Die erbrechtlichen Verhältnisse eines ohne Hinterlassen einer letztwilligen Verfügung in Deutschland verstorbenen türkischen Staatsangehörigen richten sich nach Nr. 14 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen dem Deutschen Reiche und der Türkischen Republik vom 28.5.1929 (RGBl. 1930 II 747, 758).
Hat der Erblasser im Inland unbewegliches Vermögen hinterlassen, so ist die Erbfolge nach deutschem Recht zu beurteilen.
Findet auf die güterrechtlichen Verhältnisse des Erblassers und seiner überlebenden Ehefrau ebenfalls deutsches Recht Anwendung (Art. 15 I in Verbindung mit Art. 14 I Nr. 2 EGBGB), so beträgt gemäß § 1931 I, III in Verbindung mit § 1371 I BGB der Anteil der Ehefrau an dem unbeweglichen Vermögen neben Abkömmlingen des Erblassers 1/2. Auf die Frage der international-privatrechtlichen Qualifikation des § 1371 I BGB kommt es in einem derartigen Fall nicht an.
[Der vorgehende Beschluss des OLG Köln vom 5.8.2011 – I-2 Wx 115/11 – wurde bereits in IPRspr. 2011 unter der Nr. 144 abgedruckt.]
Der 2009 verstorbene Erblasser war türk. Staatsangehöriger und lebte seit 1964 in Deutschland. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Töchter aus erster Ehe. Mit der Beteiligten zu 1) schloss er 1991 in K. die Ehe und lebte mit ihr dort bis zu seinem Tod. Der Erblasser hinterließ keine letztwillige Verfügung. In den Nachlass fallen u.a. zwei Eigentumswohnungen in K. Die Beteiligte zu 1) hat zunächst beim AG Köln die Erteilung eines gemeinschaftlichen, auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkten Erbschein beantragt, der sie zu 1/4 und die Beteiligten zu 2) und 3) zu je 3/8 als Erben ausweisen sollte. Auf einen Hinweis des AG hat die Beteiligte zu 1) eine Erhöhung ihrer Erbquote auf 1/2 beantragt. Daraufhin hat das AG einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt, wonach der Erblasser „kraft gesetzlichen türkischen Erbrechts und deutschen Güterrechts“ von der Beteiligten zu 1) zu 1/2 sowie den Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/4 beerbt worden ist. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) hat das OLG mit Beschl. vom 5.8.2011 (ZEV 2012, 205) (IPRspr 2011-144) das AG angewiesen, den Erbschein einzuziehen. Nach Einziehung des Erbscheins hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines neuen Erbscheins beantragt, der sie selbst als Erbin zu 1/2 für das in Deutschland befindliche unbewegliche Vermögen und zu 1/4 für das bewegliche Vermögen sowie die Beteiligten zu 2) und 3) als Erbinnen zu je 1/4 für das in Deutschland befindliche unbewegliche Vermögen und zu je 3/8 für das bewegliche Vermögen ausweist.
Im Jahr 2012 hat das AG einen, dem Antrag der Beteiligten zu 1) entsprechenden, gemeinschaftlichen Erbschein erteilt. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 2) und 3) mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie erstreben einen Erbschein des Inhalts, dass der Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge von der Beteiligten zu 1) zu 1/4 und den Beteiligten zu 2) und 3) zu je 3/8 beerbt worden ist.
[1]II. Die gemäß § 70 I FamFG statthafte und auch nach § 71 FamFG im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
[2]1. Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass sich das maßgebliche Erbstatut nach dem Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und der Türkischen Republik vom 28.5.1929 (RGBl. 1930 II 747, 758) richtet. Dieses zwischenstaatliche Abkommen geht der innerstaatlichen Regelung des Art. 25 EGBGB vor. Nach Nr. 14 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte. Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Vermögens bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre. Der Erblasser war türkischer Staatsangehöriger. Neben beweglichem Vermögen verfügte er über zwei Eigentumswohnungen in K. Auf dieser Grundlage ist das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich die Erbfolge hinsichtlich des beweglichen Nachlasses nach türkischem Recht und bzgl. des unbeweglichen Nachlasses nach deutschem Recht richtet. Insoweit tritt zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen eine Nachlassspaltung ein. Dies muss entweder durch getrennte Erbscheine oder – wie hier geschehen – durch die Zusammenfassung mehrerer Erbscheine in einer Urkunde zum Ausdruck gebracht werden.
