Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public international kann nicht damit begründet werden, dass ein Schiedsgericht bei einer Beweiswürdigung nicht angibt, welchen konkreten Beweiswert es einzelnen Indizien beigemessen hat.
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Gegenstand des Schiedsverfahrens war der Verkauf sämtlicher Aktien der im Chemiesektor tätigen C S.p.A., einer Aktiengesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Stadt1 in der Provinz1 in der Region1 an die Antragsgegnerin zu 1. Die Antragstellerinnen zu 1 bis 3 waren Gesellschafter der C S.p.A.
2018 beantragten die Antragsgegnerinnen auf Grundlage der Schiedsklausel nach Art. 13.2 des Anteilskaufvertrags die Einleitung eines Schiedsverfahrens (Az. ICC 23550/GR). In der Sache beantragten die Antragsgegnerinnen im Schiedsverfahren, die Nichtigkeit des Anteilskaufvertrags sowie der Anteilsübertragung wegen Arglist festzustellen und die Antragstellerinnen zum Schadensersatz in Höhe von mindestens € x.xxx.xxx zuzüglich Zinsen zu verurteilen. 2020 erließ das Schiedsgericht den verfahrensgegenständlichen Schiedsspruch. Das Schiedsgericht wies unter anderem in dem Schiedsspruch sowohl den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Anteilskaufvertrags als auch den auf Zahlung von Schadensersatz gerichteten Klageantrag ab (Ziff. 2 des Tenors). Die Antragsgegnerinnen zu 1 und zu 2 haben vor dem Corte d’Appello von Mailand die Nichtigerklärung des in Rede stehenden Schiedsspruches beantragt (Aktenzeichen 136/2021). Die Antragstellerinnen begehren nunmehr die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
[1]II.
[2]Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs ist zulässig (1) und begründet (2).
[3]1. Der Antrag ist nach den §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit den Regeln des UNÜ statthaft und auch im Übrigen zulässig ...
[4]2. Der Antrag ist auch begründet.
[5]a. ... b. Auch die materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs liegen vor. Anerkennungshindernisse nach Art. V Abs. 1 UNÜ sind nicht gegeben.
[6]Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung und Vollstreckung auch nicht deshalb zu versagen, weil er etwa gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstieße (Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ).
[7]Die öffentliche Ordnung (ordre public) steht der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs in der Bundesrepublik Deutschland entgegen, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 06.10.2016 -
[8]Ist - wie hier - über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zu entscheiden, gilt im Interesse des internationalen Handelsverkehrs der gegenüber dem ordre public interne weniger strenge Prüfungsmaßstab des ordre public international. Danach kann einem ausländischen Schiedsspruch unter dem Gesichtspunkt des deutschen verfahrensrechtlichen ordre public nur dann die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren an einem schwerwiegenden, die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührenden Mangel leidet (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 06.10.2016 -
[9]Danach kann im Streitfall von einem Verstoß gegen den ordre public international keine Rede sein.
[10]Dies gilt selbst dann, wenn man an die Begründung eines ausländischen Schiedsspruchs ebenso strenge Anforderungen anlegen wollte wie an die Begründung eines inländischen Schiedsspruchs.
[11]Es ist allgemein anerkannt, dass an die Fassung und Begründung von inländischen Schiedssprüchen nicht die Maßstäbe angelegt werden, die für Urteile staatlicher Gerichte gelten. Dies hängt u. a. damit zusammen, dass die Begründung eines Schiedsspruchs nicht seine - ohnehin eingeschränkte - Überprüfung durch ein staatliches Gericht sicherstellen soll, sondern im Interesse der Parteien erfolgt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 09.12.2021 -
[12]Hiervon unberührt bleiben die Begründungsanforderungen, die dem Schiedsgericht im Einzelfall aus dem Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erwachsen können. Soweit der wesentliche Kern des entscheidungserheblichen Vorbringens einer Partei zu einer Frage von zentraler Bedeutung für das Verfahren betroffen ist, lässt dessen Nichterwähnung in der Begründung des Schiedsspruchs regelmäßig auf dessen Nichtberücksichtigung schließen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 09.12.2021 -
[13]Nach alledem kann im Streitfall von einer „offenbar widersinnigen“ Begründung des Schiedsspruchs keine Rede sein. Die Begründung des Schiedsspruchs steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung. Ebenso wenig beschränkt sie sich auf inhaltsleere Redensarten.
[14]c. Auch der Hilfsantrag der Antragsgegnerinnen ist nicht begründet.
[15]Eine Aussetzung des Verfahrens (Art. VI UNÜ) im Hinblick auf den noch anhängigen Aufhebungsantrag in Italien kommt nach derzeitigem Verfahrensstand nicht in Betracht. Allein die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens im Heimatstaat des Schiedsspruchs führt nicht dazu, dass das Vollstreckbarerklärungsverfahren ausgesetzt werden müsste (vgl. OLG München, Beschluss vom 20.12.2019 -
[16]So liegt es hier aber nicht.
[17]Nach Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ ist der Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs im Heimatstaat gerade nicht ausreichend, um eine Vollstreckbarerklärung zu versagen. Das UNÜ erkennt damit ausdrücklich an, dass allein die Anhängigkeit eines Aufhebungsverfahrens die Vollstreckung in anderen Staaten nicht unterbinden soll.
[18]Das Hauptanliegen des UNÜ ist die Bereitstellung eines effektiven, internationalen Regelwerks, welches eine Anerkennung und Vollstreckung internationalen Schiedssprüchen und -abreden gewährleistet. Auch im Rahmen der Abwägungsentscheidung über einen Aussetzungsantrag ist daher das Ziel des UNÜ zu wahren, die Anerkennung von Schiedssprüchen zu erleichtern.
[19]Auch § 1061 Abs. 3 ZPO spricht konzeptionell gegen eine Aussetzung. Hiernach kann die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung beantragt werden, wenn der Schiedsspruch, nachdem er für vollstreckbar erklärt worden ist, im Ausland aufgehoben wurde. Mit dieser Befugnis zur Aufhebung der Vollstreckbarerklärung nach Aufhebung des Schiedsspruchs im Ausland hat der Gesetzgeber eine Vollstreckbarerklärung trotz laufenden oder noch möglichen Aufhebungsverfahrens gerade voraussetzt ...
[20]3. ... 4. ... 5. In Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse des Antragstellers an der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs und entspricht daher grundsätzlich dem Hauptsachewert des Schiedsspruchs ohne Zinsen und Kosten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 29.03.2018 -
[21]...