Der für die internationale Zuständigkeit eines Auskunftsanspruchs aus einem Luftbeförderungsvertrag maßgebliche Erfüllungsort i.S.d. Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO ist grundsätzlich - nach Wahl des Fluggastes - entweder der Ort des vertragsgemäßen Abflugs oder der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs
Nach Art. 5 II Rom I-VO ist bei einem Vertrag über die Beförderung von Personen - sofern eine Rechtswahl nach Unterabsatz 2 der Vorschrift nicht getroffen wurde - das Recht des Staates anzuwenden, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (hier: Deutschland), sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. [LS der Redaktion]
Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ein Luftverkehrsunternehmen, im Wege der Stufenklage aus abgetretenem Recht zunächst einen Anspruch auf Auskunftserteilung über die Höhe von Steuern und Gebühren geltend, die von den Zedenten an die Beklagte entrichtet wurden. Die Zedenten buchten bei der Beklagten Flüge mit Start- bzw. Zielflughafen Weeze, wobei jeweils nicht angegeben war, welcher Anteil des Flugentgelts auf Steuern und Gebühren entfiel. Im Rahmen des jeweiligen Buchungsvorgangs wurde den Zedenten keine Möglichkeit gegeben, die jeweils gültigen AGB der Beklagten in wiedergabefähiger Form herunterzuladen und zu speichern. Die AGB wurden den Zedenten auch nicht vor bzw. nach Vertragsschluss zugeschickt. Trotz vorheriger Entrichtung des Flugpreises inkl. Steuern und Gebühren traten die Zedenten bzw. diejenigen Personen, für welche sie die Flüge gebucht hatte, die Flüge nicht an. Die Zedenten traten etwaige Rückforderungsansprüche, die sich aus dem Nichtantritt der Flüge ergaben, an die Klägerin ab. Diese forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Offenlegung der auf das jeweilige Flugentgelt entfallenden Steuern und Gebühren und Zahlung des entsprechenden Betrags auf. Dem kam die Beklagte nicht nach.
Die Klägerin beantragt in der ersten Stufe, die Beklagte zu verurteilen, offenzulegen, in welcher Höhe auszuweisende Steuern und Gebühren bei den Buchungen angefallen sind.
[1]Die Klage ist zulässig und hinsichtlich der ersten Stufe, über die hier einzig zu entscheiden war, in vollem Umfang begründet.
[2]I.
[3]Die Klage ist zulässig.
[4]1. Insbesondere ist das Landgericht Kleve nach Art. 5 Abs. 1, 7 Nr. 1a Brüssel-Ia-VO örtlich zuständig, da der Erfüllungsort der jeweiligen Flugbeförderungsverträge am Flughafen Weeze und damit im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Kleve lag.
[5]a) Die internationale Zuständigkeit ist nach den Regelungen der Verordnung (EU) Nr. #####/#### des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) zu bestimmen.
[6]b) Nach Art. 5 Abs. 1, 7 Nr. 1a Brüssel-Ia-VO können Personen, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats haben, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Begriff "Ansprüche aus einem Vertrag" ist hierbei autonom auszulegen, um eine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten (EuGH, NJW 2018, 2105 Rn. 58 - flightright; BGH, NJW 2019, 2780 Rn. 35; jeweils m. w. N.). Er setzt eine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung voraus (EuGH, NJW 2018, 2105 Rn. 60 - flightright; BGH, NJW 2019, 2780 Rn. 35 (IPRspr 2019-267); jeweils m. w. N.). Bei einer Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge genügt die Feststellung, dass ohne eine freiwillig eingegangene vertragliche Beziehung zwischen den Parteien nicht gezahlt worden wäre und kein Rückgewähranspruch bestünde. Dieser Kausalzusammenhang zwischen dem Rückgewähranspruch und der vertraglichen Beziehung reicht aus, um die Klage auf Rückgewähr zu den Fällen zu zählen, in denen ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden (EuGH, ZIP 2016, 1747 Rn. 55 - Profit T2; BGH, NJW 2019, 2780 Rn. 35 (IPRspr 2019-267)).
[7]Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht zunächst Auskunftsansprüche hinsichtlich der Höhe der von den Zedenten an die Beklagte i. R. d. jeweiligen Buchungsvorgänge gezahlten Steuern und Gebühren geltend, um in der zweiten Stufe Zahlung zu verlangen. Ein entsprechender Zahlungsanspruch folgt hierbei aus § 648 S. 2 BGB. Hiernach behält das Beförderungsunternehmen im Fall der konkludenten Kündigung des Beförderungsvertrags durch Nichtantritt des Fluges zwar grundsätzlich seinen Anspruch auf Flugentgelt, es muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was es durch die Nichtausführung des Fluges erspart hat. Dies sind jedenfalls die auf den betroffenen Fluggast entfallenden Steuern und Gebühren, da diese nur anfallen, wenn der Fluggast den Flug tatsächlich antritt (LG Frankfurt a. M., BeckRS 2020, 15394 (IPRspr 2020-207)).
