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Verfahrensgang

OLG Stuttgart, Beschl. vom 08.03.2005 – 8 W 96/04, IPRspr 2005-79

Rechtsgebiete

Erbrecht → Erbrecht gesamt bis 2019
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Nachlasssachen
Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Güterrecht

Leitsatz

Ist in einem Erbfall österreichisches Erbrecht neben deutschem Güterrecht anzuwenden, scheidet ein Ausgleich des Zugewinns durch Erhöhung der Erbquote gemäß § 1371 I BGB aus.

Rechtsnormen

ABGB (Österr.) § 757; ABGB (Österr.) § 758
BGB § 1371; BGB § 1372; BGB §§ 1373 ff.; BGB § 1414; BGB § 1931; BGB § 2369
EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 15; EGBGB Art. 25; EGBGB Art. 220
FGG § 27; FGG § 28; FGG § 29; FGG § 73
IPRG (Österr.) § 28

Sachverhalt

Der in E./Deutschland verstorbene Erblasser war österreichischer Staatsangehöriger. Er heiratete im März 1974 in E. in zweiter Ehe die Beteiligte zu 1) und lebte dort mit dieser zusammen bis zu seinem Tod. Die Beteiligte zu 1) ist deutsche Staatsangehörige. Der Beteiligte zu 2) ist der gemeinsame Sohn des Erblassers und der Beteiligten zu 1). Der Beteiligte zu 3) ist das Kind des Sohns des Erblassers aus erster Ehe, M., und damit sein Enkel.

Mit Beschluss vom 25.10.2002 erließ das Notariat III in E. als zuständiges NachlG einen Vorbescheid, wonach es beabsichtige, entsprechend dem von den Beteiligten zu 1) und 2) gestellten, gegenständlich auf den in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Nachlass beschränkten Erbscheinsantrag einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligte zu 1) zur Hälfte, die Beteiligten zu 2) und 3) je zu einem Viertel als Erben ausweise.

Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 3) Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 26.2.2004 hat das LG die Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 3) weiterhin das Ziel, die Aufhebung des Vorbescheids zu erreichen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) ist nach §§ 27, 29 FGG als Rechtsbeschwerde zulässig. Sie hat auch Erfolg. Die Entscheidungen beider Vorinstanzen beruhen auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung.

[2]1. Die internationale Zuständigkeit des NachlG E. für die Erteilung eines auf den im Inland befindlichen Teil des Nachlasses des österreichischen Erblassers beschränkten Erbscheins ergibt sich aus § 73 I FGG i.V.m. § 2369 I BGB (vgl. Bassenge-Herbst-Roth, FGG, 10. Aufl., § 73 Rz. 3). Hiervon leitet sich auch die Zuständigkeit der Rechtsmittelgerichte ab.

[3]2. Das Erbstatut des Erblassers richtet sich gemäß Art. 25 I EGBGB nach österreichischem Recht. Eine Rückverweisung kennt das österreichische Recht nicht. Nach § 28 I des österreichischen IPR-Gesetzes vom 15.6.1978 beurteilt sich die Rechtslage nach dem Personalstatut. Bei österreichischen Staatsangehörigen ist danach also österreichisches Recht anzuwenden (so auch BayObLGZ 1980, 276 (IPRspr. 1980 Nr. 191)).

[4]Nach österreichischem Recht ist die Ehefrau neben den Kindern des Erblassers Erbin zu einem Drittel des Nachlasses (§ 757 I ABGB). Das gesetzliche Vorausvermächtnis des § 758 ABGB (Wohnrecht u.a.) berührt die quotenmäßige Erbeinsetzung nicht.

[5]3. Das Güterrechtsstatut des Erblassers wiederum richtet sich nach deutschem Recht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss der Vorinstanz verwiesen werden. Da der Erblasser und seine Ehefrau, die Beteiligte zu 1), bis zum Tod des Erblassers in E. wohnten und somit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, ergibt sich die Anwendung deutschen Rechts aus Art. 220 III 3, 15, 14 I Nr. 2 EGBGB. Ob die Beteiligte zu 1) neben der (im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht länger bestrittenen) deutschen Staatsangehörigkeit auch noch die ungarische Staatsangehörigkeit hat, ist für das Güterrechtsstatut danach ohne Bedeutung. Das LG konnte von einer Abklärung dieser Frage absehen.

