Die Rückführung eines Kindes kann gemäß Art. 13 I lit. b HKÜ nicht verweigert werden, wenn nachgewiesen ist, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten.
Art. 13 I lit. b HKÜ legt demjenigen, der Gründe vorträgt, die einer Rückführung entgegenstehen, die Darlegungs- und Beweislast auf, sodass der Amtsermittlungsgrundsatz der §§ 14 Nr. 2, 13 I lit. b IntFamRVG, 621a ZPO in Verbindung mit § 12 FGG nicht gilt.
Die Parteien sind die nicht miteinander verheirateten Eltern einer Tochter. Nach der Geburt des Kindes kam es zu Konflikten zwischen den Eltern, die zur Trennung führten. Die Tochter verblieb in der Obhut der Mutter. Aufgrund der weiteren Auseinandersetzungen leitete der Vater ein Umgangsverfahren beim englischen Familiengericht ein. Die angeordneten Umgangskontakte wurden in der Folge nur unzulänglich umgesetzt. Nachdem die Mutter am 5.7.2007 die Erlaubnis erwirkt hatte, mit der gemeinsamen Tochter für eine Woche nach Deutschland zu reisen, verließ sie Anfang August 2007 mit der Tochter das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und kehrte nicht wieder zurück.
Mit Beschluss hat das AG Hamburg den Antrag des Vaters auf Herausgabe des gemeinsamen Kindes zum Zwecke seiner sofortigen Rückführung in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland zurückgewiesen.
Gegen diesen dem BfJ und der Prozessbevollmächtigten des Vaters jeweils zugestellten Beschluss hat das BfJ namens und in Vollmacht des Vaters erfolgreich die sofortige Beschwerde eingelegt.
[1]II. 1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 40 II IntFamRVG, 22 FGG zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. Sie ist auch in der Sache begründet.
[2]2. Die umfassenden Ausführungen des FamG zu den Voraussetzungen einer Rückführungsanordnung gemäß Art. 12 i.V.m. Art. 3 HKiEntÜ werden mit der sofortigen Beschwerde nicht angegriffen. Hierzu hatte das FamG in dem Beschluss vom 11.7.2008 zutreffend ausgeführt, dass das Gericht davon ausgehe, dass die Voraussetzungen des Art. 12 HKiEntÜ vorliegen würden, da die Kindesmutter das Kind ... widerrechtlich entführt habe. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des FamG kann daher Bezug genommen werden.
[3]3. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die Frage, ob Art. 13 I lit. b HKiEntÜ der Anordnung der Herausgabe zum Zwecke der Rückführung entgegensteht. Dies ist nach dem Ergebnis der erneuten Anhörung der Sachverständigen nach der Überzeugung des Senats nicht der Fall.
[4]Ziel des Haager Übereinkommens ist es, das Elternrecht des anderen Elternteils zu schützen, die Beteiligten von einem widerrechtlichen Verbringen des Kindes ins Ausland abzuhalten und die Sorgerechtentscheidung am Ort des früheren Aufenthalts des Kinds sicherzustellen. Das HKiEntÜ enthält in der Regel die Vermutung, dass eine sofortige Rückführung an den bisherigen Aufenthaltsort dem Kindeswohl am besten entspricht, weil dadurch die Kontinuität der Lebensbedingungen erhalten bleibt. Außerdem werden durch die Rückführung an den gewöhnlichen Aufenthalt die Interessen beider Elternteile berücksichtigt, weil die ursprüngliche internationale Zuständigkeit für die Sorgerechtsentscheidung erhalten bleibt und so vermieden wird, dass ein Elternteil aus der rechtwidrigen Entführung der Kinder einen faktischen Vorteil zieht (BVerfG, FamRZ 1999, 85 ff., 87) (IPRspr. 1998 Nr. 108b).
[5]Die Vermutung, dass die Rückführung dem Kindeswohl am besten entspricht, kann im Einzelfall unter den Voraussetzungen des Art. 13 HKiEntÜ widerlegt werden. Nach Art. 13 I lit. b ist ungeachtet des Art. 12 HKiEntÜ das Gericht nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kinds anzuordnen, wenn die Person, die sich der Rückgabe widersetzt, nachweist, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind in anderer Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Art. 11 IV der EuEheVO schränkt Art. 13 I lit. b dahin gehend ein, dass die Rückführung eines Kinds gemäß Art. 13 I lit. b HKiEntÜ nicht verweigert werden kann, wenn nachgewiesen ist, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten.
