Bei deutschem Güterrechtsstatut und iranischem Erbstatut findet der pauschalierte Zugewinnausgleich statt. Das gilt auch dann, wenn die Erbquote der Witwe wegen des ordre public erhöht wird.
Der kinderlose Erblasser ist im März 2010 in München verstorben. Er war iran. Staatsangehöriger schiitischer Religionszugehörigkeit und lebte seit 1967 in Deutschland. Die Beteiligte zu 1) ist seine Ehefrau. Sie ist seit Geburt dt. Staatsangehörige. Seit der Eheschließung im Jahr 1978 lebten die Ehegatten in München. Einen Ehevertrag haben sie nicht geschlossen. Die Beteiligte zu 1) ist wie der Erblasser Muslimin. Die Beteiligten zu 2) bis 8) sind die Brüder und Schwestern des Erblassers; seine Eltern sind vorverstorben. Der Beteiligte zu 2) wohnt in Deutschland, die Beteiligten zu 3) bis 8) leben im Iran. Der Nachlass besteht aus Guthaben bei deutschen Banken und der Abfindung für die Anteile des Erblassers an einer GmbH. Es liegt ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament vor, das von der Ehefrau geschrieben und von beiden Ehegatten unterzeichnet wurde. Darin setzen sich beide gegenseitig als Alleinerben ein. Das Testament wurde von beiden Ehegatten gemeinsam beim NachlG in besondere amtliche Verwahrung gegeben.
Die Beteiligte zu 1) hat beim AG beantragt, ihr einen Erbschein als Miterbin zu 3/4 zu erteilen. Das restliche Viertel sei unter den Geschwistern des Erblassers nach islamischem Recht aufzuteilen. Die Beteiligten zu 2) bis 8) haben die Erbschaft angenommen. Das AG hat mit Beschluss den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich ihre Beschwerde.
[1]II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
[2]1. Maßgeblich für die Erbfolge ist das iranische Recht, da der Erblasser ausschließlich iranischer Staatsangehöriger war (Art. 3 Nr. 2 EGBGB i.V.m. Art. 8 III des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 [RGBl. 1930 II 1002, 1006]).
[3]Nach dem iranischen Recht ist eine Erbeinsetzung durch Testament nicht möglich; der Erblasser kann nur im Wege des Vermächtnisses über höchstens 1/3 des Nachlasses testamentarisch verfügen. Die Erbfolge wird deshalb allein durch die Vorschriften des iranischen Zivilgesetzbuches bestimmt (Ferid-Firsching-Dörner-Hausmann-Yassari, Internationales Erbrecht, Länderteil Iran [Stand: 1.1.2002]; zu Art. 946 ZGB i.d.F. vom 25.1.2009 vgl. Yassari, RabelsZ 2009, 985/998; Krüger, IPRax 2009, 375). Hat der Erblasser – wie hier – keine Kinder hinterlassen, erbt die Witwe ein Viertel des beweglichen Vermögens und ein Viertel vom Wert des unbeweglichen Vermögens (Art. 913 Satz 2, 900 Nr. 2, 946 iran. ZGB). Der Ehemann erbt im gleichen Fall von allen Gütern der Ehefrau die Hälfte (Art. 913 Satz 2, 899 Nr. 1, 946 iran. ZGB).
[4]Die Beteiligte zu 1) erbt folglich nach den Vorschriften des iranischen Rechts ein Viertel des Nachlasses. Dem deutschen Ehemann einer kinderlosen iranischen Ehefrau stünde hingegen die Hälfte des Nachlasses zu.
[5]2. Das iranische Recht bleibt allerdings nach Art. 6 EGBGB insoweit unangewendet, als es der Beteiligten zu 1) nur die Hälfte dessen zuspricht, was bei sonst gleichem Sachverhalt ein Mann beanspruchen könnte, denn dieses Ergebnis der Anwendung iranischen Erbrechts auf den hier zu entscheidenden Fall ist mit dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 II 1 GG) nicht vereinbar.
[6]a) Nach Art. 6 EGBGB ist die Rechtsnorm eines anderen Staats nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbes. dann nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Art. 8 III des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens schließt einen Rückgriff auf Art. 6 EGBGB nicht aus, denn Art. 8 III 2 des Abkommens erlaubt es dem anderen vertragsschließenden Staat, die Anwendung der Gesetze des Vertragspartners ausnahmsweise und nur insoweit auszuschließen, als ein solcher Ausschluss allgemein gegenüber jedem anderen Staat erfolgt (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 732/734 (IPRspr 2008-90); OLG Hamm, FamRZ 1993, 111/114 (IPRspr. 1992 Nr. 159)).
[7]Die Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB setzt voraus, dass nicht nur abstrakt die ausländische Regelung selbst, sondern das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Fall in so starkem Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (BGHZ 118, 312/330 (IPRspr. 1992 Nr. 218b); KG, NJW-RR 2008, 1109/1111 (IPRspr 2008-88)). Darüber hinaus muss der zu beurteilende Tatbestand einen hinreichenden Inlandsbezug aufweisen; die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte genügt dafür nicht (Palandt-Thorn, BGB, 71. Aufl., Art. 6 EGBGB Rz. 5 f. m.w.N.).
[8]b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beteiligte zu 1) erhält als Ehefrau des Erblassers eine Erbquote von einem Viertel, während ein Ehemann bei gleichem Sachverhalt eine Erbquote in Höhe der Hälfte des Nachlasses beanspruchen kann. Das ist nicht vereinbar mit dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz, dass niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt werden darf (ebenso OLG Düsseldorf aaO 733; Staudinger-Dörner, BGB [2007], Anh zu Art. 25 f EGBGB Rz. 327; a.A. noch OLG Hamm aaO).
