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Verfahrensgang

OLG Hamburg, Zwischenurt. vom 30.03.2007 – 11 U 231/04, IPRspr 2007-17

Rechtsgebiete

Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft, die nicht unter die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EG und auch nicht unter sonstige Freizügigkeitsabkommen oder Staatsverträge fällt (hier: eine Private Company Limited by Shares nach dem Recht der Isle of Man), bestimmt sich weiterhin nach der Sitztheorie.

Verlegt eine solche Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland, ohne dadurch ihre rechtliche Existenz nach dem Sachrecht des Gründungsstaats zu verlieren, ist sie als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln, die durch ihre Gesellschafter gesetzlich vertreten wird.

Die Wirksamkeit von Vertretungshandlungen wird dadurch nicht berührt, dass diese von „Organen“ vorgenommen wurden, die unter dem vermeintlich geltenden ausländischen Recht bestellt wurden.

Rechtsnormen

2/1931 CA (Isle of Man/UK) Art. 25; 2/1931 CA (Isle of Man/UK) Art. 66; 2/1931 CA (Isle of Man/UK) Art. 69; 2/1931 CA (Isle of Man/UK) Art. 96 ff.; 2/1931 CA (Isle of Man/UK) Art. 107; 2/1931 CA (Isle of Man/UK) Art. 142; 2/1931 CA (Isle of Man/UK) Art. 143
6/1998 CA (Isle of Man/UK) Art. 11
AktG § 57; AktG § 71a; AktG § 71d
Beitrittsakte 1972-3. Prot Art. 2
BGB § 14
EGBGB Art. 4; EGBGB Art. 7; EGBGB Art. 37
EGV-Amsterdam Art. 12; EGV-Amsterdam Art. 43; EGV-Amsterdam Art. 48; EGV-Amsterdam Art. 299
FrHSchV D-USA Art. XXV
GmbHG § 7; GmbHG § 11
HGB § 1; HGB § 128
IncomeTaxA 1984 (Isle of Man/UK) Art. 2
ZPO § 50; ZPO § 56; ZPO § 110; ZPO § 280; ZPO § 420; ZPO § 438

Sachverhalt

Die Kl., eine auf der Isle of Man gegründete Gesellschaft, begehrt von der Bekl. die Auszahlung eines angeblichen Kontoguthabens in Höhe von 47 500 000 Euro. Sie macht geltend, im Rahmen des Verkaufs der K. & Co. AG an die so genannte B.-Gruppe im Jahr 2001 durch die Verpfändung ihres Kontoguthabens bei der Bekl. als Teil einer aufwendigen Finanzierungskonstruktion gedient zu haben, die im wirtschaftlichen Ergebnis darauf gerichtet gewesen sei, unter Verstoß gegen die §§ 57 I, 71a I 1, 71d AktG einen Teil der Übernahme mit Mitteln der Zielgesellschaft zu finanzieren (sog. leveraged buyout).

Das LG hat in erster Instanz die Klage als unbegründet abgewiesen (Urt. vom 10.9.2004). Die Kl. verfolgt ihren Anspruch in dem hier anhängigen Berufungsverfahren weiter. In der Folge eines Zwischenstreits über die Pflicht der Kl. zur Leistung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO – dieser wurde durch das Zwischenurteil des Senats vom 20.9.2005 beschieden – ist fraglich geworden, ob die Kl. (noch) auf der Isle of Man ansässig ist oder ob sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in Deutschland befindet und ob sie vor diesem Hintergrund überhaupt parteifähig ist. Der Senat hat deshalb in der mündlichen Verhandlung vom 16.2.2007 beschlossen, über die Frage der Zulässigkeit der Klage gemäß § 280 I ZPO vorab zu verhandeln.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Klage ist zulässig. Die Kl. ist partei- und prozessfähig (dazu unter 1.). Allerdings ist das Rubrum dahingehend zu berichtigen, dass sie durch ihre Gesellschafter vertreten wird (dazu unter 2.).

[2]1. Die Kl. ist in Deutschland als rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 II BGB) rechts- und parteifähig.

[3]a) Gemäß § 50 I ZPO richtet sich die Parteifähigkeit nach der Rechtsfähigkeit einer Person. Ob eine Partei rechtsfähig ist, hat das Gericht jederzeit und von Amts wegen zu prüfen, § 56 I ZPO.

[4]b) Die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften ist im deutschen IPR bisher nicht explizit geregelt. So gilt insbesondere Art. 7 EGBGB ausweislich der Überschrift des zweiten Abschnitts nur für natürliche Personen und gemäß Art. 37 Nr. 2 EGBGB sind die Bestimmungen über das Vertragsstatut nicht auf das Gesellschaftsrecht anwendbar. Zur Bestimmung des anwendbaren Personalstatuts werden im Wesentlichen zwei Theorien vertreten.