[6]Die Ausnahmeklausel des Art. 13 HKiEntÜ trägt der Tatsache Rechnung, dass ein Zurückbringen des Kinds an seinen letzten Aufenthalt im Einzelfall mit dem Kindeswohl auch unvereinbar sein kann. Dabei ist die Ausnahmeklausel des Art. 13 HKiEntÜ restriktiv anzuwenden. Nicht schon jede Härte rechtfertigt die Anwendung der Ausnahmeklausel. Vielmehr stehen nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellen, einer Rückführung entgegen (BVerfG aaO m.w.N.).
[7]Von einer Rückgabe kann abgesehen werden, wenn bewiesen ist, dass ein Kind missbraucht oder misshandelt wurde und dies erneut zu befürchten ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 1141) (IPRspr. 2001 Nr. 99), wenn der antragstellende Elternteil in hohem Maße suchtabhängig ist, die Rückkehr in ein Kriegsgebiet unumgänglich ist (OLG Hamm, FamRZ 1999, 948) (IPRspr. 1998 Nr. 109) oder infolge der Rückgabe eine akute Suizidgefahr des Kindes besteht (BVerfG, FamRZ 2005, 1657).
[8]Über das Sorgerecht ist im Rahmen des Art. 13 HKiEntÜ nicht zu entscheiden (OLG Nürnberg, FamRZ 2004, 726 (IPRspr. 2003 Nr. 91); OLG Karlsruhe, FuR 2006, 222 ff. (IPRspr 2006-82)). Insbesondere ist nicht zu entscheiden, welcher Elternteil überhaupt oder besser geeignet ist, das Sorgerecht für das Kind auszuüben, es kindeswohlgerecht zu versorgen und zu betreuen. Es kommt nicht darauf an, ob der Aufenthalt bei der Mutter oder bei dem Vater dem Kindeswohl am besten entspricht. Kriterien der Mutter/Kind- und Kind/Vater-Beziehung, denen bei der Sorgerechtsentscheidung entscheidendes Gewicht zukommt, sind für sich allein nicht maßgeblich (OLG Bamberg, FamRZ 2000, 371) (IPRspr. 1999 Nr. 85). Auch ist die Frage, wer die Hauptbezugsperson des Kindes ist und ob der andere Elternteil erziehungsgeeignet ist, für das Rückgabeverfahren nach dem HKiEntÜ nicht maßgeblich. Auch reicht es nicht, dass das Verbleiben des entführten Kindes eine seinem Wohl entsprechende Maßnahme wäre (OLG Bamberg, FamRZ 1994, 182) (IPRspr. 1993 Nr. 92). Derartige Erwägungen sind allein von dem Gericht im Heimatstaat des Kindes bei der dort zu treffenden Sorgerechtsentscheidung anzustellen.
[9]Der Verlust des derzeitigen Aufenthaltsorts, des Kindergartenplatzes und der Umgebung, in die das Kind sich inzwischen integriert hat, sind eine unvermeidliche Folge der vom HKiEntÜ gewollten und vom entführenden Elternteil zu vertretenen erneuten Ortsveränderung. Die mit der Rückführung zwangsläufig verbundenen Schwierigkeiten wie der Wechsel der Bezugsperson, der abermalige Wechsel des Wohnsitzes, des Sprachangebots, der Wechsel von Kindergarten und Schule u.s.w. vermögen die Anwendung des Art. 13 I lit. b HKiEntÜ als Ausnahmetatbestand grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, weil das Abkommen über die Rückführung von Kindern sonst leerliefe (OLG Schleswig, FamRZ 2005, 1703 (IPRspr 2005-75); OLG Hamm, FamRZ 2004, 723 (IPRspr. 2003 Nr. 92); OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 643 (IPRspr. 2000 Nr. 90)). Dies gilt auch für die mit der Entführung zunächst geschaffenen, vollendeten Tatsachen, insbesondere den Verfestigungen durch den weiteren Zeitablauf. Es soll verhindert werden, dass durch die Entführung geschaffene Tatsachen ein Übergewicht erhalten (OLG Hamm, FamRZ 2005, 1702 (IPRspr 2004-76); FamRZ 2004, 723 (IPRspr. 2003 Nr. 92); FamRZ 2002, 44 (IPRspr. 2001 Nr. 94); FamRZ 2000, 370 (IPRspr. 1999 Nr. 81a)).
[10]Es geht nicht um eine Sorgerechtsentscheidung, sondern allein um die Rückführung des Kinds. Nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellen, können einer Rückführung entgegenstehen (OLG Nürnberg, FamRZ 2004, 726 (IPRspr. 2003 Nr. 91)).
