Der für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. a), b) EuGVVO begründet für sämtliche Klagen aus einem Luftbeförderungsvertrag einen einheitlichen Gerichtsstand.
Eine Gerichtsstandsklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft, die dem Gericht, in dessen Bezirk sich der Sitz der Fluggesellschaft befindet, eine ausschließliche Zuständigkeit zuweist, ist als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Klausel-RL anzusehen und unwirksam.
Zwar richtet sich die Wirksamkeit der Rechtswahlabrede gemäß Art. 3 Abs. 5 i.V.m Art. 10 Abs. 1 Rom-I-VO nach dem Recht des Staates, das zur Anwendung käme, wenn die Rechtswahlklausel wirksam wäre. Zum Kontrollmaßstab einer Rechtswahlklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft gehören aber auch die der Umsetzung der Klausel-RL dienenden Vorschriften, welche richtlinienkonform auszulegen sind. [LS der Redaktion]
[1]I.
[2]… Die von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgebrachten weiteren rechtlichen Gesichtspunkte gegen die Entscheidung rechtfertigen keine andere rechtliche Beurteilung; das Rechtsmittel ist unbegründet.
[3]Im Einzelnen gilt folgendes:
[4]1. Soweit die Beklagte mit der Berufung - vermeintlich "erneut" - die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts rügt, geht dieser Angriff fehl.
[5]a) Zwar kann das Fehlen der internationalen Zuständigkeit trotz § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz gerügt werden, wenn das erstinstanzliche Gericht sie unzutreffend angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2003 -
[6]b) Das Landgericht war indes nach Art. 5 Abs. 1, 7 Nr. 1 lit. a) und b) VO (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO oder Brüssel-Ia-VO) international für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.
[7]aa) Nach Art. 5 Abs. 1, 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO können Personen, die - wie die Beklagte - ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats haben, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Dies ist hier der Fall.
[8]Bei der zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung in allen EU-Mitgliedsländern erforderlichen autonomen Auslegung setzt der Begriff "Ansprüche aus einem Vertrag" eine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung voraus (EuGH, Urteil vom 07.03.2018 - C-274/16, C-447/16 und C-448/16, NJW 2018, 2105, juris Rn. 58 ff. - flightright; EuGH, Urteil vom 20.04.2016 - C-366/13, ZIP 2016, 1747 (1751) Rn. 53 - Profit Investment SIM; BGH, Urteil vom 26.03.2019 -
[9]Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht zunächst Auskunftsansprüche hinsichtlich der Höhe der von den Zedenten an die Beklagte für die vertraglich vereinbarten Flugbeförderungsleistungen gezahlten Steuern und Gebühren geltend, um auf der zweiten Stufe deren Rückerstattung zu verlangen. Ein entsprechender Rückzahlungsanspruch in einem Kausalzusammenhang mit der vertraglichen Beziehung zwischen der Beklagten und den Zedenten aus dem Luftbeförderungsvertrag folgt hierbei nach deutschem Recht aus § 648 Satz 2 BGB. Hiernach behält das Luftfahrtunternehmen im Fall einer konkludenten Kündigung des Beförderungsvertrags durch Nichtantritt eines Fluges zwar seinen Anspruch auf das vereinbarte Flugentgelt, es muss sich aber gleichwohl dasjenige anrechnen lassen, was es durch den Nichtantritt des Fluges erspart hat. Dies sind jedenfalls die auf den betroffenen Fluggast entfallenden Steuern und Gebühren, welche nur anfallen, wenn der Fluggast den Flug auch tatsächlich antritt (LG Kleve, Teilurteil vom 14.10.2020 -
[10]bb) Der für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. a), b) EuGVVO begründet für sämtliche Klagen aus einem Luftbeförderungsvertrag einen einheitlichen Gerichtsstand (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2020 -
[11]cc) Der internationalen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts steht auch keine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO entgegen.
[12] (1) Soweit die Berufung gegen die internationale Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts eine Gerichtsstandsklausel in ihren ABB einwendet, hat sie den Inhalt sowie die Voraussetzungen einer wirksamen Gerichtsstandsklausel gemäß Art. 25 EuGVVO weder erstinstanzlich noch mit der Berufungsbegründung überhaupt dargelegt.