[9]Es besteht zudem ein stark ausgeprägter Inlandsbezug. Der Erblasser hat seit über 40 Jahren in Deutschland gelebt. Die Beteiligte zu 1) ist in Deutschland geboren und hat – abgesehen von der Ehe mit dem Erblasser – keine familiären Verbindungen zum Iran. Beide Ehegatten hatten während ihrer gesamten Ehezeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Das Vermögen des Erblassers besteht aus Bankguthaben bei deutschen Banken und seinem Anteil bzw. dem Abfindungsanspruch an einer GmbH mit Sitz in München.
[10]Es kann auch nicht angenommen werden, dass es nach dem Willen des Erblassers bei der Erbquote von einem Viertel für die Ehefrau verbleiben sollte. Vielmehr hat der Erblasser mit dem gemeinschaftlichen Testament vom 27.11.1996 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Nachlass allein seiner Ehefrau zukommen lassen wollte.
[11]c) Greift die Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB ein, ist grundsätzlich zunächst eine Lösung im fremden Recht zu suchen; deutsches Recht ist nur hilfsweise als Ersatzrecht anzuwenden (KG aaO). Es erscheint sachgerecht, anstelle der gleichheitswidrigen Bestimmung über den Erbteil der Witwe die Vorschrift des iranischen ZGB anzuwenden, die bei gleicher Sachverhaltsgestaltung die Erbquote des Witwers regelt, nämlich Art. 899 Nr. 1 iran. ZGB, wonach der überlebende Ehegatte die Hälfte des Nachlasses erhält (ebenso OLG Düsseldorf aaO; Schotten, ZEV 2009, 193; Dörner, IPRax 1994, 33/37).
[12]Entgegen der Ansicht des NachlG erübrigt sich die Korrektur der gleichheitswidrigen Vorschriften des iranischen Erbrechts nicht etwa deshalb, weil die Ehefrau mit Zubilligung des pauschalierten Zugewinnausgleichs nach § 1371 I BGB die Erbquote von 1/2 erreicht, die das iranische Erbrecht dem Ehemann zuspricht. Wie die Beschwerde zu Recht hervorhebt, stünde dem Mann bei gleicher Sachverhaltsgestaltung von vornherein eine doppelt so hohe Erbquote zu, sodass sich sein Anteil am Nachlass mit dem pauschalierten Zugewinnausgleich auf drei Viertel belaufen würde. Die erbrechtliche Ungleichbehandlung wird somit durch güterrechtliche Erhöhung des Erbteils nicht ausgeglichen (so auch Dörner aaO; a.A. OLG Hamm aaO 115).
[13]3. Die im Erbschein auszuweisende quotale Beteiligung der Beteiligten zu 1) am Nachlass des Erblassers erhöht sich nach § 1371 I BGB um ein Viertel, beträgt also insges. drei Viertel, weil die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Aus der Anwendung iranischen Erbrechts und deutschen Güterrechts ergibt sich hier kein Normenwiderspruch.
[14]a) Nach inzwischen h.M., der sich der Senat anschließt, ist die Vorschrift des § 1371 I BGB güterrechtlich zu qualifizieren (vgl. Palandt-Thorn aaO EGBGB Art. 15 Rz. 26 m.w.N.; Staudinger-Mankowski aaO [2010] Art. 15 EGBGB Rz. 341 m.w.N. und ausführlicher Darstellung des Meinungsstands). Das hat zur Folge, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten grunds. auch dann um 1/4 erhöhen kann, wenn die Erbfolge ausländischem Recht unterliegt. Güterstatut ist hier nach Art. 220 III 2 und 3, 15 I i.V.m. Art. 14 I Nr. 2 EGBGB deutsches Recht. Nachdem der Erblasser und die Beteiligte zu 1) keinen Ehevertrag geschlossen hatten, galt in ihrer Ehe der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 I BGB).
[15]b) Der pauschalen Erhöhung der Erbquote nach deutschem Güterrecht steht hier nicht deren Unvereinbarkeit mit den anzuwendenden Vorschriften des ausländischen Erbrechts entgegen. Aus der Kombination des iranischen Erbrechts mit dem deutschen Güterrecht ergibt sich keine höhere Erbquote für die Beteiligte zu 1), als ihr bei Anwendung einer der beiden Rechtsordnungen für Güter- und Erbrecht zukäme, denn bei ausschließlicher Anwendung deutschen Rechts würde die Erbquote der Ehefrau ebenfalls 3/4 betragen. Dass ihr bei ausschließlicher Anwendung iranischen Rechts – das von Gütertrennung ausgeht – insgesamt eine geringere Beteiligung am Nachlass ihres Ehemanns zustünde, hindert die Anwendung des § 1371 I BGB nicht, denn das ist regelmäßig die Folge des Zusammentreffens dieser Vorschrift des deutschen Güterrechts mit einem ausländischen Erbrecht, das dem Ehegatten eine dem deutschen Erbrecht entsprechende oder niedrigere Erbquote einräumt (vgl. Schotten aaO 194; Looschelders, IPRax 2009, 505/509; Dörner aaO 34; a.A. OLG Düsseldorf aaO).
[16]Wie im Einzelfall ein Normenwiderspruch zwischen einem ausländischen Erbrecht und dem deutschen Güterrecht zu lösen ist, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. OLG Frankfurt, ZEV 2010, 253 (IPRspr 2009-124) zum schwedischen Erbrecht; OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 740 (IPRspr 2005-79) zum österreichischem Erbrecht; Clausnitzer, FGPrax 2005, 169; Ludwig, DNotZ 2005, 586).