[5]aa) Nach der Gründungstheorie beurteilt sich die Rechtsstellung einer Gesellschaft grundsätzlich nach dem Recht, das nach dem Willen der Gründer maßgeblich sein sollte; eine Verlegung des Verwaltungssitzes führt daher nicht zu einer Änderung des anwendbaren Rechts und beeinträchtigt damit nicht den Fortbestand der Rechtspersönlichkeit (Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., 575). Die Gründungstheorie hat ihren Ursprung im englischen Kolonialsystem und wird von daher traditionell v.a. im angloamerikanischen Rechtskreis vertreten (vgl. Großfeld in Festschrift Westermann, 1974, 199, 200 ff.). In Deutschland wird sie insbesondere in der Wissenschaft verstärkt vertreten (vgl. z.B. Ulmer-Behrens, Großkomm. GmbHG, 2005, Einl. B Rz. B 38 a.E.; Kropholler aaO; wohl auch Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, 269 ff.). Demgegenüber stand die deutsche Rechtsprechung jahrelang fest auf dem Boden der sog. Sitztheorie (vgl. u.a. BGHZ 53, 181, 183 (IPRspr. 1970 Nr. 7); 78, 318, 334 (IPRspr. 1980 Nr. 41); 97, 269, 271 (IPRspr. 1986 Nr. 19); siehe außerdem Staudinger-Großfeld, IntGesR, Neub. 1998, Rz. 38 ff.; MünchKomm-Kindler, 4. Aufl., IntGesR Rz. 400 ff.). Danach beurteilt sich das Personalstatut der Gesellschaft nach dem Recht am tatsächlichen Verwaltungssitz (Kropholler aaO 571). Zu kurz greift demgegenüber die Ansicht (wie etwa Großfeld aaO Rz. 427 unter Verweis auf LG Aurich, IPRspr. 1968–1969 Nr. 14), die Sitztheorie besage, dass ein nicht nach dem Recht des tatsächlichen Verwaltungssitzes gegründetes Gebilde für das deutsche Recht eine ‚nicht existente Rechtsperson’ sei. Denn die Sitztheorie beantwortet nur die Vorfrage, welches Recht anzuwenden ist (vgl. BGHZ 151, 204, 206 f. (IPRspr. 2002 Nr. 18); Altmeppen, DStR 2000, 1061, 1062; Kindler aaO Rz. 405; W.H. Roth, ZIP 2000, 1597, 1599).

[6]bb) Zwischenzeitlich ist der Anwendungsbereich der Sitztheorie erheblich eingeschränkt worden. Nach den Urteilen des EuGH in den Rechtssachen Überseering (EuGH, Urt. vom 5.11.2002 – Rs. C208/00, Slg. 2002, I9919) und Inspire Art (EuGH, Urt. v. 30.9.2003 – Rs. C167/01, Slg. 2003, I-10155) sind Gesellschaften im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EG in einem Aufnahmestaat in dem Maße rechts- und parteifähig, als sich dies aus dem Recht ihres Gründungsstaats ergibt (siehe insb. EuGH, Urt. vom 5.11.2002 aaO Rz. 95; zur Umsetzung in Deutschland siehe BGHZ 154, 185, 189 f. (IPRspr. 2003 Nr. 13)). Dies gilt n. d. Rspr. des BGH auch für die EWR-Staaten, so dass z.B. Kapitalgesellschaften nach liechtensteinischem Recht mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland vor deutschen Gerichten rechts- und parteifähig sind (BGHZ 164, 148) (IPRspr 2005-7). Zudem hat der BGH entschieden, dass gemäß Art. XXV Abs. 5 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II 487) in den USA gegründete Gesellschaften nach ihrem Gründungsrecht zu behandeln sind, sofern sie noch ein Minimum an geschäftlichen Aktivitäten in den USA entfalten, etwa ein Depot bei einer amerikanischen Bank unterhalten (BGHZ 153, 353 (IPRspr. 2003 Nr. 10); BGH, NZG 2004, 1001 (IPRspr 2004-15)). Alle diese Entscheidungen laufen auf eine Anwendung der Gründungstheorie hinaus, so dass inzwischen der weitaus größte Teil der in Deutschland ansässigen, d.h. verwalteten, ausländischen Gesellschaften nach dem Gründungsrecht zu beurteilen ist.

[7]cc) Die Kl. fällt unter keine der oben unter bb) genannten Ausnahmen. Insbesondere kann sie sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EG berufen. Wie der Senat bereits in seinem Zwischenurteil vom 20.9.2005 ausführlich dargestellt hat, ist die Isle of Man eine Besitzung der britischen Krone, nicht aber Bestandteil des Vereinigten Königreichs (vgl. Solly, Government and Law in the Isle of Man, 1994, 98). Damit ist die Isle of Man lediglich europäisches Hoheitsgebiet, nicht aber Mitgliedstaat oder Teilhaberin an einem ‚Mitgliedstaat-Status’. Die Beziehungen der Isle of Man zur EU ergeben sich vielmehr aus Art. 299 VI lit. c EG i.V.m. dem Protokoll Nr. 3 betreffend die Anwendung der Verträge auf die Kanalinseln und die Insel Man (BGBl. II 1972, 1338) zum Vertrag über den Beitritt zur Eurpäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft vom 22.1.1971 (BGBl. II 1127). Nach Art. 2 des Protokolls sind insbesondere die Vorschriften über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht anwendbar. Dasselbe gilt für die Niederlassungsfreiheit (Solly aaO 169). Auch das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG findet nach Maßgabe des Protokolls Nr. 3 nur im Hinblick auf Zölle und mengenmäßige Beschränkungen Anwendung. Die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit finden daher auf Gesellschaften von der Isle of Man keine Anwendung (so auch KG, NZG 2005, 758, 759 (IPRspr 2005-2); Thölke, DNotZ 2006, 145, 147). Die Isle of Man ist auch nicht Teil des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) vom 2.5.1992 (BGBl. 1993 II 267) oder Partei eines Staatsvertrags mit der Bundesrepublik Deutschland, auf dessen Grundlage dort gegründete Gesellschaften in Deutschland unabhängig von ihrem tatsächlichen Sitz anzuerkennen wären (vgl. die Auflistung der Staatsverträge bei Eidenmüller-Rehm, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 2 Rz. 12 ff.).

