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Verfahrensgang

KG, Beschl. vom 26.02.2019 – 1 W 561-564/17, IPRspr 2019-335

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Ehe- und Kindschaftssachen

Leitsatz

§ 109 I Nr. 4 FamFG steht der Anerkennung eines ausländischen Urteils, das eine Ehe (hier: zwischen zwei Libanesen) bestätigt, entgegen, wenn diese Ehe in Deutschland weder vor dem Standesamt noch vor einer von der Regierung des Staats, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person geschlossen worden ist.

Rechtsnormen

15/1925 StaatsangehörigkeitsE (Libanon) Art. 1
BGB § 1310; BGB § 1617a; BGB § 1626a
EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 10; EGBGB Art. 13
FamFG § 26; FamFG § 107; FamFG § 109
PStG § 47; PStG § 48; PStG § 51

Sachverhalt

Der Bet. zu 2) reiste nach eigenen Angaben im Jahr 1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er beantragte die Gewährung von Asyl und gab dabei an, M. K., geboren am ... in E. mit palästinensischer Volkszugehörigkeit zu sein. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 1996 abgelehnt. Im Jahr 2007 korrigierte der Bet. zu 2) gegenüber der Ausländerbehörde die Angaben zu seinen Personalien. Tatsächlich heiße er M. E.-A., sei am ... in B. geboren und libanesischer Staatsangehöriger. Die Bet. zu 1) ist libanesische Staatsangehörige. Ihre im Libanon geschlossene Ehe mit einem Deutschen wurde durch Urteil des AG Flensburg vom 24.10.2002 geschieden. Sie gebar in Berlin 2004 den Bet. zu 3), 2006 den Bet. zu 4), 2008 die Bet. zu 5) und 2011 den Bet. zu 6). Als Geburtsnamen der Kinder beurkundete das Standesamt jeweils den Familiennamen der Bet. zu 1). Angaben zum Vater enthielten die Geburtseinträge zunächst nicht.

Auf Antrag der Bet. zu 1) entschied das Sunnitische Scharia Gericht von S. am 21.1.2008, dass ein zwischen ihr und dem Bet. zu 2) am 28.2.2004 geschlossener Ehevertrag wirksam, hingegen ein am 1.10.2004 zwischen den Bet. zu 1) und 2) vor dem Gericht geschlossener Ehevertrag als ungültig anzusehen sei. Den Antrag der Bet. zu 1) und 2) vom 19.1.2009 auf Berichtigung der die Bet. zu 3) bis 5) betreffenden Geburtseinträge wies das AG Schöneberg mit unangefochten gebliebenem Beschluss vom 11.1.2010 – 70 III 36-38/09 – zurück. Der Bet. zu 2) erkannte 2010 mit Zustimmung der Bet. zu 1) die Vaterschaft zu den Bet. zu 3) bis 5) an. Das Standesamt schrieb 2010 den Bet. zu 2) in den jeweiligen Geburtseinträgen mit dem Zusatz bei, seine Identität sei nicht nachgewiesen. 2016 erkannte der Bet. zu 2) mit Zustimmung der Bet. zu 1) an, Vater des Bet. zu 6) zu sein. Dies wurde von dem Standesamt im Wege der Folgebeurkundung bei dem Geburtseintrag wiederum mit dem Hinweis auf die nicht nachgewiesene Identität des Bet. zu 2) vollzogen. Am 5.8.2016 haben die Bet. zu 1) und 2) bei dem AG Schöneberg die Berichtigung der Geburtseinträge dahin beantragt, dass die Geburtsnamen der Bet. zu 3) bis 6) E. A. lauten und der Identitätsvorbehalt bei dem Vater entfalle. Mit Beschluss vom 6.10.2017 hat das AG den Antrag auf Berichtigung der Geburtseinträge zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 17.10.2017. Das AG Schöneberg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.11.2017 nicht abgeholfen. Am 8.03.2018 legte der Bet. zu 2) der Ausländerbehörde Berlin einen auf seinen Namen am 23.3.2017 mit einer Gültigkeit bis zum 22.3.2018 ausgestellten libanesischen Reisepass vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. 1. Die Beschwerde ist zulässig ...

[2]2. Die Beschwerde ist teilweise begründet.

[3]Ein abgeschlossener Registereintrag darf, wenn wie vorliegend kein Fall der standesamtlichen Berichtigungsbefugnis vorliegt, § 47 PStG, nur auf gerichtliche Anordnung berichtigt werden, § 48 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, NJW 2017, 3152). Es ist voller Beweis erforderlich, Glaubhaftmachung genügt insoweit nicht (Senat, Beschl. vom 24.2.2015 – 1 W 380/14 (IPRspr 2015-4), StAZ 2015, 208, 209; Beschl. vom 17.7.2012 – 1 W 623/11 (IPRspr 2012-10), StAZ 2013, 80, 81).

[4]Die Bet. zu 1) und 2) haben inzwischen die Identität des Bet. zu 2) nachgewiesen. Hingegen vermag sich der Senat über Richtigkeit der von ihnen darüber hinaus angestrebten Berichtigung der Geburtsnamen der Bet. zu 3) bis 6) nicht zu überzeugen.

