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Verfahrensgang

KG, Beschl. vom 24.02.2015 – 1 W 380/14, IPRspr 2015-4

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Haben Kindeseltern einen nach einer der Rechtsordnungen des Art. 10 III 1 EGBGB zulässigen Namen für ihr Kind gewählt, so ist im Personenstandsregister beim Familiennamen des Kindes der Zusatz „Namensführung nicht nachgewiesen“ zu berichtigen. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

AufenthG § 4; AufenthG § 48; AufenthG § 60; AufenthG § 78
AuslG § 39
EGBGB Art. 10
PStG § 9; PStG § 47; PStG § 48
PStV § 33; PStV § 35

Sachverhalt

Der (syrische) Kindesvater [Beteiligter zu 2)] erkannte am 19.4.2012 vor einem Bezirksamt in Berlin – JugA – mit Zustimmung der (armenischen) Kindesmutter [Beteiligte zu 1)] die Vaterschaft der am 17.1.2012 geborenen Tochter an. Der Kindesvater wies sich dabei mit einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens der Ausländerbehörde Berlin aus. Die Kindesmutter legte eine Duldung der Ausländerbehörde Berlin vor. Die Kindeseltern gaben an, nicht miteinander verheiratet zu sein und die gemeinsame elterliche Sorge übernehmen zu wollen. Bereits am 17.1.2012 hatten sie den Familiennamen des Kindesvaters zum Geburtsnamen des Kindes bestimmt. Der Standesbeamte beurkundete die Geburt des Kindes hins. des Familiennamens mit dem Zusatz „Namensführung nicht nachgewiesen“ und beim Familiennamen der Kindeseltern mit „Identität nicht nachgewiesen“.

Die Kindesmutter beantragte, den Standesbeamten anzuweisen, den Geburtseintrag zu berichtigen. Dabei hat sie einen Reisepass der Republik Armenien sowie einen durch die Ausländerbehörde Berlin auf den Kindesvater ausgestellten Reiseausweis für Ausländer vorgelegt. Im Verlauf des Verfahrens hat sie eine Geburtsurkunde vorgelegt und vorgetragen, der Kindesvater besitze keine Personenstandsurkunden und deren Ausstellung sei in Syrien auch nicht möglich. Das AG Schöneberg hat den Standesbeamten antragsgemäß zur Berichtigung des Geburtseintrags angewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. ... 2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

[2]Ein abgeschlossener Registereintrag darf, wenn wie vorliegend kein Fall der standesamtlichen Berichtigungsbefugnis vorliegt, § 47 PStG, nur auf gerichtliche Anordnung berichtigt werden, § 48 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist voller Beweis erforderlich, Glaubhaftmachung genügt insoweit nicht (Senat, Beschl. vom 22.9.1998 – 1 W 583/98, NJW-RR 1999, 1307; Beschl. vom 11.8.1992 – 1 W 5611/91 (IPRspr. 1992 Nr. 21), NJW-RR 1993, 516, 517).

[3]a) Liegen dem Standesamt bei der Beurkundung der Geburt keine geeigneten Nachweise zu Angaben über die Eltern des Kindes vor, ist hierüber im Geburtseintrag ein erläuternder Zusatz aufzunehmen, § 35 I 1 PStV. Ein solcher Zusatz ist im Rahmen der Geburt erfolgt und war zunächst auch nicht zu beanstanden, weil sich die Beteiligten zu 1) und 2) weder gegenüber dem die Vaterschaftsanerkennung beurkundenden JugA noch gegenüber dem Standesamt durch einen Personalausweis, einen Reisepass oder ein anderes anerkanntes Passersatzpapier haben ausweisen können. Zur Feststellung der Identität der Eltern soll das Standesamt aber bei der Anzeige der Geburt eines Kindes einen solchen Nachweis verlangen, § 33 Satz 1 Nr. 3 PStV.

[4]Nunmehr haben die Beteiligten zu 1) und 2) ihre Identität aber hinreichend nachgewiesen, so dass die Zusätze im Geburtseintrag nicht mehr zutreffen und deshalb zu berichtigen sind. Hinsichtlich der Beteiligten zu 1) wird dies auch von der Beteiligten zu 3) nicht angezweifelt. Es trifft aber auch auf den Beteiligten zu 2) zu. Bei dem von ihm vorgelegten Reiseausweis für Ausländer handelt es sich um ein Passersatzpapier, § 4 I 1 Nr. 1 Aufenthaltsverordnung vom 25.11.2004 (BGBl. I 2945; AufenthV). Durch Vorlage des Reiseausweises genügt der Inhaber seiner im Inland bestehenden Ausweispflicht, § 48 I Nr. 1 AufenthG (vgl. Maor, ZAR 2005, 222 [226]). Der Reiseausweis für Ausländer hat damit grundsätzlich auch eine Identifikationsfunktion (vgl. VG Augsburg, Urt. vom 9.10.2012 – Au 1 K 12.903, juris), jedoch mit der Einschränkung, dass die ausstellende Ausländerbehörde keine Garantie für die Richtigkeit der darin enthaltenen Daten übernimmt (Maor aaO 223). Eine zweifelsfrei geklärte Identität des Ausländers ist für die Ausstellung eines Reiseausweises nicht erforderlich (VG Augsburg aaO). Das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Ausweis stets auf ungesicherten Erkenntnissen beruhte. Das Gegenteil ist der Fall.

