen für anwendbar erklärt, so dass sich die Ausführungen des Gerichts auf die entsprechende Rechtslage bezogen und für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden können.
[44](2) Die Anwendung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO ist im Streitfall allerdings auch unter dem Gesichtspunkt eines Massenschadens abzulehnen.
[45]Es liegt bereits kein Fall der kollektiven Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch Geschädigte mit Wohnsitz in unterschiedlichen Staaten vor, so dass die von Wais (aaO) vorgeschlagene Lösung schon im Ansatz nicht in Betracht kommt. Selbst wenn sämtliche Klagen der Kläger, die ihre Fahrzeuge in Spanien erworben haben, zwecks gemeinsamer Geltendmachung der Ansprüche verbunden und in Deutschland erhoben worden wären, würde die Anwendung der Rom II-VO auch ohne die Rechtsfigur des Massenschadens zum Ergebnis haben, dass ein einheitliches Sachrecht auf sämtliche Ansprüche anzuwenden gewesen wäre, nämlich das spanische Sachrecht.
[46]Es liegt auch kein Massenschaden im eigentlichen Sinne vor, bei dem verschiedene Rechtsordnungen der Geschädigten an einem einheitlichen Erfolgsort zusammentreffen (wie bei einem Zug- oder Flugzeugunfall). Vielmehr hätte die Beklagte durch ihre Vorgehensweise Schäden in verschiedenen Rechtsordnungen zielgerichtet verursacht, so dass von einem Streu- oder „massenhaften“ Schaden (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 21. März 2021 -
[47]Anhaltspunkte dafür, dass die Ausweichklausel auch in solchen Konstellationen angewandt werden soll, sind weder dem Verordnungstext noch den Erwägungsgründen zu entnehmen. Im Gegenteil sollen ausweislich des Erwägungsgrunds 14 zur Rom II-VO mit der Ausweichklausel die Einzelfälle angemessen und nicht die Massenfälle einheitlich behandelt werden (vgl. Rauscher/Pabst, Europäischer Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Stand: Januar 2023, Art. 4 Rom II VO Rn. 74). Denn der Verordnungsgeber hat das Kriterium der engeren Verbindung eines Sachverhalts zu einer bestimmten Rechtsordnung als maßgeblich für die Anwendung der Ausweichklausel bestimmt. In dem Fall, dass ein einen konkreten klagenden Geschädigten betreffender Sachverhalt eine engere Verbindung zu einem bestimmten Staat aufweist, kann sich daran nicht dadurch etwas ändern, dass es weitere Geschädigte in anderen Staaten gibt. Insoweit ist die Anmerkung von Pabst (Rauscher/Pabst, Europäischer Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Stand: Januar 2023, Art. 4 Rom II VO Rn. 74 Fußnote Nr. 167) zutreffend, wonach solche Lösungen jenseits des Telos der Ausweichklausel nicht im Wege der Auslegung, sondern durch den Verordnungsgeber selbst zu finden sind.
[48]Es muss daher auch im Falle von sogenannten Massen- oder Streuschäden geprüft werden, ob Umstände vorliegen, die eine offensichtlich engere Verbindung des Sachverhalts zu einer bestimmten Rechtsordnung begründen.
[49]Solche Umstände sind hier - wie ausgeführt - nicht gegeben.
[50]d) Die Anwendung des deutschen Sachrechts folgt auch nicht aus der Regelung des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO, weil jedenfalls die kollektiven Interessen der Verbraucher durch den Verkauf von Fahrzeugen mit den von der Beklagten manipulierten Motoren dort beeinträchtigt werden, wo die Fahrzeuge in Verkehr gebracht wurden, also in Spanien, so dass auch nach dieser Regelung spanisches Sachrecht zur Anwendung gelangt. Auch der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 9. Juli 2020 (C-343/19, NJW 2020, 2869 Rn. 39) ausgeführt, dass durch die rechtwidrige Ausrüstung eines Fahrzeugs mit einer Software, die die Daten über den Abgasausstoß manipuliert, die kollektiven Interessen der Verbraucher als Gruppe in dem Mitgliedsstaat beeinträchtigt werden, in dessen Hoheitsgebiet das mangelhafte Produkt von den Verbrauchern gekauft wird. Es ist auf das Recht des Markts abzustellen, um dessen Marktanteile durch das wettbewerbswidrige Verhalten gekämpft wird und auf dem die Verbraucher zum Zwecke des Produktabsatzes umworben werden. Dies geschah vorliegend auf dem Gebiet des spanischen Automobilmarkts, so dass auch über die Regelung des Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO das spanische Sachrecht zu Anwendung kommt (vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 21. März 2021 -
[51]e) Schließlich führt auch die Regelung des Art. 7 2. Halbsatz Rom II-VO nicht ins deutsche Sachrecht. Nach dieser Regelung steht in dem Fall der Geltendmachung von aus einer Umweltschädigung herrührenden Personen- oder Sachschäden dem Geschädigten das Recht zu, seinen Anspruch auf das Recht des Staats zu stützen, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist.
[52]Der hierzu geführte Streit, ob auch reine Vermögensschäden unter die in der Vorschrift genannten Personen- oder Sachschäden zu subsumieren sind und ob unter dem Begriff Umweltschädigung der eigentliche Umweltschaden oder die für einen Umweltschaden ursächliche Handlung (Umweltschädigungshandlung) zu verstehen ist, kann vorliegend unentschieden bleiben. Denn die von der Klägerseite geltend gemachten Vermögensschäden rühren nicht aus einer von der Beklagten möglicherweise begangenen Umweltschädigung, so dass der Anwendungsbereich des Art. 7 2. Halbsatz Rom II-VO bereits nicht eröffnet ist.
[53]Denn erforderlich ist, dass der geltend gemachte Schaden unmittelbar aus der Umweltschädigung resultiert, und zwar dergestalt, dass der Schaden „auf dem Umweltpfad“, also über die Einwirkung auf eine Umweltressource, hervorgerufen wird (vgl. jurisPK-BGB/Wurmnest, 10. Aufl., Stand: 1. Juli 2023, Art. 7 Rom II-VO Rn. 37; Erman/Stürner, BGB, 17. Aufl., Art. 7 Rom II VO Rn. 9).
[54]Vorliegend besteht aber der von der Klägerseite geltend gemachte Schaden in dem Abschluss eines ungewollten Vertrags oder aber in dem Kauf eines Fahrzeugs zu einem überhöhten Preis. Diese Schäden sind nicht „auf dem Umweltpfad“, also über die Einwirkung auf eine Umweltressource, entstanden (vgl. Erman/Stürner, BGB, 17. Aufl., Art. 7 Rom II VO Rn. 9). Das zeigt bereits die folgende Überlegung: Der Vermögensschaden, der Gegenstand der vorliegenden Klage ist, ist der Klägerseite bereits beim Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags entstanden. Das Fahrzeug ist zu dieser Zeit gegebenenfalls noch gar nicht hergestellt, jedenfalls aber noch nicht betrieben worden. Das bedeutet, dass der der Klägerseite entstandene Schaden in einem solchen Fall bereits denknotwendig nicht die Folge einer (in diesem Fall unter Umständen sogar künftigen) Umwelteinwirkung sein kann. Vielmehr haben die Umweltschädigung und der Vermögensschaden zwar dieselbe gemeinsame Ursache, bedingen sich jedoch nicht kausal (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 21. März 2021 -
[55]2. Der Senat hat das einschlägige spanische Rechts hiernach gemäß § 293 ZPO zu ermitteln. Nach dieser Vorschrift bedürfen das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt. Vielmehr ist es befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.
[56]Vor diesem Hintergrund hat der Tatrichter ausländisches Recht von Amts wegen zu ermitteln. Wie er sich diese Kenntnis verschafft, liegt zwar in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Jedoch darf sich die Ermittlung des fremden Rechts nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken, sondern muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen. Der Tatrichter ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat. Die Ermittlungspflicht umfasst gerade auch die ausländische Rechtspraxis, wie sie in der Rechtsprechung der Gerichte des betreffenden Landes zum Ausdruck kommt. Das Gericht hat dabei die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen auszuschöpfen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 -
[57]Der Senat hat sich Kenntnis über das hier maßgebliche gemeinspanische Recht mittels des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. K. G., Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung vom 11. Oktober 2022 verschafft (Gutachtenband), das dieser in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023 (Bl. 980 ff. Bd. V d.A.) ergänzt hat. Dabei hat der Senat beachtet, dass dem Sachverständigen die zahlreichen von den Parteien eingereichten Parteigutachten im Rahmen der eigenen Begutachtung zur Verfügung standen beziehungsweise vor seiner mündlichen Anhörung Gegenstand des Verfahrens geworden sind und der Sachverständige diese seinen eigenen gutachterlichen Ausführungen zugrunde legen beziehungsweise auf deren Grundlage befragt werden konnte.
[58]Ferner hat der Senat den Inhalt des Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Dr. M. S., Licenciada en Dret (Universitat de Lleida), LL.M. (Bayreuth), vom 14. Mai 2021 (Anlagenband Beklagte II) sowie das Ergänzungsgutachten vom 24. Februar 2023 (Anlage B 15, Anlagenband Beklagte III) und den Inhalt der mündlichen Anhörung der Sachverständigen am 20. Juni 2023 (Anlage B 31, Anlagenband Beklagte VI) berücksichtigt. Die Sachverständige hat das Gutachten im Rahmen eines vor dem Landgericht Ingolstadt (
[59]Der Senat hat zudem die von den Parteien eingereichten Gutachten, soweit sie Ausführungen zu den entscheidungserheblichen Fragestellungen enthalten, selbst zur Kenntnis genommen, deren Inhalt in diesen Punkten mit den Sachverständigengutachten der Sachverständigen Prof. Dr. G. und Dr. M. S. abgeglichen sowie diese für die Beantwortung einzelner Rechtsfragen ergänzend berücksichtigt (vgl. insbesondere Anlagen K 26, K 16Ü, K 17Ü [Gutachten von Dr. M. C., Professor für Zivilrecht, vom 31. Juli 2020, 18. und 25. Oktober 2021, Anlagenband Kläger III, IV und V], K 27 [Gutachten von Dr. C., Professor für internationales Privatrecht (Murcia) und Dr. A., Honorarprofessorin für internationales Privatrecht (Murcia) vom 1. Oktober 2021, Anlagenband Kläger IV], K 42Ü [Gutachten von Dr. X. vom 31. August 2023, ehemaliger Vizepräsident des spanischen Tribunal Supremo, Anlagenband Kläger VII], B 1, B 12 [Gutachten und Ergänzungsgutachten von Dr. P., Professor für bürgerliches Recht, beauftragt durch die V. AG, Anlagenband Beklagte I und II]; B 14 [Gutachten von J., ehemaliger Richter der ersten Kammer des spanischen Tribunal Supremo im Auftrag der V. AG; Anlagenband Beklagte II]; B 24 [Gutachten von L., Universitätsprofessor für Zivilrecht (Barcelona) im Auftrag der V. AG; Anlagenband Beklagte VI]).
[60]Dabei hält der Senat die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. G. und Dr. M. S., die in vielen entscheidenden Punkten übereinstimmen, in diesen Punkten für vollständig überzeugend. Sie sind mit konkreten Verweisen auf einschlägige Rechtsprechung und Literatur versehen. Soweit unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten werden, werden diese benannt und das Meinungsbild unter Belegung mit Zitaten dargestellt. Soweit Rechtsprechung des obersten spanischen Gerichts, des Tribunal Supremo, existiert, wird diese dargestellt und die Anwendbarkeit der Rechtsprechung auf den gegenständlichen Sachverhalt erörtert. Die Ausführungen der Sachverständigen entsprechen in den entscheidenden Teilen auch den Ausführungen der von den Parteien beauftragten Gutachter, die diese in ihren jeweiligen Gutachten gemacht haben.
[61]Soweit erhebliche Abweichungen bei den Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen untereinander bestehen und diese entscheidende Rechtsfragen betreffen, wird hierauf an den entsprechenden Stellen eingegangen werden. Selbiges gilt im Hinblick auf Abweichungen der Ausführungen der gerichtlich beauftragten Sachverständigen gegenüber den von den Parteien beauftragten Gutachtern.
[62]3. Nach der in diesem Umfang durch den Senat ermittelten Rechtslage hat die Klägerseite gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt ... € nebst Zinsen und ist die Beklagte auf den Hilfsantrag der Klägerseite zur Zahlung dieses Betrags zu verurteilten. Weitergehende Ansprüche der Klägerseite, insbesondere solche auf Rückabwicklung des gegenständlichen Vertrags und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, wie sie mit den Hauptanträgen geltend gemacht werden, bestehen nicht.
[63]a) Die Klägerseite kann die gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche auf Rückabwicklung des Vertrags und hilfsweise auf Ersatz ihr entstandener Schäden allerdings nicht aus den Art. 114 ff. der Regelungen des „Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios“ von 2007 in ihrer bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (im Folgenden: TRLCU aF) herleiten. Diese Regelungen, die auf den gegenständlichen Vertrag in zeitlicher und sachlicher Hinsicht Anwendung finden, normieren die Gewährleistung des Verkäufers im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 9). Die Beklagte ist für diese Ansprüche allerdings nicht passivlegitimiert.
[64]aa) Die Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf in Artikel V des TRLCU dienen in ihrer alten Fassung der Umsetzung der Verbrauchgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG vom 25. Mai 1999). Mit Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (RL (EU) 2019/771 vom 20. Mai 2019) wurden die entsprechenden Vorschriften in Titel IV des TRLCU überführt (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 7 ff.). Die aktuelle Fassung des TRLCU gilt für (Verbraucher-)Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen wurden. Für vor diesem Datum geschlossene Verträge verbleibt es bei der Geltung des TRLCU aF. Letzteres ist hier der Fall. Der gegenständliche Vertrag wurde am 10. September 2015 geschlossen.
[65]Zwar wird eine Rückwirkung der Regelungen des TRLCU in seiner aktuellen Fassung auf vor dem 1. Januar 2022 geschlossene Verträge in der spanischen Literatur diskutiert. Grund hierfür ist eine Regelung im TRLCU betreffend digitale Inhalte. Nach dieser Regelung gelten die speziellen Regelungen für digitale Inhalte für Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen worden sind. Demgegenüber gelten die übrigen Regelungen (allgemeiner formuliert) „ab dem 1. Januar 2022“. Diese missverständliche Formulierung lässt die Auslegung zu, für die unterschiedlichen Vertragstypen sei eine unterschiedliche Übergangsregelung gewollt.
[66]Mit dem Sachverständigen Prof. Dr. G., der insoweit auf die in Spanien ebenfalls vertretene Gegenansicht verweist (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 8), ist allerdings davon auszugehen, dass eine Auslegung der Übergangsvorschriften, die zu einer teilweisen Rückwirkung des TRLCU führt, angesichts der Regelungen zum zeitlichen Geltungsbereich der Warenkaufrichtlinie, die eine Anwendung aller dort getroffenen Regelungen für vor dem 1. Januar 2022 geschlossene Verträge nicht vorsieht, nicht in Betracht kommt.
[67]bb) Bei dem gegenständlichen Vertrag handelt es sich auch um einen Vertrag, der den Reglungen des TRLCU aF unterfällt. Gemäß Art. 2 TRLCU (aF und nF) gilt das Gesetz „für Beziehungen zwischen Verbrauchern oder Nutzern und Unternehmern.“ Die Klägerseite hat das gegenständliche Fahrzeug für den privaten Gebrauch und damit als Verbraucher im Sinne von Art. 3 TRLCU aF von einem Gewerbetreibenden und damit einem Unternehmer im Sinne des Art. 4 TRLCU aF erworben.
[68]cc) Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ist im Hinblick auf die Rechte der Klägerseite wegen Mängeln des gegenständlichen Fahrzeugs zu berücksichtigen, dass Art. 124 TRLCU aF eine Klage gegen den Hersteller anstelle des Verkäufers zwar ausdrücklich zulässt, diese Möglichkeit allerdings auf das Verlangen nach Ersatzlieferung und Reparatur beschränkt. Hieraus wird in der spanischen Rechtspraxis allgemein der Schluss gezogen, dass bei Verbraucherverträgen die direkte Inanspruchnahme des Herstellers durch den Käufer wegen Ansprüchen auf Rückgewähr erbrachter vertraglicher Leistungen oder Schadensersatz, wie sie hier von der Klägerseite geltend gemacht werden, aufgrund der Regelungen des TRLCU ausgeschlossen ist (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 9 ff.; vgl. auch Gutachten Dr. M. S. Seite 12 f.; Gutachten Dr. M. vom 31. Juli 2020 Seite 20 Rn. 110).
[69]b) Die Klägerseite kann die geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf die Regelungen des TRLCU über die Produkthaftung stützen. Gemäß Art. 128 TRLCU hat zwar jede geschädigte Person das Recht, für die durch Waren oder Dienstleistungen verursachten Schäden oder Verluste nach den in Art. 128 ff. TRLCU näher festgelegten Bedingungen entschädigt zu werden. In seiner Entscheidung vom 11. März 2020 (167/2020; Roj: STS 735/2020) hat der Tribunal Supremo allerdings unter Verweis auf Art. 142 TRLCU entschieden, dass über Art. 128 TRLCU derjenige Schaden, der auf der Frustration des vertraglichen Interesses des Käufers beruhe, der eine nicht vertragsgemäße Sache erhalte, nicht ersetzt verlangt werden könne (Tribunal Supremo vom 11. März 2020 - 167/2020, Roj: STS 735/2020, Fundamentos de derecho, Cuarto 4.; vgl. auch Gutachten Prof. Dr. G. Seite 16 f.; Gutachten Dr. M. S. Seite 20 f.; Gutachten Dr. M. vom 31. Juli 2020 Rn. 84). Einen entsprechenden Schaden macht die Klägerseite vorliegend aber geltend.
