Die Ermittlung ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. In welchem Umfang das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen und ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig; der Vortrag der Beteiligten ist zu berücksichtigen.
Bei Ausschüttungen aus einer ausländischen Vermögensmasse obliegt es dem Empfänger, die Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls die erforderlichen Beweismittel dafür zu beschaffen, dass ihm nach Maßgabe des einschlägigen Rechts kein Anspruch auf die Ausschüttung zugestanden habe. [LS von der Redaktion neu gefasst]
[Siehe auch die im Wesentlichen inhaltsgleiche Parallelentscheidung des BFH vom 25.06.2021 – II R 31/19 (IPRspr 2021-341).]
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war mit dem in den USA wohnhaften und 2010 verstorbenen ... (E) verheiratet. E hatte mehrere Trusts gegründet, deren Begünstigte die Klägerin war, u.a. den hier streitgegenständlichen "..." (im Folgenden: Trust) aufgrund eines letztmals am 26.3.2010 geänderten Vertrags vom 30.5.1984 (Trustvertrag 1984). Der Trust ist unwiderruflich und bildet eine selbständige Vermögensmasse. Die Klägerin kann keinen Einfluss auf Anlageentscheidungen des Trusts nehmen. Beginnend mit dem Tod des E sollen danach die Nettoeinnahmen des Trusts gemäß den Verfügungen der Verwalter des Trusts in vierteljährlichen Raten an die Klägerin ausgezahlt oder für sie verwendet werden. Durch Auszahlungen aus dem Grundkapital des Trusts waren diese Leistungen aufzustocken. Die Klägerin, die seit 2011 einen Wohnsitz im Inland hat, bezog in diesem Jahr vier Ausschüttungen des Trusts.
Am 14.12.2015 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Schenkungsteuerbescheide gegenüber einer Privatstiftung der Klägerin und nach Einsprüchen am 21.1.2016 gegenüber der Klägerin selbst. Die Steuer für die erste der vier Auszahlungen setzte es auf 0 €, die Steuer für die zweite Auszahlung vom 16.5.2011 nach Anrechnung des Vorerwerbs auf ... € fest und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4.7.2016 zurück. Außerdem setzte das dafür zuständige Finanzamt gegenüber der Klägerin mit bestandskräftigem Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 7.2.2017 Einkommensteuer fest. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, den Schenkungsteuerbescheid vom 21.1.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 4.7.2016 aufzuheben. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
[11] Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Auf Grundlage der Feststellungen des FG lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Ausschüttung vom 16.05.2011 der Schenkungsteuer unterliegt.
[12] 1. ... [13] 2. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was u.a. bei Aufhebung einer Stiftung erworben wird. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG steht dem gleich der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse.
[14] a) Die Regelungen über Vermögensmassen ausländischen Rechts in §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG wurden durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) eingeführt. Sie sollten vor allem typische und in den anglo-amerikanischen Staaten gebräuchliche Formen des sog. common law trust erfassen (BFH-Urteil vom 03.07.2019 -
[15] b) Für ausländische Stiftungen hat der BFH die nachfolgenden Grundsätze aufgestellt:
[16] aa) Das Vermögen einer wirksam gegründeten, rechtlich selbständigen und damit intransparenten Stiftung ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen. Ist einer solchen Stiftung vor dem Erbfall tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist dieses nur noch der Stiftung zuzuordnen. Der Tod des Stifters ist insoweit erbschaftsteuerrechtlich nicht von Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 05.12.2018 -
[17] bb) Zwischenberechtigter einer ausländischen Stiftung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG ist, wer unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über eine Rechtszuständigkeit an dem in der Vermögensmasse gebundenen Vermögen und/oder an den durch die Vermögensmasse erzielten Erträgen verfügt, sei es --nach deutschem Rechtsverständnis-- in Gestalt dinglichen Rechts oder in Gestalt schuldrechtlicher Ansprüche. Nicht zwischenberechtigt ist, wer über keine Rechte an der Vermögensmasse oder Ansprüche gegenüber der Vermögensmasse verfügt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 421 (IPRspr 2019-39), BStBl II 2020, 61, Rz 35).
