Eine Inlandsscheidung vor dem Königlich Thailändischen Generalkonsulat ist gemäß Art. 17 II EGBGB in Deutschland rechtlich nicht wirksam; im Inland kann eine Ehe nur durch ein Gericht geschieden werden.
Bevor ein Scheidungsantrag bei einem deutschen Gericht gestellt werden kann, muss in entsprechender Anwendung des § 107 FamFG die Unwirksamkeit dieser Inlandsscheidung festgestellt werden. [LS der Redaktion]
Die ASt. und der AGg. sind thailändische Staatsangehörige. Sie haben 1988 vor der Königlich Thailändischen Botschaft in Berlin die Ehe geschlossen. Die ASt. lebt in Nürnberg, der AGg. lebt wieder in Thailand. Die letzte gemeinsame Ehewohnung war in Nürnberg. 2009 wurde die Ehe vor dem Königlich Thailändischen Generalkonsulat in Frankfurt geschieden und die Scheidung im dortigen Scheidungsregister eingetragen. Die ASt. hat 2016 Scheidungsantrag und Antrag auf Gewährung von VKH für das Scheidungsverfahren gestellt.
Das AG Nürnberg hat mit Beschluss vom 14.3.2016 den Antrag auf Gewährung von VKH abgelehnt. Gegen den Beschluss hat die ASt. am 18.3.2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 20.4.2015 hat das AG der Beschwerde nicht abgeholfen.
[1]II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist im Ergebnis jedoch nicht begründet.
[2]Das AG hat zu Recht die VKH mit der Begründung versagt, die ASt. müsse zunächst die Unwirksamkeit der vor dem Königlich Thailändischen Konsulat durchgeführten und dort registrierten Scheidung der Beteiligten im Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG feststellen lassen.
[3]VKH kann nur gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§§ 113 I FamFG, 114 I 1 ZPO). Das beabsichtigte Scheidungsverfahren kann nur dann mit Erfolg durchgeführt werden, wenn die Ehe, die geschieden werden soll, rechtlich noch besteht (Palandt-Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1564 BGB Rz. 1). Diese Voraussetzung hat die ASt., die insoweit darlegungspflichtig ist, nicht hinreichend dargetan, so dass das AG zu Recht von (derzeit) fehlender Erfolgsaussicht des Scheidungsantrags ausgegangen ist.
[4]Zutreffend hat das AG dargelegt, dass das Gericht die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der vor der Königlich Thailändischen Botschaft durchgeführten und dort registrierten Scheidung nicht selbst inzident prüfen darf, sondern insoweit (ausschließlich) das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG durchzuführen ist.
[5]Zwar ist die Ansicht der ASt. richtig, dass die Scheidung vor dem Königlich Thailändischen Generalkonsulat in Frankfurt eine Inlandsscheidung ist.
[6]Weder das Gelände einer Botschaft noch das eines Konsulats ist nach den Regelungen des modernen Völkerrechts Staats- oder Hoheitsgebiet des Entsendestaats (MünchKomm-Winkler von Morhenfels, 6. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 13 m.w.N., zit. n. juris). Es handelt sich um Staatsgebiet des Empfangsstaats, das allerdings gemäß Art. 22 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (BGBl. 1964 II 957) als ‚unverletzlich’ gilt und vor Durchsuchungs- und Vollstreckungsmaßnahmen geschützt ist.
[7]Zutreffend ist ebenso die Darlegung der ASt., dass eine Ehe im Inland gemäß Art. 17 II EGBGB nur durch ein Gericht geschieden werden kann; die Mitwirkung einer ausländischen Behörde, die nach dem ausländischen Scheidungsstatut zur Durchführung der Scheidung befugt wäre, genügt nicht (z.B. BGH, IVb ZB 718/80 (IPRspr. 1981 Nr. 192) zu einer von der thailändischen Botschaft geschiedenen Ehe).
[8]Die vor dem Königlich Thailändischen Konsulat in Frankfurt durchgeführte und dort registrierte Ehescheidung ist also gemäß Art. 17 II EGBGB in Deutschland rechtlich nicht wirksam.
[9]Das AG ist jedoch gehindert, die Unwirksamkeit der Scheidung selbst inzidenter in einem vor ihm geführten Scheidungsverfahren festzustellen, da hierfür das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG als ausschließlicher Prüfungsweg einzuschlagen ist. Eine eigenständige Beurteilung als Vorfrage ist dem AG entzogen (Zöller-Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 107 FamFG Rz. 7).