[8]dd) Entscheidend ist daher, welche Auswirkungen die neue Rechtsprechung zur Anwendung der Gründungstheorie auf Gesellschaften hat, die in solchen Drittstaaten gegründet wurden, die weder unter die europäische Niederlassungsfreiheit fallen noch durch besondere Staatsverträge mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind. In einer Entscheidung, die eine nach dem Recht der Kanalinsel Jersey gegründete Gesellschaft betraf, hat der BGH noch vor Erlass des Urteils des EuGH in der Rs. Überseering entschieden, dass für solche Gesellschaften nach wie vor die Sitztheorie maßgeblich sei (BGHZ 151, 204 ff.) (IPRspr. 2002 Nr. 18). Seit den Entscheidungen, die sich der Gründungstheorie näherten, hat sich der BGH allerdings – soweit ersichtlich – nicht mehr zu der Frage der Fortgeltung der Sitztheorie für Gesellschaften aus Drittstaaten geäußert (ohne genauere Auseinandersetzung bejahend aber BayObLG, RIW 2003, 387, 388 (IPRspr. 2003 Nr. 155)). Er hat vielmehr in einem obiter dictum die Frage, ob auch für Gesellschaftsgründungen in Drittstaaten die Gründungstheorie anzuwenden sei, ausdrücklich offengelassen (BGH, NVwZ-RR 2006, 28, 29) (IPRspr 2004-17). Die Stellungnahmen in der Literatur gehen überwiegend davon aus, dass für Drittstaatengesellschaften nach wie vor die Sitztheorie maßgeblich sei (Ebke, JZ 2003, 927, 930; Horn, NJW 2004, 893, 897; Palandt-Heldrich, BGB, 66. Aufl., Anh. zu Art. 12 EGBGB Rz. 9; Kindler aaO Rz. 433; Mankowski, RIW 2005, 481, 486). Eine Vielzahl von Stimmen tritt allerdings dafür ein, einheitlich zur Gründungstheorie überzugehen (Behrens, IPRax 2003, 193 ff, 205 f.; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 ff, 2244; Kieninger, ZEuP 12 (2004), 685 ff, 702 f.; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 ff, 935 f.; Eidenmüller-Rehm aaO § 2 Rz. 87 ff.; Zimmer, ZHR 168 (2004), 355, 365; für einen konkreten Gesetzesvorschlag siehe den Vorschlag des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht für eine Regelung des Internationalen Gesellschaftsrechts auf europäischer/nationaler Ebene, abgedruckt in RIW 2006, Beilage 1, 6 f.). Zudem hat das OLG Hamm (BB 2006, 2487, 2488 f.) (IPRspr 2006-4) entschieden, dass auch für den Nicht-EWR-Staat Schweiz aufgrund eines Freizügigkeitsabkommens, das zwar keine gesellschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit gewähre, aber im Zusammenhang mit weiteren Annährungsschritten zwischen der Schweiz und der EU zu sehen sei, die Gründungstheorie maßgeblich sei.

[9]Für einen allgemeinen Übergang zur Gründungstheorie spricht, dass dadurch eine gespaltene Anknüpfung vermieden werden kann, die zu dem problematischen Ergebnis führen würde, dass für einen Rest von Drittstaatengesellschaften die Sitztheorie maßgeblich bliebe, während der ganz überwiegende Teil der Gesellschaften nach der Gründungstheorie behandelt würde. Dies wäre dem internationalen Rechtsverkehr auf Dauer abträglich.

