Allein die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens im Heimatstaat eines Schiedsspruchs (hier: Kroatien) führt nicht dazu, dass ein Verfahren auf dessen Vollstreckbarerklärung ausgesetzt werden müsste, vielmehr hat der Antragsgegner hierzu die von ihm im Aufhebungsverfahren im Heimatstaat des Schiedsspruchs geltend gemachten Aufhebungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorzutragen und diese Gründe müssen überdies erfolgsversprechend erscheinen.
Aus Art. VI Abs. 4 EuÜ ergibt sich ausdrücklich, dass die Anrufung staatlicher Gerichte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine Schiedsvereinbarung nicht aufhebt. [LS der Redaktion]
Die ASt. (Schiedsklägerin) begehrt die teilweise Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Die ASt. ist eine in Kroatien ansässige Gesellschaft. Die in München ansässige AGg. (Schiedsbeklagte) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Parteien schlossen am 5.6.2013 mit Schiedsklauseln versehene Verträge über den Kauf bzw. Verkauf von Immobilien sowie über die Abtretung und Übertragung von Anteilen an zwei Handelsgesellschaften. Da die AGg. nach Ansicht der ASt. ihren Verpflichtungen aus den Verträgen nicht nachkam, hat sie das Ständige Schiedsgericht bei der kroatischen Wirtschaftskammer in Zagreb angerufen.
Das Ständige Schiedsgericht bei der kroatischen Wirtschaftskammer hat am 7.9.2017 in Zagreb/Kroatien in dem zwischen den Parteien geführten Schiedsverfahren entschieden. Die AGg. hat zum Handelsgericht in Zagreb Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs erhoben. Das Gericht hat die Klage mit Urteil vom 13.11.2018 abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die AGg. unter dem 19.11.2018 Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde. Unter dem 22.5.2018 hat die ASt. unter Vorlage des kroatischen Schiedsspruchs in beglaubigter Kopie dessen Vollstreckbarerklärung beantragt.
[1]II.1. Die Zuständigkeit des OLG München folgt aus § 1062 I Nr. 4, II ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (BayGVBl. 295), da die AGg. ihren Sitz in München hat.
[2]2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zulässig.
[3]a) Der Schiedsspruch wurde zwar nur in beglaubigter Abschrift vorgelegt. Diese Form genügt jedoch, da die Regelungen in Art. II mit Art. IV I litt. a und b UNÜ nicht als Zulässigkeitsvoraussetzungen, sondern als Beweisbestimmungen zu verstehen sind (OLG München, Beschl. vom 30.5.2016 – 34 Sch 3/15 (IPRspr 2016-310), juris; Eberl-Eberl in Saenger-Eberl-Eberl, Schiedsverfahren, § 1061 Rz. F6 m.w.N.). Jedenfalls sind die anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts (§ 1064 I i.V.m. III ZPO) erfüllt (vgl. Art. VII Abs. 1 UNÜ). Im Übrigen sind die Schiedsabreden, die Existenz und Authentizität des Schiedsspruchs sowie dessen tragender Inhalt zwischen den Parteien unstreitig.
[4]b) Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auch nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ... Die ASt. ist berechtigt, den Schiedsspruch in mehreren Ländern für vollstreckbar erklären zu lassen, um auf Vermögen der Schuldnerin weltweit, und nicht nur im Erlassstaat des Schiedsspruchs, zugreifen zu können. Eine Einschränkung der Vollstreckbarerklärung käme nur dann in Betracht, wenn die AGg. den Nachweis, dass Forderungen der ASt. aus dem Schiedsspruch bereits erfüllt wurden, erbracht hätte. Dies ist aber nicht der Fall ...
[5]3. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist begründet, weil Versagungsgründe weder begründet geltend gemacht noch solche, die von Amts wegen zu beachten wären, ersichtlich sind.
