Die Anerkennung oder Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs ist zu versagen, wenn dies zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Hierfür genügt es nicht, dass der deutsche Richter - hätte er den Prozess entschieden - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (Verbot der révision au fond). Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint.
An die Begründung von Schiedssprüchen sind nicht die Maßstäbe anzulegen, die für Urteile staatlicher Gerichte gelten. Es genügt, wenn das Schiedsgericht in seiner Begründung eine kurze Zusammenfassung der den Schiedsspruch tragenden Erwägungen gibt. Es muss auf die aus seiner Sicht für den Ausgang des Schiedsverfahrens zentralen Fragen eingehen. Darüber hinaus muss das Gericht in seiner Begründung zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen, sich aber nicht mit jedem Punkt des Parteivorbringens befassen. [LS der Redaktion]
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs.
[1]II.
[2]Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs ist zulässig (1) und begründet (2).
[3]1. Der Antrag ist nach den §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit den Regeln des UNÜ statthaft und auch im Übrigen zulässig.
[4]Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist für die Entscheidung über die beantragte Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs gemäß den §§ 1025 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO zuständig, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in einer hessischen Gemeinde hat.
[5]Dass die Aussprüche zu Ziffern 1, 4-8 des Schiedsspruchs keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, steht der Vollstreckbarerklärung nicht entgegen, da diese nicht nur dazu dient, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen; sondern den Spruch auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern soll (BGH, Beschluss vom 30. März 2006 -
[6]1. Der Antrag ist auch begründet.
[7]a) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung sind erfüllt ...
[8]b) Auch die materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs liegen vor.
[9]aa) Anerkennungshindernisse nach Art. V Abs. 1 UNÜ sind nicht gegeben und werden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.
[10]bb) Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung und Vollstreckung auch nicht deshalb zu versagen, weil dieser dem gemäß Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ, § 1059 Abs. 2 Buchst. b ZPO von Amts wegen zu beachtenden ordre public widerspräche.
[11]Die öffentliche Ordnung (ordre public) steht der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs in der Bundesrepublik Deutschland entgegen, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 -
[12]Soweit die Antragsgegnerin sich dem Wortlaut ihres Vorbringens nach darauf stützt, dass der ausländische Schiedsspruch mit deutschem Recht nicht vereinbar sei, ist dies für sich betrachtet unbeachtlich. Mit dem materiellen ordre public ist ein ausländisches Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er den Prozess entschieden - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (Verbot der révision au fond). Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 -
[13]Dies ist hier nicht der Fall.
[14](1) ... (2) ... Hinsichtlich der Bewertung des Schiedsgerichts, es handele sich bei den Unternehmen nicht um getrennte Unternehmen, ist der Einwand der Antragsgegnerin, dies stehe mit deutschem Recht nicht in Einklang, wegen des Verbots der révision au fond und aufgrund dessen, dass der Lizenzvertrag kalifornischem bzw. US-Amerikanischen Recht unterliegt, unbeachtlich.
[15]Die Bewertung, die das Schiedsgericht auf der Grundlage der Anhörung der Beteiligten und der erhobenen Beweise unter Berücksichtigung des ihm unterbreiteten Streitstoffs getroffen hat, verstößt aber auch im Übrigen nicht gegen den ordre public international. Die Erwägungen des Schiedsgerichts stehen schon deshalb nicht in Widerspruch mit grundlegenden Gerechtigkeitsgedanken des deutschen Rechts, weil sie ihrem Kerngedanken nach diesem ebenfalls bekannt sind. Auch die dem deutschen Recht bekannten Institute eines außergesetzlichen Rechtsscheinschutzes im geschäftlichen Verkehr (vgl. hierzu MüKoHGB/Karsten Schmidt/Grüneberg, 5. Aufl. 2022, HGB § 175 Rn. 23 m.w.N.), der Haftung nach Anscheins- oder Rechtsscheinsgesichtspunkten oder auch allgemein der Möglichkeit der Zurechenbarkeit fremden Handelns sind geeignet, Einstandspflichten für in zurechenbarer Weise bei Gläubigern hervorgerufene oder unterhaltene Irrtümer zu begründen. Überdies ist in Fällen, wenn Eheleute gemeinsam und arbeitsteilig geschäftlich in einer über den Rahmen der Lebensgemeinschaft hinausgehenden Weise tätig werden, durchaus eine dahingehende Wertung möglich, diese Tätigkeit als solche einer konkludent gegründeten Gemeinschaft bürgerlichen Rechts anzusehen. Dies kann aufgrund der in § 721 BGB angeordneten gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter zur Inanspruchnahme auch nur eines der Gesellschafter führen.
[16](3) ... (4) ... (5) Auch den Einwand der Antragsgegnerin, dass ihr trotz nur teilweisen Unterliegens die gesamten, den Film „X“ betreffenden Kosten des Schiedsverfahrens auferlegt worden seien, hat der Senat wegen des Verbots der révision au fond auf seine inhaltliche Richtigkeit hin nachzuprüfen.
