Internationale Zuständigkeit in Kindschaftssachen: Kein Vorrang von Art. 8 EuEheVO (perpetuatio fori) gegenüber Art. 5 KSÜ gemäß Art. 61 lit. a EuEheVO bei Aufenthaltswechsel des Kindes während eines laufenden Sorgeverfahrens in einen Vertragsstaat des KSÜ, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist.
Die Begründung der internationalen Zuständigkeit in Kindschaftssachen gemäß Art. 10 KSÜ kommt nur bei bereits anhängiger Ehesache im Zeitpunkt der Antragstellung und im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht rechtskräftig entschiedener oder anderweitig erledigter Ehesache in Betracht.
Allein die Überbringung des Kindes durch ein Elternteil ins Ausland begründet noch keinen Eingriff in das Sorgerecht des anderen Elternteils im Sinne von Art. 7 KSÜ, wenn dem überbringenden Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht – sei es auch nur vorläufig – im Zeitpunkt der Überbringung allein zusteht. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an.
Bei den beteiligten Eltern handelt es sich um rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie streiten um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter K. Jeder Elternteil begehrt für sich die Übertragung der elterlichen Sorge für das Kind auf sich allein. Durch Beschluss hat das FamG die Anträge beider Eltern als unzulässig zurückgewiesen; die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht mehr gegeben, nachdem die Mutter während des laufenden Verfahrens mit dem Kind nach Moskau verzogen sei; von einem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten des Kindes in Moskau, das nach Art. 7 KSÜ zur Beibehaltung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte am ursprünglichen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes, mithin in Deutschland, führen würde, sei nicht auszugehen. Der Mutter war durch einstweilige Anordnung des AG Tempelhof-Kreuzberg, bestätigt durch Beschluss des KG, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind K vorläufig allein übertragen worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Vaters. Der Vater beantragt erstmals in der Rechtsmittelinstanz, die Widerrechtlichkeit der Verbringung des Kindes nach Moskau gerichtlich festzustellen. Die Mutter hat auf Hinweis des Senats ihre gegen den Beschluss des FamG eingelegte Beschwerde zurückgenommen.
[1]II. ... Das FamG hat im Ergebnis zu Recht den Antrag des Vaters auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge zurückgewiesen, da dieser mangels internationaler Zuständigkeit unzulässig ist. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags beider Eltern in der Beschwerdeinstanz fehlt es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschl. vom 17.2.2010 – XII ZB 68/09 (IPRspr 2010-240)).
[2]Das FamG hat für die Frage der internationalen Zuständigkeit zutreffend auf Art. 5 KSÜ abgestellt.
[3]Nach Art. 8 I EuEheVO sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, an sich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Sorgerechtsantrags hatte K. noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Mit dem Wegzug des Kindes nach Russland und der Begründung des neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in Moskau ist diese ursprüngliche internationale Zuständigkeit aber nachträglich entfallen.
[4]Zwar lässt sich Art. 8 I EuEheVO der Grundsatz einer perpetuatio fori entnehmen, wonach das bei Antragstellung zuständige Gericht auch dann international zuständig bleibt, wenn das Kind während des Verfahrens in einem anderen als dem angerufenen Staat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erwirbt (BGH, Beschl. vom 17.2.2010 aaO). Allerdings gilt das nur für Mitgliedstaaten der EU. Für Nichtmitgliedstaaten verbleibt es dagegen bei den unmittelbar zwischen einem Mitgliedstaat und einem nicht durch die EuEheVO gebundenen Drittstaat getroffenen völkerrechtlichen Vereinbarungen. Der Vorrang völkerrechtlicher Verträge folgt bereits aus Art. 60 lit. a EuEheVO, wonach die Vorschriften der EuEheVO nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander vorrangig zur Anwendung gelangen. Von einer fortbestehenden Zuständigkeit nach Art. 8 I EuEheVO auch im Verhältnis zu Nichtmitgliedstaaten kann nicht ausgegangen werden, denn die EuEheVO bezweckt nicht den Eingriff in völkerrechtliche Beziehungen ihrer Mitgliedstaaten gegenüber Nichtmitgliedsstaaten (vgl. Staudinger-Spellenberg, BGB, Neub. 2005, Art. 12 EuEheVO Rz. 34), weshalb die Regelungen der EU bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts lediglich innerhalb ihrer Mitgliedstaaten Anwendung finden können. Eine Überlagerung völkerrechtlicher Verträge durch eine extensive Auslegung des Art. 8 I EuEheVO findet daher nicht statt (vgl. etwa zum Verhältnis zwischen EuGVO und MSA: OLG Stuttgart, Beschl. vom 12.4.2012 – 17 UF 22/12 (IPRspr 2012-244), zit. n. juris).