[10]Letztlich dürfte das mit der Sitztheorie verfolgte Schutzbedürfnis entfallen sein, wenn mit den englischen Limiteds, mit den Anstalten liechtensteinischen Rechts und mit den Corporations nach dem Recht des US-Staats Delaware all jene Gesellschaftsformen nach ihrem Gründungsrecht anerkannt werden, die traditionell als besonders ‚regelungsarm’ und damit den Rechtsverkehr besonders gefährdend angesehen wurden. Allfälligen Schutzbedürfnissen gegenüber Drittstaatengesellschaften kann auch unter Geltung der Gründungstheorie systemimmanent durch die Schaffung von Sonderanknüpfungen begegnet werden (ausführlich Ulmer-Behrens aaO Rz. B 44 ff.). Dagegen könnte die Beibehaltung der Sitztheorie für Drittstaatengesellschaften sogar zu einer Verunsicherung des Rechtsverkehrs führen, der sich inzwischen darauf eingestellt haben dürfte, dass ausländische Gesellschaften nach ihrem Gründungsrecht anerkannt werden und sogar Verbindungen mit deutschen Gesellschaftsrechtsformen wie eine Limited & Co. KG eingehen können. Auch wenn beachtliche Gründe für einen generellen Übergang zur Gründungstheorie sprechen, so handelt es sich bei einem solchen letztlich um eine rechtspolitische Entscheidung. Wie die Initiative des Deutschen Rates für IPR zeigt, sollte zunächst eine einheitliche Regelung auf europäischer Ebene angestrebt werden. Selbst wenn man das anders sehen und für eine autonome Lösung nach deutschem IPR plädieren wollte, ist es doch nicht Aufgabe eines Instanzgerichts, der einheitlichen Rechtsentwicklung insoweit vorzugreifen. Auf Basis der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist die Rechtsfähigkeit von in Drittstaaten gegründeten Gesellschaften weiterhin nach der Sitztheorie zu bestimmen, d.h. nach dem Gesellschaftsrecht des Staats, in dem sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz haben.

[11]c) Die Kl. hat ihren tatsächlichen Verwaltungssitz am 14.2.2002 nach Deutschland verlegt und unterliegt daher seitdem dem deutschen Gesellschaftssachrecht.

[12]aa) Die Rechsprechung des BGH bestimmt den tatsächlichen Verwaltungssitz in Anlehnung an Sandrock (in Festschrift Beitzke, 1979, 669, 683 f.) als den Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also als den Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272). Entscheidend soll demnach nicht der Ort sein, an dem die ‚großen Richtlinien-Entscheidungen’ fallen, sondern derjenige, wo diese laufend in tägliches Verwaltungshandeln umgesetzt werden (Sandrock aaO 684).

[13]bb) Für den Zeitraum ab Gründung der Kl. bis zum Verkauf der Anteile durch die Gründungsgesellschafter bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschaft Aktivitäten außerhalb der Isle of Man entfaltet hat.

[14]Seit dem Erwerb der Kl. durch V. A. und der Weiterveräußerung an die K. & Co. AG bestehen Zweifel, wo sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Kl. befand. Unter der Leitung von H. A. und D. S. wurde die Gesellschaft allem Anschein nach von London aus geführt. Eindeutig ist dies aber nicht, da zu wenig über die damalige Geschäftsführung bekannt ist. Insbesondere soll die Kl. laut einer Präsentation vom 10.4.2002 im Oktober 2001 Assets der A. Shipping Lines Limited erworben haben, worüber nichts Genaueres bekannt ist. Sofern der tatsächliche Verwaltungssitz nicht zweifelsfrei feststellbar ist, besteht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass sich dieser in dem Staat befindet, nach dessen Recht die Gesellschaft erkennbar organisiert ist (OLG München, NJW 1986, 2197, 2198 (IPRspr. 1986 Nr. 21); siehe auch OLG Hamm, NJW-RR 1995, 469, 470 (IPRspr. 1994 Nr. 196) für das grundbuchrechtliche Eintragungsverfahren). Bis zur Abberufung der directors am 14.2.2002 war die Kl. erkennbar nach dem Recht der Isle of Man organisiert. Sie hat sich den registerrechtlichen Regelungen und grundsätzlich auch dem Vertretungsregime des dortigen Gesellschaftsrechts unterworfen. Es besteht daher eine Vermutung dafür, dass die Kl. ihren Sitz auf der Isle of Man hatte und somit dem dortigen Gesellschaftsrecht unterlag. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Kl. damals ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in London hatte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Dann wäre gemäß der Sitztheorie das englische Recht für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit der Kl. maßgeblich. Wegen des Grundsatzes der Gesamtverweisung, Art. 4 I 1 EGBGB, wäre zunächst das englische IPR anzuwenden. Dieses folgt aber der Gründungstheorie (vgl. Behrens, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung im internationalen und europäischen Recht, 2. Aufl., Rz. 645 ff.) und nimmt daher den Verweis nicht an, sondern verweist seinerseits weiter auf das Gründungsrecht der Isle of Man. Da auch die Isle of Man der Gründungstheorie folgt (vgl. Cain, Guarantee and Hybrid Companies in the Isle of Man, 2003, 63), nimmt das dortige Recht den Verweis an. Damit ist diese Weiterverweisung auch für das deutsche IPR verbindlich (vgl. Kropholler aaO 174). Somit richtete sich die Rechtsfähigkeit der Kl. bis zum 13.2.2002 in jedem Fall nach dem Recht der Isle of Man.