[6]Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) lebten im gesetzlichen Stand der Zugewinngemeinschaft. Nach deutschem Recht steht der Beteiligten zu 1) daher nach dem Tod des Erblassers ein pauschalierter Zugewinn in Höhe eines Erbteils von einem (zusätzlichen) Viertel zu (§ 1371 I BGB). Der Abschluss eines vom gesetzlichen Güterstand abweichenden Ehevertrags ist weder behauptet noch ersichtlich.

[7]Der Zugewinnausgleich des § 1371 I BGB ist güterrechtlicher Art (so auch Ermann-Schurig, BGB, 11. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 37, 38; Palandt-Heldrich, BGB, 64. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 26; Staudinger-Mankowski, BGB, 13. Bearb., Art. 15 Rz. 342 ff., 346; zum Meinungsbild auch hinsichtlich abweichender Meinungen: Mankowski aaO Rz. 342, 343). Das ergibt sich nicht nur aus seiner formalen Stellung im Regelungskontext der Regelungen des Güterrechts. Vielmehr schafft er mit der pauschalen Zuordnung eines zusätzlichen Erbteils einen Ausgleich für den in der Ehe erarbeiteten und nicht ausgeglichenen Zugewinn. Das gibt ihr einen anderen Charakter als er zum Beispiel der Regelung des § 1931 IV BGB für Ehen mit Gütertrennung zukommt. Nur letztere ist erbrechtlicher Art. Denn beim vertraglichen Güterstand der Gütertrennung besteht kein Bedarf für einen Ausgleich in der Ehe erarbeiteten Zugewinns des einen oder anderen Ehepartners. Ein Zugewinnausgleich wurde hier ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen (§ 1414 Satz 2 BGB).

[8]4. Erbrechtliches Drittel nach österreichischem Erbstatut und güterrechtliches Viertel nach deutschem Zugewinnrecht ergeben ein Erbteil der Beteiligten von insgesamt 7/12, das ist 1/12 mehr, als sich ergäbe, wenn der Erblasser Deutscher wäre und auch hinsichtlich des Erbstatuts deutschem Recht unterläge. Für die Söhne des Erblassers, die nach § 757 ABGB je zu 1/3 Erben werden sollen, bliebe statt dessen nur noch je 2,5/12 übrig. Hier kollidiert das österreichische Erbstatut mit dem deutschen Güterrecht.

[9]Für die Lösung dieses – auch im Vergleich mit dem Recht anderer Staaten denkbaren – Konflikts wurden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansätze entwickelt:

[10]a) Der Zugewinnausgleich nach § 1371 I BGB sei aufgrund seiner pauschalen Abgeltung als Erbteil erbrechtlicher Art (vgl. Mankowski aaO Rz. 343); er käme dann, da das Erbstatut dasjenige des ausländischen Staats ist, hier nicht zum Zug.

[11]b) Der Zugewinnausgleich des § 1371 I BGB habe sowohl güterrechtlichen als auch erbrechtlichen Charakter. Er komme deshalb nur zur Anwendung, wenn deutsches Recht sowohl Güter- als auch Erbstatut sei (vgl. Mankowski Rz. 343; so OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1988, 68 (IPRspr. 1987 Nr. 105)).

[12]c) Der Zugewinnausgleich nach § 1371 I BGB sei güterrechtlicher Natur. Führe das Nebeneinander des ausländischen Erbstatuts mit dem inländischen Güterstatut zu unbilligen Ergebnissen, so sei eine Anpassung derart vorzunehmen, dass der Berechtigte mindestens bzw. höchstens das erhalte, was ihm bei vollständiger Anwendung jeder der beiden Rechte zustünde (so Mankowski Rz. 378; Palandt-Heldrich aaO Rz. 26; Ermann-Hohloch aaO Rz. 37; Soergel-Schurig, BGB, 12. Aufl., § 1931 Rz. 39; vgl. auch OLG Hamm, IPRax 1994, 49 (IPRspr. 1992 Nr. 159); LG Mosbach, ZEV 1998, 489 (IPRspr. 1997 Nr. 119)).