[13](2) Abgesehen davon hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren zu einer Gerichtsstandsklausel der Beklagten zugunsten der Zuständigkeit der irischen Gerichte für sämtliche Streitigkeiten aus dem Beförderungsvertrag jüngst entschieden, dass Art. 25 EuGVVO dahin auszulegen ist, dass eine Fluggesellschaft eine Gerichtsstandsklausel, die in einem zwischen ihr und einem Fluggast geschlossenen Beförderungsvertrag enthalten ist, einer Inkassogesellschaft, an die der Fluggast seine Forderung abgetreten hat, nicht entgegenhalten kann, um die Zuständigkeit eines Gerichts für die Entscheidung einer gegen sie auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte-VO) erhobenen Klage auf eine Ausgleichsleistung in Abrede zu stellen, es sei denn, dass nach den Rechtsvorschriften des Staates, dessen Gerichte in dieser Klausel bestimmt sind, die Inkassogesellschaft in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei eingetreten ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (EuGH, Urteil vom 18.11.2020 - C-519/19, juris - E). Zwar bleiben die gerichtliche Zuständigkeit und insbesondere Gerichtsstandsvereinbarungen nach deutschem Recht von einer Abtretung grundsätzlich unberührt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. § 398 Rn. 18 m.w.N.), sodass im Falle einer - hier nicht dargelegten - wirksamen Gerichtsstandsklausel der Zessionar hieran gebunden wäre. Für diesen Fall hat der Gemeinschaftsgerichtshof aber weiter entschieden, dass eine solche Gerichtsstandsklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft, die dem Gericht, in dessen Bezirk sich der Sitz der Fluggesellschaft befindet, eine ausschließliche Zuständigkeit zuweist, gleichwohl als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) angesehen und von einem nationalen Gericht für unanwendbar erklärt werden kann. Denn eine solche Klausel gehöre zu der im Anhang der Klausel-RL unter Nr. 1 lit. q genannten Gruppe von Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass die Möglichkeit genommen oder erschwert wird, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen (EuGH a.a.O, Rn. 57 ff.). Insoweit hat der Gerichtshof auch ausdrücklich klargestellt, dass der Anwendungsbereich der für Verbraucherverträge geltenden Klausel-RL nicht von der Identität der Parteien des fraglichen Rechtsstreits, sondern vielmehr von der Eigenschaft der Vertragsparteien abhängig ist (EuGH a.a.O, Rn. 53 f.).
[14]dd) Soweit die Berufung darüber hinaus zur Begründung ihrer Zuständigkeitsrüge auf die Rechtsprechung des Gemeinschaftsgerichtshofs zum Verlust des Verbrauchergerichtsstands nach Art. 17 f. EuGVVO (bis zum 28.02.2002: Art. 13 EuGVÜ) im Falle der Abtretung an einen Zessionar, der selbst nicht die Verbrauchereigenschaft hat, verweist (vgl. EuGH NJW 1993, 1251), liegt schließlich auch dieser Einwand neben der Sache. Denn die internationale Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts folgt hier gerade nicht aus dieser Regelung zum Verbrauchergerichtsstand, die gemäß Art. 17 Abs. 3 EuGVVO auf Beförderungsverträge ohnehin keine Anwendung findet, sondern - wie dargelegt - unabhängig von der Verbrauchereigenschaft der Zedenten aus Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 lit. a), b) EuGVVO.
[15]2. Die Klage ist als Stufenklage gemäß § 254 ZPO zulässig. Die Klägerin verbindet ihren Zahlungsantrag mit einem Auskunftsantrag, weil sie ohne die begehrte Auskunft nicht in der Lage ist, ihren Zahlungsantrag zu begründen.
[16]3. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist deutsches Recht anwendbar. Denn selbst im Fall ihrer wirksamen Vereinbarung ist die von der Beklagten verwendete Rechtswahlklausel (Ziff. 2.4.1 ABB) zu Gunsten des irischen Rechts (Ziff. 2.4.1. ABB) wegen Verstoßes gegen die Klausel-RL unwirksam.
[17]a) Zwar richtet sich die Wirksamkeit der Rechtswahlabrede gemäß Art. 3 Abs. 5 i.V.m Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO) nach irischem Recht als dem Recht des Staates, das zur Anwendung käme, wenn die Rechtswahlklausel wirksam wäre. Zum Kontrollmaßstab einer Rechtswahlklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft gehören aber nach der Rechtsprechung des EuGH auch die der Umsetzung der Klausel-RL dienenden Vorschriften, welche richtlinienkonform auszulegen sind. Hierzu hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass es sich bei der Klausel-RL um eine allgemeine Regelung zum Schutz der Verbraucher handelt, die in allen Wirtschaftszweigen einschließlich desjenigen des Luftverkehrs anwendbar ist (zuletzt EuGH, Urteil 18.11.2020 - C-519/19, juris Rn. 52 m.w.N. - E). Eine Rechtswahlklausel darf daher nicht gegen die Mindestvorgaben nach Art. 3 Abs. 1 und 5 der Klausel-RL verstoßen und muss "in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz" bei Beurteilung durch ein nationales Gericht genügen (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 - C-191/15, NJW 2016, 2727; juris Rn. 65 - C).
