Der Grundsatz der Staatenimmunität greift auch dann, wenn vertragliche Erfüllungs- beziehungsweise Rückzahlungsansprüche auf vom Schuldenschnitt betroffene Staatsanleihen (hier: der Hellenischen Republik) gestützt werden. [LS der Redaktion]
[Auf den angekündigten Abdruck des vorgehenden Urteils des LG Bonn vom 19.10.2016 – 1 O 216/14 – wird nunmehr verzichtet. Die Revision der Kl. gegen das Urteil des OLG wurde vom BGH unterdessen zurückgewiesen (XI ZR 611/17).]
Die Kl. machen gegenüber der Bekl. vertragliche Rückzahlungsansprüche aus Staatsanleihen geltend, die im Zuge des sog. griechischen Schuldenschnitts im Frühjahr 2012 eingezogen wurden. Hilfsweise stützen sie ihre Forderungen auf Schadensersatzansprüche gemäß § 826 BGB.
[Siehe zum SV im Weiteren die folgenden Entscheidungen in diesem Band: BGH (XI ZR 247/16 (IPRspr 2017-241) u. XI ZR 791/16 (IPRspr 2017-80)), OLG Düsseldorf (I-16 U 85/16) (IPRspr 2017-245), OLG Oldenburg (6 U 1/17) (IPRspr 2017-237).]
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2016 als unzulässig abgewiesen. Hiergegen weden sich die Kl. mit ihrer Berufung.
[1]II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung als unzulässig abgewiesen. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist nicht eröffnet. Der Zulässigkeit der Klage steht der von Amts wegen und vor der Ermittlung der internationalen Zuständigkeit zu prüfende Einwand der Staatenimmunität der Bekl. entgegen. Auf die nachgelagerte Frage der internationalen Zuständigkeit kommt es mithin nicht an. Die Staatenimmunität steht auch der hilfsweise beantragten Verweisung an das LG Frankfurt entgegen.
[2]1. Staatenimmunität besteht nach dem als Bundesrecht i.S.d. Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrechts weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staats darstellen, soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet ...
[3]2. Nach diesen Grundsätzen ist hier sowohl die Geltendmachung vertraglicher Erfüllungsansprüche ausgeschlossen als auch die hilfsweise Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
[4]a) Dass Schadensersatzklagen deutscher Gläubiger wegen des Zwangsumtauschs griechischer Staatsanleihen im Nachgang des Gesetzes Nr. 4050/2012 – Regeln zur Änderung von Wertpapieren, die vom griechischen Staat emittiert oder garantiert wurden, mit Zustimmung der Anleihengläubiger – vom 23.2.2012 (FEK A 36/23.2.2012) am Grundsatz der Staatenimmunität scheitern, hat bereits der BGH im Verfahren VI ZR 516/14 (IPRspr 2016-239) mit Urt. vom 8.3.2016 (BGHZ 209, 191, juris Tz. 11 ff.) entschieden.
[5]b) Der Grundsatz der Staatenimmunität greift nach inzwischen h.M. auch dann, wenn vertragliche Erfüllungs- bzw. Rückzahlungsansprüche auf die vom Schuldenschnitt betroffenen Staatsanleihen gestützt werden (so u.a. OLG Frankfurt, Urt. vom 18.9.2014 – 16 U 32/14 (IPRspr. 2014 Nr. 203b), juris; OLG Schleswig, Urt. vom 7.7.2016 – 5 U 84/15 (IPRspr 2016-243), ZIP 2016, 1501; OLG München, Urt. vom 8.12.2016 – 14 U 4840/15 (IPRspr 2016-69), MDR 2017, 169; OLG Oldenburg, Urt. vom 26.5.2017 – 6 U 1/17 aaO; nach dem unbestrittenen Vortrag der Bekl. auch OLG Dresden, Urt. vom 21.6.2017 – 5 U 1533/16; aus der Literatur z.B. Reithmann-Martiny-Freitag, Int. Vertragsrecht, 8. Aufl., Rz. 6.657; Paulus, Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für Schadensersatz- und Rückzahlungsklagen von Anlegern griechischer Staatsanleihen gegen Griechenland: EWiR 2016, 577, 578; wohl auch Thole, Klagen geschädigter Privatanleger gegen Griechenland vor deutschen Gerichten?: WM 2012, 1793, 1794).
[6]Dieser Ansicht ist beizutreten. Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emissionen von Staatsanleihen ein nicht-hoheitliches Handeln dar, für die Frage der Immunität kommt es aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten (s. BGHZ 209 aaO Tz. 17). Das ist hier der Zwangsumtausch, die Entziehung der ursprünglich von den Klägern erworbenen Staatsanleihen, dessen Rechtmäßigkeit im vorliegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der Zahlungsansprüche stets eine streitentscheidende Rolle spielt. Die Maßnahmen der Bekl., die zur Ausbuchung der Schuldverschreibungen aus den Wertpapierdepots der Kläger führten, sind das Gesetz Nr. 4050/2012 vom 23.2.2012 und der Beschluss des Ministerrats vom 9.3.2012, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger allgemeinverbindlich wurde. Sowohl der Erlass des Gesetzes als auch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung sind hoheitlicher Natur.