[5]Die Russische Föderation ist nicht Mitglied der EU, dagegen Vertragsstaat des KSÜ. Zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland gilt das KSÜ seit dem 1.6.2013 (Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, 1. Aufl. [2013], B 270). Das KSÜ kennt – anders als die EuEheVO – den Grundsatz der perpetuatio fori nicht.
[6]Gemäß Art. 61 lit. a EuEheVO besteht ein Vorrang der EuEheVO auch gegenüber dem KSÜ nur dann, wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat. Dabei kommt es auf den Aufenthalt im Zeitpunkt der Sachentscheidung an, so dass nach einem Aufenthaltswechsel aus einem Mitgliedstaat der EuEheVO in einen Nichtmitgliedstaat, der aber wie die Russische Föderation Vertragsstaat des KSÜ ist, eine perpetuatio fori ausscheidet. Mit der Vorschrift des Art. 61 lit. a EuEheVO soll ein Konflikt mit der Zuständigkeit nach Art. 5 KSÜ eines Staats vermieden werden, für den die EuEheVO nicht gilt. Diese Vorschrift in der EuEheVO aus dem Jahr 2003 beruht darauf, dass sich bei Abschluss des KSÜ im Jahre 1996 die Vertragsstaaten in Art. 52 II bis IV KSÜ verpflichtet haben, in künftigen zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder regionalem Einheitsrecht den Vorrang des KSÜ gegenüber Drittstaaten zu wahren. Mit dem Wegzug des Kindes und der Begründung seines neuen gewöhnlichen Aufenthalts in Russland besteht gemäß Art. 5 KSÜ eine internationale Zuständigkeit der russischen Gerichte, auch wenn diese erst nach Einleitung des inländischen deutschen Verfahrens entstanden ist. Ein solcher Übergang der Zuständigkeit auf den Staat des neuen Aufenthalts ist in Art. 5 II KSÜ – anders als in Art. 8 EuEheVO – ausdrücklich vorgesehen (zum damit beabsichtigten Ausschluss der perpetuatio fori im Rahmen des KSÜ und der Ablehnung eines Vorschlags für eine positive Regelung der perpetuatio fori vgl. Lagarde, Erl. Bericht zum KSÜ, BR-Drucks. 14/09, Anm. 75). Ein Konflikt mit der hier nunmehr bestehenden Zuständigkeit der Russischen Föderation gemäß Art. 5 II KSÜ kann nur dann vermieden werden, wenn Art. 8 EuEheVO mit seiner dem KSÜ fremden perpetuatio fori gemäß Art. 61 lit. a EuEheVO nicht gilt, weil kein gewöhnlicher Aufenthalt in einem Mitgliedstaat im Sinne von Art. 2 Nr. 3 EuEheVO (mehr) besteht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 12.11.2013 – 5 UF 140/11 (IPRspr 2013-239), Rz. 23, 27 f., zit. n. juris; MünchKommFamFG-Rauscher, 2. Aufl., § 99 Rz. 38; Prütting-Hau, FamFG, 3. Aufl., Vor §§ 98-106 Rz. 12; Hausmann aaO 260; Staudinger-Henrich aaO [Bearb. 2008] Art. 21 EGBGB Rz. 160a).