[5]Gemäß § 4 VI 1 AufenthV kann ein Reiseausweis für Ausländer nach § 4 I 1 Nr. 1 AufenthG mit dem Hinweis ausgestellt werden, dass die Personendaten auf den eigenen Angaben des Antragstellers beruhen. Den in einem solchen Reiseausweis enthaltenen Personaldaten kommt kein öffentlicher Glaube zu, so dass dieser Passersatz nicht geeignet ist, den Nachweis der Identität des Beschwerdeführers zu erbringen (Senat, Beschl. vom 16.2.2010 – 1 W 279/09, n.v.; vgl. auch OLG Schleswig, FGPrax 2014, 28, 30; OLG München, FGPrax 2011, 298, 299 (IPRspr 2011-135)).

[6]Die Möglichkeit, einen Hinweis gemäß § 4 VI 1 AufenthV in einen Reiseausweis für Ausländer aufzunehmen, ist durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung vom 15.6.2009 (BGBl. I 1287) eingefügt worden. Damit sollte ein Gleichlauf mit den Regelungen für Ausweisersatzpapiere erreicht werden (BR-Drucks. 381/09 S. 19). Die entspr. nun in § 78 I 4 AufenthG getroffene Regelung wurde erstmals durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9.1.2002 (BGBl. I 361, ber. 3142) in das damalige Ausländergesetz eingefügt, vgl. § 39 I 3 Nr. 10 AuslG (BGBl. I 2002, 361, 369). Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass entsprechende Hinweise nur dann in den Reiseausweis aufzunehmen sind, wenn keine verlässlichen Erkenntnisse über die Personalien des Ausländers aus anderen Dokumenten vorliegen (BT-Drucks. 14/7864 S. 6).

[7]Fehlt es, wie vorliegend, an einem Hinweis nach § 4 VI 1 AufenthV, bedeutet dies mithin, dass der Ausländerbehörde bei der Ausstellung des Reiseausweises weitere Erkenntnisse zur Verfügung standen, aufgrund derer sie die Identität des Antragstellers für ausreichend geklärt erachtet hat. Das muss jedenfalls dann aber auch für andere Behörden gelten, denen der Reiseausweis zur Identifikation des Inhabers zulässigerweise vorgelegt wird, vgl. § 33 Satz 1 Nr. 3 PStV, wenn keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Zweifel an dessen Identität begründen könnten. Die Beteiligte zu 3) hat insoweit nichts weiter vorgetragen und auch ansonsten sind Anhaltspunkte, die Anlass zu solchen Zweifeln geben könnten, nicht ersichtlich.

[8]b) Den Berichtigungen steht nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 2) keine Geburtsurkunde vorgelegt hat.

[9]Allerdings sind die in den Geburtseintrag aufzunehmenden Personenstandsangaben der Eltern primär deren Geburtsurkunden zu entnehmen, die dafür vollen Beweis erbringen. Nach § 33 Nrn. 1 und 2 PStV soll das Standesamt deshalb bei der Anzeige der Geburt eines Kindes verlangen, dass ihm die Geburtsurkunde der Mutter und ggf. des Vaters vorgelegt werden. Jedoch können auch andere Urkunden als Beurkundungsgrundlage dienen, wenn den zur Beibringung von Nachweisen Verpflichteten die Beschaffung öffentlicher Urkunden nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten oder unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist, § 9 II 1 PStG. Unter bestimmten Umständen kann auch auf solche Urkunden verzichtet werden, § 9 II 2 PStG. Das ist hier der Fall.

[10]Zwar genügt regelmäßig allein der Vortrag, entsprechende Urkunden könnten nicht erlangt werden, nicht. Hier ist es jedoch anders. Der Beteiligte zu 1) ist Syrer. Das BAMF hat mit Bescheid vom 25.4.2012 ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 II AufenthG festgestellt. Ihm ist ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt worden, was voraussetzt, dass er nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, § 5 I AufenthV. Kann der Beteiligte zu 2) aber keinen Pass oder Passersatz erlangen, ist die Annahme nahe liegend, dass ihm dies auch bei der Beantragung von Personenstandsurkunden nicht ermöglicht wird. Vorliegend führt dies dazu, dass zur Berichtigung des Geburtseintrags neben dem Pass und der Geburtsurkunde der Beteiligten zu 1) allein der Reiseausweis für Ausländer des Beteiligten zu 2) ausreichend ist. Da im Verfahren auf dessen Erteilung die Personalien des Beteiligten zu 2) bereits zu prüfen waren, hält es der Senat nicht für erforderlich, dass er die Richtigkeit seiner Angaben bzw. die im Hinblick auf seine Person erfolgten Erklärungen der Beteiligten zu 1) an Eides Statt versichert, § 9 II 2 PStG.

[11]c) Stehen danach zur Überzeugung des Senats die Identitäten der Beteiligten zu 1) und 2) fest, ist auch der Zusatz bei dem Familiennamen des Kindes – ‚Namensführung nicht nachgewiesen’ – zu berichtigen.

[12]Der Inhaber der Sorge kann gegenüber dem Standesamt bestimmen, dass ein Kind den Familiennamen nach dem Recht eines Staats erhalten soll, dem ein Elternteil angehört, nach deutschem Recht, wenn ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat oder nach dem Recht des Staats, dem ein den Namen Erteilender angehört, Art. 10 III 1 EGBGB. In Betracht kommt danach neben dem deutschen Recht armenisches oder syrisches Recht. Nach allen diesen Rechtsordnungen ist es zulässig, den Namen des Beteiligten zu 2) zum Familiennamen des Kindes zu bestimmen, wie es vorliegend geschehen ist.

Fundstellen

LS und Gründe

StAZ, 2015, 208

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2015-4

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