[18]b) Diese Voraussetzungen erfüllt die hier streitgegenständliche Rechtswahlklausel indes nicht. Vielmehr erweist sie sich als irreführend, intransparent und daher rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 der Klausel-RL.
[19]aa) Nach Art. 3 Satz 1 der Klausel-RL ist eine Rechtswahlklausel unwirksam, wenn sie treuwidrig zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte des Verbrauchers darstellt. Hiernach sind Rechtswahlabreden gegenüber Verbrauchern nicht nur auf ihre inhaltliche Angemessenheit, sondern auch auf ihre Transparenz hin zu kontrollieren. Insoweit sieht Art. 5 Satz 1 Klausel-RL vor, dass Klauseln, die einem Verbraucher in Verträgen unterbreitet werden, stets klar und verständlich abgefasst sein müssen, wobei dieses Transparenzgebot im Hinblick auf das regelmäßig vorherrschende Informationsgefälle zwischen Verbraucher und Unternehmer weit auszulegen ist (EuGH, a.a.O., Rn. 68).
[20]Diesem Transparenzerfordernis wird die von der Beklagten verwendete Klausel nicht gerecht. Denn sie bringt zum Ausdruck, dass nur "Übereinkommen" (definiert in den Begriffsbestimmungen unter Ziff. 1 ABB als Montrealer Übereinkommen) und - nicht näher definierte - "einschlägige Gesetze" der Geltung des irischen Rechts für das Vertragsverhältnis mit der Beklagten entgegenstehen können. Ausgehend hiervon ergeben sich aber für einen durchschnittlichen Verbraucher ohne juristische Vorkenntnisse bereits erhebliche Schwierigkeiten zu ermitteln, was genau unter diesen Begrifflichkeiten zu verstehen ist. So fehlt dem durchschnittlichen, nicht juristisch vorgebildeten Leser insbesondere jeglicher Anhaltspunkt, welcher Rechtsordnung die genannten "einschlägigen Gesetze" zu entnehmen sind sowie welche nationalen, europäischen oder internationalen Rechtsvorschriften im Einzelnen gemeint sein könnten (vgl. LG Köln, Teilurteil vom 17.07.2020 -
[21]bb) Darüber hinaus ist die abschließende Aufführung von "einschlägige Gesetze" und "Übereinkommen" auch irreführend im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Klausel-RL.
[22]Dem durchschnittlichen Verbraucher muss zur Vermeidung einer Irreführung hinreichend deutlich werden, welches bindende Recht im Einzelnen die Rechtswahlabrede beeinflussen könnte. Nach der C-Rechtsprechung des EuGH muss der Klauselsteller den Verbraucher insbesondere über solche bindenden Rechtsvorschriften unterrichten, welche die Wirkung einer Rechtswahlabrede bestimmen (EuGH, a.a.O., Rn. 69).
[23]Das ist hier aber gerade nicht geschehen, obwohl auf der Ebene des EU-Rechts für den Bereich der Personenluftbeförderung, auf die sich das Geschäftsfeld der Beklagten bezieht, insbesondere die Bestimmungen der Fluggastrechte-VO dem ausbedungenen irischen Rechts vorgehen. Diese Verordnung wird jedoch als vorrangiges Recht im Rahmen der Rechtswahlklausel gar nicht genannt und ihr Vorrang von dem Verweis auf "Übereinkommen" und "einschlägige Gesetze" nicht erfasst, wohingegen sie an anderen Stellen der ABB ausdrücklich Erwähnung findet. Somit suggeriert die Rechtswahlklausel im Ergebnis, dass das irische Recht auch der Fluggastrechte-VO vorgehe, was aber gerade nicht der Fall ist. Dies begründet neben der dargestellten Intransparenz auch eine Irreführung des Verbrauchers (vgl. LG Köln, Teilurteil vom 17.07.2020 -
[24]c) Aufgrund der Unwirksamkeit der Rechtswahlabrede in Art. 2.4.1 der ABB der Beklagten gilt nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 1 Rom-I-VO vorliegend deutsches Sachrecht. Denn nach dieser Vorschrift ist das Recht des Staats entscheidend, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder Bestimmungsort befindet. Dies war hier in allen Fällen unstreitig Deutschland.
[25]4. ...