Das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs ist kein Verfahren der Zwangsvollstreckung. Es handelt sich um ein Erkenntnisverfahren eigener Art. Auf ein solches Verfahren sind deshalb die Grundsätze über die Immunität ausländischer Staaten im Erkenntnisverfahren anzuwenden, soweit sich der ausländische Staat (hier: Königreich Thailand) nicht in einem Investitionsschutzabkommen einer Schliedsklausel unterworfen hat, die nach innerstaatlichem Recht vollstreckt werden kann.
Hat ein Antragsteller den Schiedsspruch unter Verletzung einer ihm gegenüber einem Dritten obliegenden vertraglichen Pflicht erwirkt, scheidet seine Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit nicht schon deshalb wegen Verstoßes gegen den ordre public nach § 1061 I 1 ZPO in Verbindung mit Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ aus. [LS der Redaktion].
[Die vorgehenden Beschlüsse des KG vom 4.6.2012, des BGH vom 30.1.2013 und vom 14.5.2013 wurden bereits im Band IPRspr. 2013 unter den Nrn. 277 (a und b) sowie 280 (LS) abgedruckt.]
Der AGg. ist das Königreich Thailand. Der ASt. ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Walter Bau AG bzw. DMT. Die Streithelfer des AGG. sind ebenfalls Gesellschafter der MDT.1989 schlossen der AGg., vertreten durch das Department of Highways, und die DMT einen Konzessionsvertrag über den Bau und Betrieb einer Autobahn. Im Juni 2002 wurde der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 24.6.2002 (BGBl. 2004 II 48; ISV 2002) geschlossen. Dieser trat am 20.10.2004 in Kraft (BGBl. 2004 II 1520). 2005 wurde über das Vermögen der W. Bau AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der ASt. als Insolvenzverwalter erhob in Genf Schiedsklage gegen den AGg. Im August 2007 unterzeichneten der ASt. und die Streithelfer einen „Side Letter“, in dem den Streithelfern unter bestimmten Umständen und gegen Zahlung von weiteren 3 Mio. € das Recht eingeräumt wurde, vom ASt. bereits vor Ablauf des 31.3.2008 die Beendigung des Schiedsverfahrens zu verlangen. Im September 2008 verlangte der Streithelfer zu 1) vom ASt. vergeblich die Beendigung des Schiedsverfahrens. Am 15.10.2008 leiteten die Streithelfer beim Sekretariat der ICC in Paris ein Schiedsverfahren gegen den ASt. ein, um die Rücknahme der Schiedsklage gegen den AGg. zu erreichen. Der AGg. unterrichtete das Schiedsgericht des ISV-Schiedsverfahrens von 2005 im April 2009 über das ICC-Schiedsverfahren. Das ISV-Schiedsgericht verurteilte den AGg. mit Schiedsspruch vom 1.7.2009 zur Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen und Kosten (Art. 2 III ISV 2002). Am 22.12.2009 legte der ASt. in dem ICC-Schiedsverfahren den Schiedsspruch des ISV-Schiedsgerichts vor. Daraufhin erklärten die Streithelfer einen Teilrücktritt von dem Anteilskaufvertrag mit dem ASt. und einen Verzicht auf die nachträgliche Erfüllung der Verpflichtung zur Rücknahme der Schiedsklage. Stattdessen machten sie vor dem ICC-Schiedsgericht die Rückzahlung des Betrags geltend, den sie nach ihrer Darstellung für das Recht bezahlt hatten, die Rücknahme der gegen den AGg. gerichteten Schiedsklage zu verlangen. Am 18.4.2011 stellte das ICC-Schiedsgericht fest, dass der ASt. seine Pflichten aus der Vereinbarung und dem ersten „Side Letter“ verletzt habe. Den von den Streithelfern geltend gemachten Zahlungsanspruch wies das ICC-Schiedsgericht zurück.
Mit Beschluss vom 4.6.2012 hat das KG den Schiedsspruch des ISV-Schiedsgerichts auf Antrag des ASt. für vollstreckbar erklärt (20 Sch 10/11). Auf die Rechtsbeschwerde des AGg. hat der BGH den Beschluss des KG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das KG zurückverwiesen (III ZB 40/12). Im wiedereröffneten Verfahren hat das KG den Schiedsspruch wiederum für vollstreckbar erklärt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der AGg. mit seiner Rechtsbeschwerde.
