Bei deutschem Güterrechtsstatut und griechischem Erbstatut findet der pauschalierte Zugewinnausgleich nach § 1371 I BGB Anwendung.
Die Beteiligte zu 1) ist die Ehefrau, die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Kinder des in [Deutschland] verstorbenen Erblassers. Der Erblasser war griechischer Staatsangehöriger. Die Beteiligte zu 1) und der Erblasser hatten 1968 geheiratet. Im Jahr 1995 hatten die Beteiligte zu 1) und der Erblasser ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Zunächst hatte die Beteiligte zu 1) einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Später beantragte die Beteiligte die Erteilung eines auf das im Inland gelegene Vermögen beschränkten Erbscheins, der sie zu 1/2, die beiden Kinder des Erblassers jeweils zu 1/4 Anteil als gesetzliche Erben ausweist. Das AG hat mit Beschluss den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, legte die Beteiligte zu 1) Beschwerde ein. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
[1]II. Die Beschwerde ist zulässig ... Sie hat auch in der Sache Erfolg.
[2]Die Beteiligte zu 1) ist Erbin zu 1/2 geworden. Ihr steht nach dem auf den Erbfall anwendbaren griechischen Recht als gesetzliche Erbin des Erblassers ein Erbanteil gemäß Art. 1820 des gr. Zivilgesetzbuchs i.d.F. des Gesetzes Nr. 2915 vom 29.5.2001 (nachfolgend: gr. ZGB) von 1/4 zu. Darüber hinaus erhält sie aufgrund des gemäß deutschen Güterrechtsstatuts anwendbaren § 1371 I BGB einen pauschalierten Zugewinnausgleich in Höhe von 1/4 der Erbschaft, um das sich ihr gesetzlicher Erbteil erhöht.
[3]Das AG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich des Erbfalls griechisches Recht anwendbar ist, da der Erblasser griechischer Staatsangehöriger war (Art. 25 EGBGB). Nach dem anwendbaren griechischen Recht ist die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in Art. 1717 gr. ZGB ausgeschlossen. Das AG ist daher auch zutreffend davon ausgegangen, dass das Testament vom 17.4.1995 unwirksam und gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.
[4]Nach Art. 1813 gr. ZGB sind als gesetzliche Erben der ersten Ordnung die Abkömmlinge des Erblassers berufen. Kinder erben zu gleichen Teilen. Der überlebende Ehegatte ist gemäß Art. 1820 gr. ZGB neben Verwandten der ersten Ordnung zu 1/4 als gesetzlicher Erbe berufen.
[5]Die Beteiligte zu 1) ist daher zunächst nach griechischem Erbrecht gesetzliche Erbin zu 1/4 geworden.
[6]Daneben ist die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um 1/4 gemäß § 1371 I BGB zu berücksichtigen, da die Beteiligte zu 1) mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht gelebt hat. Nach Art. 15 EGBGB folgt das Güterrechtsstatut dem Ehewirkungsstatut gemäß Art. 14 EGBGB. Dieses unterliegt vorliegend nach Art. 14 I Nr. 2 EGBGB deutschem Recht, da beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit kommt eine Anknüpfung nach Art. 14 I Nr. 1 EGBGB nicht in Betracht.
[7]Art. 15 EGBGB findet auch – unabhängig von der Frage der Möglichkeit einer Rechtswahl, von der die Beteiligte zu 1) ausgeht – gemäß Art. 220 III 2 EGBGB unmittelbar Anwendung. Für die Zeit nach dem 8.4.1983 ist hinsichtlich der güterrechtlichen Wirkungen Art. 15 EGBGB bereits nach seinem Wortlaut unmittelbar anzuwenden und lässt somit den Eintritt eines Statutenwechsels zu (BVerfG, NJW 2003, 1656 (IPRspr. 2002 Nr. 73); Palandt-Thorn, BGB, 72. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 12). Die Parteien haben zwar vor dem 8.4.1983 geheiratet. Der Erbfall und die daran anknüpfende Frage der Anwendbarkeit des § 1371 I BGB ist aber nach dem 8.4.1983 eingetreten.
[8]Ob bei Anwendung ausländischen Rechts aufgrund des Erbstatuts daneben eine Erhöhung des Erbteils nach § 1371 BGB aufgrund deutschen Rechts nach dem Güterrechtsstatut in Frage kommt, ist in Lit. u. Rspr. weiterhin umstritten. Es liegen abweichende Entscheidungen verschiedener OLG zu dieser Frage vor. Der BGH hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 12.9.2012 (NJW-RR 2013, 201) (IPRspr 2012-156) ausdrücklich offengelassen. Zuletzt haben sich das OLG München mit Beschluss vom 16.4.2012 (NJW-RR 2012, 1096) (IPRspr 2012-150) und das OLG Schleswig mit Beschluss vom 19.8.2013 (IPRspr 2013-84) (nach juris) für die Möglichkeit einer Erhöhung der Erbquote ausgesprochen. Das OLG Köln (Beschl. vom 5.8.2011, FamRZ 2012, 819) (IPRspr 2011-144) und der 20. ZS des OLG Frankfurt/Main (Beschl. vom 20.10.2009, FamRZ 2010, 767) (IPRspr 2009-124) verneinen diese Möglichkeit. Das OLG Düsseldorf hatte in einem Beschluss vom 19.12.2008 (ErbR 2009, 163) (IPRspr 2008-90) offengelassen, ob es an seiner bisherigen Auffassung, dass keine Erhöhung möglich sei, festhalten werde.
