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Verfahrensgang

OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 26.10.2004 – 4 WF 97/04, IPRspr 2004-182

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Ehe- und Kindschaftssachen

Leitsatz

Das Feststellungsverfahren nach Art. 7 FamRÄndG ist auch im Falle einer Privatscheidung ausländischer (hier: marokkanischer) Eheleute erforderlich, wenn bei der Scheidung eine Behörde ihres Heimatstaats zumindest mitgewirkt hat, z.B. durch Eintragung in ein behördliches Register. Die Ausnahmebestimmung für Heimatstaatentscheidungen gemäß Art. 7 § 1 I 3 FamRÄndG greift nicht, wenn das befasste Gericht – wie hier – keine eigene Entscheidung getroffen und damit auch die Anerkennungsvoraussetzungen gerade nicht selbst geprüft hat.

Zum Anspruch auf Auskunftserteilung zur Durchführung des Versorgungsausgleichs vor Stellung des Antrags im Verfahren über die Anerkennung der Auslandsscheidung.

Rechtsnormen

BGB § 1578e; BGB § 1580
FamRÄndG Art. 7
FGG § 33

Sachverhalt

Die ASt. hat im Anschluss an die in Marokko vollzogene Ehescheidung am 5.12.2003 vor dem AG – FamG – Frankfurt/Main die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt.

Die Parteien, marokkanische Staatsangehörige, schlossen am 10.11.1977 die Ehe. Auf Anweisung des Amtsgerichts in Merkez Zaio erschien die ASt. am 12.11.2002 vor zwei islam. Notaren („Adoulen“), um die Scheidung seitens des Ehemanns anzuhören. Die widerruflich erklärte Scheidung durch den AGg. wurde gemäß einer Urkunde vom 18.2.2003, die am 20.2.2003 durch den islamischen Beurkundungsrichter von Zaio unterschrieben wurde, entgegengenommen und in das Eheheft eingetragen.

Durch Beschluss vom 22.6.2004 hat das AG dem AGg. unter Androhung der Verhängung eines Zwangsgelds von bis zu 25 000 Euro aufgegeben, innerhalb von drei Wochen nach Zustellung (24.6.2004) die Vordrucke zum Versorgungsausgleich vollständig ausgefüllt einzureichen. Nach Ablauf dieser Frist hat es gegen ihn ein Zwangsgeld in Höhe von 150 Euro festgesetzt. Hiergegen wendet sich der AGg. mit seiner Beschwerde vom 6.8.2004, der das AG nicht abgeholfen hat. Zwischenzeitlich, am 9.9.2004, hat die ASt. vor dem OLG Frankfurt/Main einen Antrag auf Anerkennung der Ehescheidung gestellt. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Das AG hat zu Recht ein Zwangsgeld gegen den AGg. festgesetzt, da er die erforderliche Mitwirkung im Versorgungsausgleichsverfahren verweigert hat (§ 33 I FGG). Der AGg. ist im Rahmen des Verfahrens auf Versorgungsausgleich zur Auskunfterteilung und damit zur Einreichung der ausgefüllten Vordrucke zum Versorgungsausgleich verpflichtet (§§ 1578e I, 1580 BGB).