[70]c) Die Klagepartei hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus Art. 1303 des spanischen Código Civil (im Folgenden: CC) wegen der Nichtigkeit des gegenständlichen Vertrags (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 30, Gutachten Dr. M. S. Seite 22 ff.).
[71]aa) Gemäß Art. 1303 CC sind die Vertragsparteien dann, wenn die Nichtigkeit eines Vertrags feststeht, grundsätzlich verpflichtet, einander die erhaltenen Leistungen zurückzugewähren (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 30, 40).
[72]bb) Ein entsprechender Anspruch besteht allerdings bereits deshalb nicht, weil die Beklagte für Ansprüche, die aus der Nichtigkeit des gegenständlichen Kaufvertrags resultieren, nicht passiv legitimiert ist. Der von der Klägerseite vertretenen gegenteiligen Auffassung steht Art. 1257 CC entgegen.
[73](1) Nach Art. 1257 CC rufen Verträge grundsätzlich nur Wirkungen zwischen den Parteien hervor, die sie schließen, sowie deren Erben, soweit die Rechte und Verpflichtungen übertragbar sind, sowie gegenüber einem Dritten, soweit der Vertrag diesen begünstigt und der Dritte den Verpflichteten vor einem Widerruf des Vertrags über seine Annahme unterrichtet hat (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 21 f.; Gutachten Dr. M. S. Seite 4).
[74]Die Vorschrift regelt den Grundsatz der Relativität der Verträge, der im spanischen Recht gilt und aus dem unter anderem folgt, dass die Leistungen, die innerhalb eines Vertragsverhältnisses ausgetauscht wurden, im Falle der Nichtigkeit des Vertrags gemäß Art. 1303 CC zwischen den in Art. 1257 CC bezeichneten Personen rückabzuwickeln sind (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 21 f.; Gutachten Dr. M. S. Seite 4). Für unbeteiligte Dritte ist der Vertrag eine Angelegenheit, die ihnen weder nützt noch ihnen schadet (Tribunal Supremo, vom 11. März 2020 - 167/2020, Roj: STS 735/2020, Fundamentos de derecho Cuarto Nr. 6).
[75]Da die Klägerseite das gegenständliche Fahrzeug unstreitig bei einem Dritten, nämlich einem Autohändler, erwarb und nicht bei der Beklagten, die lediglich den Motor vom Typ EA 189 für das Fahrzeug hergestellt hat, scheidet die Anwendung von Art. 1303 CC auf den gegenständlichen Vertrag wegen Art. 1257 CC aus.
[76](2) Von dem Grundsatz der Relativität der Verträge ist für den vorliegenden Fall auch keine Ausnahme zuzulassen. Die Annahme einer Ausnahme vom Grundsatz der Relativität der Verträge käme nur dann in Betracht, wenn diese entweder gesetzlich geregelt oder in der Rechtsprechung des Tribunal Supremo anerkannt wäre (Art. 1 Nr. 6 CC; vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 9; Gutachten Dr. M. vom 31. Juli 2020 Seite 37 f. Rn. 101 ff.). Denn nach Art. 1 Nr. 6 CC vervollständigt die Rechtsprechung die Rechtsordnung mit der Lehrmeinung, die der Tribunal Supremo bei der wiederholten Auslegung und Anwendung der Gesetze, des Gewohnheitsrechts und der allgemeinen Rechtsgrundsätze aufstellt. Beides ist nicht der Fall.
[77](a) Eine gesetzliche Ausnahme ist - was die Klägerseite nicht in Frage stellt - nicht gegeben.
[78](b) Auch aus der Rechtsprechung des Tribunal Supremo lässt sich eine Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität der Verträge für Fälle wie den vorliegenden, in dem der Käufer eines Fahrzeugs einen Anspruch aus Art. 1303 CC gegen den Hersteller des Fahrzeugs oder des Motors dieses Fahrzeugs geltend macht und allein diesem gegenüber die Nichtigkeitsklage erhebt, entgegen der Auffassung der Klägerseite (Seite 255 ff. der elektronischen Akte) nicht herleiten.
[79](aa) Zwar hat der Tribunal Supremo in seinen Entscheidungen vom 11. März 2020 (167/2020; Roj: STS 735/2020) und 23. Juli 2021 (561/2021, Roj: STS 3068/2021) für Verbrauchsgüterkäufe entschieden, dass Käufer, die - wie die Klägerseite hier - ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung erworben haben, den Hersteller des Fahrzeugs ausnahmsweise auf Ersatz von Schäden in Anspruch nehmen können, die auf der Vertragswidrigkeit des hergestellten Fahrzeugs beruhen; dies, obwohl der Hersteller nicht Vertragspartei war (vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 5 ff.).
[80](bb) Unabhängig von der Frage, ob Hersteller im Sinne dieser Vorschrift auch der hier allein verklagte Motorenhersteller ist, was der Sachverständige Prof. Dr. G. (vgl. Gutachten Seite 29 f.) aufgrund der Konzernverbundenheit der hier verklagten V. AG mit der S. S.A., welche das gegenständliche Fahrzeug produziert hat, bejaht und worauf noch an anderer Stelle einzugehen ist, ergibt sich aus den genannten Entscheidungen nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit, dass die vom Tribunal Supremo zugelassene Ausnahme vom Grundsatz der Relativität der Verträge über die in den Entscheidungen behandelten vertraglichen Schadensersatzansprüche hinaus geht und damit auf die Vorschrift des Art. 1303 CC übertragbar ist (vgl. auch Landgericht Ingolstadt, Urteil vom 27. Oktober 2023 -
[81](aaa) Die Sachverständige Dr. M. S. hat im Rahmen der Gutachtenerstattung vor dem Landgericht Ingolstadt ausgeführt, dass der Tribunal Supremo davon ausgehe, dass die Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität der Verträge eine Ausnahme darstelle, die „nur mit äußerster Vorsicht und einer restriktiven Haltung“ erfolgen könne (Gutachten Seite 11). Sie hat weiter ausgeführt, dass der Tribunal Supremo die Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität der Verträge in seiner Entscheidung vom 11. März 2020 mit den Besonderheiten bei der Herstellung und beim Vertrieb von Kraftfahrzeugen (etwa die Lieferung des fertig hergestellten Fahrzeugs an den Händler, der - wie auch der Importeur - häufig fest in die Vertriebsstruktur des Herstellers integriert sei und von dessen Marke der Verkäufer beim Verkauf profitiere; vgl. Gutachten Seite 8) begründet habe, die dazu führten, dass die Verträge zwischen dem Käufer und dem Verkäufer einerseits und dem Verkäufer und dem Hersteller andererseits als verbunden angesehen werden könnten. Dies rechtfertige es, dann, wenn das Fahrzeug nicht vertragsgemäß sei, von einer Vertragsverletzung nicht lediglich des Verkäufers, sondern auch des Herstellers auszugehen. Sei der Käufer Verbraucher, fordere eine Auslegung nach Art. 3 CC und Art. 8 c des TRLCU, den Hersteller neben dem Verkäufer für die dem Käufer aus der Vertragsverletzung entstandene Schäden haften zu lassen (Gutachten Seite 9; vgl. auch Gutachten Dr. M. vom 31. Juli 2020 Seite 32 ff. Rn. 86 ff.).
[82]Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass der Tribunal Supremo die Durchbrechung des Grundsatzes der Relativität der Verträge als engen Ausnahmefall betrachte und in Anbetracht der zurückhaltenden Formulierung des Tribunal Supremo, der ausgeführt habe, dass eine Gleichstellung von Verkäufer und Hersteller im Automobilsektor nur in „gewissen Fällen“ gerechtfertigt sei (Gutachten Seite 12), könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Tribunal Supremo die geschaffene Ausnahme auch auf andere Ansprüche als vertragliche Schadensersatzansprüche habe erstrecken wollen. Hierfür spreche auch, dass der Tribunal Supremo die Ausnahme gerade zur Durchsetzung des in Art. 8 c TRLCU geregelten Interesses des Verbrauchers auf Ersatz seiner Schäden (Grundlegende Rechte der Verbraucher und Nutzer sind: (…) c) „Der Ersatz der Schäden und die Wiedergutmachung der erlittenen Nachteile“) für notwendig erachtet habe (Gutachten Seite 13; vgl. insoweit auch Ergänzungsgutachten Dr. P. Seite 13 ff. Rn. 39 ff.; Gutachten J. Seite 16 f.). Umgekehrt stritten gewichtige Gründe gegen eine Aufhebung des Relativitätsgrundsatzes in Bezug auf sämtliche Ansprüche, die dem Käufer im Falle einer Nichterfüllung zustünden, wie etwa der Umstand, dass Art. 124 TRLCU komplett ausgehöhlt würde (Gutachten Dr. M. S. Seite 12 unter Hinweis auf das Gutachten Dr. M.).
[83]Ihre Auffassung hat die Sachverständige in ihrer mündlichen Anhörung am 26. Juni 2023 durch das Landgericht Ingolstadt nochmals bekräftigt (Seite 7 des Protokolls) und ausgeführt, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzgebung zum Verbraucherschutzrecht (TRLCU) die Entscheidung getroffen habe, dem Verbraucher das Recht zum Rücktritt gegenüber dem Hersteller nicht einzuräumen. Eine Ausdehnung der Rechtsprechung des Tribunal Supremo zu den Ausnahmen vom Grundsatz der Relativität der Rechtsverhältnisse sei vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen.
[84](bbb) Zwar vertritt - wie die Klägerseite - auch der Sachverständige Prof. Dr. G. die Auffassung, die Rechtsprechung des Tribunal Supremo könne dahingehend verstanden werden, dass der Tribunal Supremo eine Direktklage des Käufers gegen den Hersteller generell zulasse (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 29 f.; Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023 Seite 12; Bl. 991 Bd. V d.A.). Diese Auffassung vertreten auch die Gutachter Dr. S.s X. (Gutachten Seite 13) und Dr. M.(Gutachten vom 31. Juli 2020 Seite 39 Rn. 104 f., Seite 70 f. Rn. 201 ff.) Insoweit handelt es sich allerdings um eine - vor dem Hintergrund der nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. M. S. keineswegs zwingende - Interpretation der Rechtsprechung des Tribunal Supremo, die - was entscheidend ist - in der spanischen ober- und untergerichtlichen Rechtsprechung (bisher) keinen erheblichen Niederschlag gefunden hat. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht entscheidend, dass der Gutachter Dr. S.s X. an der Entscheidung vom 11. März 2020 (167/2020; Roj: STS 735/2020) beteiligt war.
[85](cc) Die Annahme einer Ausnahme vom Grundsatz der Relativität der Verträge für sämtliche vertragliche Ansprüche - insbesondere den aus Art. 1303 CC - stellte vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass es, soweit ersichtlich, an einer Praxis der spanischen Gerichte fehlt, nach der die Entscheidungen des Tribunal Supremo im Sinne der Klägerseite ausgelegt wird (vgl. auch Landgericht Ingolstadt, Urteil vom 27. Oktober 2023 -
[86]In Anbetracht der nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. M. S. und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass spanische Gerichte nach der zuletzt genannten Entscheidung des Tribunal Supremo - soweit ersichtlich - weitergehende Ausnahmen vom Grundsatz der Relativität der Vertragsverhältnisse nicht im Sinne einer bestehenden Rechtspraxis ausdrücklich zugelassen haben, lässt sich lediglich umgekehrt eine spanische Rechtspraxis feststellen, die für Fälle wie den vorliegenden ausnahmsweise eine allein auf vertragliche Schadensersatzansprüche beschränkte Ausnahme vom Grundsatz der Relativität der Vertragsverhältnisse annimmt.
[87]Dieser Einschätzung stehen auch die von der Klägerseite in der Berufungsbegründung (Seite 262 ff. der elektronischen Akte) aufgeführten Entscheidungen nicht entgegen. Denn zur Annahme einer Rechtspraxis, die eine weitergehende Ausnahme vom Grundsatz der Relativität der Verträge bejaht, reicht es weder aus, dass spanische Gerichte - noch dazu vor der Entscheidung des Tribunal Supremo vom 23. Juli 2021 (561/2021, Roj: STS 3068/2021) - die Klageabweisung nicht ausdrücklich auf die fehlende Passivlegitimation der dortigen Beklagtenpartei gestützt, sondern die Klage aus anderen Gründen abgewiesen haben, noch dass lediglich vereinzelt Gerichte die Passivlegitimation des Herstellers auch für andere als Schadensersatzansprüche bejaht haben.
[88]cc) Ferner ist der gegenständliche Vertrag - anders als Art. 1303 CC es voraussetzt - nicht nichtig.
[89](1) Der Vertrag ist nicht gemäß Art. 1261 CC inexistent.
[90](a) Gemäß Art. 1261 CC ist ein Vertrag inexistent, wenn es an einer wesentlichen Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrags fehlt (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 37, Gutachten Dr. M. S. Seite 22). Die Inexistenz tritt von Gesetzes wegen ein und ist durch das Gericht von Amts wegen zu beachten (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 31). Die wesentlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Vertrags sind in Art. 1261 CC aufgeführt. Erforderlich ist die Einigung der Vertragsschließenden, ein bestimmtes Objekt, das Gegenstand des Vertrags ist, sowie ein Rechtsgrund für die Verpflichtung, die eingegangen wird (Gutachten Dr. M. S. Seite 22; vgl. auch Gutachten Prof. Dr. G. Seite 37). Formvorschriften sind wesentliche Voraussetzungen für das Zustandekommen des Vertrags, wenn dies vom Gesetz ausdrücklich bestimmt wird (Gutachten Dr. M. S. Seite 22; vgl. auch Gutachten J. Seite 20).
[91](b) Dafür, dass die wesentlichen Vertragsvoraussetzungen vorliegend nicht gegeben sind, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klagepartei hat sich unstreitig mit einem Dritten über den Kauf des gegenständlichen Fahrzeugs zu einem von den Parteien bestimmten Kaufpreis geeinigt. Rechtsgrund des Vertrags ist vorliegend gemäß Art. 1274 CC die entgeltliche Verschaffung des Fahrzeugs durch den Dritten. Denn gemäß Art. 1274 CC ist bei entgeltlichen Verträgen Rechtsgrund für jede Vertragspartei das Versprechen einer bestimmten Sache oder eines bestimmten Dienstes durch die andere Partei (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 37). Auch, dass der gegenständliche Vertragsschluss an eine bestimmte Form geknüpft war, ist nicht ersichtlich.
[92](2) Der Vertrag ist vor diesem Hintergrund auch nicht nach den Vorschriften des Art. 1275 CC nichtig. Gemäß dieser Vorschrift entfalten Verträge ohne oder mit einem unerlaubten Rechtsgrund keinerlei Wirkungen. Unerlaubt ist der Rechtsgrund, wenn er gegen die Gesetze oder die Sitten verstößt (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 38, Gutachten Dr. M. S. Seite 23). Weder fehlt es dem Vertrag aber an dem notwendigen Rechtsgrund noch ist ersichtlich, dass der Rechtsgrund, der hier gemäß Art. 1274 CC in dem Austausch von Kaufpreis und Kaufsache liegt, gegen das Gesetz oder die Sitten verstoßen könnte (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 37 ff.).
[93](3) Der Vertrag ist zuletzt auch nicht gemäß Art. 6 Nr. 3 CC absolut nichtig.
[94](a) Nach dieser Vorschrift sind Rechtshandlungen, die gegen zwingende Normen und Verbotsnormen verstoßen, absolut nichtig, sofern in ihnen nicht eine andere Rechtsfolge für den Fall der Zuwiderhandlung festgelegt wird (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 32 f.). Auch insoweit handelt es sich um eine durch das Gericht von Amts wegen zu beachtende und von Gesetzes wegen eintretende Rechtsfolge (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 32, ebenso Gutachten J. Seite 21).
[95](b) Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. wendet die spanische Rechtsprechung die Vorschrift des Art. 6 Nr. 3 CC sehr restriktiv an, sofern die Nichtigkeitsfolge nicht ausdrücklich in der Verbotsnorm angeordnet wird. Erforderlich sei eine Auslegung der jeweiligen Verbotsnorm, bei der deren Wesen und Zielsetzung in den Blick zu nehmen sei und die Natur, die Umstände und die voraussehbaren Folgen der Rechtshandlung zu untersuchen seien (vgl. Gutachten Dr. von ... Seite 33; vgl. auch Gutachten C./S... Rn. 19 f.). Der Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift könne, müsse allerdings nicht zu einer Nichtigkeit des entsprechenden Vertrags führen.
[96]Nicht anders wird die Auslegung der Vorschrift durch die Sachverständige Dr. M. S. beschrieben, die die Nichtigkeit nach Art. 6 Nr. 3 CC als „letzte Ressource“ bezeichnet, deren Voraussetzungen auf „extrem vorsichtige“ Art und Weise zu prüfen seien, wobei bei Verstößen gegen Verwaltungsvorschriften in den Blick zu nehmen sei, ob diese eine anderweitige Sanktion als die Nichtigkeit vorschrieben oder ob diese sonst aus der Rechtsordnung resultiere und die insoweit umfangreich auf die Rechtsprechung des Tribunal Supremo verweist (Gutachten Dr. M. S. Seite 24).
[97](c) Anhand dieser Kriterien kann eine Nichtigkeit des gegenständlichen Vertrags wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 entgegen der Auffassung der Klägerseite (Seite 273 ff. der elektronischen Akte) nicht angenommen werden. Dass es sich bei Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 um zwingendes Recht handelt und dass den betroffenen Fahrzeugkäufern ein Widerruf der Typengenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt und in der Folge der Widerruf der spanischen Zulassung durch das spanische Industrieministerium drohe, worauf die Berufung abstellt, reicht nach dem dargestellten Maßstab zur Annahme einer Nichtigkeit des gegenständlichen Vertrags nicht aus.