[15]Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die Rechtsfähigkeit der Kl. nach dem Recht der Isle of Man gegeben war. Zwar hat die Kl. sämtliche Nachweise ihrer Existenz, insbesondere auch das Certificate of Incorporation sowie die diversen Certificates der Financial Supervion Commission (im Folgenden FSC) über ihren Fortbestand lediglich in einfacher Fotokopie vorgelegt. Damit ist den Anforderungen des § 438 ZPO über die Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden nicht Genüge getan (vgl. dazu KG, NZG 2005, 758, 759 (IPRspr 2005-2)). Bei der Prüfung der Partei- und Prozessfähigkeit sind jedoch nicht die Regeln des Strengbeweises maßgeblich; es gilt vielmehr der Grundsatz des Freibeweises (BGH, NJW 1951, 441, 442; NJW 1992, 627, 628 (IPRspr. 1991 Nr. 204)). Dabei ist das Gericht auch nicht an die durch die Parteien beigebrachten Tatsachen gebunden, es hat vielmehr das Recht der Amtsermittlung (BGH, NJW 1996, 1059, 1060).

[16]Vorliegend ist der Senat der Überzeugung, dass von der ordnungsgemäßen Gründung sowie der Fortexistenz der Kl. während der Zeit, in der sich diese Fragen nach dem Recht der Isle of Man beurteilen, auszugehen ist ... Unter Zugrundelegung des Inhalts der als Fotokopie wiedergegebenen Urkunden wurde die Kl. wirksam nach dem Recht der Isle of Man gegründet. Mit dem Certificate der FSC vom 14.4.2003 hat die Kl. nachgewiesen, dass sie zumindest zu diesem Zeitpunkt nach dem Recht der Isle of Man noch existent war. Es ist daher davon auszugehen, dass die Kl., solange sich ihre Rechtsfähigkeit nach dem Recht der Isle of Man bestimmt, den Nachweis dieser Rechtsfähigkeit erbracht hat.

[17]cc) Am 14.2.2002 wurden die bisherigen directors abberufen und durch directors mit Wohnsitz in Deutschland bzw. der Schweiz ersetzt. Damit hat die Kl. ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt.

[18]Die Abberufungen und Ernennungen am 14.2.2002 waren wirksam bzw. sind zumindest als wirksam zu behandeln. Diese Frage beurteilt sich nach dem zu diesem Zeitpunkt (noch) anwendbaren Sachrecht der Isle of Man. Fraglich ist die Wirksamkeit insbesondere deshalb, weil die K. & Co. AG am 14.2.2002 noch nicht in das Companies Registry eingetragen war. Sie hatte die Gesellschaftsanteile allerdings am 30.10.2001 gekauft. Außerdem war – im Zusammenhang mit der intendierten Rückwirkung des Erwerbs – bereits unter dem 16.10.2001 ein auf die K. & Co. AG lautendes Share Certificate durch einen director der Kl. ausgestellt worden. Gemäß Art. 25 (2) des Companies Act (im Folgenden CA) 1931 der Isle of Man ist außer den Gründungsgesellschaftern derjenige Gesellschafter, der damit einverstanden ist, es zu werden und dessen Name in das Register of Members eingetragen wird. Der Wechsel des Gesellschafters ist von Rechts wegen nur in das von der Gesellschaft selbst geführte Register of Members gemäß Art. 96 ff. CA 1931 einzutragen. Dies geschieht auf Antrag des bisherigen Gesellschafters, Art. 66 CA 1931. Erst mit der Jahresmeldung (annual return) ist gemäß Art. 107 (1) und (2) CA 1931 eine Liste der Gesellschafter sowie eine Liste aller Veränderungen des Gesellschafterkreises bei der FSC einzureichen. Gemäß Art. 69 CA 1931 geht von einem mit dem Siegel der Gesellschaft versehenen Share Certificate ein Prima-facie-Beweis dahingehend aus, dass die darin genannte Person tatsächlich Aktionär der Gesellschaft ist. Bei einem Share Certificate handelt es sich dagegen nicht um eine Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts selbst (Cain aaO 58). Die Tatsache, dass die K. & Co. AG am 14.2.2002 noch nicht bei der FSC registriert war, steht ihrer Gesellschafterstellung daher nicht entgegen. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie zu diesem Zeitpunkt bereits in das Register of Members der Kl. eingetragen war. Da ein Auszug aus dem Register of Members nicht vorliegt, ist nicht bekannt, wann genau die K. & Co. AG dort eingetragen wurde. Von einem mit dem Siegel der Kl. versehenen Share Certificate – wie es das Originaldokument der eingereichten Fotokopie wäre – geht die Vermutung aus, dass die K. & Co. AG tatsächlich in das Gesellschafterregister eingetragen war. Allein die vorgelegte Fotokopie kann dagegen die Vermutungswirkung nicht entfalten. Die Frage, ob die Vermutungswirkung einer Privaturkunde nur von der Originalurkunde bzw. beglaubigten Fotokopie ausgeht, ist als Beweisregel dem Prozessrecht zuzurechnen und bestimmt sich daher nach der lex fori. Gesetzliche Vermutungen, die an die Existenz von Urkunden anknüpfen, gehen gemäß § 420 ZPO nur von der Originalurkunde aus. Wie bereits oben ausgeführt, bleibt es dem Senat jedoch unbenommen, die Frage der Existenz einer entsprechenden Originalurkunde im Wege der freien Beweiswürdigung zu klären. Außerdem können zur Beantwortung der Frage, ob die K. & Co. AG bereits zum 14.2.2002 als Gesellschafterin der Kl. eingetragen war, auch sämtliche anderen Indizien herangezogen werden. Im Ergebnis ist der Senat davon überzeugt, dass die K. & Co. AG in das Register of Members eingetragen und damit wirksam Gesellschafterin der Kl. war. Dafür spricht insbesondere die Tatsache, dass die auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse auf der parallel stattfindenden Direktorensitzung der auf der Isle of Man ansässigen directors – soweit es um die Abberufung der anderen directors und die Neuernennung der directors F., We. und Dr. R. ging – nachvollzogen wurde. Gemäß Art. 143 CA 1931 führt die Gesellschaft auch ein Register of Directors, in welches die jeweiligen directors einzutragen sind. Bei einer Veränderung ist die FSC gemäß Art. 143 (2) (b) CA 1931 erst binnen eines Monats zu benachrichtigen, so dass die Eintragung im Companies Registry keine konstitutive Wirkung hat. Eine entsprechende Benachrichtigung wurde unter dem 19.3.2002 zur FSC eingereicht. Auf der anderen Seite ist nicht bekannt, dass die bisherigen directors H. A. und S. gegen ihre Absetzung protestiert oder versucht hätten, weiterhin im Namen der Kl. zu handeln. Letzteres Indiz hat gerade deshalb besonderes Gewicht, weil die Herren We. und Dr. R. bereits am Tage ihrer Ernennung die Bekl. anschrieben und im Namen der Kl. die Rückgängigmachung von Akten forderten, die die bisherigen directors erst einen Tag zuvor durchgeführt hatten. Die Tatsache, dass die bisherigen directors (von denen der eine – H. A. – auch Bruder des vorherigen Alleingesellschafters der Kl. war) dagegen nichts unternahmen, legt nahe, dass auch der bisherige Alleingesellschafter V. A. davon ausging, dass K. & Co. AG neue Alleingesellschafterin war. Sonst hätte er die ihm nahe stehenden bisherigen directors angewiesen, weiter für die Kl. tätig zu werden und den Geschäftsführungsakten der neuen directors entgegenzutreten. Die Summe dieser Indizien belegt für den Senat hinreichend klar, dass die K. & Co. AG nach dem Gesellschaftsrecht der Isle of Man berechtigt war, am 14.2.2002 als Gesellschafterin die directors, wie geschehen, auszuwechseln. Ob sie dabei sämtliche gesellschaftsrechtlichen Formalitäten beachtet hat, kann im Ergebnis offen bleiben. Denn gemäß Art. 142 CA 1931 wird die Wirksamkeit der Geschäftsführungsmaßnahmen von directors nicht durch später aufgedeckte Bestellungsfehler berührt. Soweit die Herren We. und Dr. R. als directors im Namen der Kl. auftraten, hindern daher eventuelle Defizite ihrer Bestellung die Wirksamkeit ihrer Handlungen nicht. Somit wurden am 14.2.2002 wirksam die neuen directors der Kl. bestellt und die bisherigen directors H. A. und S. entlassen. Auf die Frage, ob auch – wie es der Wortlaut des Gesellschafterbeschlusses nahe legt – die auf der Isle of Man ansässigen directors wirksam entlassen wurden, kommt es nicht an, da diese, soweit ersichtlich, keine Geschäftsführungsmaßnahmen ausgeübt haben, die für die Frage des tatsächlichen Verwaltungssitzes relevant sein könnten.