[11] B. Die Rechtsbeschwerde des AGg. ist von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 I 1 Nr. 1 ZPO). Gegen die in § 1062 I Nr. 4 Alt. 2 ZPO genannte Entscheidung des OLG über einen Antrag betreffend die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (§ 1061 ZPO) findet gemäß § 1025 IV i.V.m. § 1065 I 1 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 574 II, 575 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Das KG hat den am 1.7.2009 in der Schweiz erlassenen Schiedsspruch des Schiedsgerichts zu Recht für vollstreckbar erklärt.
[12] I. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig.
[13] 1. Der BGH hat im ersten Rechtsbeschwerdeverfahren entschieden, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nur zulässig ist, wenn die streitgegenständliche Investition in den Anwendungsbereich des ISV 2002 fällt. Diese rechtliche Beurteilung war für das KG bindend (§ 577 IV 4 ZPO). Sie ist auch der Entscheidung im zweiten Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschl. vom 12.2.2009 – IX ZB 215/08, WM 2009, 712 Rz. 9).
[14] a) Das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs ist kein Verfahren der Zwangsvollstreckung, sondern ein Erkenntnisverfahren eigener Art. Auf das Verfahren sind deshalb die Grundsätze über die Immunität ausländischer Staaten im Erkenntnisverfahren anzuwenden. Nach den gemäß § 20 II GVG, Art. 25 GG als Bundesrecht geltenden Regeln des allgemeinen Völkerrechts sind Staaten im Erkenntnisverfahren der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit (acta iure imperii) und nicht lediglich ihr kommerzielles Handeln (acta iure gestionis) betroffen ist. Die mit dem Schiedsspruch vom 1.7.2009 entschiedene Klage betrifft die hoheitliche Tätigkeit des AGg. Im Schiedsspruch wird die Verurteilung zum Schadensersatz auf eine Verletzung von Art. 2 III ISV 2002 durch die Verweigerung der Anhebung sowie zeitweilige Senkung der Mautgebühren, den Bau und Ausbau mautfreier Alternativrouten und die zeitweilige Schließung des Don Muang International Airport gestützt. Die Zulässigkeit des Antrags auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs hängt damit davon ab, ob der AGg. sich der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen hat (vgl. BGH, Beschl. vom 30.1.2014 – III ZB 40/12 (IPRspr 2013-277b), SchiedsVZ 2013, 110 Rz. 10 bis 12).
[15] b) Nach Art. 10 II 1 ISV 2002 werden Streitigkeiten in Bezug auf Kapitalanlagen zwischen einer der Vertragsparteien des Investitionsschutzvertrags und einem Investor der anderen Vertragspartei, die innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch eine der beiden Streitparteien nicht gütlich beigelegt werden können, auf Verlangen einer der Streitparteien einem Schiedsverfahren unterworfen. Nach Art. 10 II 3 ISV 2002 wird der Schiedsspruch nach innerstaatlichem Recht vollstreckt. Damit hat sich der AGg. bzgl. der genannten Streitigkeiten nicht nur dem Schiedsverfahren, sondern auch dem in Deutschland als Vorstufe einer späteren Zwangsvollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs notwendigen Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung unterworfen. Diese Unterwerfung erfasst allerdings nur Sachverhalte, die unter den ISV 2002 fallen. Deshalb kommt es darauf an, ob die streitgegenständliche Investition in den Anwendungsbereich des ISV 2002 fällt (vgl. BGH, SchiedsVZ 2013 aaO Rz. 13 bis 15) ...
[51] II. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist begründet.
[52] 1. Nach § 1061 I 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Gemäß Art. III Satz 1 UNÜ erkennt jeder Vertragsstaat Schiedssprüche als wirksam an und lässt sie nach den Verfahrensvorschriften des Hoheitsgebiets, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, zur Vollstreckung zu, sofern die in den folgenden Artikeln des Übereinkommens festgelegten Voraussetzungen gegeben sind. Das KG hat mit Recht angenommen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind und keine Gründe vorliegen, dem in der Schweiz ergangenen Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckung gemäß Art. V UNÜ zu versagen.