[7]Gemäß Art. 5 KSÜ als der im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland / Russische Föderation für die Begründung der internationalen Zuständigkeit maßgebenden Norm kommt es dementsprechend maßgeblich auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Zeitpunkt der Entscheidung an. Dieser befindet sich nach den Feststellungen des Senats inzwischen in Russland. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird im KSÜ nicht definiert; er ist jedoch ebenso wie in Art. 1 MSA und in anderen kindschafts- und unterhaltsrechtlichen Haager Übereinkommen zu verstehen. Herangezogen werden kann außer der bisherigen Praxis zu Art. 1 MSA auch die Rspr. zu Art. 8 I EuEheVO und zum autonomen deutschen internationalen Privat- und Verfahrensrecht, weil diese sich maßgeblich an den Vorgaben der Haager Übereinkommen orientiert (Hausmann aaO 317 m.w.N.). Neben der körperlichen Anwesenheit des Kindes in einem Vertragsstaat sind andere Faktoren heranzuziehen, die belegen können, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende oder gelegentliche Anwesenheit handelt und dass der Aufenthalt Ausdruck einer gewissen Integration in ein soziales und familiäres Umfeld ist. Soweit es wie bei einem Umzug auf den Bleibewillen ankommt, gibt nicht der Wille des Kindes, sondern derjenige des zur Aufenthaltsbestimmung berechtigten Elternteils den Ausschlag. Im Falle eines Umzugs von einem Vertragsstaat in einen anderen erwirbt das Kind erst dann einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt, wenn es an dem neuen Aufenthaltsort sozial integriert ist. Von einer solchen sozialen Integration des Kindes ist in der Regel nach einer sechsmonatigen Aufenthaltsdauer auszugehen (Hausmann aaO 320 m.w.N.). Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Faustregel, von der im Einzelfall nach oben oder unten abgewichen werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 12.6.2012 – 11 UF 117/12 (IPRspr 2012-119), Rz. 58 zit. n. juris).
[8]Nach den Feststellungen des Senats ist davon auszugehen, dass K. Deutschland zusammen mit ihrer Mutter bereits im Juli 2014 verlassen hat und sich seit dem 30.7.2014, also seit nunmehr nahezu sieben Monaten, durchgehend dort befindet, so dass die äußeren Umstände für einen dauerhaften Verbleib der Mutter und des Kindes in Russland sprechen. Bestätigt wird dies durch die Mitteilung der Mutter vom 23.1.2015, mit der diese zu erkennen gegeben hat, dass eine Rückkehr K.s nach Deutschland auf absehbare Zeit nicht geplant ist und sie stattdessen Maßnahmen zur Integration des Kindes in ihre neue Heimat unternommen hat.
[9]Auch eine Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte über Art. 10 KSÜ scheidet aus. Voraussetzung der Begründung einer solchen Annexzuständigkeit in einem vom gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Kindes verschiedenen Vertragsstaat ist die Anhängigkeit eines Ehescheidungs-, Trennungs-, Aufhebungs- oder Nichtigkeitsverfahrens, die nach Abs. 2 dieser Vorschrift endet, sobald die Entscheidung in der Ehesache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren aus anderen Gründen beendet wurde (Andrae, Internationales Familienrecht, 3. Aufl. [2014], Kap. 6 Rz. 70). Zudem muss es sich bei der Kindschaftssache um ein verbundenes Verfahren handeln, was nur gegeben ist, wenn der Sorgeantrag entweder gleichzeitig mit dem Antrag in der Ehesache oder während des schon anhängigen Eheverfahrens gestellt wird. Nicht ausreichend ist, wenn erst im Anschluss an ein bereits anhängiges Sorgeverfahren noch eine Ehesache anhängig gemacht wird (vgl. Hausmann aaO 372 m.w.N.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, denn der Ehescheidungsantrag wurde erstmalig am 8.9.2012 beim AG Tempelhof-Kreuzberg zum Geschäftszeichen 171 F 16981/12 durch den Vater eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt war der am 10.5.2012 zum Geschäftszeichen 171 F 8645/12 beim AG Tempelhof-Kreuzberg eingegangene Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das Kind K. bereits anhängig. Zudem ist das Ehescheidungsverfahren mit Eintritt der Rechtskraft in dortigem Verfahren am 21.10.2014 beendet worden, so dass sich die internationale Zuständigkeit für das Sorgeverfahren daraus auch aus diesem Grund nicht mehr ableiten lässt.