[19]Mit der Berufung der neuen directors verlegte sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Kl. nach [Deutschland]. Soweit ersichtlich wurden in der Folgezeit ausschließlich die bei der K. & Co. AG in [Deutschland] beschäftigten Herren We. und Dr. R. für die Kl. tätig. Die Geschäftstätigkeit der Kl. beschränkt sich seit der Ernennung der Herren We. und Dr. R. zu directors darauf, Ansprüche der Gesellschaft gegen die Bekl. – und zunächst auch gegen die S. Services GmbH – geltend zu machen. Inzwischen erschöpfen sich ihre Aktivitäten ausschließlich in der Führung des vorliegenden Rechtsstreits. Die angeblichen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Firma A. Shipping Lines haben ... im Jahr 2001 und damit vor der Ernennung der heutigen directors stattgefunden. Dafür, dass diese Aktivitäten – wie die Bekl. behauptet – noch nicht abgeschlossen wären, bestehen keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte. Vielmehr ist in mehreren Protokollen der Direktorensitzungen der Kl. davon die Rede, dass keine weiteren geschäftlichen Aktivitäten bestehen. Wenn sich die Geschäftstätigkeit der Kl. also in der Geltendmachung von Ansprüchen bzw. der Führung des vorliegenden Rechtsstreits erschöpft, kommt es nach den durch den BGH aufgestellten Maßstäben darauf an, an welchem Ort das dazu erforderliche Verwaltungshandeln in die Praxis umgesetzt wird. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Kl. ein- oder sogar mehrmals im Jahr Direktorensitzungen auf der Isle of Man abhält, in denen sie die grundlegenden Entscheidungen trifft, denn dort werden allenfalls die ‚Richtlinien-Entscheidungen’ getroffen. Andererseits ist auch nicht entscheidend, an welchem Ort der Gesellschaftsanteil der Kl. an die K. Global Sourcing GmbH verkauft wurde, weil es sich dabei nicht um einen Akt der Geschäftsführung handelt. Auch die Tatsache, dass die Kl. stets einen auf der Isle of Man ansässigen director und ihren company secretary hatte, dort ihre Bilanz aufstellt und ihre Steuererklärung abgibt, genügen nicht, um dort ihren tatsächlichen Verwaltungssitz zu begründen (vgl. auch LG Essen, NJW 1995, 1500, 1501 (IPRspr. 1994 Nr. 15)). Dies folgt bereits daraus, dass gemäß Art. 2 (4) Income Tax (Exempt Companies) Act 1984 eine Ltd. nur dann von der Einkommenssteuer befreit werden kann, wenn mindestens einer ihrer directors und ihr company secretary auf der Isle of Man ansässig sind. Die auf der Isle of Man ansässigen directors sind niemals im Zusammenhang mit der alleinigen Geschäftstätigkeit der Kl. – der Geltendmachung ihrer Ansprüche – in Erscheinung getreten und wurden auch in der Klageschrift nicht unter den vertretungsberechtigten Personen aufgeführt. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kl. aus anderen Gründen als zur Erfüllung der steuerrechtlichen Voraussetzungen einen auf der Isle of Man ansässigen director hat. Andererseits steht fest, dass die tägliche Abwicklung des vorliegenden Rechtsstreits von [Deutschland] aus geschieht. Auch die Korrespondenz zur vorgerichtlichen Forderungsgeltendmachung vom 14.2.2002, vom 27.2.2002, vom 5.3.2002 und vom 5.6.2002 wurde von [Deutschland] aus geführt. Dies ergibt sich teils aus den Briefköpfen – und aus der Tatsache, dass statt der nach dem Recht der Isle of Man vertretungsberechtigten directors die K. & Co. AG als Gesellschafterin die Forderungen der Kl. geltend machte –, teils auch daraus, dass die Antworten stets nach [Deutschland] erfolgen sollten. Somit ist davon auszugehen, dass die Kl. am 14.2.2002 ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach [Deutschland] verlegt hat.