[53] 2. Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung und Vollstreckung nicht deshalb zu versagen, weil er eine Streitigkeit betrifft, die nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel fällt (Art. V Abs. 1 lit. c UNÜ). Es handelt sich um eine von der Schiedsklausel des Art. 10 II 1 ISV 2002 erfasste Streitigkeit zwischen einer der Vertragsparteien des Investitionsschutzvertrags (Königreich Thailand) und einem Investor der anderen Vertragspartei (Walter Bau AG) bzgl. einer im Sinne von Art. 8 ISV 2002 genehmigte Kapitalanlage (die Beteiligung der Walter Bau AG an der DMT), die Investoren der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des Königreichs Thailand in dessen Hoheitsgebiet schon vor Inkrafttreten dieses Vertrags vorgenommen haben (vgl. B. I).
[54] 3. Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung und Vollstreckung auch nicht deshalb zu versagen, weil er gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt (Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ). Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs verstoße gegen die öffentliche Ordnung, weil der ASt. den Schiedsspruch unter Verstoß gegen seine Verpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag mit den Streithelfern erwirkt habe, seine Schiedsklage gegen den AGg. zurückzunehmen.
[55] a) Die öffentliche Ordnung (ordre public) steht der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs in Deutschland entgegen, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (BGH, Beschl. vom 30.10.2008 – III ZB 17/08, SchiedsVZ 2009, 66 Rz. 5; Beschl. vom 28.1.2014 – III ZB 40/13, SchiedsVZ 2014, 98 Rz. 8; Beschl. vom 10.3.2016 – I ZB 99/14, WM 2016, 1244 Rz. 29). Danach ist einem Schiedsspruch bspw. die Anerkennung zu versagen und der Antrag auf Vollstreckbarkeit abzulehnen, wenn der Schiedsspruch durch Verfahrensbetrug erwirkt wurde und der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 4 ZPO vorliegt oder wenn die Erwirkung des Schiedsspruchs oder das Gebrauchmachen von diesem Titel als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB zu werten ist (vgl. BGH, Beschl. vom 2.11.2000 – III ZB 55/99, BGHZ 145, 376, 381 m.w.N.).
[56] Ist – wie hier – über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zu entscheiden, gilt im Interesse des internationalen Handelsverkehrs der gegenüber dem ordre public interne weniger strenge Prüfungsmaßstab des ordre public international. Danach kann einem ausländischen Schiedsspruch unter dem Gesichtspunkt des deutschen verfahrensrechtlichen ordre public nur dann die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren an einem schwerwiegenden, die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührenden Mangel leidet (BGH, Urt. vom 15.5.1986 – III ZR 192/84 (IPRspr. 1986 Nr. 198), BGHZ 98, 70, 73 f., m.w.N.; Beschl. vom 23.2.2006 – III ZB 50/05 (IPRspr 2006-205), SchiedsVZ 2006, 161 Rz. 28 m.w.N. [insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 166, 278]). Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public international scheidet danach regelmäßig aus, wenn kein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public interne vorliegt.
[57] b) Nach diesen Maßstäben hat das KG zutreffend angenommen, dass der AGg. dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht mit Erfolg entgegenhalten kann, der ASt. habe den Schiedsspruch durch einen Verfahrensbetrug erwirkt, weil er im Schiedsverfahren nicht auf seine Verpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag mit den Streithelfern hingewiesen habe, seine Schiedsklage gegen den AGg. zurückzunehmen.
[58] Einem durch Verfahrensbetrug erwirkten Schiedsspruch ist die Anerkennung und Vollstreckung unter dem Gesichtspunkt des verfahrensrechtlichen ordre public nur zu versagen, wenn sämtliche Voraussetzungen für die Geltendmachung des Restitutionsgrunds des § 580 Nr. 4 ZPO erfüllt sind (BGHZ 145 aaO). Das ist hier nicht der Fall. Nach den Feststellungen des KG ist wegen der behaupteten Straftat weder eine rechtskräftige Verurteilung ergangen noch konnte die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen (§ 581 I ZPO).
[59] c) Das KG hat weiter mit Recht angenommen, der AGg. könne dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Erwirkung des Schiedsspruchs oder das Gebrauchmachen von diesem Titel seien als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB zu werten, weil der ASt. durch seine Weigerung zur Rücknahme der Schiedsklage gegen den AGg. seine Verpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag mit den Streithelfern vorsätzlich verletzt habe.