[2]Die ASt. hat auch bereits ein berechtigtes Interesse an der Auskunft, obwohl die Scheidung der Parteien vom 18.2.2003 mangels Anerkennung im Inland bisher keine Wirkungen entfaltet. Das Feststellungsverfahren nach Art. 7 FamRÄndG ist auch im Falle einer Privatscheidung erforderlich, wenn bei ihr eine ausländische Behörde mitgewirkt hat, z.B. durch Eintragung in ein behördliches Register. Bei der Scheidung der Parteien handelt es sich um eine Privatscheidung, nämlich die Auflösung der Ehe mittels Rechtsgeschäfts durch einseitige Verstoßung. Die vorgelegten Übersetzungen der Urkunde über die Scheidung lassen erkennen, dass sich die Mitwirkung der beiden Adoulen, der islamischen Notare, auf die Feststellung der Personalien der Erschienenen und ihrer Geschäftsfähigkeit sowie auf die Entgegennahme der Erklärung des AGg. und ihrer Protokollierung beschränkte. Irgendeine inhaltliche Überprüfung der Erklärung haben sie nicht vorgenommen. Zwar hat der Beurkundungsrichter das Protokoll bestätigt; ausweislich der von dem AGg. im Vorprozess vorgelegten Übersetzung hat die Scheidung seine ‚Genehmigung’. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass er tatsächlich eine Entscheidung in der Sache getroffen und gerade durch einen staatlichen Hoheitsakt die Ehe geschieden hat. Auch ein richterlicher Versöhnungsversuch ergibt sich aus dem Protokoll nicht. Die Anweisung des marokkanischen Gerichts vom 15.8.2002, zu dem festgesetzten Termin vor den zwei Adoulen zu erscheinen, stellt zwar einen Hoheitsakt dar, nicht aber die Scheidung selbst.

[3]Eine Privatscheidung unterfällt jedenfalls dann dem Anwendungsbereich des Art. 7 § 1 FamRÄndG, wenn eine Behörde entsprechend den von ihr zu beachtenden Normen zumindest deklaratorisch registrierend oder beurkundend mitgewirkt hat (vgl. BGHZ 82, 34, 43 f. (IPRspr. 1981 Nr. 192); 110, 267, 270 (IPRspr. 1990 Nr. 216); OLG Celle, FamRZ 1998, 686; BayObLG, FamRZ 2003, 381 f. (IPRspr. 2002 Nr. 207); 1998, 1594, 1595 (IPRspr. 1998 Nr. 71); Palandt-Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 36; Geimer, IZPR, 4. Aufl., Rz. 3020; Zöller-Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 328, Rz. 239 m.w.N.). Eine solche Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck des Verfahrens nach Art. 7 § 1 FamRÄndG, dem Bedürfnis nach Klarheit und einheitlicher und kompetenter Entscheidung Rechnung zu tragen sowie die Erga-omnes-Wirkung der rechtsgeschäftlichen Gestaltung des Personenstands im Inland durchzusetzen.

[4]Die Anerkennung der Ehescheidung nach Art. 7 § 1 I FamRÄndG ist nicht deshalb entbehrlich, weil mit dem Amtsgericht in Merkez Zaio ein Gericht desjenigen Staats mitgewirkt hat, dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Entscheidung angehört haben. Die Ausnahmebestimmung für Heimatstaatentscheidungen gemäß Art. 7 § 1 I 3 FamRÄndG ist nicht anwendbar, da das befasste Gericht wie dargelegt keine eigene Entscheidung getroffen und damit auch die Anerkennungsvoraussetzungen gerade nicht selbst geprüft hat. Eine den Anwendungsbereich erweiternde Auslegung ist demzufolge mangels vergleichbarer Interessenlage insoweit nicht geboten. Vielmehr besteht auch in diesem Fall das Bedürfnis einer Feststellung der Anerkennung oder Nichtanerkennung durch die Landesjustizverwaltung mit bindender Wirkung für Gerichte und Verwaltungsbehörden und im Interesse der Betroffenen (vgl. BGHZ 112, 127, 130 ff. (IPRspr. 1990 Nr. 221) auch zu den Intentionen des damaligen Gesetzgebers).

[5]Die ASt. hatte die Anerkennung der marokkanischen Ehescheidung im Inland zum damaligen Zeitpunkt noch nicht beantragt. Ein solcher Antrag war aber ohne Weiteres möglich, sofern sich das Erfordernis der Anerkennung für sie erweisen würde. Die ASt. hat ihn inzwischen bei dem OLG gestellt. Dass die Voraussetzungen für die Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits sämtlich vorliegen, ist nicht Voraussetzung der gesetzlichen Auskunftspflicht.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2005, 989

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2004-182

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