[20]dd) Durch die Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes weg von der Isle of Man hat die Kl. nicht ihre Existenz verloren. Sofern eine Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen der Sitztheorie folgenden Staat verlegt hat, stellt sich die Frage, ob sie dadurch nicht ihre Rechtsfähigkeit nach dem bisher auf sie anwendbaren Gesellschaftssachrecht verloren hat (vgl. Kropholler aaO 572; W.H. Roth aaO 1601), da sie ansonsten denklogisch nicht in personaler Identität nach dem Recht des neuen Sitzstaats fortexistieren kann. Es kommt daher darauf an, welche Folgen die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes nach dem Recht der Isle of Man hat. Gemäß Art. 11 Companies (Transfer of Domicile) Act 1998 ist es möglich, identitätswahrend das domicile der Gesellschaft in einen anderen Staat zu verlegen. Dafür müssen bestimmte Mindestvoraussetzungen (etwa eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung von mindestens 75%) erfüllt sein. Der Begriff des domicile ist aber nicht mit dem des tatsächlichen Verwaltungssitzes gleichzusetzen (vgl. Eidenmüller-Rehm aaO § 10 Rn 32; Behrens aaO jeweils zum engl. Recht). Er bezeichnet vielmehr ein formelles Anknüpfungskriterium, dem insbesondere Bedeutung für Zwecke des Steuerrechts zukommt. Die rein faktische Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes führt daher nicht dazu, dass die Gesellschaft wegen Verstoßes gegen die Anforderungen des Companies (Transfer of Domicile) Act 1998 ihre Rechtsfähigkeit verlöre. Vielmehr setzt etwa Art. 2 (1) Income Tax (Exempt Companies) Act 1984 für eine Befreiung von der Einkommenssteuer auf der Isle of Man voraus, dass die Gesellschaft dort keinerlei operatives Geschäft entfaltet. Da dies typischerweise mit einer Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ins Ausland verbunden ist, lässt sich auch aus dieser Vorschrift im Umkehrschluss folgern, dass nach dem Recht der Isle of Man die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Staat die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht beeinträchtigt. Damit unterliegt die Kl. seit der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes nach Deutschland am 14.2.2002 dem deutschen Sachrecht.

[21]d) Seit der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes nach Deutschland ist die Kl. als rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 II BGB) nach den Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts einzustufen.