[98](aa) Die VO (EG) 715/2007 regelt die Rechtsfolgen eines Verstoßes selbst nicht ausdrücklich. Art. 13 sieht lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten für Verstöße von Herstellern gegen die Vorschriften der Verordnung Sanktionen festlegen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen, ohne die Art der Sanktionen selbst näher auszugestalten. Das in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 statuierte Verbot von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, fordert nach der - insoweit maßgeblichen - Auslegung des Europäischen Gerichtshofs aber jedenfalls nicht die Nichtigkeit von Kaufverträgen, die auf den Absatz von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung gerichtet sind. Das Verbot dient in erster Linie dazu, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte insbesondere die Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen bei Dieselkraftfahrzeugen zu mindeRn. Dabei zielt das Verbot gerade darauf ab, die Emissionen von Schadstoffen zu begrenzen (vgl. EuGH, Urteile vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 70 f. - QB/Mercedes-Benz Group AG vormals Daimler AG; vom 14. Juli 2022 - C-128/20, NJW 2022, 2605 Rn. 43 - GSMB Invest GmbH & Co. KG/Auto Krainer GesmbH).
[99](bb) Im Hinblick auf den Erwerber eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung erworbenen Fahrzeugs kommt der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 in Verbindung mit den Vorschriften über die Erteilung der EG-Typengenehmigung insoweit individualschützender Charakter zu, als gewährleistet sein soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der EU übereinstimmt. Der Hersteller eines Fahrzeugs muss bei der Aushändigung der Übereinstimmungsbescheinigung an den individuellen Käufer die sich aus Art. 5 VO (EG) 715/2007 ergebenden Anforderungen für die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme des Fahrzeugs beachten. Hierdurch wird der Käufer davor geschützt, dass der Hersteller seine Pflicht, im Einklang mit dieser Bestimmung stehende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, nicht einhält und dem Käufer durch eine hierdurch hervorgerufene Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen, schädigt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 82 ff. - QB/Mercedes-Benz Group AG vormals Daimler AG).
[100](cc) Insoweit fordert der Europäische Gerichtshof, dass Verstöße gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 durch die Mitgliedsstaaten mittels Gewährung von Schadensersatzansprüchen zu sanktionieren sind (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 90 ff. - QB/Mercedes-Benz Group AG vormals Daimler AG). Nicht entnommen werden kann der entsprechenden Vorschrift aber ein Schutz des Interesses des Käufers, nicht an dem geschlossenen Vertrag festgehalten zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 -
[101](dd) Hieraus ergibt sich, dass ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 durch Verkauf eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs nicht nach seinem Wesen und seiner Zielsetzung die Nichtigkeit des auf den Absatz des Fahrzeugs gerichteten Kaufvertrags im Sinne des Art. 6 Nr. 3 CC erfordert. Ein entsprechender Verstoß ist nicht - wie die Berufung geltend macht (Seite 276 der elektronischen Akte unter Verweis auf die Anlage K 27) - mit dem Inhalt und den Wirkungen des Kaufvertrags schlichtweg unvereinbar. Vielmehr ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs hat, wenn und soweit ihm tatsächlich ein Schaden entstanden ist (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 91 - QB/Mercedes-Benz Group AG vormals Daimler AG). Einen entsprechenden Anspruch stellt das spanische Recht der Klägerseite mit Art. 1101 CC aber zur Seite, weshalb auch eine Anwendung des Art. 6 Nr. 3 CC unter dem Gesichtspunkt der von der Sachverständigen Dr. M. S. angeführten „letzte[n] Ressource“ nicht in Betracht kommt.
[102](ee) Es entspricht im Übrigen nach den übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. G. und Dr. M. S. jedenfalls im Ergebnis der nahezu einhelligen Rechtsprechung der spanischen Gerichte, in vergleichbaren Fällen eine Nichtigkeit des Kaufvertrags nach Art. 6 Nr. 3 CC zu verneinen (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 34, Gutachten Dr. M. S. Seite 24 f.; ebenso Gutachten J. Seite 20).
[103](ff) Dem lässt sich nicht - wie die Berufung geltend macht (Seite 273 f. der elektronischen Akte) - entgegenhalten, die entsprechenden Entscheidungen wären in Anbetracht der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. November 2022 (C-873/19 - Deutsche Umwelthilfe eV / Bundesrepublik Deutschland) sowie der Urteile des VG Schleswig vom 20. Februar 2023 (
[104](4) Der gegenständliche Vertrag ist auch nicht wegen eines Irrtums der Klagepartei bei Vertragsschluss oder aufgrund einer arglistigen Täuschung der Klagepartei durch die Beklagte (Art. 1301 Nr. 2, Artt. 1265, 1266, 1270, 1269 CC) auf Antrag der Klagepartei für nichtig zu erklären (Anfechtungsklage/relative Nichtigkeit).
[105]Der Senat kann den gegenständlichen Vertrag bereits deshalb nicht für nichtig erklären, weil sich die Nichtigkeitsklage gegen denjenigen richten muss, der Partei im anzufechtenden Vertrag war und die Anfechtung selbst nicht erklärt (vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 26; vgl. auch Gutachten Prof. Dr. G. Seite 41). Die Beklagte ist allerdings nicht Vertragspartner der Klägerseite und die Klägerseite ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise berechtigt, die (relative) Nichtigkeit des mit einem Dritten geschlossenen Vertrags (allein) gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Dem steht der Grundsatz der Relativität der Vertragsverhältnisse entgegen. Dass hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz gegeben sein könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Tribunal Supremo mit seinen Entscheidungen vom 11. März 2020 (167/2020; Roj: STS 735/2020) und 23. Juli 2021 (561/2021, Roj: STS 3068/2021) nicht entschieden, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs auch die Klage wegen relativer Nichtigkeit, die er grundsätzlich gegenüber seinem Vertragspartner erheben muss, allein gegen den Hersteller richten kann. Deshalb stellte die Annahme einer Ausnahme vom Grundsatz der Relativität der Verträge auch in diesem Fall eine unzulässige Fortbildung spanischen Rechts durch den Senat dar (vgl. insoweit auch Ergänzungsgutachten Dr. P. Seite 13 f. Rn. 40 ff.). Auf die dogmatische Einordnung der Geltendmachung der relativen Nichtigkeit, der jedenfalls der gerichtliche Sachverständige rechtsgestaltenden Charakter beimisst (vgl. Gutachten Seite 31, 41, Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023 Seite 3; Bl. 982 Bd. V d.A.; vgl. aber auch Gutachten Dr. M. C. vom 18. Oktober 2021 Seite 9), kommt es insoweit nicht an. Wegen der weiteren Begründung kann auf die Ausführungen zur Passivlegitimation der Beklagten für den Anspruch aus Art. 1303 CC verwiesen werden.
[106]Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerseite - was das Landgericht verneint hat (Bl. 1072 f. Bd. V d.A.) und was die Klägerseite mit ihrer Berufung angreift (Seite 279 ff. der elektronischen Akte) - zu einem Irrtum hinreichenden Vortrag gehalten hat.
[107]d) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen zur Passivlegitimation kann die Klägerseite ihr Klagebegehren auch nicht erfolgreich auf Artt. 1124, 1303 CC oder Art. 1295 CC stützen (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 33 f.).
[108]aa) Nach Art. 1124 CC besteht zwar die Befugnis, den Vertrag aufzulösen, wechselseitig und stillschweigend für den Fall, dass einer der Verpflichteten nicht erfüllt, was ihm obliegt. Der Verletzte kann wahlweise Erfüllung der Verbindlichkeit oder ihre Auflösung und in beiden Fällen Ersatz der Schäden und Erstattung der Zinsen verlangen (vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 39 f.). Wie die Sachverständige Dr. M. S. in ihren Gutachten ausgeführt hat, muss allerdings auch der Rücktritt gegenüber dem - hier nicht in Anspruch genommenen - Vertragspartner geltend gemacht werden (Gutachten Seite 42, Ergänzungsgutachten Seite 21).
[109]bb) Hinzu tritt, dass Art. 1124 CC im vorliegenden Fall, in dem die Regelungen des TRLCU aF Anwendung finden, von den vorrangigen Regelungen des TRLCU aF zur Vertragsauflösung, insbesondere von Art. 121 TRLCU aF, verdrängt wird. Nach den Regelungen des TRLCU aF kommt eine Inanspruchnahme der Beklagten - wie bereits dargestellt - jedoch gerade nicht in Betracht.
[110](1) Der Sachverständige Prof. Dr. G. hat in Bezug auf diese Frage überzeugend ausgeführt, dass Art. 117 TRLCU aF einen Vorrang der im TRLCU geregelten Rechtsbehelfe in Bezug auf die „Gewährleistung für verborgene Mängel“ vor den allgemeinen Regelungen des Código Civil regelt und dass die spanische Rechtsprechung wegen dieses Vorrangs Art. 1124 CC dann für nicht anwendbar erachtet, wenn als Grund für die Vertragsauflösung lediglich ein entsprechender „verborgener Mangel“ angeführt wird (vgl. Gutachten Seite 18 ff., 63 ff.). Eine Anwendung von Art. 1124 CC komme allenfalls dann noch in Betracht, wenn es sich um ein aliud handele (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023 Seite 3; Bl. 982 Bd. V d.A.).
[111]Hierfür spricht auch, dass der Tribunale Supremo in seiner Entscheidung vom 11. März 2020 (167/2020; Roj: STS 735/2020) ausgeführt hat, dass im dort entschiedenen Fall Art. 117 TRLCU der Anwendung von Art. 1101 CC deshalb nicht entgegenstehe, weil diese Vorschrift in Abs. 2 „für die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags aufgrund der Mängel des Fahrzeugs“ den Schadensersatzanspruch nach allgemeinem Zivilrecht ausdrücklich nicht ausschließe (Fundamentos de derecho Cuarto Nr. 5). Von dieser Rückausnahme hätte der Tribunal Supremo keine Anwendung machen müssen, wenn er nicht dem Grundsatz nach von einem Vorrang des Verbraucherschutzrechts ausgegangen wäre.
[112]Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, eine entsprechende Auslegung führe zu einer Benachteiligung des Verbrauchers gegenüber einem Unternehmer (Bl. 656 f. Bd. III d.A.), weil der Verbraucher nur nach dem TRLCU aF zurücktreten könne, der Unternehmer aber nach Art. 1124 CC. Denn dass Art. 1124 CC niedrigere Anforderungen an den Rücktritt stellt als die Regelungen des TRLCU aF, die für den Unternehmer nicht gelten, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil setzt Art. 1124 CC eine schwerwiegende, zur Auflösung berechtigende Nichterfüllung voraus, die die spanische Rechtsprechung in Fällen wie dem Vorliegenden verneint (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 64 ff.). Die Regelung des Art. 1124 CC ist zudem - im dargestellten Umfang - für Verbraucherverträge ergänzend zu den Regelungen des TRLCU aF anwendbar. Auch im Hinblick auf den Kreis der Verpflichteten ergeben sich keine Unterschiede. Nach der hier vertretenen Auffassung fehlt es der Beklagten, die kein Vertragspartner der Klägerseite ist, sowohl für Klagen aufgrund Rücktritts nach dem TRLCU aF als auch für solche nach Art. 1124 CC an der Passivlegitimation. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmer im vorliegenden Fall, anders als sonst, weitergehende Rechte hätte als ein Verbraucher.
[113](2) Vorliegend beruft sich die Klägerseite darauf, dass ihr das gegenständliche Fahrzeug von dem Dritten, von dem sie es erworben hat, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung und aus diesem Grund (lediglich) nicht vertragsgemäß überlassen wurde. Kern des Vortrags der Klägerseite ist also allein die Vertragsgemäßheit des Fahrzeugs im Sinne von Art. 2 der RL 1999/44/EG, deren Umsetzung die Regelungen des TRLCU dienen, und damit die Annahme, das Fahrzeug sei mangelhaft.
[114]Unerheblich ist, dass der Sachverständige Prof. Dr. G. in der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt hat, dass seiner Auffassung nach ein aliud angenommen werden könne (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023 Seite 3; Bl. 982 Bd. V d.A.). Denn dies zu beurteilen ist Aufgabe des Gerichts, was auch der Sachverständige in seiner Anhörung erkannt hat (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023 Seite 3; Bl. 982 Bd. V d.A.).
[115]cc) In der Folge kann die Frage offenbleiben, ob die Verwendung der Abschalteinrichtung - was von der Klägerseite mit der Berufung unter Verweis auf Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Entscheidung vom 11. März 2020 - 167/2020; Roj: STS 735/2020) und des Europäischen Gerichtshofs zum Thermofenster (Urteil vom 14. Juli 2022 - C-145/20, EuZW 2022, 1080) in Abrede gestellt wird (Bl. 265 der elektronischen Akte) - keine besonders schwerwiegende Vertragsverletzung im Sinne der Anforderungen des Art. 1124 CC darstellt (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 63 ff.; Gutachten Dr. M. S. Seite 40 ff.). Auszuführen ist insoweit allerdings, dass jedenfalls die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die zum hier vorrangig anzuwenden und europarechtlich determinierten Mängelgewährleistungsrecht bei Verbraucherverträgen ergangen ist, bei der Anwendung von Art. 1124 CC keine entscheidende Bedeutung hat. Art. 1124 CC, der für den Rücktritt deutlich strengere Anforderungen aufstellt als der Rücktritt nach Verbraucherschutzrecht, beruht nicht auf europarechtlichen Vorschriften (vgl. auch Gutachten Dr. M. vom 25. Oktober 2021 Seite 10).
[116]e) Die Klägerseite hat gegen die Beklagte allerdings - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - einen Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 1101 CC. Dieser Anspruch beläuft sich - anders als das Landgericht angenommen hat - auf ... € und setzt sich aus ... € materiellem Schaden und ... € immateriellem Schaden zusammen.
[117]aa) Gemäß Art. 1101 CC ist derjenige, der bei der Erfüllung seiner (vertraglichen) Verpflichtungen vorsätzlich (arglistig), fahrlässig oder verspätet handelt und derjenige, der in irgendeiner Weise gegen die Erfüllung dieser (vertraglichen) Verpflichtungen verstößt, zum Ersatz der verursachten Schäden verpflichtet (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 69; Gutachten Dr. M. S. Seite 42).
[118](1) Dieser auf Schadensersatz gerichtete Anspruch wird vorliegend nicht durch die Regelung des Art. 117 TRLCU aF verdrängt, der in Abs. 2 ausdrücklich anordnet, dass der Verbraucher in jedem Fall das Recht hat, gemäß der Zivil- und Handelsgesetzgebung für die aus der Mangelhaftigkeit der Kaufsache abgeleiteten Schäden entschädigt zu werden (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 18, 68 f.).
[119](2) Die Beklagte ist für diesen Anspruch auch passivlegitimiert.
[120](a) Insoweit hat der Tribunal Supremo - wie bereits dargestellt - ausdrücklich entschieden, dass der Hersteller eines Fahrzeugs unter Durchbrechung des aus Art. 1257 CC folgenden Grundsatzes der Relativität der Verträge neben dem Verkäufer für Schadensersatzansprüche wegen der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs, die aus der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultiert, haftet (Entscheidungen vom 11. März 2020 - 167/2020, Roj: STS 735/2020 und 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021).
[121](b) Unerheblich ist dabei, dass die Beklagte vorliegend nicht Herstellerin des Gesamtfahrzeugs ist, sondern lediglich den mit der Abschalteinrichtung manipulierten Motor an die Herstellerin, die S. S.A., geliefert hat.
[122](aa) Der Tribunal Supremo hat in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2021 (561/2021, Roj: STS 3068/2021) ausgeführt, dass die angenommene Haftung nicht lediglich den Hersteller treffe, sondern auch denjenigen, der konzernmäßig mit diesem durch eine 100% Beteiligung verbunden sei und gegenüber dem Käufer zum Ausdruck gebracht habe, dass er innerhalb des Konzernverbunds die Haftung übernehmen werde. Dies sei bei der dort verklagten Importeurin, der V.-A. España S.A. der Fall, weil diese die betroffenen Käufer in Spanien angeschrieben und durch das entsprechende Schreiben ihre Haftung anerkannt habe. Sie habe anerkannt, dass "das Problem der Diesel-Motoren EA189" das Fahrzeug des dortigen Klägers betroffen habe, sie habe diesen aufgefordert, hinsichtlich der Sicherheit des Fahrzeugs beruhigt zu sein, erläutert, wie das "Problem" angegangen werden würde, und sie habe hierfür die Durchführung durch "unsere offiziellen Dienste" angeboten (vgl. Tribunal Supremo, Entscheidung vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Tercero 6.; vgl. auch Gutachten Dr. S.s X. Seite 10 f.).