[11]4. Diesen Grundsatz der restriktiven Anwendung des Art. 13 HKiEntÜ als Ausnahmetatbestand hat das FamG beachtet. Das FamG hat nicht verkannt, dass mit der Rückgabe typischerweise verbundene Beeinträchtigungen nach anerkannter Auffassung nicht geeignet sind, eine Rückführung eines Kinds in Frage zu stellen.
[12]Zu Recht ist das FamG zunächst davon ausgegangen, dass Härten für den entführenden Elternteil keinen Nachteil im Sinne des Art. 13 HKiEntÜ begründen können. Die mit der Trennung des Kindes von dem entführenden Elternteil verbundenen Beeinträchtigungen des Kindeswohls können meistens dadurch vermieden werden, dass der entführende Elternteil gemeinsam mit dem Kind zurückkehrt. Ist die Rückkehr für diesen Elternteil mit staatlichen Sanktionen verbunden, so ist dies als Folge der rechtswidrigen Entführung hinzunehmen (BVerfG, FamRZ 1999, 85 ff.) (IPRspr. 1998 Nr. 108b). Das FamG hat hierzu klargestellt, dass es der Mutter grundsätzlich zuzumuten sei, sich den Strafverfolgungsmaßnahmen der englischen Behörden auszusetzen, nachdem sie die Ursache hierfür durch ihr widerrechtliches Handeln gesetzt hat, in dem sie das Sorgerecht des Kindesvaters durch das Zurückhalten ihrer Tochter in Deutschland schwer verletzt habe.
[13]Das FamG hat schließlich nicht verkannt, dass nur und allein in der Person des Kindes liegende Gründe den Ausnahmetatbestand des Art. 13 HKiEntÜ auslösen können, wobei das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht gegenüber der Zielsetzung des Haager Abkommens und dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht des Antragstellers abzuwägen ist. Allein die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens oder eine unzumutbare Lage des Kinds ist geeignet, eine Rückführung zu verhindern. Dabei ist eine ausschließlich kindeswohlbezogene Betrachtung vorzunehmen. Dass der widerrechtlich handelnde Elternteil dabei bevorteilt werden kann, entspricht der Systematik des HKiEntÜ. Steht ausnahmsweise Art. 13 HKiEntÜ einer Rückführung eines Kindes entgegen, bleibt zwangsläufig das Handeln des Entführenden ohne unmittelbare Sanktion. Darauf, dass der widerrechtlich handelnde Elternteil möglicherweise selbst die Ursache für die Gefährdung oder die unzumutbare Lage geschaffen hat, kommt es im Rahmen des Art. 13 HKiEntÜ nicht an. Die ausschließlich kindeswohlbezogene Betrachtung des Art. 13 I lit. b HKiEntÜ stellt die notwendige Korrektur des sonst alleine an der Sicherung des Rechtsfriedens orientierten Bestimmung des HKiEntÜ dar. Zwar will das HKiEntÜ vermeiden, dass ein Elternteil aus der rechtswidrigen Entführung der Kinder einen faktischen Vorteil zieht. Dies nimmt das HKiEntÜ andererseits dann in Kauf, wenn vorrangige Interessen der Kinder zu beachten sind.
[14]Das FamG ist jedoch aufgrund des von ihm eingeholten, schriftlichen Sachverständigengutachtens und seiner weiteren Ermittlungen zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles Art. 13 I lit. b HKiEntÜ einer Rückführung des Kindes entgegenstehe.
[15]Das Gutachten beruht auf einer Untersuchung des Kinds und der Eltern. Das FamG ist aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, dass die hier in Frage stehenden Folgen der Rückführung keine solchen typischen Belastungen darstellen, sondern erheblich darüber hinausgehendes und konkretes Gefährdungspotenzial im Sinne des Art. 13 HKiEntÜ berge.
[16]Dem schließt sich der Senat nach der erneuten Anhörung der Sachverständigen im Ergebnis nicht an.
[17]5. Es liegt kein hinreichender Nachweis dafür vor, dass gerade mit der Rückführung die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schaden des Kindes ausgelöst wird. Dies nachzuweisen obliegt der AGg. Dieser Nachweis ist aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen nicht geführt.