[60] aa) Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung kommt nur in Betracht, wenn die Erwirkung des Schiedsspruchs oder das Gebrauchmachen von diesem Titel nach den für die Anwendung von § 826 BGB auf ein Urteil staatlicher Gerichte geltenden Maßstäben als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung zu werten ist (BGHZ 145 aaO 381 f.). Danach kann einem Gläubiger die Vollstreckung eines rechtskräftigen, aber materiell unrichtigen Titels in besonders schwerwiegenden, engbegrenzten Ausnahmefällen, in denen es mit dem Gerechtigkeitsempfinden schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zulasten des Schuldners ausnutzt, nach § 826 BGB zu versagen sein. Das setzt neben der materiellen Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels und der Kenntnis des Gläubigers hiervon zusätzliche besondere Umstände voraus, die die Erlangung oder die Ausnutzung des Vollstreckungstitels als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH, Urt. vom 1.12.2011 – IX ZR 56/11, WM 2012, 144 Rz. 15 m.w.N.).
[61] Die Verletzung einer vertraglichen Pflicht ist für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, den Vorwurf der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne von § 826 BGB zu begründen. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner weiß oder damit rechnet, dass dem Gläubiger hierdurch Nachteile entstehen. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urt. vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rz. 8 m.w.N.).
[62] bb) Nach diesen Maßstäben hat das KG mit Recht angenommen, dass im Streitfall keine besonderen Umstände vorliegen, die die Erlangung oder die Ausnutzung des Schiedsspruchs als sittenwidrig erscheinen lassen. Der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Umstand, dass der ASt. seine Verpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag mit den Streithelfern zur Rücknahme der Schiedsklage gegen den AGg. vorsätzlich verletzt hat, lässt die Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht als sittenwidrig erscheinen. Das KG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der ASt. nach dem Anteilskaufvertrag allein den Streithelfern und nicht dem [AGg.] zur Rücknahme der Schiedsklage verpflichtet war und die bloße Verletzung dieser gegenüber Dritten bestehenden Verpflichtung durch den [ASt.] nicht dazu führt, dass die Vollstreckung des Schiedsspruchs in einem untragbaren Widerspruch zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen steht (zur Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Dritten vgl. Staudinger-Oechsler, BGB, Neub. 2014 [Stand: 31.1.2016], § 826 Rz. 181).
[63] (1) Der ASt. hat allerdings seine im Verhältnis zu den Streithelfern bestehende Verpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag verletzt, das gegen den AGg. geführte Schiedsverfahren auf Verlangen der Streithelfer zu beenden. Nach den Feststellungen des KG haben der ASt. und die Streithelfer in dem zwischen ihnen unter dem 3.12.2006/12.7.2007 geschlossenen Vertrag über den Erwerb der von der Walter Bau AG gehaltenen Anteile an der DMT durch die Streithelfer und den diesen Vertrag ergänzenden ‚Side Lettern’ vereinbart, dass der ASt. unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, das gegen den AGg. gerichtete Schiedsverfahren zu beenden. Das ICC-Schiedsgericht hat in seinem Schiedsspruch in dem von den Streithelfern gegen den ASt. geführten ICC-Schiedsverfahren festgestellt, dass der ASt. seine gegenüber den Streithelfern bestehende Pflicht, das gegen den AGg. geführte ISV-Schiedsverfahren auf Verlangen der Streithelfer zu beenden, verletzt hat.
[64] (2) Das KG hat angenommen, die zwischen dem ASt. und den Streithelfern zur Beendigung des Schiedsverfahrens getroffenen Vereinbarungen könnten auf der Grundlage des auf den Anteilskaufvertrag nach dessen Nr. 16 anwendbaren Schweizer OR nicht als echter Vertrag zugunsten Dritter (Art. 112) ausgelegt werden, aus dem der AGg. im Verhältnis zu dem ASt. einen eigenen Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn vor dem Schiedsgericht geführten Schiedsklage oder einen Anspruch auf Rücknahme des im vorliegenden Verfahren gestellten Antrags auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs herleiten könnte. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Sie ist einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen. Nach § 576 I ZPO kann die Rechtsbeschwerde nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines OLG hinaus erstreckt. Danach kann das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung der Vorinstanz nicht auf die richtige Anwendung ausländischen Rechts überprüfen. Gemäß §§ 576 III, 560 ZPO ist das Rechtsbeschwerdegericht vielmehr an die Entscheidung der Vorinstanz über das Bestehen und den Inhalt des ausländischen Rechts gebunden (vgl. BGH, Beschl. vom 4.7.2013 – V ZB 197/12 (IPRspr 2013-2), BGHZ 198, 14 Rz. 13 bis 23). Dies gilt auch für die Feststellungen des KG zu den in Art. 112 Schweizer OR zum Vertrag zugunsten Dritter getroffenen Regelungen und seine Auslegung des zwischen dem ASt. und den Streithelfern geschlossenen Vertrags im Lichte dieser Bestimmungen (vgl. zu § 545 I ZPO a.F. BGH, Urt. vom 20.7.2012 – V ZR 135/11 (IPRspr 2012-72), WM 2013, 858 Rz. 16).