[123](bb) Diese Grundsätze lassen sich - wie auch der Sachverständige Prof. Dr. G. in seinem Gutachten erläutert (Seite 29 f.) - auf den vorliegenden Fall ohne Weiteres entsprechend anwenden (vgl. auch Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 16 ff.). Denn die Beklagte, deren einhundertprozentige Tochter die Herstellerin des gegenständlichen Fahrzeugs, die S. S.A., ist, hat allgemeinbekannt (§ 291 ZPO) öffentlich die Verantwortung für die Manipulation an dem Motor EA 189 übernommen und in der Folge für sämtliche Motoren ein Softwareupdate entwickelt, welches die betroffenen Fahrzeuge in einen vertragsgemäßen Zustand versetzen sollte und welches auch den Käufern von Fahrzeugen der S. S.A., mithin auch der Klägerseite, angeboten wurde. Die spanische V.-A. España S.A. hat in ihrem Schreiben an spanische Käufer ausgeführt:
[124]„Dennoch muss Ihr offizieller Service das Fahrzeug mit der technischen Lösung versehen, die die V. AG entwickelt hat, um sicherzustellen, dass die geltenden Standards für die Stickoxidemissionen (NOx) eingehalten werden.“;
[125]„Der Fokus der V. AG liegt nun darauf, die für jedes Modell und jede Version entwickelten Software-Updates schrittweise bereitzustellen und die Servicenetzwerke für die Durchführung dieser Maßnahme auszurüsten. Die V. AG schätzt, dass dieser Prozess in den nächsten Monaten abgeschlossen sein wird.“
[126]und
[127]„Natürlich wird die V. AG alle Kosten für diese Maßnahme übernehmen. Wir möchten nochmals betonen, dass Ihr […] technisch vollständig sicher und für den Verkehr geeignet ist. Im Namen der V. AG möchten wir uns aufrichtig entschuldigen.“
[128]Einen entsprechenden Inhalt hatte auch das an die Klägerseite durch die S. S.A. gerichtete Halterschreiben (Bl. 144 f. Bd. I d.A.; Bl. 767 Bd. IV d.A.). Die Beklagte greift die Annahme ihrer Passivlegitimation durch das Landgericht für den Anspruch aus Art. 1101 CC im Rahmen ihrer Anschlussberufung auch nicht an.
[129](3) Die Voraussetzungen einer Haftung nach Art. 1101 CC liegen dem Grunde nach vor. Die Herstellerin des gegenständlichen Fahrzeugs, die S. S.A., deren Haftung die Beklagte übernommen hat, hat vorsätzlich gegen die von ihr einzuhaltenden vertraglichen Pflichten verstoßen, indem sie das gegenständliche Fahrzeug über ihr Händlernetz in den Verkehr brachte, obwohl es aufgrund der verbauten und eklatant unzulässigen Abschalteinrichtung nicht die technischen Merkmale aufwies, mit denen sie es öffentlich anbot (unter Verweis auf die Entscheidung des Tribunal Supremo vom 23. Juli 2021 Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo Nr. 6: Gutachten Prof. Dr. G. Seite 71 ff.). Dass die S. S.A. ihrerseits den Motor lediglich von der Beklagten bezogen hat, ist nach der Rechtsprechung des Tribunal Supremo unerheblich (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 29).
[130]Auch insoweit wendet sich die Beklagte mit ihrer Anschlussberufung nicht gegen das angefochtene Urteil.
[131]bb) Die Beklagte ist der Klägerseite vor diesem Hintergrund nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien nach spanischem Recht grundsätzlich zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens verpflichtet. Dieser beläuft sich vorliegend noch auf ... €.
[132](1) Der Klägerseite ist zwar - entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. insbesondere den Schriftsatz vom 16. Mai 2025) - ein materieller Schaden in Höhe von ... € entstanden, was 10% des gezahlten Kaufpreises entspricht. Die Annahme des Landgerichts, die Klägerseite sei ihrer insoweit bestehenden Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend nachgekommen, ist unzutreffend. Dieser Schaden ist allerdings aufgrund von im Rahmen des Bereicherungsverbots zu berücksichtigenden Vorteilen der Klägerseite auf ... € reduziert.
[133](a) Nach spanischem Recht ist ein Schaden jede Verletzung oder Beeinträchtigung eines Rechtsguts der geschädigten Partei, unabhängig davon, ob es sich um ein materielles oder immaterielles Rechtsgut handelt (Gutachten Dr. P. Seite 21 Rn. 48). Gemäß Art. 1106 CC ist nicht nur der Wert des erlittenen Verlusts ersatzfähig, sondern auch der Gewinn, der dem Gläubiger entgangen ist (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 75). Die Regelung des Art. 1106 CC hat im spanischen Recht eine wesentliche Bedeutung für die Bestimmung des Umfangs des Schadensersatzes im Falle einer Vertragsverletzung. Ersatzfähig sind einerseits die unmittelbaren und quantifizierbaren erlittenen Verluste (sog. damnum emergens) und andererseits ein etwaig entgangener Gewinn (sog. lucrum cessans; vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 75 f.). Erfasst sind damit insbesondere auch Schäden, die auf einem - mangelbedingten - Minderwert einer Kaufsache, also einem überzahlten Kaufpreis beruhen (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 80 f.). Denn geschuldet wird das positive Interesse, welches im Falle einer Schlechterfüllung auf die Differenz zwischen dem Wert der fehlerhaften Sache gegenüber einer nach dem Vertrag geschuldeten, fehlerfreien Sache gerichtet ist (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 80). Art. 1106 CC regelt mithin den Schutz des positiven Interesses des Schuldners, indem er ihm die Möglichkeit eröffnet, die aus einer Nicht- oder Schlechterfüllung resultierende Vermögensdifferenz - sei es in natura oder durch Geltendmachung eines Geldäquivalents - durchzusetzen (Gutachten Dr. M. S. Seite 44 f.; vgl. auch Ergänzungsgutachten Dr. P. Seite 26 f. Rn. 77 ff.). Das (negative) Interesse des Schuldners ist demgegenüber nicht geschützt; zudem verletzt der Vertragsschluss als solcher kein Rechtsgut, weshalb der Vertragsschluss an sich keinen Schaden darstellt (vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 45, 47 ff.; Gutachten J. Seite 37 ff.). Insoweit trennt das spanische Recht streng zwischen der (hier wie dargestellt nicht einschlägigen) Rückabwicklung des Vertrags mit der Rechtsfolge aus Art. 1303 CC und dem Anspruch auf Schadensersatz (vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 50 unter Verweis auf das Gutachten von Dr. P., vgl. dort Seite 37 ff. Rn. 87 ff.).
[134](b) Die Vorschrift des Art. 1107 CC ordnet für den - hier maßgeblichen - Fall der vorsätzlichen Vertragsverletzung außerdem den Grundsatz der unbeschränkten Totalrestitution an (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 77; Entscheidung des Tribunal Supremo vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 6.). Ein Vermögensschaden wird nach der Differenzhypothese, also dem Unterschied im Vermögen des Geschädigten vor und nach der Nichterfüllung beziehungsweise dem schädigenden Ereignis ermittelt (Gutachten Dr. M. S. Seite 46). Begrenzt wird der Schadensersatz allerdings durch das Bereicherungsverbot. Der Schadensersatz muss dem Schaden vollkommen abhelfen, darf jedoch nicht zu einer Bereicherung des Schuldners führen (vgl. Gutachten Dr. P. Seite 26 Rn. 65; Seite 28 ff. Rn. 72 ff.; Ergänzungsgutachten Dr. P. Seite 21 Rn. 61).
[135](c) Die Darlegungs- und Beweislast für das Entstehen und den Umfang des Schadens trägt der Geschädigte (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 28 m. w. N.). Dieser Darlegungslast ist die Klägerseite - entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. insbesondere zuletzt Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 14 ff.) - nachgekommen.
[136](aa) Für eine ordnungsgemäße Darlegung muss das Gericht nach den allgemeinen Grundsätzen der insoweit anzuwendenden lex fori anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr. des BGH, vgl. nur BGH, Urteil vom 18. November 2024 -
[137](bb) Nach den unstreitigen Tatsachen haftet die Beklagte der Klägerseite dem Grunde nach aus Art. 1101 CC - wegen Vorsatzes unbeschränkt - auf Schadensersatz. Für die Frage, ob der Klägerseite aus dieser Rechtsverletzung ein kausaler (Vermögens-)Schaden entstanden ist, kommt es - anders als etwa im deutschen Recht, in dem der Kläger in vergleichbaren Fällen zur Geltendmachung des Differenzschadens vortragen muss, dass er den Kaufvertrag bei Kenntnis der Abschalteinrichtung lediglich zu einem niedrigeren Kaufpreis abgeschlossen hätte, wobei er sich insoweit auf einen entsprechenden Erfahrungssatz stützen kann (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 -
[138](cc) Die Klägerseite hat die an sie zu stellenden Anforderungen erfüllt, indem sie zur Begründung ihres erstmals mit Schriftsatz vom 23. November 2021 (Bd. II d.A.; Bl. 312 Bd. II rekonstruiert der elektronischen Akte) gestellten und anschließend mit Schriftsatz vom 19. September 2023 (Bl. 902 Bd. IV d.A.) erweiterten Hilfsantrags geltend gemacht hat, einen Schaden in Höhe desjenigen Betrags erlitten zu haben, den die Beklagte in vergleichbaren Fällen im Rahmen eines Vergleichs an geschädigte Käufer gezahlt habe (vgl. Bl. 957 Bd. IV d.A.). Dieser belaufe sich für ihr Fahrzeug auf ... €. Bereits mit Schriftsatz vom 25. Februar 2022 (Seite 34; Bd. II d.A.; Bl. 482 Bd. II rekonstruiert der elektronischen Akte) hatte sie zudem geltend gemacht, dass die Einstufung des Fahrzeugs in die Euro 5 Norm ein wertbildender Faktor sei und die Klägerseite den Verkäufer, da die entsprechende Norm bei dem gegenständlichen Fahrzeug nicht eingehalten sei, überzahlt habe (vgl. insoweit auch Schriftsatz vom 23. November 2021 Bl. 934 Bd. IV d.A.).
[139](aaa) Damit hat die Klägerseite eine bestimmte negative Vermögensbeeinflussung durch den Vertragsschluss im Sinne des spanischen Sachrechts dargetan. Die Klägerseite macht einen Minderwert des gekauften Fahrzeugs und damit einen nach der Differenzhypothese ermittelten Vermögensschaden geltend, der nach dem oben Gesagten Art. 1107 Abs. 2 CC unterfällt. Der Ausgleich eines zu viel gezahlten Kaufpreises wird - entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 829 Bd. IV d.A.) - auch von der nach Art. 1101 CC zu gewährenden Entschädigung erfasst, weil die spanische Rechtsprechung die Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruchs als Alternative zur Ausübung des in Art. 1486 CC vorgesehenen Minderungsrechts zulässt (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 30 ff., 55). Die gegenteilige Auffassung der Beklagten, nach der das TRLCU und Art. 1486 CC insoweit Vorrang hätten, entspricht nicht der spanischen Rechtsprechung. Entsprechend fehlt es insoweit an zutreffenden Belegen der Beklagten (vgl. insbesondere Bl. 829 ff. Bd. IV d.A.; Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 20 ff.). Soweit die Beklagte auszugsweise eine Entscheidung des Tribunal Supremo zitiert, war Gegenstand dieser Entscheidung schon nach den Ausführungen der Beklagten ein über den hier in Frage stehenden Minderwert („quanti minoris“) hinausgehender Schaden. Auch der Gutachter der Beklagten, Dr. P., führt in seinem Ergänzungsgutachten unter Bezugnahme auf sein Hauptgutachten aus, dass ein Schadensersatzanspruch wegen eines Minderwerts neben den speziellen Ansprüchen geltend gemacht werden könne, und leitet dies aus der in Literatur und Rechtsprechung „einhellig vertretenen“ Auffassung her (Ergänzungsgutachten Seite 25 f. Rn. 73 ff., insbesondere Rn. 77).
[140](bbb) Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, die Klägerseite habe einen Schaden im Sinne des spanischen Rechts zu keinem Zeitpunkt „hinreichend substantiiert und nachvollziehbar dargelegt“ (Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 15 ff.), ist diese Auffassung unzutreffend.
[141](α) Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass das Fahrzeug bis heute uneingeschränkt genutzt werden könne und dass es zu keinem Zeitpunkt seine Klassifikation als EU 5 Fahrzeug verloren habe, ist dies nach den dargestellten Grundsätzen keine Frage der Darlegung, sondern des Beweises eines entstandenen Schadens. Nichts Anderes gilt für die Ausführungen der Beklagten dazu, der Senat dürfe aus dem Vorhandensein der Abschalteinrichtung nicht den Schluss ziehen, die Klägerseite hätte für das Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung weniger bezahlt, und dazu, dass die spanischen Gerichte zu dem Ergebnis gekommen seien, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass sich die Installation der Software auf den Kaufpreis ausgewirkt oder dass sie den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs beeinträchtigt habe.
[142]Die Beklagte verwechselt insoweit die Frage der Erfüllung der Darlegungslast und die Frage der Erbringung des Beweises. Insbesondere übersieht sie, dass die spanischen Gerichte, soweit sie die Annahme eines materiellen Schadens verneint haben, dies nicht mangels ausreichender Darlegung des kausalen Schadens, sondern wegen mangelnden Beweises eines solchen getan haben (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 80 ff.). Dies ergibt sich auch ausdrücklich aus der im Schriftsatz vom 16. Mai 2025 (Seite 17) zitierten Entscheidung des Provinzgerichts Burgos, welches nach dem Vortrag der Beklagten entschieden hat, dass
[143]„der Kläger beweisen muss, dass ein bestimmter Schaden eingetreten ist und dass er durch diesen Vertragsbruch verursacht wurde“,
[144]„dass in unserem Recht die Entschädigung einen kompensatorischen Charakter hat, d.h. sie erfordert den Nachweis eines bestimmten und realen Schadens am Vermögen des Klägers als Geschädigtem“
[145]sowie das der Schaden „sicher und bewiesen sein“ müsse, was heiße, dass der Kläger „nachweisen“ müsse, „dass er einen Schaden an seiner Person oder seinem Vermögen erlitten hat“.
[146]Das Gericht führt nach dem Vortrag der Beklagten weiter aus:
[147]„Eine Entschädigung kann nur für eindeutig eingetretene Schäden oder gegebenenfalls für zukünftige Schäden, deren Eintritt mit Sicherheit bekannt ist, gewährt werden“.
[148](β) Der von der Klägerseite vorgetragene Schaden ist auch - anders als die Beklagte meint - nicht lediglich hypothetisch, weil er von einem zukünftigen Ereignis abhängt, von dem man nicht weiß, ob es eintritt. Wie dargestellt ist die Überzahlung des Kaufpreises nach spanischem Recht ein ersatzfähiger Schaden und dieser Schaden ist bereits mit dem gegenständlichen Vertragsschluss eingetreten. Die Klägerseite macht vorliegend - was die Beklagte selbst erkennt (Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 17) - insbesondere keinen schadensbedingten reduzierten Weiterveräußerungserlös geltend, der erst bei tatsächlicher Weiterveräußerung entsteht und aus diesem Grund zum derzeitigen Zeitpunkt nicht bestimmbar ist. Damit erschöpfen sich die Ausführungen der Klägerseite nicht - wie die Beklagte meint (Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 17) - „in bloßen Hypothesen, die zum Zeitpunkt des tatsächlichen Verkaufs des Fahrzeugs nicht eintreten können“, und treffen die von der Beklagten in Bezug genommenen Urteile spanischer Gerichte, in denen wohl ein zukünftiger Verkauf des Fahrzeugs Gegenstand war, den vorliegenden Fall nicht.
[149]Auch insoweit hilft der Beklagten insbesondere die Bezugnahme auf das zitierte Urteil des Provinzgerichts Burgos nicht weiter. Der dortige Kläger hatte in dem dortigen Fall nach dem Vortrag der Beklagten Schadensersatz wegen erhöhten Kraftstoffverbrauchs, möglicher zukünftiger Pannen, wegen eines Wertverlusts sowie wegen Kosten für die Fahrt zur Werkstatt geltend gemacht. Das Provinzgericht Burgos führt aber gerade nicht aus, dass ein Wertverlust beziehungsweise Minderwert bei Vertragsschluss nicht dargelegt worden sei, sondern dass
[150]„das gelieferte Fahrzeug nicht nur zugelassen und für ein sicheres Fahren geeignet ist, sondern auch die angebotene Leistung, Ausstattung und technischen Merkmale aufweist, und dass weder die Software noch ihr Ersatz diese oder die Emissionen, ob CO 2 oder NOx, während der Fahrt beeinträchtigen, so dass der Wert des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wird.“
[151]Damit unterscheidet sich das dort gegenständliche Fahrzeug einerseits ganz erheblich von dem hier gegenständlichen Fahrzeug, bei dem die NOx-Werte aufgrund der verbauten Abschalteinrichtung während der Fahrt negativ betroffen sind. Andererseits unterscheidet das Gericht - was die Beklagte übersieht - ausdrücklich zwischen dem hier gegenständlichen Schaden bei Vertragsschluss, den es als nicht bewiesen ansieht, und dem - hier nicht geltend gemachten - Schaden bei (zukünftigem) Weiterverkauf, den es als „einen ungewissen oder hypothetischen Schaden“ bezeichnet.
[152](dd) Nicht Gegenstand des ersatzfähigen materiellen Schadens sind demgegenüber die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Finanzierungskosten in Höhe von ... €. Denn nach den dargestellten Grundsätzen handelt es sich insoweit um Kosten, die die Klägerseite auch dann aufgewendet hätte, wenn sie ein vertragsgerechtes Fahrzeug erhalten hätte (positives Interesse).
[153](d) Der Senat hält es auch für bewiesen, der der Klägerseite durch die Verwendung der gegenständlichen Abschalteinrichtung ein (materieller) Schaden in Höhe von 10% des Kaufpreises, mithin in Höhe von ... €, entstanden ist.
[154](aa) In der Regel kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein aus der Nicht- oder Schlechterfüllung eines Vertrags ein konkreter Schaden resultiert (vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 43; Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 24).