[6]a) Eine Aussetzung des Verfahrens (Art. VI UNÜ) im Hinblick auf den Aufhebungsantrag in Kroatien kommt nach derzeitigem Verfahrensstand nicht in Betracht. Allein die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens im Heimatstaat des Schiedsspruchs führt nicht dazu, dass das Vollstreckbarerklärungsverfahren ausgesetzt werden müsste (MünchKommZPO-Adolphsen, 5. Aufl. [2017], UNÜ Art. VI Rz. 2). Erforderlich ist vielmehr auch, dass der Antragsgegner die von ihm im Aufhebungsverfahren im Heimatstaat des Schiedsspruchs geltend gemachten Aufhebungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorträgt und diese Gründe auch erfolgsversprechend erscheinen (MünchKommZPO-Adolphsen, 5. Aufl. [2017], UNÜ Art. VI Rz. 2 m.w.N.).
[7]Hierzu hat die AGg. aber nur vorgetragen, sie sei der Ansicht, dass die ASt. ihr Recht auf die Einleitung eines Schiedsverfahrens verwirkt habe, weil sie vor Einleitung des Schiedsverfahrens staatliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet habe. Dieser Einwand ist jedoch nicht erfolgsversprechend.
[8]Zum einen legt Art. VI Abs. 4 EuÜ ausdrücklich fest, dass die Anrufung eines staatlichen Gerichts bzgl. einstweiliger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht dazu führt, dass anschließend auch die Geltendmachung der Hauptsache vor den staatlichen Gerichtsbarkeit erfolgen muss. Eine derartige Regelung haben die Parteien auch nicht in ihrer Schiedsvereinbarung getroffen. Die Vereinbarung lautet nur, dass auch der einstweilige Rechtsschutz der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen sein soll. Konsequenzen der Nichtbeachtung enthält die Vereinbarung nicht, so dass auf Art. VI Abs. 4 EuÜ zurückgegriffen werden muss. Hieraus ergibt sich aber ausdrücklich, dass eine Anrufung staatlicher Gerichte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Schiedsvereinbarung gerade nicht aufhebt. Der AGg. hätte es jedoch freigestanden vor dem staatlichen Gericht die Schiedseinrede zu erheben und im dortigen Verfahren prüfen zu lassen, ob die getroffene Schiedsvereinbarung die Anrufung staatlicher Gerichte auch für den einstweiligen Rechtsschutz wirksam ausgeschlossen hat. Hier ist diese Frage jedenfalls nicht mehr zu klären.
[9]Darüber hinaus wurde die Klage der AGg. bereits in erster Instanz vor den staatlichen Gerichten in Kroatien abgewiesen.
[10]b) Der Schiedsspruch ist auch i.S.d. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ verbindlich. Die Möglichkeit der Erhebung einer Aufhebungsklage im Heimatstaat des Schiedsspruchs beseitigt die Verbindlichkeit des Schiedsspruchs nicht (MünchKomm-Adolphsen, ZPO, 5. Aufl., Art. V UNÜ Rz. 56; BGH, NJW 1988, 3050; KG SchiedsVZ 2012, 112). Ein den Schiedsspruch aufhebendes Urteil ist bisher noch nicht ergangen, so dass bereits deshalb ein Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 lit. e Alt. 2 UNÜ nicht in Betracht kommt.
[11]c) Versagungsgründe nach Art. V UNÜ sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die ASt. durch die Anrufung des staatlichen Gerichts ihr Recht auf Einleitung eines Schiedsverfahrens nicht verwirkt (vgl. oben). Darüber hinaus handelt es sich dabei um keinen von Amts wegen zu berücksichtigenden Aufhebungsgrund. Es handelt sich allenfalls um einen Aufhebungsgrund nach Art. V Abs. 1 lit. c UNÜ. Mit diesem Einwand wäre die AGg. aber jedenfalls präkludiert (Art. V Abs. 1 EuÜ; vgl. BGH, NJW 2011, 1290 Rz. 12 (IPRspr 2010-310)), da sie, trotz ausführlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung, nicht einmal behauptet, die Rüge der Unzuständigkeit bereits im Schiedsverfahren erhoben zu haben.