[10]Schließlich hat das FamG auch zutreffend einen Fortbestand des internationalen Gerichtsstands in Deutschland nach Art. 7 I KSÜ verneint, weil von einem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten des Kindes in Russland nicht auszugehen ist, nachdem der Mutter durch einstweilige Anordnung vom 18.12.2012 im Verfahren 171 F 2265/12 des AG Tempelhof-Kreuzberg, bestätigt durch Beschluss des KG vom 14.2.2013 zum Geschäftszeichen 16 UF 14/13, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind K. vorläufig allein übertragen worden war. Dies schließt das Recht ein, das Kind ins Ausland zu verbringen, auch wenn es sich dabei nur um eine vorläufige Regelung handelt. Dies folgt daraus, dass es ohne weiteres möglich gewesen wäre, das durch einstweilige Anordnung begründete alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beschränken und – soweit als notwendig angesehen – durch den Erlass einer Grenzsperre zu sichern. Eine solche Anordnung ist in dem Beschluss des AG Tempelhof-Kreuberg vom 18.12.2012, bestätigt durch die Entscheidung des KG vom 14.2.2013, aber gerade nicht getroffen worden. Es kann der Mutter nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie von dem ihr durch die einstweilige Anordnung eingeräumten, weitreichenden Recht Gebrauch gemacht hat, auch wenn in den Gründen der Entscheidung ausgeführt wird, dass mit einem solchen Verhalten der Mutter nicht zu rechnen sei und deshalb auf eine Grenzsperre verzichtet werden könne. Dafür, dass die Mutter das AG über ihre wahren Absichten getäuscht und die Entscheidung durch Vortäuschen falscher Tatsachen erschlichen hätte, gibt es keine Anhaltspunkte, denn der Wegzug nach Russland erfolgte erst Ende Juli 2014, also etliche Monate nach Erlass der Entscheidung.
[11]Auch das Argument des Vaters, es sei von einer Verletzung des ihm im Übrigen neben der Mutter verbliebenen gemeinsamen Sorgerechts im Sinne des Art. 7 II lit. a KSÜ auszugehen, weil er durch den Wegzug des Kindes nach Moskau faktisch an der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts gehindert sei, verfängt nicht. Der Senat ist der Auffassung, dass dem Vater die Wahrnehmung der übrigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die er zusammen mit der Mutter ausübt, nicht unzumutbar durch die Übersiedlung des Kindes nach Moskau in einem solchen Maße erschwert ist, dass sich damit die Mitnahme des Kindes als widerrechtlich im Sinne von Art. 7 KSÜ darstellt. In der Sache geht es um die Mitentscheidung über die wesentlichen Aspekte der Erziehung (z.B. Religion, Entscheidung über den Besuch einer Kita/eines Kindergarten und später der Schule), aber auch um das gesundheitliche Wohl des Kindes. Die Möglichkeit, diese Rechte auszuüben, werden durch den neuen Aufenthaltsort des Kindes nicht wesentlich geschmälert, zumal die Russische Föderation Vertragsstaat des KSÜ ist und an die dort geschlossenen völkerrechtlichen Vereinbarungen gebunden ist, dementsprechend die Anerkennung deutscher Behördenentscheidungen im Bereich der elterlichen Sorge (Art. 23 ff. KSÜ) im Rahmen des Abkommens sicherstellen und eine Behördeninfrastruktur einschl. der vorgesehenen Zentralen Verbindungsbehörde (Art. 29 ff. KSÜ) zur Verfügung stellen muss, die die Erfüllung der eingegangenen internationalen Verpflichtungen sicherstellt. Zwar kann der Vater das Wohlergehen K.s nicht mehr durch persönlichen Umgang mit ihr so häufig überprüfen wie vor dem Wechsel. Auch sind Sprachprobleme nicht unwesentlich, wenn der Vater Informationen über das Kind bei Dritten einholen will. Jedoch kann der Vater weiter seine Rechte ausüben und auch in Russland vor russischen Behörden und Gerichten durchsetzen. Er kann die modernen Kommunikationsmittel nutzen, um mit K. und der Mutter in Kontakt zu treten und mit dem Flugzeug, Auto, Zug oder Bus nach Moskau reisen, um seine Rechte vor Ort geltend zu machen.