[155](bb) Die spanische Rechtsprechung wendet jedoch in bestimmten Fällen die sogenannte „ex re ipsa“ - Regel an, auf die sich auch die Klägerseite vorliegend beruft (Bl. 284 f. der elektronischen Akte). Nach dieser kann in geeigneten Fällen davon ausgegangen werden, dass aus der Vertragsverletzung an sich ein kausaler Schaden resultiert. Auf den Beweis, dass ein Schaden entstanden ist und dass dieser (haftungsausfüllend) kausal auf der Vertragsverletzung beruht, kann in der Folge verzichtet werden (vgl. Gutachten Dr. M. S. Seite 43; Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 24).
[156](cc) Umstritten ist allerdings die Frage, ob richterrechtlich entwickelte Institute der Beweisführung, wie tatsächliche Vermutungen, Anscheinsbeweise oder die dem Anscheinsbeweis vergleichbare „ex re ipsa“ - Regel (vgl. Gutachten Dr. P. Seite 31 Rn. 79) dem Recht des Staats unterliegen, in dem das angerufene Gericht seinen Sitz hat (lex fori) oder dem Recht des Staats, dessen Recht das angerufene Gericht anwendet (lex causae).
[157](aaa) Art. 1 Abs. 3 Rom II - VO regelt insoweit, dass die Verordnung unbeschadet der Artt. 21 und 22 Rom II - VO nicht für das Verfahren und den Beweis gilt und statuiert in diesem Umfang den nach allgemeinen Regeln geltenden Grundsatz, dass das Prozessrecht, einschließlich der Regelungen über das Beweismaß der lex fori unterliegt (vgl. BeckOK-BGB/Spickhoff, Stand: 1. August 2024, VO (EG) 864/2007 Art. 1 Rn. 19). Art. 22 Abs. 1 Rom II - VO schränkt diesen Grundsatz dahingehend ein, dass das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht auch insoweit anzuwenden ist, als es für außervertragliche Schuldverhältnisse gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt.
[158](bbb) Vertreten wird, dass richterrechtliche Rechtsinstitute wie der Anscheinsbeweis, tatsächliche Vermutungen oder die vergleichbare „ex re ipsa“ - Regel unter Art. 22 Abs. 1 Rom II - VO fielen, weil sie - obgleich vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst - mit einer gesetzlichen Vermutung oder einer gesetzlichen Beweislastverteilung jedenfalls vergleichbar seien (vgl. MüKoBGB/Junker, 8. Aufl., Rom II-VO Art. 22 Rn. 7 f. mwN; StA.nger, NJW 2011, 650, 651; vgl. auch OLG München, Beschluss vom 16. April 2025 -
[159](ccc) Der Senat neigt insoweit der zuletzt genannten Auffassung zu. Eine Entscheidung dieser streitigen Rechtsfrage ist indes nicht erforderlich. Denn im Hinblick auf die Entstehung und Höhe des Schadens findet vorliegend jedenfalls die Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO Anwendung, was dazu führt, dass der Senat einen (haftungsausfüllend) kausal entstandenen materiellen Schaden der Klägerseite in Höhe von 10% des Kaufpreises unabhängig von der „ex re ipsa“ - Regel oder den Grundsätzen des Anscheinsbeweises feststellen kann.
[160](α) Gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ist dann, wenn unter den Parteien streitig ist, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, hierüber durch das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden. Durch § 287 Abs. 1 ZPO wird dem Kläger die Beweisführung dahingehend erleichtert, dass für die Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts - anders als in § 286 ZPO geregelt - eine hinreichende beziehungsweise überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Schadenseintritt und die Schadenshöhe ausreicht (BGH, Urteil vom 9. Juli 2024 -
[161](β) Anders als die Beklagte meint (Seite 458 der elektronischen Akte; Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 5 ff.), ist § 287 ZPO nicht deshalb unanwendbar, weil vorliegend nach den Regelungen der Rom II - VO spanisches Sachrecht anzuwenden ist.
[162](αα) Wie dargestellt, gilt für das anzuwendende Prozessrecht, zu dem auch § 287 ZPO gehört, nach allgemeinen Grundsätzen die lex fori. § 287 ZPO fällt nach ganz überwiegender Auffassung auch nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Rom II - VO (Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl., § 286 Rn. 297; MüKoBGB/Junker, 8. Aufl., Rom II-VO Art. 22 Rn. 9; BeckOK-BGB/Spickhoff, Stand: 1. August 2024, VO (EG) 864/2007 Art. 22 Rn. 3; Schulze/Dörner, BGB, 12. Aufl., Art. 22 Rom II-VO, Rn. 1; Limbach in: Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, Rom-Verordnungen, Art. 22 Rom II Rn. 4; Kersting/Podszun/Wurmnest, 9. GWB Novelle, 1. Aufl., Kapitel 18. Rn. 58; jeweils mwN), wonach - wie bereits dargestellt - das nach der Verordnung maßgebliche Recht auch in Bezug auf gesetzliche Vermutungen und die Beweislast gilt.
[163]Diese Auffassung ist zutreffend, weil es sich bei dem von § 287 ZPO modifizierten Beweismaß - anders als die Beklagte meint (Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 7) - weder um einen Aspekt der Beweislast selbst noch um einen solchen einer gesetzlichen Vermutung handelt (ebenso Limbach in: Hüßtege/Mansel/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB, Rom-Verordnungen, Art. 22 Rom II Rn. 4; MüKoBGB/Junker, 8. Aufl., Rom II-VO Art. 22 Rn. 9). Die Beweislast bleibt von § 287 ZPO gerade unberührt (BGH, Urteil vom 1. März 2007 -
[164](ββ) Entgegen der Auffassung der Beklagten (Seite 458 der elektronischen Akte; Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 9 f.) folgt auch aus Art. 15 Buchst. c Rom II - VO nichts Anderes.
[165](ααα) Nach dieser Vorschrift findet das nach der Rom II - VO anzuwendende Recht zwar insbesondere für die Frage des Vorliegens, der Art und der Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung Anwendung. Die Vorschrift betrifft allerdings den materiellen haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Tatbestand, mithin die Fragen von Passivlegitimation, Haftungsgrund und genereller Ersatzfähigkeit von Schäden (vgl. BeckOK-BGB/Spickhoff, Stand: 1. August 2024, VO (EG) 864/2007 Art. 15 Rn. 2 ff.). „Vorliegen und Art des Schadens“ beziehen sich dabei auf die Frage, welche Schäden (nach materiellem Recht) überhaupt ersatzpflichtig sind (vgl. Schmidt in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, Stand: 1. Dezember 2024, Art. 15 Rom II-VO Rn. 26).
[166]§ 287 Abs. 1 ZPO betrifft demgegenüber die Schadenshöhe und - wie die „ex re ipsa“ Regel - den haftungsausfüllenden Kausalzusammenhang (st. Rspr. des BGH; vgl. BGH, Urteile vom 9. Juli 2024 -
[167](βββ) Soweit sich die Beklagte zur Begründung der eigenen Rechtsauffassung auf ein Urteil des Landgerichts Hanau vom 9. Juni 2011 (
[168](γγγ) Insoweit überzeugt auch die Argumentation der Beklagten nicht, das mit Art. 15 Rom II-VO statuierte Prinzip der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit richterlicher Entscheidungen erfordere es, den haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Tatbestand demselben Recht zu unterwerfen (Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 9). Denn die Anwendung des § 287 ZPO im Rahmen der lex fori steht diesen Prinzipien nicht entgegen. Ein Vertrauen darauf, dass ein Gericht bestimmte, einen Tatbestand ausfüllende Tatsachen nach der lex fori feststellt oder nicht feststellt und sich der konkrete Einzelfall aus diesem Grund von anderen Fällen unterscheidet, schützt die Rom II-VO dagegen nicht. Dies zeigt bereits Art. 22 Abs. 2 Rom II-VO, nach dem zum Beweis einer Rechtshandlung nur die Beweisarten der lex fori des angerufenen Gerichts zulässig sind. Eine Partei kann vor diesem Hintergrund, je nachdem, in welchem Vertragsstaat sich das mit einem Fall befasste Gericht befindet und in welcher Verfahrensart das Verfahren dort geführt wird, mit bestimmten Beweismitteln vollständig ausgeschlossen sein, mit denen sie in einem anderen Vertragsstaat nicht ausgeschlossen wäre (vgl. MüKoBGB/Junker, 9. Aufl., Art. 22 Rom II-VO, Rn. 13). Dies kann die Frage, welche Tatsachen festgestellt werden, erheblich beeinflussen. Die hierdurch bedingten Unterschiede bei der Feststellung des rechtlich zu beurteilenden Sachverhalts nimmt die Rom II-VO hin.
[169](δδδ) Die Beklagte hat vor diesem Hintergrund kein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Senat einen Schaden unter Anwendung deutschen Prozessrechts nicht feststellt, nur deshalb, weil er unter Anwendung spanischen Prozessrechts möglicherweise nicht feststellbar wäre. Anders als die Beklagte meint (Schriftsatz vom 16. Mai 2025 Seite 12 f.), führt die Anwendung von § 287 ZPO daher auch nicht zu einer Anwendung deutschen materiellen Rechts und stellt die Anwendung der Vorschrift im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität und der Schätzung der Schadenshöhe - wie sie der Senat vornimmt - keine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf den Haftungsgrund dar.
[170]Einen entsprechenden Hinweis hat der Senat entgegen den Ausführungen der Beklagten in dem Schriftsatz vom 16. Mai 2025 (dort Seite 13) auch in der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2025 nicht erteilt. Vielmehr hatten die Beklagtenvertreter dort die - mit dem spanischen Recht nicht in Einklang zu bringende - Auffassung vertreten (vgl. auch Bl. 1342 ff. der rechtsverbindlichen elektronischen Akte), im spanischen Recht sei der Nachweis eines Schadens Teil des haftungsbegründenden Tatbestands, für den § 286 ZPO gelte, und nicht des haftungsausfüllenden Tatbestands. Tatsächlich ist der Schadenseintritt auch im spanischen Recht Teil des haftungsausfüllenden Tatbestands. Art. 1101 CC ist das spanische Pendant zu § 280 BGB, wobei jede Abweichung vom vertraglichen Pflichtenprogramm die Haftung begründet (vgl. Gutachten Dr. M. S., S. 42 f.). Dementsprechend bezieht sich der von Art. 1101 CC als Zurechnungsgrund verlangte Vorsatz auch nur auf den Verstoß gegen das vertragliche Pflichtenprogramm und nicht auf die Schädigung (Gutachten Prof. Dr. G. Seite 71 f.).
[171](e) Für die Feststellung der Schadenshöhe gemäß § 287 Abs. 1 ZPO hat die Klägerseite ausreichende greifbare Anhaltspunkte dargetan und können die Grundsätze herangezogen werden, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Juni 2023 (
[172](aa) Der genannten Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Käufer ein Fahrzeug erwarb, dessen Übereinstimmungsbescheinigung aufgrund der Verwendung einer gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung unzutreffend war. Für das Fahrzeug hätte er in Kenntnis dieser Tatsache weniger bezahlt.
[173](bb) Der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fallgestaltung entspricht der vorliegende Sachverhalt im Wesentlichen, in dem die Klägerseite geltend macht, durch den Vertragsschluss ein aufgrund der Verwendung einer nach europarechtlichen Maßstäben unzulässigen Abschalteinrichtung im Wert gemindertes Fahrzeug erhalten zu haben, welches sie im Vertrauen auf die Angaben des Herstellers erworben habe.
[174](cc) Auch der Tribunal Supremo knüpft in seinen Entscheidungen vom 11. März 2020 (167/2020; Roj: STS 735/2020) und 23. Juli 2021 (561/2021, Roj: STS 3068/2021) für die Haftung aus Art. 1101 CC daran an, dass die Herstellerin vorsätzlich gegen die von ihr einzuhaltenden vertraglichen Pflichten verstoßen habe, indem sie das dort gegenständliche Fahrzeug über ihr Händlernetz in den Verkehr gebracht habe, obwohl es aufgrund der verbauten und eklatant unzulässigen Abschalteinrichtung nicht die technischen Merkmale aufwies, mit denen sie es öffentlich anbot.
[175]Im Hinblick auf den zugesprochenen immateriellen Schaden führt der Tribunal Supremo in der zuletzt genannten Entscheidung zudem aus (vgl. Fundamentos de derecho Séptimo 3), dass dieser durch die Unsicherheit und Unruhe entstanden sei, die sich aufgrund der Entdeckung der unzulässigen Abschalteinrichtung und der unklaren Konsequenzen (Folgen der durchzuführenden Eingriffe am Fahrzeug, steuerliche Sanktionen, Möglichkeit der Stilllegung aufgrund der fehlenden Übereinstimmung der Fahrgenehmigung mit dem zugelassenen Typ wegen des verbotenen Abschaltgeräts gemäß Art. 5. [1] der Verordnung 715/2007, Möglichkeit der Beschränkung des Zugangs zu bestimmten städtischen Gebieten usw.) für den Kläger ergeben hätten.
[176](f) Der Schaden ist vor diesem Hintergrund unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben innerhalb eines Rahmens zwischen 5 % und 15 % des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses festzusetzen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 -
[177]Darüber hinaus bedarf es - weil es um die Verletzung europarechtlicher Vorschriften geht - der Berücksichtigung des Gewichts des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie des Verschuldensgrads (vgl. zu diesem Kriterium im spanischen Recht Gutachten Dr. P. Seite 26 Rn. 66) nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls, um dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 -
[178](g) Anhand dieser Grundsätze geht der Senat mit dem für § 287 Abs. 1 ZPO nötigen Beweismaß davon aus, dass der Klägerseite durch den Abschluss des gegenständlichen Vertrags ein (kausaler) Schaden in Höhe von 10% des Kaufpreises entstanden ist, weil sie für den gezahlten Kaufpreis ein Fahrzeug erhalten hat, welches mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist.
[179](aa) Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufs des Fahrzeugs unklar war, ob die spanischen Behörden im Hinblick auf dieses Anordnungen treffen würden, wobei eine vollständige Stilllegung des Fahrzeugs eher unwahrscheinlich, die Anordnung weniger einschneidender Maßnahmen wie die software- oder hardwareseitige Umrüstung des Fahrzeugs dagegen wahrscheinlicher war. Unerheblich ist aufgrund der notwendigen Betrachtung aus der ex-ante Sicht demgegenüber, dass die spanischen Behörden in der Folgezeit keine Maßnahmen im Hinblick auf Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 verhängt haben und auch das von der Beklagten angebotene Softwareupdate in Spanien eine freiwillige Maßnahme darstellt.
[180](bb) Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich die Beklagte vorsätzlich mit den europäischen Regeln zur Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in Konflikt begeben und hierdurch das mit den Regeln verfolgte Ziel der Luftreinhaltung erheblich beeinträchtigt hat.
[181](cc) In Anbetracht dieser Tatsachen ist der Senat hinreichend überzeugt, dass der Klägerseite ein Schaden entstanden ist, der in Höhe von 10% des gezahlten Kaufpreises zu bemessen ist. Die eher geringe Gefahr der Anordnung einschneidender und ernsthaft das Eigentum der Klägerseite an dem Fahrzeug beeinträchtigender Maßnahmen durch die zuständigen Behörden rechtfertigt - auch in Anbetracht der Ausführungen unter II 3 e bb (1) (f) - nur die Annahme eines Schadens im mittleren Bereich. Nichts Anderes würde im Übrigen gelten, wenn der Schaden - unter Außerachtlassung des europarechtlichen Effektivitätsprinzips - aus einem Rahmen von 0% bis 15% zu bemessen wäre.
[182](dd) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass Studien ergeben hätten, dass von der Abschalteinrichtung betroffene Fahrzeuge nach Bekanntwerden der Manipulationen in Spanien einen Wertverlust nicht erlitten hätten (vgl. etwa Bl. 728 ff. Bd. IV d.A.), ist dies unerheblich. Der Vortrag der Beklagten betrifft bereits nicht den Fahrzeug(neu)wert zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern die Fahrzeugrestwerte zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Bekanntwerden der Manipulation. Darüber hinaus ist Vortrag einer Partei, die Verkaufspreise von Kraftfahrzeugen der betroffenen Baureihen seien entweder tatsächlich nicht mit Rücksicht auf die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gesunken oder der Schaden belaufe sich im konkreten Fall auf weniger als 5 % oder mehr als 15 % des gezahlten Kaufpreises, für die Schätzung des Tatrichters generell ohne Relevanz. Entsprechende Behauptungen sind, weil die Grundsätze der Effektivität auf der einen und der Verhältnismäßigkeit auf der anderen Seite den Ausgleich eines Differenzschadens aus Rechtsgründen begrenzen, unerheblich und können eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht rechtfertigen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 -
[183]Es liegt zudem auf der Hand, dass ein Fahrzeug mit einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung unter Heranziehung der benannten objektiven Gesichtspunkte weniger Wert ist als ein Fahrzeug mit einer zutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung. Die infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung etwaig nötigen Eingriffe am Fahrzeug, die Möglichkeit der Stilllegung aufgrund der fehlenden Übereinstimmung der Typgenehmigung mit dem zugelassenen Typ und die Möglichkeit der Beschränkung des Zugangs zu bestimmten städtischen Gebieten stellen die zweckentsprechende Nutzung des erworbenen Fahrzeugs infrage. Die damit einhergehende, zeitlich nicht absehbare Unsicherheit, das erworbene Kraftfahrzeug jederzeit seinem Zweck entsprechend nutzen zu können und zu dürfen, setzt den objektiven Wert des Kaufgegenstands bei Abschluss des Kaufvertrags herab. Denn es ist davon auszugehen, dass in der gesamten Europäischen Union, also auch in Spanien, ein verständiger Käufer eines Neuwagens auf die Mitteilung hin, dass die Übereinstimmungsbescheinigung des Fahrzeugs unzutreffend sei, weil in dem Fahrzeug unter Täuschung der Zulassungsbehörde eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden sei, nur - sofern er nicht gleich ganz von dem Kauf Abstand genommen hätte - bereit gewesen wäre, einen geringeren als den ursprünglich geforderten Kaufpreis zu zahlen, da er die Folgen der unrichtigen Übereinstimmungserklärung weder für die Nutzbarkeit des Fahrzeugs noch für die Verkehrsfähigkeit auf dem Heimatmarkt, aber auch auf dem europäischen Binnenmarkt, hätte abschätzen können.