[5]a) Es bestehen auf Grund der im Laufe des (Beschwerde-)Verfahrens vorgelegten bzw. in Bezug genommenen Dokumente keine Zweifel mehr an der Identität des in den Geburtseinträgen im Wege der Folgebeurkundungen bereits als Vater verlautbarten Bet. zu 2) ...

[6]b) Darüber hinaus ist die Beschwerde unbegründet. Es steht nicht fest, dass die Bet. zu 3) bis 6) anstatt des als Geburtsnamen beurkundeten Familiennamens der Bet. zu 1) den Familiennamen des Bet. zu 2) führen.

[7]aa) Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staats, dem die Person angehört, Art. 10 I EGBGB. Kann die Staatsangehörigkeit einer Person nicht festgestellt werden, so ist das Recht des Staats anzuwenden, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, mangels eines solchen, ihren Aufenthalt hat, Art. 5 II Alt. 2 EGBGB.

[8]Danach richten sich die Geburtsnamen der Bet. zu 3) bis 6) nach deutschem Recht, weil sie in Berlin leben. Eine die Anwendung deutschen Rechts verdrängende libanesische Staatsangehörigkeit der Bet. zu 3) bis 6) vermag der Senat nicht festzustellen und weitere Ermittlungen hierzu sind nicht veranlasst, §§ 51 I PStG, 26 FamFG.

[9]bb) Das außerhalb des Libanon geborene eheliche Kind eines libanesischen Mannes erhält die libanesische Staatsangehörigkeit, vgl. Art. 1 I de[s Erlasses] Nr. 15/S des Libanon vom 19.1.1925 i.d.F. vom 11.1.1960 (abgedruckt bei Bergmann-Ferid-Henrich-Schönberger, Int. Ehe- und Kindschaftsrecht, Libanon [Stand: 1.3.1996]). Der Erwerb der libanesischen Staatsangehörigkeit hängt deshalb davon ab, ob die Bet. zu 1) und 2) miteinander verheiratet sind. Die Bet. zu 1) allein vermittelt den Bet. zu 3) bis 6) die libanesische Staatsangehörigkeit nicht.

[10]Nicht anders ist dies im Hinblick auf die im Inland erfolgten Vaterschaftsanerkennungen des Bet. zu 2). Nach der durch den Senat eingeholten Auskunft der libanesischen Botschaft vom 17.7.2018 ist eine solche Anerkennung im libanesischen Recht nicht vorgesehen, vielmehr setzt die Anerkennung durch den Vater dessen Ehe mit der Mutter voraus (vgl. hierzu auch Brandhuber-Zeyringer-Heussler, Standesamt und Ausländer, Libanon [Stand: Februar 2012], Stichwort ‚Staatsangehörigkeit’).

[11]Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass familienrechtliche Vorfragen im Staatsangehörigkeitsrecht grundsätzlich unselbstständig anzuknüpfen sind, weil es in der Souveränität des jeweiligen Staats liegt, darüber zu entscheiden, von welchen Voraussetzungen er den Erwerb der Staatsangehörigkeit abhängig macht (BGH, NJW 2016, 2322, 2324 (IPRspr 2016-139); FamRZ 1986, 984 (IPRspr. 1986 Nr. 11); BGHZ 90, 129, 140). Hingegen ist die Vorfrage, ob eine Ehe besteht, als Ausnahme von diesem Grundsatz selbstständig anzuknüpfen (BGH, FamRZ 1986, 984, 985 (IPRspr. 1986 Nr. 11); OLG Köln, Beschl. vom 7.6.2013 – 25 UF 40/13 (IPRspr 2013-8), BeckRS 2013, 17575; OLG Düsseldorf, StAZ 1999, 114 (IPRspr. 1998 Nr. 14); Hepting-Dutta, Familie und Personenstand, 2. Aufl. [2015], Rz. II-231).

[12](1) Einer selbstständigen Anknüpfung der Beurteilung, ob die Bet. zu 1) und 2) miteinander verheiratet sind, steht die Entscheidung des Sunnitischen Scharia Gerichts von S. vom 21.1.2008 nicht entgegen. Sie entfaltet für den deutschen Rechtskreis keine Wirkungen, denn sie kann nicht anerkannt werden. Dies hat der Senat außerhalb des Verfahrens nach § 107 I 1 FamFG in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, weil das Sunnitische Scharia Gericht von S. ein Gericht des Libanon ist, dem die Bet. zu 1) und 2) angehören, § 107 I 2 FamFG (BGH, MDR 2019, 230, 231 (IPRspr 2018-139); Senat, Beschl. vom 4.4.2017 – 1 W 447/16 (IPRspr. 2017 Nr. 302), FGPrax 2017, 238, 239; Beschl. vom 31.5.2016 – 1 VA 7/15 (IPRspr 2016-299), FamRZ 2016, 1585, 1586).