[10]Es ist davon auszugehen, dass § 107 FamFG entgegen seinem Wortlaut nicht nur für eine ‚im Ausland’ vollzogene Scheidung Anwendung findet, sondern analog auch für eine im Inland vollzogene Scheidung, wenn eine ausländische Behörde an der Scheidung mitgewirkt hat. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 14.10.1981 (aaO) seine Auffassung hinsichtlich der analogen Anwendung des damaligen Art. 7 FamRÄndG für im Inland vorgenommene Scheidungen unter Mitwirkung einer ausländischen Behörde damit begründet, dass auch in diesem Fall dieselben Erwägungen gälten, auf denen die Einführung des Anerkennungsverfahrens beruhe. Es müsse auch in diesen Fällen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen vorgebeugt werden, eine rasche und verbindliche Entscheidung ermöglicht werden und durch die Konzentration der Feststellungskompetenz gewährleistetet werden, dass die auftretenden Fragen von erfahrenen und sachkundigen Spezialisten beurteilt würden.
[11]§ 107 FamFG hat die Regelungen des Art. 7 FamRÄndG im Wesentlichen übernommen und nimmt ebenso wie dieser auf Entscheidungen ‚im Ausland’ Bezug. Ob die Problematik der Inlandsscheidungen unter Beteiligung einer ausländischen Behörde im Gesetzgebungsverfahren gesehen wurde, lässt sich den Gesetzesmaterialien, insbes. der BT-Drucks. 16/6308, nicht entnehmen. Soweit ersichtlich, sind Entscheidungen zu diesem Problemkreis nach Inkrafttreten des FamFG noch nicht ergangen; die Literatur beruft sich weitgehend auf die [o.g.] Entscheidung des BGH (z.B. MünchKomm-Winkler von Morhenfels aaO sowie Art. 17a EGBGB Rz. 92 f; Bahrenfuss-von Milczewski, FamFG, 2. Aufl. [2013], § 107 FamFG Rz. 20; Palandt-Thorn aaO Art. 17 EGBGB Rz. 7), ohne auf die Problematik der zwischenzeitlichen Gesetzesänderung einzugehen.
[12]Es bestehen zwar durchaus Bedenken, einen Analogieschluss, der zu einem früher geltenden Rechtszustand ergangen ist, auf eine gesetzliche Neuregelung anzuwenden, die trotz einer seit langem bekannten Problematik erneut dieselbe Wortwahl trifft.
[13]Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die erneute Aufnahme der Voraussetzung, dass die Entscheidung ‚im Ausland’ ergangen sein muss, in die gesetzliche Neuregelung des § 107 FamFG, im Inland vollzogene Scheidungen unter Beteiligung einer ausländischen Behörde ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 107 FamFG herausnehmen wollte. Die Gesetzesmaterialien lassen nicht den Schluss zu, dass die Problematik im Gesetzgebungsverfahren erkannt wurde und eine ausdrücklich abschließende Regelung beabsichtigt war, die einer Analogie nicht mehr zugänglich wäre.
[14]Die vom BGH in der Entscheidung VIb 718/80 (aaO) dargelegte Problematik besteht auch nach der gesetzlichen Neuregelung unverändert fort. Es besteht nach wie vor das Bedürfnis, durch das Feststellungsmonopol der Justizverwaltungen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen vorzubeugen. Die Mitwirkung einer ausländischen Behörde bei einer Ehescheidung birgt auch immer in gewissem Umfang einen Rechtsschein der Wirksamkeit, zumal nicht selten auch der konstitutive Teil der Scheidung im Ausland vorgenommen oder dort wiederholt wird und zudem auch die Abgrenzung zwischen ‚Gericht’ und ‚sonstiger Behörde’ in anderen Rechts- und Staatsordnungen nicht immer so klar und eindeutig gezogen werden kann wie im deutschen Rechtssystem.
[15]Die ASt. muss also, bevor sie einen Scheidungsantrag bei einem deutschen Gericht stellen kann, erst das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG durchführen. Erst wenn die Unwirksamkeit der Scheidung vor dem Königlich Thailändischen Generalkonsulat festgestellt ist, kann sie mit Aussicht auf Erfolg einen Scheidungsantrag bei einem deutschen Gericht stellen und dafür auch VKH erhalten, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von VKH vorliegen.