[184](h) Eine Reduzierung des Schadens unter dem Gesichtspunkt der auch in Spanien geltenden Schadensminderungspflicht oder dem des auch in Spanien anerkannten Vorteilsausgleichs (vgl. Gutachten Dr. P. Seite 27 f. Rn. 69 ff.; Seite 28 ff. Rn. 74 ff.) kommt - anders als die Beklagte wohl unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. L. geltend machen möchte (Bl. 458 der elektronischen Akte: „die durch die Servicemaßnahme nicht verhindert werden konnten“; vgl. Gutachten Seite 26 Rn. 91) - nicht wegen des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Softwareupdates in Betracht. Dieses enthält aufgrund des verwendeten Thermofensters selbst eine unzulässige Abschalteinrichtung und stellt daher keine zumutbare Kompensation für den erlittenen Schaden dar (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, NJW 2022, 2605 - GSMB Invest GmbH & Co. KG/Auto Krainer GesmbH).
[185]Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich nicht dadurch eine andere Beurteilung, dass vorliegend spanisches Sachrecht anwendbar ist (Bl. 889 Bd. IV d.A.), weil sich die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen nach den Artt. 3 Nr. 10, 5 VO (EG) Nr. 715/2007 und damit nach Unionsrecht richtet und die eben zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über ein Thermofenster ergangen ist, welches dem hier gegenständlichen entspricht. Soweit die Beklagte geltend macht, der Europäische Gerichtshof habe über einen unzutreffenden Sachverhalt entschieden, weil die schrittweise Reduzierung der Abgasrückführung nicht bereits ab 15C Außentemperatur, sondern ab 10C Außentemperatur, was 15C Ladelufttemperatur entspreche (vgl. Bl. 884 f. Bd. IV d.A.), beginne, führt dies zu keiner anderen Beurteilung, weil auch in diesem Fall die Abschalteinrichtung den überwiegenden Teil des Jahres aktiv wäre. Zu den Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb normalerweise zu erwarten sind, gehören jedenfalls Umgebungstemperaturen zwischen -15C und +40C (vgl. etwa VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 274). Entscheidend sind insoweit die tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind (VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 -
[186](i) Allerdings muss sich die Klägerseite diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die sie aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat, soweit diese in Summe mit dem Restwert des erworbenen Fahrzeugs den um den entstandenen Schaden reduzierten Kaufpreis übersteigen.
[187](aa) Der Tribunal Supremo hat in seiner Entscheidung vom 2. Juli 2019 (382/2019, Roj: STS 2207/2019) hinsichtlich des Vorteilsausgleichs entschieden, dass die dort verklagte Bank zwar nach Art. 1101 CC und 1104 CC hafte, es allerdings der wiederholten Rechtsprechung des Tribunal Supremo entspreche, dass bei der Berechnung der ersatzfähigen Schäden die eventuelle Erzielung von Vorteilen durch den Gläubiger zusammen mit den erlittenen Schäden berücksichtigt werden müsse. Wenn dieselbe Verpflichtungsbeziehung gleichzeitig einen Schaden - im dortigen Fall durch Nichterfüllung - aber auch einen Vorteil - nämlich die Erzielung von wirtschaftlichen Erträgen - verursache, müssten letztere kompensiert werden. Dies sei gesetzlich zwar nicht ausdrücklich geregelt, folge indes unmittelbar aus Art. 1006 CC (Fundamentos de derecho, Quinto 3 und 4; vgl. auch Gutachten Dr. P. Seite 29 f. Rn. 77 ff. und Sachverständiger Prof. Dr. G., Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023, Seite 13, Bl. 991 Band V d.A.). Soweit sich die Klägerseite für einen Ausschluss des Vorteilsausgleichs auf Artt. 1305, 1306 CC beruft (vgl. etwa Bl. 267 der elektronischen Akte, Bl. 1011 Bd. V d.A.), finden diese Bestimmungen, die für die Rückabwicklung nach Art. 1303 CC gelten, jedenfalls auf den Schadensersatz keine Anwendung.
[188](bb) Bei der Frage, welche Gesichtspunkte im Rahmen eines durchzuführenden Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sind und inwieweit dieser im konkreten Einzelfall durchzuführen ist, lässt das spanische Sachrecht dem erkennenden Gericht einen weiten, auf eine freie Schätzung des für angemessen Erachteten hinauslaufenden Spielraum (vgl. die Beispiele im Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 35, insbesondere Fn. 105 ff., z. B. Urteil A.encia Provincial Granada Nr. 414/2008, Roj: SAP GR 1470/2008 und A.encia Provincial Castellón de la Plana; Roj: SAP CS 347/2008, in denen ausdrücklich „geschätzt“ wird). Kriterien bei der Bemessung des zu berücksichtigenden Nutzungsersatzes können bei Fahrzeugen unter anderem die Laufleistung oder das Alter des Fahrzeugs oder beide Kriterien kombiniert sein. Auch bei der Beantwortung der Frage, was im Sinne von Art. 1006 CC als Schaden zu ersetzen ist, können (und - aus Gründen der besseren Vorhersehbarkeit und Vergleichbarkeit - sollten) vor diesem Hintergrund die in der deutschen Rechtsprechung üblichen Bemessungskriterien herangezogen werden, die sich an der Laufleistung des Fahrzeugs und dessen Restwert orientieren und die den in Spanien angewandten im Grundsatz entsprechen.
[189](cc) Die Klägerseite hat sich hiernach schadensmindernde Umstände in Form von Nutzungsvorteilen und dem Restwert auf den Schaden anrechnen lassen.
[190](aaa) Bei der Festlegung des Werts des der Klägerseite anzurechnenden Nutzungsvorteils in Form der Laufleistung des Fahrzeugs geht der Senat von den bei Rückabwicklung von Neu- und Gebrauchtwagenkaufverträgen gemäß § 287 ZPO heranzuziehenden Schätzgrundlagen aus. Diese knüpfen zur Bestimmung der Nutzungsvorteile an eine zeitanteilige lineare Wertminderung nach gefahrenen Kilometern an in der Form, dass der Kaufpreis des Fahrzeugs durch die voraussichtliche Restlaufleistung geteilt und mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung multipliziert wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 -
[191]Für das hier streitgegenständliche Fahrzeug geht der Senat - in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beklagten - von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km aus.
[192](bbb) Die Klägerseite hat das gegenständliche Fahrzeug am 10. September 2015 für ... € neu erworben und hatte am 13. April 2025, also nach 115 Monaten mit dem Fahrzeug 117.614 km zurückgelegt. Dies entspricht einer monatlichen Laufleistung von 1.022,73 km. Unter Beachtung dieser durchschnittlichen Laufleistung und unter Annahme eines geringen Sicherheitszuschlags schätzt der Senat die weitere Laufleistung des Fahrzeugs für die Zeit von etwas mehr als zwei Wochen zwischen dem letzten unstreitigen Kilometerstand und der mündlichen Verhandlung auf 900 km und die tatsächliche Fahrleistung damit auf 118.514 km. Dieser Kilometerstand entspricht in etwa dem von der Klägerseite nach der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Kilometerstand von 118.496 km, der allerdings, da er mit nicht nachgelassenem Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung mitgeteilt wurde, gemäß § 525 Satz 1, § 296a Satz 1 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden kann. Die von der Beklagten im Schriftsatz vom 16. Mai 2025 erstmals vorgetragene Laufleistung von 125.000 km ist ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig, weil der neue Sachvortrag im Rahmen eines nicht nachgelassenen Schriftsatzes erfolgte (§ 525 Satz 1, § 296a Satz 1 ZPO). Im Übrigen erscheint der Kilometerstand in Anbetracht der dargestellten Schätzungsgrundlagen auch nicht plausibel.
[193]Ausgehend von diesen Daten ergibt sich eine dem Kaufpreis gegenüber zu stellende Nutzungsentschädigung von ... €. Diese berechnet sich wie folgt: ... € x 118.514 km ./. 250.000 km.
[194](ccc) Hinzuzurechnen ist diesem Betrag der Restwert des Fahrzeugs, den der Senat auf ... € schätzt. Der Senat hat das Fahrzeug auf der spanischen Internetseite „coches.net“, dem unstreitig führenden digitalen Marktplatz für Fahrzeuge in Spanien, mittels eines dort zur Verfügung gestellten Bewertungstools bewerten lassen. Dabei wurde ein Wert des Fahrzeugs von ... € angegeben. Dieser Wert weicht nicht wesentlich von dem von der Beklagten aufgrund einer unstreitigen Recherche auf diversen spanischen Internetportalen für Fahrzeuge ermittelten durchschnittlichen Angebotspreis von ... € ab.
[195]Zugleich ließ sich dem Internetportal „coches.net“ entnehmen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei sofortigem Verkauf an einen Händler einen Erlös von lediglich ... € erzielen würde. Aus diesem Grund erscheint es dem Senat zur Schätzung des gegenständlichen Fahrzeugwerts geboten, von dem genannten Wert von ... € einen Abschlag von etwa 10% vorzunehmen. Denn auf Grundlage der dargestellten Werte geht der Senat davon aus, dass der Wert von ... € den Händlerverkaufspreis darstellt, der in der Situation der Klagepartei auf dem Markt nicht erreichbar wäre.
[196]Der von der Klägerseite anhand einer DAT-Auskunft vorgetragene niedrigere Restwert beruht auf den - hier nicht relevanten - Gegebenheiten des deutschen Marktes.
[197](ddd) Unter Berücksichtigung der so zu schätzenden Vorteile aus gezogenen Nutzungen und dem Restwert ist der bei Erwerb entstandene Differenzschaden gemindert. Die Vorteile belaufen sich insgesamt auf ... € und übersteigen den um 10% geminderten Kaufpreis von ... € um ... €, so dass lediglich noch ein materieller Schaden in Höhe von ... € verbleibt.
[198](2) Daneben hat die Klägerseite gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz eines ihr entstandenen immateriellen Schadens, allerdings nicht in Höhe von ... €, wie die Klägerseite fordert, sondern - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - in Höhe von ... €.
[199](a) Wie dargestellt haftet die Beklagte der Klägerseite dem Grunde nach aus Art. 1101 CC auf Schadensersatz, wobei der Tribunal Supremo anerkannt hat, dass aus dem großen öffentlichen Skandal um die EA-189 Motoren der Beklagten (ex re ipsa) eine Unsicherheit und Unruhe der Käufer folge, die auf der Ungewissheit beruhe, ob und inwieweit die betroffenen Fahrzeuge behördlichen Maßnahmen ausgesetzt sein würden, und dass dieser Umstand einen der Höhe nach zu schätzenden ersatzfähigen immateriellen Schaden darstelle. Für diesen hafte die vorsätzlich handelnde Beklagte (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 78 f.; Entscheidung des Tribunal Supremo vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo).
[200](b) Dabei kann auch an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob vorliegend - wie das Landgericht angenommen hat - der Klägerseite im Hinblick auf die kausale Verursachung des immateriellen Schadens die „ex re ipsa“-Regel zu Gute kommt. Denn der Senat ist auch ohne Anwendung dieser Regel im Hinblick auf den geltend gemachten immateriellen Schaden hinreichend davon überzeugt (§ 287 Abs. 1 ZPO), dass der Klägerseite ein immaterieller Schaden in Höhe von ... € entstanden ist. Die Klagepartei hat infolge der Kenntnisnahme davon, dass ihr gerade erst neu erworbenes Fahrzeug von dem sogenannten Abgasskandal betroffen ist, naturgemäß eine Verunsicherung und Unruhe erlitten, die nach spanischem Recht die Zuerkennung eines immateriellen Schadensersatzes rechtfertigt, weil nicht absehbar war, mit welchen behördlichen Beschränkungen, steuerlichen Sanktionen und Fahrzeugeingriffen gerechnet werden musste. Dies gilt unabhängig davon, wie ausgeprägt ihr Umweltbewusstsein gewesen sein und in welchem Umfang dieses für den Fahrzeugkauf motivatorisch gewirkt haben mag. Die Tatsachengrundlage ist insoweit unstreitig und die psychischen Folgen „Unruhe“ und „Verunsicherung“ erscheinen als zwangsläufige und nachvollziehbare Folge der Erkenntnis, vom „Abgasskandal“ betroffen zu sein.
[201](aa) Von den spanischen Gerichten wird - was die Parteien nicht in Frage stellen (vgl. 258 f. (Klägerseite) und Bl. 458 (Beklagte) der elektronischen Akte) - für Fälle, in denen der Käufer eines Fahrzeugs aus dem Konzern der Beklagten, welches mit einem EA 189 Motor ausgestattet ist, von der Manipulation des Motors erfahren hat und in der Folge Unruhe und Ungewissheit erlitten hat, der immaterielle Schaden regelmäßig auf ... € geschätzt wird.
[202]Dieser Schaden ist vorliegend um ... € zu erhöhen, weil die Klägerseite das gegenständliche Fahrzeug am 15. September 2015 als finanziertes Neufahrzeug erworben hat, weshalb es gerechtfertigt erscheint, davon auszugehen, dass die Klägerseite von der Information, ihr Fahrzeug sei mit einer manipulativen Software versehen, in höherem Maße betroffen war als ein Käufer, dessen Fahrzeug bereits ein höheres Alter hatte. Auch der Tribunal Supremo hat bei der Schadensbemessung auf dieses Kriterium abgestellt und den Schaden bei einem Käufer mit einem erheblich gealterten Fahrzeug (neun Jahre) auf ... € festgesetzt (Entscheidung vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 8). Dies spricht dafür, den Schaden dann höher zu bemessen, wenn ein nahezu neues Fahrzeug betroffen ist (anders Landgericht Ingolstadt, Urteil vom 27. Oktober 2023 -
[203](bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 458 f. der elektronischen Akte) liegt in der Annahme eines höheren immateriellen Schadens aufgrund der Rechtsprechung des Tribunal Supremo zu den maßgeblichen Grundlagen der Schadensbemessung keine unzulässige Fortbildung des spanischen Rechts. Die Schätzung der Schadenshöhe gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ist Aufgabe des Tatrichters. Aus der Tatsache, dass die überwiegende Anzahl der spanischen Gerichte einen über ... € hinausgehenden Schadensersatz nicht zuspricht, folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass dies - bei Feststellung der entsprechenden tatsächlichen Grundlagen - generell unzulässig wäre. Dies fordert bereits die notwendige Einzelfallbetrachtung.
[204]Der spanischen Rechtsprechung lässt sich auch nichts Anderes entnehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 815 Bd. IV d.A.) folgt daraus, dass der Tribunal Supremo einen immateriellen Schaden in Höhe von über ... € für unverhältnismäßig gehalten hat, nicht, dass er für jeden Einzelfall ... € Schadensersatz für angemessen hält. Im Gegenteil hat sich der Tribunal Supremo zu einer absoluten Obergrenze des immateriellen Schadens gerade nicht verhalten, sondern ausgeführt, dass ein immaterieller Schaden nicht durch objektive Beweise nachgewiesen werden könne, was jedoch nicht ausschließe, anhand der jeweiligen Umstände einen immateriellen Schaden festzustellen und dessen Höhe zu schätzen (Entscheidung vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 2). Dies entspricht im Übrigen - was die Beklagte letztlich selber erkennt (Seite 647 Bd. III d.A.) - den Annahmen des von der Beklagten selbst beauftragten Parteigutachters Dr. P. (Ergänzungsgutachten Seite 24 Rn. 69), und die Beklagte räumt auch ein, dass es innerhalb der spanischen Rechtsprechung zu einer von ... € abweichenden Bemessung des immateriellen Schadens in vergleichbaren Fällen kommt (vgl. 1027 Bd. V d.A.).
[205]Wenn sich insoweit - wie die Beklagte in diesem Zusammenhang vorträgt - einheitliche Kriterien für die Bestimmung der Schadenshöhe nicht herausgebildet hätten, spräche dies nicht für die Annahme eines pauschalen Schadensersatzes, sondern dafür, dass es auf eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls ankommt, wobei unterschiedliche Gerichte unterschiedliche Kriterien für die Schadensbemessung für beachtlich hielten. Ebenso wenig ist es - entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 1027 f. Bd. V d.A.) - ungewöhnlich, dass der Standardfall, welcher den Zuspruch von ... € immateriellen Schadensersatzes rechtfertigt, in der spanischen Rechtsprechung (weit) häufiger anzutreffen ist als diejenigen Fälle, in denen Schadensersatz oberhalb oder unterhalb des Betrags von ... € zugesprochen wird. Dies rechtfertigt deshalb auch nicht den Schluss, eine Abweichung von dem Betrag von ... € sei bereits dem Grunde nach nicht möglich, mag dies auch teilweise in der spanischen Rechtsprechung vertreten werden (vgl. Bl. 1030 ff. Bd. V d.A.).