[8]c) Der demnach für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort i. S. d. Art. 7 Nr. 1a Brüssel-Ia-VO ist grundsätzlich - nach Wahl des Fluggastes - entweder der Ort des vertragsgemäßen Abflugs oder der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs (BGH, NJW 2011, 2056 (IPRspr 2011-182b); EuGH, NJW 2009 - Rehder/Air Baltic). Diese im Zusammenhang mit der Fluggastrechte-VO entwickelte Rechtsprechung ist auf die Kündigung isolierter Beförderungsverträge gem. § 648 S. 2 BGB zu übertragen, um eine "gespaltene" Auslegung der Regelungen über die örtliche und internationale Zuständigkeit zu verhindern (LG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Februar 2017
[9]Bei sämtlichen streitgegenständliche Buchungen war entweder Abflug- oder Zielflughafen Weeze, sodass ein internationaler und zugleich örtlicher Gerichtsstand in Kleve zu bejahen ist.
[10]2.
[11]2. Auch die Voraussetzungen der Stufenklage nach § 254 ZPO sind erfüllt. Die Klägerin verbindet ihren Zahlungsantrag mit einem Auskunftsantrag, da sie ohne die Auskunft nicht in der Lage wäre, ihren Zahlungsantrag zu beziffern.
[12]3.
[13]Die Klage ist in der ersten Stufe, über die vorliegend allein zu entscheiden war, begründet.
[14]1. Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) war über die Frage der Begründetheit der Klage unter Zugrundelegung deutschen Rechts zu entscheiden.
[15]Hiernach ist bei einem Vertrag über die Beförderung von Personen - sofern eine Rechtswahl nach Unterabsatz 2 der Vorschrift nicht getroffen wurde - das Recht das Recht des Staates anzuwenden, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet.
[16]a) Es kann insofern dahinstehen, ob die vermeintlich in den jeweils gültigen AGB der Beklagten enthaltene Rechtswahlklausel irreführend und intransparent i. S. d. Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) ist, da die Beklagte trotz mehrfacher Hinweise des Gerichts sowohl hinsichtlich des Inhalts der angeblich vorhandenen Klauseln als auch hinsichtlich der Einbeziehung in die jeweiligen Buchungsvorgänge beweisfällig geblieben ist. Ein Vorabentscheidungsgesuch nach Art. 267 AEUV, wie i. R. d. mündlichen Verhandlung erörtert, war deshalb nicht geboten.
[17]Grundsätzlich kann sich ein Zessionar bezüglich solcher Umstände, die Gegenstand der Wahrnehmung des Zedenten waren, nicht auf ein bloßes Nichtwissen berufen, sondern muss vielmehr zum Ergebnis seiner Erkundigen nach § 412, 402 BGB vortragen (BGH, NJW 1992, 1624 m. w. N.).
[18]Auch wenn die Klägerin vorliegend erklärt hatte, die Behauptung der Beklagten, dass eine derartige Rechtswahlklausel zum Zeitpunkt der jeweiligen Buchungen überhaupt in den AGB der Beklagten enthalten war, mit Nichtwissen zu bestreiten, hat sie doch entsprechend der oben zitierten Rechtsprechung zum Ergebnis ihrer Erkundigen bei den jeweiligen Zedenten vorgetragen. Sie gab nämlich an, deswegen nicht zum Inhalt der jeweiligen AGB vortragen zu können, da die Beklagte - insofern unbestritten - i. R. d. jeweiligen Buchungsvorgänge entgegen § 312i BGB weder eine Möglichkeit gegeben habe, die AGB in wiedergabefähiger Form herunterzuladen und zu speichern, noch diese den Zedenten gesondert zugeschickt habe. In diesem Fall entspricht es jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Zedenten hinsichtlich des Inhalts der AGB keine näheren Angaben machen konnten, sodass der Klägerin im Ergebnis auch ein pauschales Bestreiten nicht zu verwehren war.
[19]Obgleich die Beklagte sowohl in der Terminsladung als auch in der mündlichen Verhandlung selbst darauf hingewiesen worden war, dass der Inhalt der jeweils maßgeblichen AGB weder konkret vorgetragen noch belegt war, hat sie bis zuletzt nicht ergänzend vorgetragen, sodass etwaige Regelungen in den AGB i. R. d. rechtlichen Würdigung keine Berücksichtigung finden können.
[20]b) Nach der somit maßgeblichen Regelung des Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO findet deutsches Recht Anwendung, da der Erfüllungsort der jeweiligen Beförderungsverträge im Bereich der Bundesrepublik Deutschland war und die jeweiligen Zedenten ihren gewöhnlichen Aufenthalt hier haben.
[21]2. Die Klägerin kann von der Beklagten Auskunft über die i. R. d. jeweiligen Flugbuchungen vereinnahmten Steuern und Gebühren verlangen, §§ 242, 398 BGB.
[22]a) ...