[3]Bezüglich des beweglichen Vermögens beträgt die Erbquote der Beteiligten zu 1) nach Art. 499 Nr. 1 türk. ZGB 1/4. Das Beschwerdegericht hat auf der Grundlage der Anwendung deutschen Ehegüterrechts nach Art. 15 I, 14 I Nr. 2 EGBGB eine Erhöhung der Erbquote der Beteiligten zu 1) nach § 1371 I BGB bei gleichzeitig anzuwendendem türkischen Erbstatut abgelehnt. Die Frage der Qualifikation der pauschalen Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten im Fall der Beendigung des Güterstands durch Tod um 1/4 wird in Rspr. u. Lit. unterschiedlich beurteilt (zur Problematik etwa OLG Frankfurt, ZEV 2010, 253, 254 (IPRspr 2009-124); OLG Stuttgart, ZEV 2005, 443, 444 (IPRspr 2005-79); OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1988, 68 (IPRspr. 1987 Nr. 105); Staudinger-Mankowski, BGB, 2011, Art. 15 EGBGB Rz. 341 ff.; Staudinger-Dörner aaO [2007] Art. 25 EGBGB Rz. 34–38; MünchKomm-Birk, IPR, 5. Aufl., Art. 25–248 EGBGB [Art. 25 Rz. 156–159]; MünchKomm-Siehr aaO Art. 1–24 EGBGB [Art. 15 EGBGB Rz. 114–117]; Palandt-Thorn, BGB, 71. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 26). Auf diese von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage der Qualifikation kommt es für das bewegliche Vermögen aber schon deshalb nicht an, weil die Beteiligten zu 2) und 3) als Beschwf. insoweit durch die angegriffene Entscheidung nicht beschwert werden. Sie erstreben für sich eine Erbquote von je 3/8 und für die Beteiligte zu 1) von 1/4. Das entspricht hinsichtlich des beweglichen Vermögens der Entscheidung des Beschwerdegerichts und dem nunmehr durch das AG erteilten Erbschein. Die Frage der Qualifikation des § 1371 BGB bei der Anwendung ausländischen Erbstatuts und deutschen Güterrechtsstatuts stellt sich für den Senat daher nicht.
[4]2. Beschwert sind die Beteiligten zu 2) und 3) allein durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts, dass hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens auf der Grundlage der Anwendung deutschen Erbrechts sowie deutschen Ehegüterstatuts die Erbquote der Beteiligten zu 1) bei insges. 1/2 sowie der Beteiligten zu 2) und 3) bei je 1/4 liegt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde geht es insoweit nicht um die Anwendung türkischen Erbrechts sowie die sich im Zusammentreffen mit deutschem Ehegüterrecht stellenden Qualifikationsfragen. Türkisches Erbrecht findet für das im Inland belegene unbewegliche Vermögen keine Anwendung. Die Erbfolge richtet sich – wie die Rechtsbeschwerde an anderer Stelle selbst sieht – nach dem gemäß Nr. 14 Nr. 2 der Anlage zu Art. 20 Konsularvertrag anwendbaren Belegenheitsstatut, also nach deutschem Recht. Eine Veränderung des Gefüges des ausländischen Erbrechts durch die zusätzliche Anwendung der pauschalisierten Erbteilserhöhung nach § 1371 I BGB findet daher nicht statt.
[5]3. Soweit erstmals mit der Rechtsbeschwerde vorgetragen wird, dass auf die güterrechtlichen Ansprüche türkisches Recht Anwendung findet, können die Beteiligten zu 2) und 3) hiermit nicht gehört werden. Nach Art. 15 I i.V.m. Art. 14 I Nr. 1 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem Recht des Staats, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört. Sonst findet gemäß Art. 14 I Nr. 2 EGBGB das Recht des Staats Anwendung, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sodass die Vorinstanzen jeweils deutsches Ehegüterrecht und damit auch § 1371 I BGB angewendet haben. Anhaltspunkte dafür, dass auch die Beteiligte zu 1) wie der Erblasser türkische Staatsangehörige war, bestanden nicht. Auf dieser Grundlage sind sowohl das AG als auch das OLG übereinstimmend davon ausgegangen, dass deutsches Ehegüterrecht nach Art. 14 I Nr. 2 EGBGB Anwendung findet. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dieser Anwendung deutschen Ehegüterrechts in den Tatsacheninstanzen zu keinem Zeitpunkt entgegengetreten und haben insbesondere nicht vorgetragen, dass auch die Beteiligte zu 1) türkische Staatsangehörige sei.