[18]Art. 13 I lit. b legt demjenigen, der Gründe vorträgt, die einer Rückführung entgegenstehen, die Darlegungs- und Beweislast auf (OLG Nürnberg, FamRZ 2007, 1588) (IPRspr 2007-82). Im Rahmen des Art. 13 I HKiEntÜ gilt der Amtsermittlungsgrundsatz der §§ 14 Nr. 2 IntFamRVG, 621a ZPO i.V.m. 12 FGG nicht. Dass die Beweislast für die Voraussetzungen des Art. 13 I lit. b derjenige trägt, der sich der Rückgabe des Kinds widersetzt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, FamRZ 1996, 1267) (IPRspr. 1996 Nr. 101). Der entführende Elternteil muss den vollen Nachweis für seine Behauptungen erbringen. In Zweifelsfällen ist die Rückgabe von Kindern anzuordnen (OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1586 (IPRspr 2006-84)).
[19]Die Feststellungen der Sachverständigen sind nach erneuter Anhörung der Sachverständigen aus der Sicht des Senats kein hinreichender Grund, um den Ausnahmetatbestand des Art. 13 I lit. b auszulösen.
[20]a) Die Sachverständige ist aufgrund ihrer Erhebung zu dem Ergebnis gekommen, ... würde mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schwerwiegenden Schaden erleiden, wenn sie ohne ihre Mutter nach Großbritannien zurückgeführt würde und bei ihrem Vater oder einer anderen sozialen Institution ihren Aufenthalt haben würde ...
[21]b) Zwar kann grundsätzlich die Trennung eines Kinds von dem Elternteil, der es überwiegend betreut, eine der Rückführung entgegenstehende Gefährdung bedeuten (OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 643 (IPRspr. 2000 Nr. 90); OLG München, FamRZ 1998, 386 (IPRspr. 1997 Nr. 107)).
[22]In Rückführungsfällen, die Kleinkinder betreffen, die schon länger Kontakt nur zu der Mutter gehabt, schon längere Zeit in der neuen Umgebung gelebt und sich in der neuen Umgebung integriert haben, liegt ein seelischer Schaden, der durch die Rückführung verursacht wird, nahe. Es ist auch nicht zu verkennen, dass sich das Kind aufgrund der plötzlichen und u.U. länger dauernden Trennung vom fürsorgenden Elternteil in einer Lage befinden kann, die zu einer schwerwiegenden Schädigung des Kindes sowohl körperlich als auch seelisch führen könnte (OLG Bamberg, FamRZ 2000, 371 (IPRspr. 1999 Nr. 85)).
[23]Andererseits reicht allein der Verweis auf die mit dem Wechsel der Bezugsperson verbundenen Belastungen für ein Kind ohne nähere Konkretisierung auch bei kleinen Kindern nicht aus, um zur Annahme einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens gemäß Art. 13 I lit. b HKiEntÜ zu gelangen (OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 1142 (IPRspr. 2001 Nr. 99)). Die Trennung vom entführenden Elternteil kann nur ausnahmsweise einen Grund für die Verweigerung der Rückgabe darstellen. Der entführende Elternteil muss vielmehr schwerwiegende Gründe nachweisen, bevor er sich zu Recht auf die Gefährdung des Kinds durch die Trennung berufen kann (OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 957 (IPRspr. 2002 Nr. 108)).
[24]c) Der Senat teilt die Einschätzung der Sachverständigen, dass eine dauerhafte Trennung von der Mutter zu einer Traumatisierung des Kindes führen kann. Das Gutachten beruht auf einer sorgfältigen Untersuchung des Kinds unter Einbeziehung der Mutter und auch des Vaters und ist ausführlich und nachvollziehbar begründet worden. Die allgemeine Sachkunde und Kompetenz der Sachverständigen ist dem Senat aus anderen Verfahren bekannt.
[25]Gleichwohl führen die Feststellungen der Sachverständigen nicht dazu, dass dem Rückführungsersuchen ausnahmsweise nach Art. 13 I lit. b nicht zu entsprechen ist.
[26]Entscheidend für das vorliegende Verfahren ist, ob die Rückgabe als solche ‚mit einer schwerwiegenden Gefahr ... verbunden’ ist. Diese kann nur angenommen werden, wenn die Auswirkungen auf das Kind erheblich größer und gewichtiger sind als die durch die Trennung von einem Elternteil und durch die Rückkehr in den Ursprungsstaat bedingten.
[27]d) Die Rückgabe als solche muss nicht zwingend zu einer Traumatisierung des Kindes führen. Die Gefahr einer Traumatisierung kann von den Eltern durch geeignete Maßnahmen aufgefangen bzw. minimiert werden.
[28](1) Zwar nicht naheliegend, aber auch nicht unmöglich ist, dass das Kind entgegen der Vermutung der Sachverständigen doch bereits über eine hinreichende emotionale Sicherheit und damit über die Bewältigungskompetenz verfügt, um eine Trennung von der Mutter zu verkraften.
