PDF-Version

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart, Urt. vom 27.05.2021 – 22 Ca 5434/20
LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 10.08.2022 – 2 Sa 20/21
BAG, Urt. vom 29.05.2024 – 2 AZR 313/22, IPRspr 2024-91

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Gerichtsstandsvereinbarung, rügelose Einlassung
Arbeitsrecht → Individualarbeitsrecht
Allgemeine Lehren → Rechtswahl

Leitsatz

Von einer rügelosen Einlassung auf das Verfahren ist auszugehen, wenn die Zuständigkeitsrüge nicht spätestens in der Stellungnahme erhoben wird, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist. Es ist zudem erforderlich, die Rüge in der Rechtsmittelinstanz rechtzeitig zu wiederholen.

Eine stillschweigende Rechtswahl ist anzunehmen, wenn die Parteien während des Rechtsstreits im Verfahren deutlich auf eine bestimmte Rechtsordnung Bezug nehmen oder diese ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde legen. Dies kann auch nachträglich zu einem Wechsel des Vertragsstatuts führen. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB § 613a
EuGVVO 1215/2012 Art. 26
Rom I-VO 593/2008 Art. 4

Aus den Entscheidungsgründen:

[2] Die Revisionen des Klägers und der Beklagten zu 1. sind unbegründet ...

[3] I. Die deutschen Gerichte sind international zuständig (vgl. BAG 1. Juni 2023 - 2 AZR 150/22 (IPRspr 2023-293) - Rn. 19 f.). Dies gilt in Bezug auf die Beklagte zu 2., mit der der Kläger keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, jedenfalls nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-​VO), da sie sich rügelos eingelassen hat (vgl. BGH 23. Januar 2024 - I ZR 205/22 (IPRspr 2024-270) - Rn. 16). Von einer Einlassung auf das Verfahren ist auszugehen, wenn die Zuständigkeitsrüge nicht spätestens in der Stellungnahme erhoben wird, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist (vgl. BGH 21. Juli 2023 - V ZR 112/22 (IPRspr 2023-321) - Rn. 15). Es ist zudem erforderlich, die Rüge in der Rechtsmittelinstanz rechtzeitig zu wiederholen (vgl. BGH 26. Juli 2018 - I ZR 226/14 (IPRspr 2018-278) - Rn. 27). Das ist vorliegend nicht der Fall.

[4] II. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1. fand deutsches Recht Anwendung (vgl. BAG 1. Juni 2023 - 2 AZR 150/22 (IPRspr 2023-293) - Rn. 21 ff.). Soweit der Kläger mit der auf Malta geschäftsansässigen Beklagten zu 2. über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsübergangs streitet, haben die Parteien jedenfalls im gerichtlichen Verfahren konkludent deutsches Recht gewählt.

[5] 1. Der Kläger und die Beklagte zu 2. haben keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen. Eine stillschweigende Rechtswahl ist anzunehmen, wenn die Parteien während des Rechtsstreits - wie vorliegend - im Verfahren deutlich auf eine bestimmte Rechtsordnung Bezug nehmen oder diese ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde legen. Dies kann auch nachträglich zu einem Wechsel des Vertragsstatuts führen (vgl. BGH 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10 (IPRspr 2011-183b) - Rn. 47, BGHZ 190, 28; 12. Dezember 1990 - VIII ZR 332/89 (IPRspr. 1990 Nr. 44) - zu II 1 a der Gründe).

[6] 2. Wegen des Fehlens einer abzuändernden (vorherigen) Rechtswahlvereinbarung bedarf es vorliegend keines Gestaltungswillens zur Abwahl des ursprünglich vereinbarten Rechts (dazu BGH 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10 (IPRspr 2011-183b) - Rn. 47, BGHZ 190, 28; 12. Dezember 1990 - VIII ZR 332/89 (IPRspr. 1990 Nr. 44) - zu II 1 a der Gründe). Ein solcher Gestaltungswille läge aber selbst dann vor, wenn er zur Abwahl der sich nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-​VO) bestimmenden Rechtswahl erforderlich gewesen wäre. Ein entsprechender übereinstimmender Wille der Parteien ist vorliegend zumindest dadurch zum Ausdruck gekommen, dass sie die von den Vorinstanzen bejahte Vereinbarung deutschen Rechts übereinstimmend und rügelos hingenommen sowie ihren Vortrag ausschließlich an den Voraussetzungen des § 613a BGB ausgerichtet haben. Im Übrigen haben der Kläger und die Beklagte zu 2. in der Verhandlung auf Nachfrage des Senats bestätigt, dass sie in Bezug auf die Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 2. von der Anwendbarkeit des deutschen Rechts ausgehen.

III. ...

Fundstellen

LS und Gründe

AP, Nr. 3 zu § 24 KSchG 1969
NJW, 2024, 3090
NZA, 2024, 1159

Volltext

Link, openJur
Link, Rechtsinformationen des Bundes
Link, Bundesarbeitsgericht

nur Leitsatz

BB, 2024, 1843

Bericht

NJW, 2024, 10

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-91

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.