[13]Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbes. wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist, § 109 I Nr. 4 FamFG. Das ist hier der Fall. Die Entscheidung des libanesischen Gerichts steht mit den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung in so starkem Widerspruch, dass es nach deutschen Vorstellungen untragbar erscheint (vgl. BGH, NJW 2015, 479, 480 (IPRspr 2014-254b)).

[14]Eine Ehe kann im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden, Art. 13 III 1 EGBGB a.F. bzw. IV 1 EGBGB n.F. Das erfordert die Mitwirkung des Standesbeamten gemäß § 1310 I 1 BGB. In diesen Regelungen kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, bei einer Inlandstrauung dem Grundsatz der obligatorischen Zivilehe eine größere Bedeutung einzuräumen als einem gemeinsamen Ehewillen (BGH, NJW-RR 2003, 850, 852 (IPRspr. 2003 Nr. 57)). Eine dem widersprechende ausländische Entscheidung kann im Inland nicht anerkannt werden (Senat, Beschl. vom 20.5.1975 – 1 VA 1/75, (IPRspr. 1975 Nr. 36) OLGZ 1976, 149, 153; MünchKomm-Coester, 7. Aufl. [2018], Art. 13 EGBGB Rz. 153; Erman-Hohloch, BGB, 15. Aufl. [2017], Art. 13 EGBGB Rz 46; jurisPK-BGB-Mäsch, 8. Aufl., Art. 13 EGBGB Rz. 62; a.A. Palandt-Thorn, BGB, 78. Aufl. [2018], Art. 13 EGBGB Rz. 28). Wann eine Inlandsehe formfehlerhaft geschlossen worden ist und welche Folgen dies hat, richtet sich allein nach deutschem Recht (Staudinger-Mankowski, BGB [2010], Art. 13 EGBGB Rz. 549). Durch die Anerkennung einer das Formerfordernis ignorierenden Entscheidung eines heimatstaatlichen Gerichts der Bet. würden diese Regelungen umgegangen und letztlich die formlose Eheschließung im Inland ermöglicht (vgl. Senat aaO; Mankowski aaO Rz. 550).

[15]Eben zu diesen Folgen führte die Anerkennung der Entscheidung des Sunnitischen Scharia Gerichts von S. Das dortige Gericht hatte entschieden, dass die im Oktober 2004 im Libanon erfolgte (Handschuh-)Eheschließung im Hinblick auf die bereits im April desselben Jahres in Berlin erfolgte – nach Ansicht des libanesischen Gerichts wirksame – Eheschließung zwischen den Bet. zu 1) und 2) unwirksam sei. Dass die Eheschließung in Berlin lediglich in einer Moschee ohne Beteiligung eines Standesbeamten oder einer von der Regierung des Libanon ordnungsgemäß ermächtigten Person (hierzu: Mankowski aaO Rz. 641) erfolgt war, war für das libanesische Gericht offenbar ohne Bedeutung. Dies steht seiner Anerkennung gemäß § 109 I Nr. 4 FamFG entgegen, so dass die Bet. zu 1) und 2) jedenfalls für den deutschen Rechtsbereich nicht als miteinander verheiratet anzusehen sind.

[16](2) Die Bet. zu 1) und 2) haben damit im Inland keine wirksame Ehe (‚Nichtehe’, vgl. Coester aaO Rz. 135; Mankowski aaO Rz. 549) geschlossen und gelten danach im deutschen Rechtsbereich als nicht miteinander verheiratet.

[17](3) Dem steht auch die im Oktober 2004 erfolgte Eheschließung im Libanon nicht entgegen. Diese ist unwirksam, wie das Sunnitische Scharia Gericht festgestellt hat. Das steht nicht im Widerspruch zur fehlenden Anerkennungsfähigkeit seines Ausspruchs zur Wirksamkeit der früheren Eheschließung. Denn dieser Ehevertrag wurde zwischen den Bet. zu 1) und 2) im Oktober 2004 im Libanon geschlossen, so dass sich seine Wirksamkeit allein nach libanesischem Recht richtet, das durch das Gericht in S. angewendet worden ist.

[18]cc) Nach dem somit gemäß Art. 5 II Alt. 2 EGBGB anwendbaren deutschen Recht führen die Bet. zu 3) bis 6) als Geburtsnamen den Familiennamen der Bet. zu 1). Ihr stand bei den jeweiligen Geburten die elterliche Sorge zu, weil sie nach den obigen Ausführungen für den deutschen Rechtskreis als ledig anzusehen ist, § 1626a III BGB. Führen aber die Eltern keinen Ehenamen und steht die elterliche Sorge nur einem Elternteil zu, so erhält das Kind den Namen, den dieser Elternteil im Zeitpunkt der Geburt des Kindes führt, § 1617a I BGB. Entsprechend sind die Geburtsnamen der Bet. zu 3) bis 6) in den jeweiligen Geburtsregistern beurkundet worden.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2019, 685
StAZ, 2019, 367
IPRax, 2020, 44
NJOZ, 2020, 202

nur Leitsatz

NJ, 2019, 256

Aufsatz

Brosch, IPRax, 2020, 24

Bericht

Kirchhefer-Lauber, IPRax, 2022, 408

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2019-335

Lizenz

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