[17]Ein der Vollstreckbarerklärung entgegenstehender Verstoß gegen den ordre public international liegt in Bezug auf die Kostenentscheidung jedenfalls nicht vor. Der Kostenausspruch beruht, wie das Schiedsgericht auf S. 24 des Schiedsspruchs ausgeführt hat, auf der durch die Parteien in Ziffer 5.11 des Lizenzvertrages getroffenen Regelung, nach welcher die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz der ihr im Schiedsverfahren entstandenen Kosten hat. Diese im internationalen Geschäftsverkehr privatautonom im Rahmen einer zu Gunsten einer nicht-staatlichen Gerichtsbarkeit im US-Bundesstaat Kalifornien vereinbarten Prorogation getroffene Kostenregelung ist einem Vergleich mit dem die Kostentragungspflicht im Rahmen eines Rechtsstreits vor staatlichen Gerichten in Deutschland regelnden § 92 ZPO nicht ohne Weiteres zugänglich. Die sich aus den §§ 91, 92 ZPO ergebenden Maßstäbe sind auf den internationalen Geschäftsverkehr ohne eine hier nicht gegebene ausdrückliche Parteivereinbarung nicht übertragbar. Ungeachtet dessen ist der durch die Antragsgegnerin angeführte Rechtsgedanke, Kosten eines gerichtlichen Verfahren seien stets unter Berücksichtigung des Obsiegens/Unterliegens zu verteilen, schon dem deutschen Prozessrecht nicht in der durch die Antragsgegnerin zugrunde gelegten Weise immanent. So erfolgt die Kostenentscheidung gem. § 81 Abs. 1 FamFG nach billigem Ermessen, und nach § 12a Abs. 1 ArbGG besteht in arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes. Überdies weist die Antragstellerin zu Recht darauf hin, dass nicht nur der begehrte und zugesprochene Zahlungsanspruch in die durch die Antragsgegnerseite angedachte Kostenquote einzustellen gewesen wäre, sondern auch die Zahlungsansprüche der im Haupt- und Hilfsantrag abgewiesenen Schiedswiderklage sowie die klägerseitig begehrte Feststellung der Beendigung des Lizenzvertrages und der damit verbundenen Klärung der Berechtigung der Antragsgegnerin, den Vertrieb fortzusetzen.
[18]Aus dem der Antragstellerin für die Anwaltskosten zuerkannten Betrag und den Umständen von dessen Feststellung ergibt sich ebenfalls kein Verstoß gegen den deutschen ordre public international. Die Bezugnahme auf das deutsche Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ist als Maßstab für Anwaltsgebühren in einem amerikanischen Schiedsverfahren offensichtlich nicht geeignet ...
[19]Ob dem Zuspruch der durch die anwaltliche Tätigkeit entstandenen Kosten, wie die Antragsgegnerin meint, die fehlende Prüffähigkeit der Honorarrechnung entgegenstand und ob das Schiedsgericht die Kosten der Höhe nach zu Recht als angemessen angesehen und die erhobenen Beweise zutreffend gewürdigt hat, ist der Überprüfung durch den Senat aufgrund des Verbots der révision au fond entzogen. Insbesondere ist, soweit nicht ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 ZPO oder Art. V Abs. 1 UNÜ vorliegt, dem staatlichen Gericht regelmäßig auch die Nachprüfung der vom Schiedsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung untersagt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023 -
[20]Die durch das Schiedsgericht gegebene Begründung der Kostenentscheidung genügt den an diese unter dem Gesichtspunkt des ordre public international zu stellenden Anforderungen. Dies gälte selbst dann, wenn man an die Begründung eines ausländischen Schiedsspruchs ebenso strenge Anforderungen anlegen wollte wie an die Begründung eines inländischen Schiedsspruchs. Es ist allgemein anerkannt, dass an die Fassung und Begründung von inländischen Schiedssprüchen nicht die Maßstäbe angelegt werden, die für Urteile staatlicher Gerichte gelten. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass die Begründung eines Schiedsspruchs nicht seine - ohnehin eingeschränkte - Überprüfung durch ein staatliches Gericht sicherstellen soll, sondern im Interesse der Parteien erfolgt (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2021 -
[21]Hiervon unberührt bleiben allerdings die sich im Einzelfall aus dem Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ergebenden Anforderungen.
[22]Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Zudem müssen die Parteien Gelegenheit haben, sich zu allen tatsächlichen Erwägungen zu äußern, auf die die Entscheidung des Schiedsgerichts gegründet werden soll. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Schiedsgericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023 -
[23]Das Schiedsgericht hat den Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt ...
[24](6) ... Dass das Schiedsgericht den Schaden geschätzt hat, steht nicht in Widerspruch mit der deutschen Rechtsordnung. Die Antragsgegnerin weist insoweit zu Recht selbst darauf hin, dass § 287 ZPO eine richterliche Schätzung ermöglicht. Überdies stellt eine Schadensschätzung eine Form der dem Schiedsgericht erlaubten Tatsachenermittlung dar (vgl. § 1042 Abs. 4 Satz 2 ZPO; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 -
[25]Ob die vorhandene Tatsachengrundlage einem staatlichen Gericht für die Anwendung von § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO hätte genügen dürfen (wofür manches spricht), bedarf im Streitfall keiner Klärung. Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs kann nicht überprüft werden, ob die herangezogenen Grundlagen ausreichen und das Ergebnis auch materiell richtig ist. Eine Befassung des Senats mit den durch die Antragsgegnerin zur ermittelten Verkaufszahl vorgetragenen Bedenken und ihrer - unbelegten - Behauptung, nach dem Lizenzvertrag seien nur 25% der Verkaufserlöse an die Antragstellerin abzuführen gewesen oder ihrem Einwand, Synchronisationskosten hätten als Vertriebskosten in Abzug gebracht werden müssen, kann daher nicht erfolgen.
[26]Auch insoweit bleiben die sich im Einzelfall aus dem Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ergebenden Anforderungen unberührt ...
[27]Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich ein Verstoß gegen den ordre public international auch nicht daraus, dass ein am Verfahren nicht Beteiligter verurteilt worden wäre. Die Antragsgegnerin übersieht, dass nicht ihr Ehemann, sondern sie als Partei des Verfahrens verurteilt worden ist, weil das Schiedsgericht ihre Einstandspflicht für das Handeln ihres Ehemanns unter verschiedenen Firmen angenommen hat.
[28]3. ...
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