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Verfahrensgang

BGH, Beschl. vom 28.11.2018 – XII ZB 217/17, IPRspr 2018-139

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Scheidung, Trennung
Allgemeine Lehren → Ordre public

Leitsatz

Die Vorfrage der Anerkennung einer im Ausland (hier: Ägypten) erfolgten Privatscheidung ausländischer Staatsangehöriger ist im behördlichen oder gerichtlichen Verfahren inzident zu prüfen. Die vorherige Durchführung eines zulässigen Anerkennungsverfahrens kann von den Beteiligten insoweit nicht verlangt werden. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB § 1594
EGBGB Art. 19
FamFG § 107
FamRÄndG Art. 7
PStG § 36; PStG § 49
StAG §§ 3 f.

Sachverhalt

[Die vorgehenden Beschlüsse des AG Schöneberg vom 11.7.2016 – 71a III 204/16 – und des KG vom 4.4.2017 – 1 W 447/16 – wurden bereits im Band IPRspr. 2017 unter der Nr. 302 abgedruckt.]


Die Bet. streiten über den Geburtseintrag für das betroffene, im August 2011 in Ägypten geborene Kind. Die Kindesmutter [Bet. zu 2)] ist ägyptische Staatsangehörige und lebt in Ägypten. Sie war mit einem ägyptischen Staatsangehörigen verheiratet. Im Mai 2006 entband sie diesen von seinen Pflichten ihr gegenüber, erklärte zur Beurkundung durch den ägyptischen Standesbeamten den Verzicht auf Unterhaltsansprüche sowie den gestundeten Teil der Brautgabe; der Ehemann erklarte auf Bitten der Bet. zu 2) darauf die Verstoßung. Im Mai 2006 wurde die unwiderrufliche Scheidung im Scheidungsregister eingetragen. Der Bet. zu 1), der die ägyptische Staatsangehörigkeit besaß und 2008 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, hat im November 2012 die Vaterschaft zu dem Kind anerkannt. Er und die Kindesmutter haben die Nachbeurkundung der Geburt beantragt, welche vom Standesamt [Bet. zu 3)] abgelehnt worden ist. Auf Antrag der Bet. zu 1) und 2) hat das AG das Standesamt angewiesen, die Beurkundung der Geburt nicht aus dem Grund abzulehnen, dass der Familienstand der Mutter nicht nachgewiesen sei. Das BeschwG hat die Beschwerde der Standesamtsaufsicht [Bet. zu 4)] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

II. [4] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[5] 1. Nach Auffassung des BeschwG, dessen Entscheidung in StAZ 2018, 24 (IPRspr 2017-302b) veröffentlicht ist, steht der Anerkennung der Vaterschaft nicht die – vom deutschen Recht (§ 1594 II BGB) und ägyptischen Recht übereinstimmend vorgesehene – Anerkennungssperre aufgrund gesetzlicher Vaterschaft des Ehemanns der Mutter entgegen. Denn der Nachweis über die Scheidung der Ehe sei erbracht worden.

[6] Einer vorherigen Entscheidung der SenJ gemäß § 107 FamFG bedürfe es hierfür nicht. Sog. Heimatstaatenentscheidungen bedürften nach § 107 I 2 FamFG nicht der Anerkennung durch die zuständige LJV. Über deren Anerkennung habe die damit befasste deutsche Verwaltungsbehörde oder das deutsche Gericht inzident selbst zu befinden.

[7] Die Kindesmutter und ihr damaliger Ehemann seien ägyptische Staatsangehörige. Die Scheidung sei in Ägypten vor einer zur Mitwirkung zuständigen Stelle erfolgt und dort registriert worden. Zweifel an der Wirksamkeit der allein ägyptischem Recht unterliegenden Scheidung bestünden nicht.