[9]Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass eine Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten bei Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts neben deutschem Güterrecht jedenfalls dann zulässig ist, wenn das ausländische Erbrecht mit der gesetzlichen Erbquote keinen güterrechtlichen Ausgleich bewirken will (OLG Schleswig aaO; OLG München aaO, MünchKomm-Siehr, 3. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 117; Palandt-Thorn aaO Rz. 26).
[10]Geht man mit der überwiegenden Auffassung davon aus, dass § 1371 BGB güterrechtlich zu qualifizieren ist, da dieser die Regelung eines pauschalierten Zugewinnausgleichs enthalte, ist nicht ersichtlich, warum diese Regelung bei einem Erbfall, der nach ausländischem Recht zu beurteilen ist, keine Anwendung finden sollte. § 1371 I BGB regelt die der erbrechtlichen Verteilung grundsätzlich zeitlich vorgelagerte Frage, wie im Todesfall eines der Ehepartner der güterrechtliche Ausgleich erfolgen soll. Das deutsche Recht hat sich für die Durchführung dieses güterrechtlichen Ausgleichs für eine Lösung durch pauschale Erhöhung des Erbteils entschieden. Dies ändert nichts daran, dass es sich um eine güterrechtliche Regelung handelt. Wenn § 1371 I BGB aber güterrechtlich zu qualifizieren ist, so ist nicht ersichtlich, wieso bei Geltung deutschen Güterrechtsstatuts eine Anwendung neben dem ausländischen Erbstatut ausgeschlossen sein soll (so auch OLG Schleswig aaO).
[11]Die abweichende Auffassung wird im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Regelung des § 1371 I BGB in das ausländische Erbrecht eingegriffen werde und damit die nach ausländischem Erbrecht festzustellenden Erbquoten zum Nachteil der gesetzlichen Erben verändert würden (OLG Frankfurt, 20.10.2009 aaO; OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 740 (IPRspr 2005-79); OLG Köln, 5.8.2011 aaO).
[12]Diese Auffassung wird aber der ebenfalls zu berücksichtigenden Anwendbarkeit des deutschen Güterrechts nicht gerecht und schützt einseitig die Interessen der nach ausländischem Recht zu ermittelnden Erben bzw. Erbquoten zum Nachteil des überlebenden Ehegatten. Dem überlebenden Ehegatten steht nach deutschem Recht ein pauschalierter Zugewinnausgleich nach § 1371 I BGB zu. Dieser wird nicht durch einen Eingriff in das ausländische Erbrecht, sondern daneben mit der Erhöhung der nach dem ausländischen Erbrecht festzustellenden Erbquote umgesetzt. Die abweichende Auffassung setzt sich auch nicht hinreichend mit der Frage auseinander, wie der dem überlebenden Ehegatten nach deutschem Güterrecht zustehende Zugewinnausgleich durchzuführen wäre. Die Verweisung des überlebenden Ehegatten auf die Möglichkeiten der Geltendmachung des Zugewinnausgleichs nach den §§ 1373 ff. BGB erscheint unbillig, da der Ehegatte dann ggf. auch weniger erhalten könnte, als er nach dem ihm nach deutschen Recht zustehenden pauschalierten Zugewinnausgleich erhalten würde. Zudem müsste er den aufwendigen Weg einer ggf. streitigen Auseinandersetzung zur Feststellung der Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs bestreiten. Dieser Weg soll dem überlebenden Ehegatten im Fall des Todes des anderen Ehegatten nicht zuletzt auch im Interesse des Familienfriedens aber durch § 1371 I BGB gerade abgenommen werden (Palandt-Brudermüller aaO § 1371 Rz. 1).
[13]Vorliegend sieht das griechische Erbrecht ebenso wie das deutsche Erbrecht eine Erbquote des überlebenden Ehegatten neben Abkömmlingen der ersten Ordnung in Höhe von 1/4 vor. Das griechische Güterrecht sieht als gesetzlichen Güterstand Gütertrennung vor (Art. 1397 gr. ZGB). Es gibt zwar auch einen Zugewinnausgleich bei Scheidung (Art. 1400 gr. ZGB), nicht aber im Todesfall (Art. 1401 gr. ZGB). Das griechische Recht sieht daher güterrechtliche Ansprüche im Todesfall schon nicht vor, so dass auch eine Abgeltung solcher Ansprüche mit der gesetzlichen Erbquote nicht angenommen werden kann. In diesen Fällen bestehen dann aber auch keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit von § 1371 I BGB aufgrund des deutschen Güterrechtsstatuts (OLG Schleswig aaO; MünchKomm-Siehr aaO).
[14]Angesichts der dem deutschen Recht entspr. gesetzlichen Erbquote des überlebenden Ehegatten nach griechischem Recht stellt sich vorliegend auch nicht die bei Anwendung anderer ausländischer Rechtsordnungen mit höheren Erbquoten entstehende Frage der etwaigen Erforderlichkeit einer Anpassung der Erbquoten (vgl. OLG Schleswig aaO zum österr. Erbrecht; OLG Frankfurt aaO zum schwed. Erbrecht).
[15]Nach alledem ist die Beteiligte zu 1) Erbin zu 1/2 nach dem Erblasser geworden. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind daneben jeweils Erben zu 1/4 (Art. 1813 gr. ZGB).