[18] cc) Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG erstreckt sich auf Ausschüttungen aus der Vermögenssubstanz wie auch aus den Erträgen. Es besteht kein Anlass, insoweit eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Die Vorschrift stellt allein auf den Erwerb während des Bestehens der Vermögensmasse ab. Sie differenziert nicht danach, ob der Erwerb aus dem Vermögen oder den Erträgen erfolgt.
[19] c) Diese für ausländische Stiftungen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen auch für andere Vermögensmassen ausländischen Rechts, einschließlich anglo-amerikanischer Trusts. Ausländische Stiftungen sind lediglich ein Unterfall der in § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG genannten Vermögensmassen ausländischen Rechts. Es gibt keinen Grund, zwischen verschiedenen Arten ausländischer Vermögensmassen zu differenzieren, zumal auch "Stiftungen" unter unterschiedlichen Rechtsordnungen unterschiedlichen Rechtscharakter haben können.
[20] 3. Die Ermittlung des ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist grundsätzlich Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz.
[21] a) Das maßgebende ausländische Recht ist nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von Amts wegen zu ermitteln (BFH-Urteile vom 07.12.2017 -
[22] b) Wie das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei lassen sich die Anforderungen an Umfang und Intensität der Ermittlungspflicht des Tatrichters nur in sehr eingeschränktem Maße generell-abstrakt bestimmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 261, 132, BStBl II 2018, 651, Rz 23; BFH-Beschluss vom 17.07.2019 -
[23] c) Der Anwendungsbereich des § 293 ZPO bezieht sich nur auf Rechtsfragen und nicht auf entscheidungserhebliche Tatsachen. Für diese gelten die allgemeinen Anforderungen an die Darlegungs- und Feststellungslast (vgl. BGH-Urteil vom 25.06.2019 -
[24] 4. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Erwerb nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG, dort insbesondere das Tatbestandsmerkmal "Zwischenberechtigter", streitig ist.
[25] a) Das FG muss zunächst das ausländische Recht ermitteln und prüfen, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen einem Begünstigten einer ausländischen Vermögensmasse eine nicht ohne weiteres entziehbare Rechtszuständigkeit an Vermögenssubstanz und/oder -erträgen (s. dazu oben unter II.2.b bb) nach dem jeweils maßgebenden Recht zusteht. Über den Umfang der Ermittlungen entscheidet das FG in pflichtgemäßem Ermessen nach den Umständen des Einzelfalls.
[26] b) Soweit es die Tatsachen betrifft, die das Tatbestandsmerkmal "Erwerb durch Zwischenberechtigte" i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG ausfüllen, sind die Grundsätze zur Ermittlung von Auslandssachverhalten zu beachten. Es handelt sich zwar um eine steuerbegründende Tatsache, für die die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt. Die nach § 90 Abs. 2 AO erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen erfasst aber auch Ausschüttungen aus einer ausländischen Vermögensmasse. Tatsächlich ist allein der Empfänger solcher Ausschüttungen in der Lage, Auskunft zu den konkreten Verhältnissen dieser Vermögensmasse zu geben. Ihm obliegt es daher, die Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls die erforderlichen Beweismittel dafür zu beschaffen, dass ihm nach Maßgabe des einschlägigen Rechts kein Anspruch auf die Ausschüttung zugestanden habe und umgekehrt die jeweils zuständigen Organe der Vermögensmasse (etwa Treuhänder oder Stiftungsrat) in der Entscheidung über die Person des Empfängers und die Höhe der Ausschüttung rechtlich und tatsächlich frei gewesen seien, er mithin nach den in dem BFH-Urteil in BFHE 265, 421 (IPRspr 2019-39), BStBl II 2020, 61, Rz 35, aufgestellten Grundsätzen nicht Zwischenberechtigter i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG gewesen sei. In einem solchen Fall bleibt jedoch zu prüfen, ob eine Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt. Auf die dazu entwickelten allgemeinen Grundsätze wird verwiesen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 421 (IPRspr 2019-39), BStBl II 2020, 61, Rz 13 ff., m.w.N.).
[27] 5. ...