[13]5. Der Senat ist zwar, wie bereits dargestellt, der Auffassung, dass der Zugewinnausgleich als Ausprägung des deutschen gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft güterrechtlicher Natur ist. Doch rechtfertigt es dies nicht, den Zugewinn als Erbquote auch dann zu verwirklichen, wenn sich das Erbstatut nach ausländischem Recht richtet und dieses – wie das hier anzuwendende österreichische Recht – eine solche Erbquote nicht kennt. Denn das Erbstatut bestimmt die Erbquote [insoweit übereinstimmend mit den oben unter a) und b) wiedergegebenen Meinungen]. Diese Quote ist nach Auffassung des Senats auch keiner Abänderung unter Billigkeitsgesichtspunkten zugänglich; insoweit stimmt der Senat mit der unter c) genannten Meinung nicht überein.

[14]Andererseits steht der Ehefrau nach dem deutschen Güterstatut ein Zugewinnausgleich zu. Wenn dieser, wie dargestellt, nicht erbrechtlich ausgleichbar ist, weil das ausländische Erbstatut dies nicht zulässt, kann der Ausgleich nur nach den Regeln der §§ 1373 ff. BGB erfolgen (so auch im Ergebnis OLG Düsseldorf aaO). §§ 1371 III, 1372 BGB stehen dem in einem solchen Fall nicht entgegen. Denn sie sind insoweit nur mit den deutschen erbrechtlichen Regeln abgestimmt und mit österreichischem Erbrecht nicht vereinbar

[15]Ob dann, wenn sich bei Anwendung des österreichischen Erbrechts und der deutschen Zugewinnausgleichsregeln der §§ 1373 ff. BGB ergeben sollte, dass die Beteiligte zu 1) einen unverhältnismäßigen Vorteil gegenüber dem Zustand hätte, würde der Zugewinn als Quote nach § 1371 I BGB ermittelt, ein schuldrechtlicher Ausgleich vorzunehmen ist (vgl. hierzu Schotten, MittRhNotK 1987, 18 ff.), ist nicht in diesem erbrechtlichen Verfahren zu entscheiden.

[16]6. Eine Vorlage an den BGH nach § 28 II FGG kommt nicht in Betracht. Der Senat weicht mit vorliegender Entscheidung im Ergebnis nicht von der Entscheidung des OLG Düsseldorf (aaO) ab. Die Entscheidung des Senats steht auch nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen anderer OLGe. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe, NJW 1990, 1420 (IPRspr. 1989 Nr. 164) betrifft einen Fall mit deutschem Erbstatut. Im Fall des BayObLGZ 1980, 276 (IPRspr. 1980 Nr. 191) liegt kein Kollisionsfall vor, da ein Ehegatten-Erbausschluss gegeben war. Die Entscheidung des OLG Hamm, IPRax 1994, 49 (IPRspr. 1992 Nr. 159) beruht auf verfahrensrechtlichen Gründen. Eine einschlägige Entscheidung des BGH ist nicht bekannt.

Fundstellen

Aufsatz

Ludwig, DNotZ, 2005, 586 A
Jeremias/Schäper, IPRax, 2005, 521 A

LS und Gründe

DNotZ, 2005, 632
FamRZ, 2005, 1711
FGPrax, 2005, 168, mit Anm. Clausnitzer
IPRax, 2005, 549
NJW, 2005, 2164
NJW-RR, 2005, 740
RNotZ, 2005, 296
Rpfleger, 2005, 362
ZEV, 2005, 443, mit Anm. Dörner

Bericht

Hohloch, JuS, 2005, 952
Scherer/Lehmann, ZEV, 2006, 48

nur Leitsatz

NJW, 2005, 2164

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2005-79

Lizenz

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