[29]Die Sachverständige hat ausdrücklich betont, dass ihr Gutachten kein Prognosegutachten sei. Sie hat darauf hingewiesen, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gebe, dass alles so eintreten könne. Ob es wirklich so sein würde, könne sie natürlich nicht sagen.
[30]Die Rückgabe muss daher nicht zwangsläufig zu einer schwerwiegenden Gefahr führen.
[31](2) Auch ist nicht ausgeschlossen, dass der Vater mit dazu beitragen kann, die Bewältigungskompetenzen des Kinds zu stärken. Zwar ist nicht gesichert, dass dies so ist, es ist aufgrund der sicheren Bindung von ... an den Vater jedoch nicht ausgeschlossen und außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit ...
[32](3) Unabhängig davon steht nicht hinreichend fest, dass mit der Rückführung zwangsläufig ein Beziehungsabbruch verbunden sein muss. Die hohe Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Traumatisierung als Folge eines andauernden Beziehungsabbruchs zur Mutter ist aufgrund des Sachverständigengutachtens in diesem Verfahren dokumentiert. Sie muss aber nicht zwangsläufig an die Rückführung knüpfen. Es fehlt an einer zwingenden Kausalität zwischen der Rückführung als solcher und der Gefahr der Traumatisierung. Letztere droht durch eine dauerhafte Trennung von der Mutter. Ihr kann begegnet werden, wenn die Verfahrensbeteiligten angemessene Vorkehrungen treffen.
[33]Wie auch die Sachverständige in ihrer Anhörung vor dem Senat bestätigt hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Traumatisierung nicht gegeben, wenn das Kind nicht von der Mutter getrennt wird. Die Beteiligten haben es daher in der Hand, dafür zu sorgen, dass das Kind von der Mutter nach England begleitet und auch dort betreut wird.
[34](4) Von der Mutter ist zu erwarten, dass sie ... nach England begleitet. Die von der Mutter geäußerte Weigerung, das Kind nach London zu begleiten, ist kein Kriterium, das eine Rückführung verhindern kann. Der entführende Elternteil muss es grundsätzlich auf sich nehmen, mit dem Kind zurückzukehren und dadurch selbst Nachteile zu erleiden (OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 1607) (IPRspr. 1999 Nr. 90). Von dem entführenden Elternteil kann verlangt werden, mit dem Kind in den bisherigen Heimatstaat zurückzukehren. Er hat durch sein Verhalten die Situation des Kinds zu verantworten. Deshalb obliegt es ihm, alles zu unternehmen, weitere Schädigungen zu vermeiden. Andernfalls hätte es der entführende Elternteil in der Hand, die Anwendung des Ausnahmetatbestands durch sein Verhalten zu erzwingen, was den Zielen des HKiEntÜ zuwiderläuft. Lehnt der entführende Elternteil es ab, das Kind zu begleiten, so kann er sich nicht darauf berufen, die Rückkehr des Kinds ohne seine Begleitung setze das Kind einer schwerwiegenden Gefahr aus (OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 643) (IPRspr. 2000 Nr. 90). Dies gilt auch, wenn die Weigerung, das Kind zu begleiten, ihre Ursache in der Furcht vor strafrechtlichen Konsequenzen aufgrund der Entführung hat (BVerfG, FamRZ 1997, 1269, 1270 (IPRspr. 1997 Nr. 101b); OLG Hamm, FamRZ 2000, 370 (IPRspr. 1999 Nr. 81a)). Zum einen besteht in den anderen Vertragsstaaten ebenso die Möglichkeit einer Haftverschonung wie in der Bundesrepublik Deutschland, zum anderen kann eine mit der Entführung begangene Straftat nicht zu einer Vergünstigung im Rahmen des HKiEntÜ führen.
[35](5) Schließlich kann die Mutter kurzfristig auf das Verfahren in England Einfluss nehmen.
[36]Gemäß Nr. 1 der Verfügung des Court of Justice of England and Wales, Family Devision vom 20.9.2007 muss innerhalb eines Tages nach der Rückgabe eine weitere Anhörung stattfinden. Darüberhinaus kann die Mutter gemäß Nr. 8 dieser Verfügung sofort, d.h. schon vor der Rückgabe einen Antrag dahin gehend stellen, dass diese Verfügung aufgehoben oder geändert wird. Sie hat daher die Möglichkeit, unverzüglich ihre Bedenken und die Erkenntnisse aus dem vorliegenden Verfahren, insbesondere auch das Ergebnis des Gutachtens durch dessen Übersendung, in das Verfahren in London einzubringen.