[12]Art. 7 KSÜ will in Anlehnung an Art. 3 HKiEntÜ die Fälle treffen, in denen das Kind aus seiner vertrauten familiären und sozialen Umgebung, in der sich sein Leben abspielte, herausgerissen wird und/oder der Entführer durch den Ortswechsel eine andere Gerichtszuständigkeit in seinem Sinne erzwingen will, welche er als günstiger für sein Begehren ansieht (vgl. insoweit zu Art. 3 HKiEntÜ: OLG Koblenz, Beschl. vom 9.8.2007 – 9 UF 450/07 (IPRspr 2007-83), zit. n. juris, auch zur Frage der Widerrechtlichkeit des Verbringens eines Kindes ins Ausland durch ein Elternteil mit alleinigem Aufenthaltsbestimmungsrecht, dort innerhalb der EU). Beides ist hier nicht der Fall. Aus seiner familiären und sozialen Umgebung wird das Kind nicht herausgerissen, weil diese sich in erster Linie durch den Elternteil definiert, bei dem das Kind bisher aufgewachsen ist, hier also die Mutter. Auch ein Forum Shopping lag offenbar nicht in der Absicht der Mutter. Durch das zur Erziehungsfähigkeit beider Eltern eingeholte Sachverständigengutachten, das zu ihren Gunsten ausgefallen war, zeichnete sich eine gerichtliche Entscheidung zu ihren Gunsten ab. Dementsprechend hatte auch sie ursprünglich Beschwerde gegen die Entscheidung des FamG eingelegt und diese nur auf Hinweis des Senats zurückgenommen. Auf die Frage, inwieweit hier anders zu entscheiden wäre, wenn die Mutter in ein Land verzogen wäre, mit dem die Bundesrepublik Deutschland nicht durch völkerrechtliche Vereinbarungen in die die elterliche Sorge betreffenden Angelegenheiten verbunden ist und in das persönliche Kontakte über moderne Kommunikationsmittel nur schwer herzustellen und weite und mühsame Reisen erforderlich sind (vgl. etwa im Fall eines nach Thailand verbrachten Kindes: OLG Köln, Beschl. vom 29.10.2009 – 21 UF 158/09 (IPRspr 2009-95), zit. n. juris), brauchte der Senat hier nicht einzugehen ...
[13]Der Antrag des Vaters auf Feststellung der Widerrechtlichkeit der Verbringung des Kindes nach Russland war als unzulässig zu verwerfen. Zum einen hat der Vater ein Rechtsschutzbedürfnis für eine entspr. Bescheinigung nach Art. 15 HKiEntÜ nicht dargelegt, zum anderen ist für eine solche Bescheinigung im Bezirk des KG das FamG Pankow/Weißensee ausschließlich zuständig, § 12 IntFamRVG.