[8] Gegen eine inzidente Anerkennung spreche nicht, dass der Kindesmutter grunds. das Verfahren nach § 107 I 1 FamFG offenstehe. Zwar sei dieses bei ausländischen Privatscheidungen, die unter – irgendeiner – Beteiligung einer Behörde oder eines Gerichts erfolgten, durchaus möglich. Jedoch sei ein entsprechendes Verfahren nicht zwingend erforderlich, sondern stehe dem – geschiedenen – ausländischen Ehegatten lediglich fakultativ zur Verfügung.

[9] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand ...

[10] Nach § 36 I 1 Halbs. 1 PStG kann, wenn ein Deutscher im Ausland geboren ist, der Personenstandsfall auf Antrag im Geburtenregister beurkundet werden. Antragsberechtigt sind nach § 36 I 4 Nr. 1 PStG bei einer Geburt v.a. die Eltern des Kindes sowie das Kind selbst. Im Fall der wirksamen Anerkennung der Vaterschaft durch einen deutschen Staatsangehörigen ergibt sich die deutsche Staatsangehörigkeit des betroffenen Kindes – bei Anerkennung nach der Geburt auch rückwirkend – aus §§ 3 I Nr. 1, 4 I StAG (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 449 Rz. 10 m.w.N.; SG Dortmund, Urt. vom 25.10.2017 – S 35 AS 1278/16 WA, juris Rz. 38 f.).

[11] In diesem Zusammenhang ist die Wirksamkeit der ausländischen Privatscheidung als Vorfrage inzident zu prüfen.

[12] a) Das BeschwG ist davon ausgegangen, dass sich das deutsche Recht (§ 1594 II BGB) und das ägyptische Recht hins. der durch Anerkennung begründeten Vaterschaft insoweit entsprechen, als nach beiden Rechtsordnungen aus der gesetzlichen Vaterschaft des mit der Mutter des Kindes verheirateten Mannes gegenüber der Anerkennung durch einen anderen Mann eine Sperrwirkung folgt. Die insoweit zum ägyptischen Recht getroffenen Feststellungen sind von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen worden. Da auf dieser Grundlage beide hier in Betracht kommenden Rechtsordnungen zum selben Ergebnis gelangen, konnte das BeschwG offenlassen, welche Rechtsordnung gemäß Art. 19 EGBGB Anwendung findet.

[13] b) Das BeschwG hat seiner Entscheidung in zulässiger Weise zugrunde gelegt, dass die Ehe der Kindesmutter vor Geburt des Kindes wirksam geschieden wurde. Zur Beurteilung dieser Vorfrage bedurfte es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keines vorgeschalteten Anerkennungsverfahrens gemäß § 107 I 1 FamFG.

[14] aa) Der Durchführung eines Anerkennungsverfahrens hätte allerdings noch nicht entgegengestanden, dass es sich bei der in Ägypten vollzogenen Scheidung um eine sog. Privatscheidung handelt.

[15] Nach der noch zu Art. 7 § 1 I 1 FamRÄndG ergangenen Rspr. des Senats fallen Privatscheidungen im Anerkennungsverfahren jedenfalls dann unter den Begriff der Entscheidungen, wenn daran eine ausländische Behörde entsprechend den von ihr zu beachtenden Normen in irgendeiner Form, und sei es auch nur registrierend, mitgewirkt hat (Senatsbeschl., BGHZ 82, 34 = FamRZ 1982, 44, 45 (IPRspr. 1981 Nr. 192)). Da mit der Übernahme der Regelung in § 107 FamFG insoweit keine inhaltliche Änderung verbunden war, gilt dies unverändert für die bestehende Rechtslage.

[16] Dem steht auch die Rspr. des EuGH (Urt. vom 20.12.2017 – Soha Sahyouni ./. Raja Mamisch, Rs C-372/16, FamRZ 2018, 169) nicht entgegen. Denn der EuGH hat nur zur Anwendbarkeit der Rom-III-VO entschieden und eine solche unter Berücksichtigung der EuEheVO verneint. Dies steht einer Anerkennung im Verfahren nach § 107 FamFG nicht im Weg.

[17] bb) Die Durchführung des Anerkennungsverfahrens war hier jedoch nicht zwingend.