[206](cc) Der Schaden ist auch nicht deshalb niedriger zu bemessen oder nicht entstanden, weil die Klägerseite die Klage erst im Jahr 2019 erhoben hat. Die Beklagte vermischt bei ihrer entgegenstehenden Auffassung (vgl. Bl. 456 ff. der elektronischen Akte) in unzulässiger Weise den Zeitpunkt der Entstehung des Schadens Ende 2015 bei Bekanntwerden des „Abgasskandals“ beziehungsweise Anfang 2016 bei Information der Klägerseite über die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs, mit der Frage, wann sich die Klägerseite entschieden hat, diesen Anspruch durchzusetzen. Eine zögerliche Rechtsverfolgung ist richtigerweise kein Indiz dafür, dass die Klägerseite Unbehagen oder Unsicherheit nicht erlitten hat. Wenn die Beklagte insoweit auf in Spanien ergangene Entscheidungen verweist, die die Behauptung der Klagepartei, einen immateriellen Schaden erlitten zu haben, für desto „unglaubwürdiger“ hielten, je später die Klage eingereicht werde (vgl. etwa Bl. 812 f., 818 ff. Bd. IV d.A.), fußt die Argumentation der Beklagten auf der Anwendung der ex re ipsa-Regel (vgl. Bl. 456 f. der elektronischen Akte), auf die der Senat verzichtet, und hindert diese Argumentation den Senat nicht, innerhalb des Anwendungsbereichs von § 287 ZPO Anderes festzustellen. Soweit die Beklagte ferner zu der Annahme gelangt, die überwiegende Zahl der Gerichte habe nach der zweiten Entscheidung des Tribunal Supremo Klagen auf immateriellen Schadensersatz abgewiesen (vgl. Bl. 1028 Bd. V d.A.), ist dies bereits nach dem Vortrag der Beklagten unzutreffend, nach deren Berechnung lediglich etwa 40% der Klagen abgewiesen worden sein sollen (Bl. 1027 Bd. V d.A.).
[207](dd) Nichts Anderes gilt, soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerseite habe, als sie durch das Halterschreiben Anfang des Jahres 2016 informiert worden sei, Unbehagen und Unsicherheit nicht empfinden können, weil ihr durch das Schreiben mitgeteilt worden sei, dass eine Stilllegung des Fahrzeugs nicht zu befürchten sei (Bl. 457 der elektronischen Akte). Die Klägerseite hatte angesichts der Reichweite des Skandals bereits keinen Anlass, unbedingt darauf zu vertrauen, dass die Angaben der S. S.A. zutreffend sind. Dies insbesondere, nachdem die S. S.A. ihr unmittelbar zuvor ein nicht vertragsgerechtes, weil vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattetes Fahrzeug zur Verfügung gestellt hatte. Ferner wurde in dem Schreiben bereits in Aussicht gestellt, dass das Fahrzeug der Klägerseite überhaupt von Maßnahmen betroffen sein würde, deren Art und Umfang für die Klägerseite letztlich nicht abschätzbar waren.
[208](ee) Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist auch eine höhere Bemessung des Schadens im Streitfall nicht deshalb angezeigt, weil durch die Rechtsprechung des VG Schleswig zu dem in dem Softwareupdate verwendeten Thermofenster (Urteile vom 20. Februar 2023 -
[209](ff) Anders als die Beklagte meint, ist die klägerische Partei nicht gemäß § 445 Abs. 1 ZPO oder § 447 ZPO zu der Frage, ob sie „immaterielle Beeinträchtigungen“ erlitten hat, zu vernehmen (Bl. 460 der elektronischen Akte unter Verweis auf Bl. 823 Bd. IV d.A.). Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung liegen nicht vor.
[210](aaa) ... (bbb) ... (ccc) ... (3) Der Schadensersatzanspruch ist - anders als die Beklagte geltend macht (Bl. 461 f. der elektronischen Akte) - auch nicht verjährt.
[211]Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, verjährt der Anspruch aus Art. 1101 CC mit der Wirkung des Erlöschens (vgl. Artt. 1932 Abs. 1 CC) innerhalb der Regelverjährung der Vorschrift des Art. 1964 Abs. 2 CC (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 82 f.; Gutachten Dr. M. S. Seite 42; Gutachten C./S... Rn. 152). Diese Vorschrift sieht eine Verjährungsfrist von fünf Jahren für vertragliche Ansprüche vor (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 83; Gutachten Dr. M. S. Seite 42). Gemäß Art. 1969 CC wird die Verjährung von dem Tag an berechnet, an dem der Anspruch ausgeübt werden kann, worunter im Falle von Vertragsverletzungen grundsätzlich die Nichterfüllung zu verstehen ist. Allerdings hängt nach der Rechtsprechung des Tribunal Supremo die mögliche Ausübung eines Anspruchs von seiner objektiven Erkennbarkeit durch den Gläubiger ab. Demzufolge beginnt der Lauf der Verjährungsfrist erst in dem Moment, in welchem die Existenz der Tatsache, die den Anlass für die Entstehung des Rechts gibt, „notorisch“ ist, während die Verjährungsfrist noch nicht läuft, solange die Tatsache verborgen oder geheim bleibt (Gutachten Dr. M. S. Seite 15).
[212]Hier konnte der Anspruch aus Art. 1101 CC frühestens am 18. September 2015 ausgeübt werden, als die Beklagte allgemeinbekannt (§ 291 ZPO) öffentlich erklärte, in ihrer Motorsteuerungssoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und spätestens im März 2016, als die Klägerseite persönlich informiert wurde (ebenso Gutachten Prof. Dr. G. Seite 83).
[213]Damit wäre die fünfjährige Verjährungsfrist frühestens im September 2020 abgelaufen. Die Einreichung der Klage, die die Verjährung nach spanischem Recht unterbricht (Art. 1973 CC, vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 5 f.; Gutachten Dr. M. S. Seite 42; Gutachten C./S... Rn. 153; vgl. auch Albaladejo, DERECHO CIVIL, I INTRODUCCION Y PARTE GENERAL, Volumen segundo, cuarto edicion, Seite 472; Castán Tobeñas, Derecho Civil Español, TOMO PRIMERO, VOLUMEN SEGUNDO, DECIMAQUINTA EDICIÓN, Seite 880), erfolgte jedoch bereits im Dezember 2019.
[214]Entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 461 f. der elektronischen Akte) war der Anspruch der Klägerseite auch bereits vor der Stellung und Erweiterung des Hilfsantrags mit am 26. November 2021 und am 18. September 2023 beim Landgericht eingegangenen Schriftsätzen (Bl. 433 Bd. II rekonstruiert der elektronischen Akte in Verbindung mit Bl. 1197 ff. der rechtsverbindlichen elektronischen Akte sowie Bl. 900 Bd. IV d.A.) hinreichend bestimmt, was Voraussetzung der Unterbrechungswirkung ist (vgl. Lacruz Berdejo/Sancho Rebullida/Luna Serrano/Delgado Echeverría/Rivero Hernández/Rams Albesa, Elementos de derecho civil, I Parte General Volumen Tercero, Tercera Edicón S. 345 f.). Denn bereits mit der Klageschrift hat die Klägerseite geltend gemacht, dass die Beklagte ihr wegen der Verwendung der gegenständlichen Abschalteinrichtung zum Schadensersatz verpflichtet sei, und damit die Klage auf vertraglichen Schadensersatz erhoben (vgl. Gutachten C./S... Rn. 153). Dass die Beklagte ihren Schadensersatzanspruch auf § 826 BGB gestützt und auf dieser Basis die „Rückabwicklung“ des Kaufvertrags begehrt hat, ist unerheblich. Insoweit handelt es sich um eine bloße Fehlinterpretation der Rechtsfolgen des schädigenden Verhaltens der Beklagten durch die Klägerseite. Unerheblich ist auch, dass die Klägerseite zunächst lediglich materiellen Schadensersatz geltend gemacht hat. Denn materieller und immaterieller Schadensersatz sind hier lediglich zwei Aspekte eines einheitlichen auf der geltend gemachten Vertragsverletzung beruhenden vertraglichen Schadensersatzanspruchs, der im Umfang des Art. 1106 CC zu ersetzen ist (vgl. Entscheidung des Tribunal Supremo vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 6.; vgl. auch Castán Tobeñas, Derecho Civil Español, TOMO TERCERO, DECIMOSÉPTIMA EDICIÓN, Seite 282 f.). Der spanische Begriff des „daño moral“ („moralischer Schaden“) ist weiter zu fassen als derjenige des immateriellen Schadens im deutschen Recht (Sohst, Das spanische Bürgerliche Gesetzbuch, 6. Aufl., Art. 1101 Seite 240).
[215]f) Weitergehende Rechte der Klagepartei bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der außervertraglichen Haftung, konkret der unerlaubten Handlung. Nach Art. 1902 CC ist zum Ersatz des von ihm verursachten Schadens verpflichtet, wer einem anderen durch eine Handlung oder Unterlassung vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden zufügt.
[216]aa) Ein der Klägerseite insoweit etwaig zu gewährender Schadensersatz ginge nicht über denjenigen nach Art. 1101 CC hinaus, weil die von beiden Normen zugrundegelegten Schadensbegriffe identisch sind, so dass die Regelungen der Art. 1106 und 1107 CC analog angewendet werden (vgl. Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. G., Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023, Seite 12, Bl. 991 Band V d.A.).
[217]bb) Darüber hinaus wäre ein solcher Anspruch aber auch verjährt. Gemäß Art. 1968 CC verjährt der Anspruch auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung binnen eines Jahres, seitdem der Geschädigte „es“ wusste. Gemeint ist damit der Zeitpunkt, ab dem der Geschädigte von dem ihm zugefügten Schaden Kenntnis hatte; dagegen verlangt die spanische Rechtsprechung nicht, dass dem Geschädigten auch die Person des Schädigers bekannt ist (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 85 f.).
[218](1) Da die Klägerseite spätestens im März 2016 darüber informiert wurde, dass ihr Fahrzeug von der illegalen Abschalteinrichtung betroffen ist, hatte sie auch spätestens ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von Schaden und Schädiger, so dass die einjährige Verjährungsfrist zu laufen begann und im März 2017 endete.
[219](2) Für eine Unterbrechung der Verjährung nach Art. 1973 CC im Wege der gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs ist nichts ersichtlich. Die Klägerseite hat ihre Ansprüche außergerichtlich mit Anwaltsschreiben vom 13. August 2019 und damit zu einem Zeitpunkt geltend gemacht, als die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war. Gleiches gilt für die erst am 27. Dezember 2019 erhobene Klage.
[220](3) Eine Hemmung oder Unterbrechung der Frist ist auch nicht durch das am 29. September 2015 gegen die Beklagte vor der spanischen A.encia Nacional eingeleitete Strafverfahren (Aktenzeichen: 91/2015-C) bewirkt worden.
[221]Zwar bestimmt Art. 111 Satz 2 des „Ley de Enjuiciamiento Criminal“ (im Folgenden: LECr), dass die Zivilklage nicht getrennt von der Strafklage ausgeübt werden kann, solange diese anhängig ist. Vor dem Abschluss des Strafverfahrens muss ein über dieselben Tatsachen daneben separat geführtes Zivilverfahren grundsätzlich ausgesetzt werden (Art. 114 Abs. 1 LECr). Dabei erfolgt die Aussetzung nach dem die strafrechtliche Vorfrage regelnden Art. 40 Nr. 2 des „Ley de Enjuiciamiento Civil“ (im Folgenden: LEC) jedoch nur dann, wenn sich das Strafverfahren auf Tatsachen bezieht, die auch die Ansprüche der Parteien im Zivilverfahren begründen, und wenn die Entscheidung des Strafgerichts die Entscheidung im Zivilverfahren entscheidend beeinflussen kann. Der Zivilrichter prüft deshalb ausschließlich, ob beide Verfahren (gegebenenfalls teilweise) dieselben Tatsachen zum Gegenstand haben (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Dr. S. Seite 39), weshalb die Frage über die Aussetzung des Verfahrens aufgrund des Vorliegens einer strafrechtlichen Vorfrage in der Praxis der Zivilgerichte einzelfallbezogen entschieden wird (Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 44). Ein entscheidender Einfluss des Strafverfahrens auf das Zivilverfahren wird in der Praxis grundsätzlich dann angenommen, wenn privatrechtliche Normen anzuwenden sind, die das Vorliegen einer strafrechtlichen Entscheidung voraussetzen (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 40).
[222](a) Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vor. So ist der Tribunal Supremo in einem Fall, in dem es um die Anfechtung eines Vertrags über den Kauf von Aktien der BANKIA S.A. ging, zu dem Ergebnis gelangt, dass keine strafrechtliche Vorfrage vorliege, weil die wesentlichen Umstände des Falls von der Beklagten nicht infrage gestellt worden waren und das Verfahren nicht das Vorliegen einer strafrechtlichen Haftung aufgrund der Fälschung von Prospektinformationen, sondern die Frage, ob diese Informationen aufgrund ihrer Ungenauigkeit zu einem Irrtum des Klägers geführt hatten, zum Gegenstand hatte, so dass das Strafverfahren keinen entscheidenden Einfluss auf die Lösung der zivilrechtlichen Streitigkeiten haben werde (Entscheidung des Tribunal Supremo vom 3. Februar 2016 - 24/2016, Roj: STS 92/2016; vgl. Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 44).
[223]Ähnlich liegen die Dinge im Streitfall. Die anspruchsbegründenden Umstände, nämlich die Verwendung einer unzulässigen Abschaltautomatik zwecks Täuschung der Zulassungsbehörden mit dem Ziel der Erlangung der Typgenehmigung sind unstreitig und von der Beklagten ab September 2015 eingeräumt worden. Auch hängt die Frage der schadensrechtlichen Verantwortlichkeit der Beklagten nach materiellem spanischen Recht nicht davon ab, ob das Verhalten der Beklagten strafrechtlich als Betrug zu werten ist. Ein entscheidender Einfluss des gegen die Beklagte geführten Strafverfahrens auf das Zivilverfahren der Klagepartei ist deshalb zu verneinen.
[224](b) Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen der Handhabung der Problematik in der spanischen Rechtspraxis. Die spanischen Gerichte haben den Einfluss des Verfahrens vor der A.encia Nacional nach den Recherchen der Sachverständigen Dr. M. S. nur „höchst ausnahmsweise“ thematisiert (Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 46). Im Urteil der A.encia Provincial Madrid vom 17. Juli 2018 - 332/2018 (Roj: SAP M 11557/2018) über die Anfechtung eines Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung nach Art. 1269 CC, den Rücktritt wegen Nichterfüllung nach Art. 1124 CC und einen Entschädigungsanspruch nach Art. 1101 CC wurde etwa ein entscheidender Einfluss der künftigen Entscheidung im Strafverfahren auf das Zivilverfahren mit der Begründung verneint, dass die endgültige strafrechtliche Einordnung der Tatsachen unerheblich für das zivilrechtliche Urteil wäre (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. M. S. Seite 46 f.). Im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung vor dem Landgericht Ingolstadt am 20. Juni 2023 hat die dortige Sachverständige Dr. M. S. ergänzend ausgeführt, dass auch noch nach Einleitung des Strafverfahrens zahlreiche Verfahren entschieden worden seien, ohne dass die Zivilgerichte die Verfahren ausgesetzt hätten, woraus aus ihrer Sicht die Schlussfolgerung zu ziehen sei, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vorlägen (Seite 8 des Protokolls).
[225](c) Hiermit im Einklang stehend hat auch der Gerichtssachverständige Prof. Dr. G. im Rahmen seiner Anhörung ausgeführt, dass es einen Einfluss des Strafverfahrens auf das Zivilverfahren beziehungsweise eine Unterbrechung im Sinne von Art. 40 LEC bei einem Offizialklagedelikt wie dem des Betrugs nur gebe, wenn die Vorgreiflichkeit bejaht werden könne. Zwar lägen Straftatbestände und die unerlaubte Handlung näher beieinander, doch beruhe nicht jeder Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung auf einem Straftatbestand; auch sei nicht zwingend von einer Unterbrechung der Verjährungsfrist im Deliktsbereich auszugehen, nur weil ein Betrug im Raum stehe. Die Vorgreiflichkeit sei in der spanischen Rechtsprechung überwiegend abgelehnt worden. Auch er selbst halte es, ausgehend von der Konstellation einer vorvertraglichen Haftung ähnlich einer culpa in contrahendo, für fernliegend, dass man hieraus eine Unterbrechung herleiten könne (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28. September 2023, Seite 6 f., Bl. 985 f. Band V d.A.).
[226]g) [sic] Nichts Anderes gilt für den von der Klägerseite geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Art. 32 Nr. 5 des Ley de Competencia Desleal (Gesetz über unlauteren Wettbewerb; im Folgenden: LDC). Dieses Gesetz, welches Regeln zum lauteren Wettbewerb aufstellt, findet auf den vorliegenden Sachverhalt in der ab dem 27. März 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) Anwendung (vgl. Entscheidung Juzgado de lo Mercantil Madrid vom 25. Januar 2021 - 36/2021, Roj: SJM M 4/2021, II. Fundamentos Jurídicos Segundo; Anlagen K 27/K 28).
[227]aa) Zwar macht die Klägerseite zutreffend geltend, dass Art. 32 Nr. 5 LCD aF einen Anspruch auf Ersatz des durch eine unlautere Handlung verursachten Schadens und der dadurch entstandenen Nachteile vorsieht, wenn Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Täters vorliegt. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch würde allerdings ebenfalls nicht über denjenigen aus Art. 1101 CC hinausgehen.
[228]bb) Ferner wäre auch dieser Anspruch verjährt. Denn gemäß Art. 35 Abs. 1 LCD aF verjähren die Ansprüche aus Art. 32 LCD aF nach Ablauf eines Jahres, gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem sie hätten geltend gemacht werden können und der Anspruchsberechtigte Kenntnis von der Person hatte, die den unlauteren Wettbewerb begangen hat; und in jedem Fall nach Ablauf von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Verhaltens.