[65] (3) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, das KG habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, die zwischen dem ASt. und den Streithelfern geschlossene Vereinbarung über die Beendigung des Schiedsverfahrens unter dem sich auch nach dem Schweizer OR ohne weiteres aufdrängenden Blickwinkel eines Vertrags mit Schutzwirkungen für Dritte auszulegen. Bei zutreffender Beurteilung entfalte diese Vereinbarung Schutzwirkungen zugunsten des AGg.
[66] Mit der Rechtsbeschwerde kann zwar nicht die Auslegung eines einer ausländischen Rechtsordnung unterstehenden Vertrags durch die Vorinstanz angegriffen werden. Grundsätzlich zulässig ist allerdings die auf § 293 ZPO gestützte Verfahrensrüge (§ 577 II 3 ZPO), mit der eine unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts geltend gemacht wird. Aus dieser Norm leitet sich die Pflicht des Tatrichters ab, das für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgebende ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln. Wie sich der Tatrichter die erforderliche Kenntnis des ausländischen Rechts verschafft, steht zwar in seinem Ermessen. Die Entscheidungsgründe müssen aber erkennen lassen, dass er dieses Ermessen tatsächlich ausgeübt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. vom 21.12.2011 – I ZR 144/09 (IPRspr 2011-3), TranspR 2012, 110 Rz. 11; BGH, WM 2013 aaO jew. m.w.N.). Macht eine Partei geltend, der Tatrichter habe das der Entscheidung zugrunde liegende Recht unzureichend ermittelt, ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht gehindert, die Schlüssigkeit dieser Rüge unter Einbeziehung des ausländischen Rechts zu prüfen (BGH, Urt. vom 27.5.1993 – IX ZR 254/92 (IPRspr. 1993 Nr. 200b), BGHZ 122, 373, 378; Urt. vom 12.11.2009 – Xa ZR 76/07 (IPRspr 2009-44), NJW 2010, 1070 Rz. 21).
[67] Die Rechtsbeschwerde hat nicht schlüssig dargelegt, dass dem AGg. bei einer Anwendung der nach Schweizer Recht für einen Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte geltenden Grundsätze aufgrund des zwischen dem ASt. und den Streithelfern geschlossenen Anteilskaufvertrags ein eigenes Recht zusteht, vom ASt. die Beendigung des Schiedsverfahrens und die Rücknahme des Antrags auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zu verlangen. Die Rechtsbeschwerde hat zwar geltend gemacht, die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter setze im Schweizer OR – ebenso wie im deutschen Recht – voraus, dass der Dritte mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen solle, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten bestehe, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen werde und der Dritte schutzbedürftig sei (vgl. BGH, Urt. vom 18.2.2014 – VI ZR 383/12, BGHZ 200, 188 Rz. 9; Urt. vom 9.10.2014 – III ZR 68/14, NJW 2014, 3580 Rz. 24; Urt. vom 28.1.2015 – XII ZR 201/13, BGHZ 204, 54 Rz. 14; zur – umstrittenen – Anerkennung dieser Grundsätze für das Schweizer OR vgl. Weber in Berner Kommentar, Obligationenrecht, 2002, Art. 112 Rz. 87 und Rz. 163 bis 168; Zellweger-Gutknecht in Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl., Art. 112 Rz. 23 bis 24b, jew. m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde hat aber nicht behauptet, dass ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter im Schweizer OR – anders als im deutschen Recht – den Schuldner zur Leistung an den Dritten verpflichtet und nicht lediglich Schadensersatzansprüche des Dritten im Falle einer Pflichtverletzung des Schuldners begründet (vgl. BGH, Urt. vom 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152 Rz. 19). Dafür ist auch nichts ersichtlich (vgl. Weber aaO Rz. 87; Zellweger-Gutknecht aaO Rz. 22a, jew. m.w.N.).