[22]aa) Wenn eine ausländische Gesellschaft ihren tatsächlichen Sitz nach Deutschland verlegt, ist zu klären, welchem Gesellschaftstyp deutschem Gesellschaftsrechts sie objektiv entspricht (Eidenmüller/Rehm, ZGR 1997, 89, 90 f.). Die Rechtsform der Kl. Private Company Limited by Shares ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Anteile nicht öffentlich gehandelt werden und entspricht damit am ehesten der deutschen GmbH. Für eine Anerkennung als GmbH fehlt es aber an der nach §§ 7, 11 I GmbHG konstitutiven Eintragung in das Handelsregister. Als Vor-GmbH (§ 11 I GmbHG) ist die Kl. nicht anzusehen, da sie erkennbar nicht die Eintragung als deutsche GmbH anstrebt. Die Kl. selbst geht offensichtlich davon aus, dass sie als Gesellschaft nach dem Recht der Isle of Man weiter existiert. Damit liegt ein ‚Handeln unter falschem Recht’ vor, das aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Rechtsformenzwangs im Ergebnis wie eine Rechtsformverfehlung unter nationalem Recht zu behandeln ist (vgl. K. Schmidt, ZGR 1999, 20, 24 f.; W.H. Roth aaO 1600; siehe auch BGHZ 151, 204, 206 f. (IPRspr. 2002 Nr. 18)). Wenn es sich um eine Mehrpersonengesellschaft handelt, kommt eine Einordnung als OHG oder GbR in Betracht. Hat die Gesellschaft nur einen Gesellschafter, kommt eine Behandlung dieses ‚Gesellschafters’ als Kaufmann – sofern ein Handelsgewerbe betrieben wird – oder als natürliche Person in Betracht. Die Kl. hat jedenfalls seit dem 20.7.2005 wieder zwei Gesellschafter und ist daher als Personengesellschaft zu behandeln. Da ihre Aktivitäten nicht den Umfang haben, der den Betrieb eines Handelsgewerbes vermuten lässt (vgl. § 1 II HGB), kommt nur eine Einstufung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Betracht. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist auch die (Außen)-Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solche rechtsfähig (BGHZ 146, 341; BGH, NJW 2002, 1207). Dass es sich bei der Kl. um eine Außengesellschaft handelt, was die Bekl. allerdings bezweifelt, wird schon dadurch offenbar, dass sie den vorliegenden Prozess, in dem es um Ansprüche des Gesellschaftsvermögens geht, führt. Nicht erforderlich ist dagegen, dass sich die Kl. nach ihrer Sitzverlegung neu nach deutschem Gesellschaftsrecht gründet. Die Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 151, 204, 206 (IPRspr. 2002 Nr. 18)) führt vielmehr dazu, dass die Gesellschaft als fortbestehend anerkannt wird und sich nur das maßgebliche Gesellschaftsrecht ändert (sog. Statutenwechsel). Dass die Kl. dazu nicht gesondert vorgetragen hat, ist unschädlich, da sich der Statutenwechsel mit der Sitzverlegung von Rechts wegen vollzieht.

[23]bb) Die Einordnung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat zur Folge, dass die Gesellschafter der Kl. eine persönlichen Haftung für deren Verbindlichkeiten trifft (§ 128 HGB analog) und dass die Gesellschaft gesetzlich durch ihre Gesellschafter vertreten wird. Letztlich hat sich die Kl. seit ihrer Sitzverlegung zumindest teilweise auch gemäß dem neuen Gesellschaftsrecht verhalten. So wurden in den Schreiben vom 27.2.2002 und vom 5.3.2002 die Belange der Gesellschaft bereits durch ihre Gesellschafterin K. & Co. AG wahrgenommen, die nach dem Gesellschaftsrecht der Isle of Man gar nicht vertretungsberechtigt gewesen wäre.

[24]e) Dass die Kl. ihre Klage unter falscher Bezeichnung erhoben hat, schadet nicht. Wie auch bei einer rein nationalen Rechtsformverfehlung oder Falschbezeichnung wird dadurch die Zulässigkeit der Klage nicht berührt (vgl. Leible/Hoffmann, DB 2002, 2203, 2205; W.H. Roth aaO 1601).

[25]2. Die Falschbezeichnung der Kl. in der Klage führt allerdings dazu, dass das Rubrum von Amts wegen zu berichtigen ist (vgl. Leible/Hoffmann DB aaO). Dies ist allerdings ein rein formaler Akt, der die Wirksamkeit der bisher von den directors der Kl. vorgenommenen Handlungen im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht beeinträchtigt. Nach deutschem Personengesellschaftsrecht wird die Kl. aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft zwar von ihren Gesellschaftern gesetzlich vertreten. Dies hindert sie aber nicht, Dritte mit Vertretungsmacht – auch für die Führung eines Prozesses – auszustatten. Durch die Ernennung der Herren We. und Dr. R. zu vermeintlichen directors hat die Kl. klar zum Ausdruck gebracht, dass sie sich durch diese Herren vertreten lassen will.

[26]III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

[27]Aufgrund der Tatsache, dass die Rechtslage hinsichtlich Gesellschaften aus Drittstaaten nach der Entwicklung der Rechtsprechung zu den europäischen Gesellschaften sowie zu den US-Gesellschaften unklar ist und nach Auffassung des Senats beachtliche Argumente dafür sprechen, insgesamt zur Gründungstheorie überzugehen, ist die Revision gegen dieses Zwischenurteil zuzulassen.

Fundstellen

LS und Gründe

BB, 2007, 1519, mit Anm. Binz/Mayer
DB, 2007, 1245
Die AG, 2007, 870
DStR, 2007, 868
GmbHR, 2007, 763, mit Anm. Ringe
NZG, 2007, 597
RNotZ, 2007, 419
ZIP, 2007, 1108

nur Leitsatz

ZIP, 2007, 1609

Bericht

Mödl, RNotZ, 2008, 1

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-17

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