[229]Die Klägerseite wurde - wie dargestellt - spätestens im März 2016 darüber informiert, dass ihr Fahrzeug von der illegalen Abschalteinrichtung betroffen ist. Zudem erklärte die Beklagte bereits im September 2015, dass sie die Motoren vom Typ EA 189 mittels einer Abschalteinrichtung manipuliert hatte. Damit hatte die Klägerseite spätestens ab März 2016 die notwendigen Informationen, um etwaige Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Die einjährige Verjährungsfrist endete mithin ebenfalls im März 2017.
[230]Aus der von der Klägerseite in Bezug genommenen Entscheidung des Juzgado de lo Mercantil Madrid vom 25. Januar 2021 (36/2021, Roj: SJM M 4/2021, Anlagen K 27/K 28 Anlagenband Kläger IV) ergibt sich nichts Anderes. Die Verneinung der Verjährung im dortigen Fall beruhte darauf, dass - anders als hier - nicht festgestellt werden konnte, dass die dortigen Betroffenen ein Schreiben erhalten hatten, mit dem sie über die Betroffenheit ihres Fahrzeugs von den Manipulationen informiert wurden (vgl. Entscheidung Juzgado de lo Mercantil Madrid vom 25. Januar 2021 - 36/2021, Roj: SJM M 4/2021, II. Fundamentos Jurídicos Octavo; Anlagen K 27/K 28; wie hier dagegen: Entscheidung des Juzgado de lo Mercantil Barcelona vom 10. Januar 2023 - 7/2023, Roj: SJM B 3/2023, Fundamentos de derecho Tercero 3., das unter Hinweis auf die dortige Mitteilung von V. im Jahr 2015 einen Verjährungsbeginn ab diesem Zeitpunkt annimmt [vgl. Seite 780 Bd. IV d.A.]). Ferner hatte der dort klagende Verband - anders als die Klägerseite hier - innerhalb unverjährter Zeit bis zur Klageeinrichtung am 15. Juni 2017 die Verjährung unterbrechende Maßnahmen ergriffen (vgl. Entscheidung Juzgado de lo Mercantil Madrid vom 25. Januar 2021 - 36/2021, Roj: SJM M 4/2021, II. Fundamentos Jurídicos Octavo; Anlagen K 27/K 28).
[231]h) Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten ist vor dem Hintergrund, dass die Klägerseite von der Beklagten den beantragten Schadensersatz in Form von Zahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des gegenständlichen Fahrzeugs und unter Berücksichtigung von Nutzungsersatz, nicht verlangen kann, unbegründet.
[232]i) Die Klägerseite hat - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Ein entsprechender Anspruch besteht bereits deshalb nicht, weil die Klägerseite von der Beklagten mit ihrem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben die vollständige Rückabwicklung des gegenständlichen Vertrags auf Basis des deutschen Rechts verlangt hat. Die Rechtsverfolgung erscheint vor diesem Hintergrund weder als geeignet beziehungsweise vernünftig noch als verhältnismäßig, was allerdings Anspruchsvoraussetzung für die Ersatzfähigkeit außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten im spanischen Recht ist (vgl. Gutachten Prof. Dr. P. v. S. G. Seite 94 f.; Gutachten Dr. M. S. Seite 51 f.; vgl. auch Landgericht Ingolstadt, Urteil vom 27. Oktober 2023 -
[233]j) Der Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz ist in Höhe von ... € gemäß Art. 576 LEC ab dem Tag nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen. In Höhe der in dieser Instanz erstmalig zugesprochenen weiteren ... € erfolgt eine entsprechende Verzinsung ab dem Tag nach Verkündung des vorliegenden Urteils. Der von der Klägerseite geltend gemachte weitergehende Zinsanspruch ist unbegründet. Auf die geltend gemachten Verzugszinsen aus Art. 1101 und 1108 CC hat die Klägerseite keinen Anspruch. Klarstellend ist außerdem auszusprechen, dass der Anspruch in jedem Fall durch den (insoweit ausgelegten) Antrag der Klägerseite, der auf Zahlung von Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank gerichtet ist, begrenzt wird (§ 308 Abs. 1 ZPO).
[234]aa) Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Tribunal Supremo nicht in Betracht, wenn die Verurteilung zur Zahlung hinter dem beantragten Betrag zurückbleibt (vgl. Sohst, Das spanische Bürgerliche Gesetzbuch, 6. Aufl., Art. 1108 Seite 242; vgl. Tribunal Supremo, Entscheidungen vom 28. Oktober 1988, Roj: STS 7530/1988, Fundamentos jurídicos 5.; vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 10.). Dies ist hier der Fall, nachdem der zugesprochene Schadensersatz unterhalb der Forderung der Klägerseite auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs und unter Berücksichtigung von Nutzungsersatz, bleibt.
[235]bb) Allerdings erfolgt die Verzinsung einer Geldforderung nach spanischem Recht von Gesetzes wegen gemäß Art. 576 Abs. 1 LEC ab dem Datum des (den Geldbetrag zusprechenden) erstinstanzlichen Urteils, und zwar in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem gesetzlichen Zinssatz (vgl. Tribunal Supremo, Entscheidung vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 10; vgl. auch Sohst, Das spanische Bürgerliche Gesetzbuch, 6. Aufl., Art. 1108 Seite 242). Erfolgt die Verurteilung zweitinstanzlich, entscheidet das Gericht nach eigenem Ermessen über den Zinsbeginn (Art. 576 Abs. 2 LEC).
[236]Die Höhe der gesetzlichen Zinsen entspricht dabei dem in den Haushaltsgesetzen festgelegten und von der spanischen Zentralbank jeweils veröffentlichten Zinssatz (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 87 sowie die Darstellung zu den „gesetzlichen Zinsen“ auf dem European e-Justice Portal, abrufbar unter [), der unter folgender Internetadresse über die spanische Zentralbank in englischer Sprache abrufbar ist: [...] [...] Die Zinshöhe beläuft sich damit nicht - wie die Klägerseite meint (Bl. 302 f. der elektronischen Akte) - gemäß Art. 7 des „Ley 3/2004, de 29 de diciembre, por la que se establecen medidas de lucha contra la morosidad en las operaciones comerciales“ (des Gesetzes Nr. 3/2004 über die Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr) auf acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (aA LG Ingolstadt, Urteil vom 27. Oktober 2023 -
[237]Erster Tag des Zinslaufs ist der auf den Tag der Verkündung des Urteils folgende Tag (vgl. Albaladejo, DERECHO CIVIL, I INTRODUCCION Y PARTE GENERAL, Volumen segundo, cuarto edicion, Seite 438 ff.; „dies a quo non computatur in termino“; vgl. auch Art. 5 CC, Art. 1130 CC und Art. 133 LEC).
[238](1) Anhand dieser Grundsätze spricht der Senat der Klägerseite Zinsen auf die erstinstanzlich bereits zuerkannte Forderung in Höhe von ... € in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem gesetzlichen Zinssatz ab dem 12. Dezember 2023 zu, nachdem das Urteil erster Instanz am 11. Dezember 2023 verkündet wurde.
[239](2) Hinsichtlich des darüber hinausgehend erstmals zweitinstanzlich zuerkannten Betrags übt der Senat sein insoweit bestehendes Ermessen dahingehend aus, dass die entsprechende Verzinsung ab dem Tag nach Verkündung des vorliegenden Urteils beginnt. Ebenso hat der Tribunal Supremo in der Entscheidung vom 23. Juli 2021 (561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 10) erkannt, in der er die dortige Beklagtenseite erstmals in dritter Instanz zur Zahlung von ... € Schadensersatz verurteilt hat. Die Verzinsung ab Verkündung des zweitinstanzlichen Urteils entspricht auch dem Zweck des Art. 576 LEC, Zahlungsverzögerungen durch den Prozess zu verhindern (vgl. Sohst, Das spanische Bürgerliche Gesetzbuch, 6. Aufl., Art. 1108 Seite 242 [zu Art. 921 LEC aF]). Denn dieser Zweck kommt erst dann zum Tragen, wenn die Beklagte von ihrer Zahlungspflicht weiß. Dies ist, wenn sie erstmals in einer höheren Instanz zur Zahlung verurteilt wird, der Tag, an dem das Urteil verkündet wird.
[240]cc) Soweit die Beklagte meint, der Tribunal Supremo habe in der zitierten Entscheidung vom 23. Juli 2021 (561/2021, Roj: STS 3068/2021) ausgeführt, die Unverhältnismäßigkeit der Forderung führe zum Entfall sämtlicher Zinsansprüche, ist dies unzutreffend. Vielmehr hat der Tribunal Supremo ausdrücklich ausgeführt, dass Zinsen jedenfalls nach Art. 576 LEC geschuldet seien (vgl. Tribunal Supremo, Entscheidung vom 23. Juli 2021 - 561/2021, Roj: STS 3068/2021, Fundamentos de derecho Séptimo 10.).
[241]dd) Eine weitergehende Verzinsungspflicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 1303 CC kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Klägerseite Ansprüche aus Art. 1303 CC nicht zustehen (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. Seite 87).
[242]k) Soweit die Klägerseite mit dem Hilfsantrag zu 1 eine Verzinsung der bis zur Verkündung des Urteils erster Instanz auf den Betrag von ... € aufgelaufenen Zinsen (= „kapitalisierte Zinsen“) verlangt, ist dieser Antrag unbegründet. Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass - wie die Beklagte meint (Bl. 463 der elektronischen Akte) - im spanischen Recht ein Zinseszinsverbot gelten würde, was nicht der Fall ist (vgl. Albaladejo, DERECHO CIVIL, II DERECHO DE OBLIGACIONES, Volumen primero, tercera edicion, Seite 63 f.; Sohst, Das spanische Bürgerliche Gesetzbuch, 6. Aufl., Art. 1108 Seite 242). Der Klägerseite stehen allerdings nach den obigen Ausführungen Zinsen für den Zeitraum, für den sie eine Kapitalisierung vornimmt, nicht zu.
[243]III. Die Anschlussberufung der Beklagten ist nach den vorstehenden Ausführungen weitestgehend unbegründet und hat lediglich insoweit teilweise Erfolg, als sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen wendet.
[244]IV. ... V. ... VI. ... VII. Eine Aussetzung des Verfahrens unter Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV kommt nicht in Betracht. Die Vorlagefragen der Klägerseite (Bl. 297 ff. der elektronischen Akte, Bl. 413 ff. der rechtsverbindlichen elektronischen Akte) geben keinen Anlass zu einem entsprechenden Vorgehen.
[245]1. Die Vorlagefrage, ob Art. 4 Abs. 3 Rom II VO auf Sachverhalte wie den „V.-Diesel-Skandal“ anwendbar ist, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil selbst dann, wenn man die Rechtsfigur des Massenschadens anerkennt, vorliegend kein Massenschaden gegeben ist. Vielmehr führt die nach Art. 4 Abs. 3 Rom II VO vorzunehmende Einzelfallbetrachtung nicht zu einer engeren Bindung an das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Dass eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 Rom II VO (acte clair).
[246]2. Die Vorlagefragen zu Art. 7 Rom II VO stellen sich nicht, weil es nach Art. 7 Rom II erforderlich ist, dass der geltend gemachte Schaden unmittelbar aus der Umweltschädigung resultiert, und zwar dergestalt, dass der Schaden „auf dem Umweltpfad“, also über die Einwirkung auf eine Umweltressource, hervorgerufen wird. Eine mittelbare Schädigung ist nicht ausreichend (acte clair). Diese Voraussetzungen sind hier - wie dargestellt - nicht gegeben, weil der der Klägerseite entstandene Schaden in Form eines überhöhten Kaufpreises und erlittener Unruhe und Unsicherheit nicht unmittelbar auf einem manipulationsbedingt zu hohem NOx-Ausstoß beruht, sondern auf der Verletzung unionsrechtlicher regulatorischer Vorschriften in Bezug auf die Zulassung von Kraftfahrzeugen.
[247]3. Die Vorlagefragen zu Art. 1101 CC stellen sich nicht, weil der Senat neben dem immateriellen Schaden auch einen materiellen Schaden festgestellt hat, der bereits allein dem Effektivitätsgrundsatz hinreichend Rechnung trägt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 -
[248]4. ... VIII. Auch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO analog wegen des beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahrens C-666/23 kommt nicht in Betracht (Seite 1408 ff. d. rechtsverbindlichen elektronischen Akte).
[249]1. Gemäß § 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Möglichkeit, das Verfahren auszusetzen, besteht für das Gericht - in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO - auch dann, wenn ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist, das eine Rechtsfrage zum Gegenstand hat, die auch für ein bei dem Gericht anhängiges Verfahren entscheidungserheblich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 -
[250]2. Gegenstand des Verfahrens C-666/23 ist die Frage, ob sich der Fahrzeugerwerber auf einen Anspruch auf kleinen Schadenersatz die Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen muss, soweit diese zusammen mit dem Restwert den gezahlten Kaufpreis abzüglich jenes Schadenersatzbetrags übersteigen.
[251]3. Diese Frage kann durch den Senat als geklärt erachtet werden, weil der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 21. März 2023 (C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 92 ff. - QB/Mercedes-Benz Group AG) ausdrücklich entschieden hat, dass die Berücksichtigung eines entsprechenden Vorteilsausgleichs zulässig ist, wenn sie im nationalen Recht vorgesehen ist. Nachdem das Unionsrecht einen Vorteilsausgleich nicht ausschließt, ist es auch mit dem unionsrechtlichen Effizienzgebot vereinbar, nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung einen Ersatzanspruch zu versagen, der zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 -
[252]Das spanische Recht sieht - wie dargestellt - eine entsprechende Berücksichtigung wegen des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung vor. Durch diese wird die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auch nicht übermäßig erschwert oder unmöglich gemacht (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 93 - QB/Mercedes-Benz Group AG). Dies gilt hier bereits deshalb, weil der Ausgleich der Vorteile durch Berücksichtigung der Fahrzeugnutzung und des Restwerts den wegen desselben Verstoßes zusätzlich zugesprochenen immateriellen Schaden nicht betrifft.
[253]IX. Endlich kommt auch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 30 EuGVVO wegen des vor dem Tribunal Supremo anhängigen Verfahrens 7992/22 nicht in Betracht.
[254]1. Gemäß Art. 30 Abs. 1 EuGVVO kann jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren, die im Zusammenhang stehen, anhängig sind. Gemäß Art. 30 Abs. 3 EuGVVO stehen Verfahren im Sinne des Absatzes 1 im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.
[255]2. Bei der Ausübung des Ermessens ist vom Zweck des Art. 30 I Brüssel Ia-VO auszugehen, eine bessere Koordinierung der Rechtsprechungstätigkeit innerhalb der Union zu verwirklichen und die Inkohärenz von Entscheidungen und den Widerspruch zwischen Entscheidungen zu vermeiden, selbst wenn diese getrennt vollstreckt werden können (BGH, Beschluss vom 25. Juli 2019 -
[256]3. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erscheint eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens nicht angezeigt. Die vom Tribunal Supremo zu entscheidende Frage, ob die Verwendung der Abschalteinrichtung durch die Beklagte eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 1124 CC darstellt, spielt im hiesigen Verfahren keine Rolle. Die Vertragsauflösung kann nur gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden. Dies ist nicht die Beklagte. Auch für den aus der Vertragsauflösung resultierenden Anspruch aus Art. 1303 CC ist die Beklagte nicht passivlegitimiert. Selbst wenn sich der Tribunal Supremo in seiner Entscheidung auch zu der Frage der Passivlegitimation verhalten sollte, steht einer Aussetzung erheblich der Grundsatz der Prozessökonomie entgegen. Denn der vorliegende Fall ist entscheidungsreif und eine weitere Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerseite würde den Schadensersatzanspruch weiter aufbrauchen. Wann der Tribunal Supremo in seinem Verfahren entscheiden wird, ist demgegenüber nicht abzusehen.
[257]X. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an einem Grund für die Zulassung der Revision fehlt (§ 543 Abs. 2 ZPO).
[258]1. Es handelt sich um eine Entscheidung, die insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts und die Ermittlung des spanischen Rechts auf höchstrichterliche Grundsätze zurückgreift. Weder besteht insoweit eine Abweichung zu diesen Grundsätzen noch gibt der Fall Anlass, es dem Bundesgerichtshof zu ermöglichen, weitere abstrakte Leitsätze aufzustellen.
[259]2. Auch im Übrigen wirft der Fall klärungsbedürftige Rechtsfragen nicht auf. Eine Zulassung der Revision, um es dem Bundesgerichtshof zu ermöglichen, ungeklärte europarechtliche Fragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, kommt aus den unter IV. genannten Gründen nicht in Betracht. Hinsichtlich der Anwendung des spanischen Rechts unterliegt die Entscheidung von vornherein nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 -
[260]3. Anderes folgt auch nicht aus den Ausführungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 16. und 23. Mai 2025. Es besteht kein Anlass, die Revision im Hinblick auf die Frage zuzulassen, ob § 287 ZPO bei der Anwendung ausländischen Sachrechts über die lex fori angewendet werden kann. Die von der der Beklagten insoweit angenommene grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) besteht nicht.
[261]a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt allgemein von Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 28. November 2023 -
[262]b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Senat schließt sich mit der vorliegenden Entscheidung der weit überwiegenden Auffassung in der Literatur an, die § 287 ZPO auch bei Anwendung ausländischen Sachrechts als Teil der lex fori für anwendbar erachtet. Entgegenstehende obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist - soweit ersichtlich - nicht ergangen und wird von der Beklagten auch nicht aufgezeigt. Soweit sich die Beklagte (an anderer Stelle) auf das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Juni 2021 (
[263]4. Aus diesem Grund fordert auch nicht die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs und ist auch der Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht gegeben. Soweit sich die Beklagte zur Darlegung dieses Zulassungsgrunds auch auf das benannte Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Juni 2021 (
[264]XI. ...
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