[18] Vereinzelt wird in Rspr. u. Lit. angenommen, dass das Anerkennungsverfahren im Fall von Privatscheidungen auch bei Auslandsscheidungen gemäß § 107 I 2 FamFG vorrangig durchgeführt werden müsse und sich eine Inzident-Feststellung der Wirksamkeit der Scheidung verbiete (OLG Nürnberg, FamRZ 2017, 360 (IPRspr 2016-319); OLG Frankfurt, FamRZ 2005, 989 (IPRspr 2004-182); Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 107 FamFG Rz. 7).

[19] Das trifft indes nicht zu. Der Gesetzgeber hat in § 107 I FamFG eine differenzierende Regelung getroffen, welche im Heimatstaat der Ehegatten durchgeführte Auslandsscheidungen vom obligatorischen Anerkennungsverfahren ausnimmt. Während nach § 107 I 1 FamFG Entscheidungen nur anerkannt werden, wenn die LJV festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, hängt die Anerkennung nach § 107 I 2 FamFG nicht von einer Feststellung der LJV ab, wenn ein Gericht oder eine Behörde des Staats entschieden hat, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehört haben. Eine unterschiedliche Bedeutung des Begriffs der Entscheidung in § 107 I 1, 2 FamFG besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde (vgl. auch OLG Frankfurt aaO) nicht. Vielmehr schließt eine Einbeziehung von Privatscheidungen in die Anerkennung von Entscheidungen nach § 107 I 1 FamFG notwendigerweise auch eine Einbeziehung in den Anwendungsbereich von § 107 I 2 FamFG ein.

[20] Allein die allgemeine Zielsetzung des Anerkennungsverfahrens, welche in der Vermeidung der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht, rechtfertigt es nicht, die beiden Tatbestände gemäß § 107 I FamFG entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gleichzustellen. Ob ein Anerkennungsverfahren durchgeführt wird, unterliegt in Fällen des § 107 I 2 FamFG der freien Entscheidung der geschiedenen Ehegatten als Antragsberechtigten. Anders als in Fällen nach § 107 I 1 FamFG besteht mithin kein Zwang zur Durchführung des Anerkennungsverfahrens, so dass den Beteiligten auch eine Inzident-Entscheidung über die Anerkennung nicht verweigert werden darf. Dass dabei die Standesämter mitunter schwierige Fragen des ausländischen Rechts beurteilen müssen, ist nicht ungewöhnlich. Das Gesetz erwartet dies auch in anderen Zusammenhängen (vgl. Senatsbeschl. BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 (IPRspr 2016-139) Rz. 22) und trägt bestehenden Schwierigkeiten dadurch Rechnung, dass es den Standesämtern die Befugnis einräumt, in Zweifelsfällen nach § 49 II PStG eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

[21] cc) Das BeschwG hat entsprechend diesen Maßstäben die Vorfrage der Scheidung inzident geprüft und auf die Scheidung, die keinen Auslandsbezug aufgewiesen hat, zutreffend das ägyptische Recht angewendet. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das BeschwG habe keine Feststellungen zur Scheidung und deren Registrierung getroffen, ist unbegründet. Denn die notwendigen Feststellungen ergeben sich aus der angefochtenen Entscheidung. Sie beruhen auf der Urkunde über die Scheidungserklärung und dem Auszug aus dem ägyptischen Scheidungsregister, die vom Bet. zu 1) vorgelegt worden sind. Weitere auf die Anwendung des ausländischen Rechts bezogene Beanstandungen hat die Rechtsbeschwerde nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 160, 332 = FamRZ 2004, 1952, 1955 (IPRspr 2004-135)).

Fundstellen

LS und Gründe

DNotZ, 2019, 356
FamRZ, 2019, 371
InfAusIR, 2019, 171
MDR, 2019, 230
NJW, 2019, 931
StAZ, 2019, 143, m. Anm. Helms

Bericht

Finger, FamRB, 2019, 89
Soyka, FuR, 2019, 233
Majer, NZFam, 2019, 140

Aufsatz

Wall, StAZ, 2020, 44

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2018-139

Lizenz

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