Die Voraussetzungen für eine Anordnung der Kindesherausgabe gemäß Art. 12 HKiEntÜ sind erfüllt, wenn der Antragsgegner das Kind nach einem am 20.11. 2003 angetretenen Urlaubsaufenthalt in Deutschland nicht wieder ins Ausland \linebreak (hier: nach Australien) zurückgebracht und damit widerrechtlich im Sinne des Art. 3 HKiEntÜ in Deutschland zurückgehalten hat.
Eine Rückgabe des Kindes an seine in Australien lebende Mutter ist nicht gemäß Art. 13 I 1 lit. b HKiEntÜ ausgeschlossen, da dieser besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die über die mit einer Rücküberstellung gewöhnlich verbundenen Schwierigkeiten wie Wechsel der Bezugsperson, weite Entfernung des Heimatstaats, Wechsel des Sprachgebiets, Wechsel von Kindergarten und Schule hinausgehen, verlangt.
Auf Antrag der ASt. hat das FamG durch den angefochtenen Beschluss u.a. die Herausgabe des Kindes A. K., geboren am 26.4.1997, an die ASt. zum Zwecke der sofortigen Rückführung des Kindes nach Australien und durch weiteren Beschluss vom 1.2.2005 die sofortige Vollziehbarkeit dieser Entscheidung angeordnet.
Gegen die dem AGg. am 27.1.2005 zugestellte Entscheidung hat dieser mit Schriftsatz vom 1.2.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Der AGg. beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Rückführungsantrags der ASt. – ohne Erfolg.
[1]II. Die statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig.
[2]Gemäß § 8 II SorgeRÜbkAG, das das HKiEntÜ ergänzt, findet gegen eine im \linebreak ersten Rechtszug ergangene Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 22 FGG statt. Diese wurde innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 22 I 1 FGG eingelegt.
[3]Das AG – FamG – Schleswig und das OLG Schleswig als Beschwerdegericht sind für die Entscheidung über das Herausgabeverlangen international, örtlich und sachlich zuständig, §§ 5, 6 SorgeRÜbkAG.
[4]Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet.
[5]Das AG hat zu Recht die Rückführung des Kindes angeordnet.
[6]Die Rechtsgrundlagen für das Rückgabeverlangen folgen aus dem gemäß § 12 SorgeRÜbkAG vorrangigen HKiEntÜ, wobei das Übereinkommen für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Australien am 1.12.1990 in Kraft getreten ist.
[7]Wie das AG bereits zutreffend festgestellt hat, sind die Voraussetzungen für eine Anordnung des Kindesherausgabe gemäß Art. 12 HKiEntÜ erfüllt, indem der AGg. das Kind nach einem am 20.11.2003 angetretenen Urlaubsaufenthalt in Deutschland nicht wieder nach Australien zurückgebracht und damit widerrechtlich im Sinne des Art. 3 HKiEntÜ in Deutschland zurückgehalten hat. Dabei ist unerheblich, ob zwischen den Parteien bereits bei Beginn der Reise der genaue Rückgabetermin für den 5.2.2004 vereinbart worden war, da die Mutter ihre Zustimmung nur zu einem besuchsweisen Aufenthalt des Kindes in Deutschland erteilt hatte und jedenfalls am 14.1.2004 unmissverständlich auf der Rückkehr des Kindes bis zum 5.2.2004 nach Australien bestanden hat. Zu diesem Zeitpunkt übte die ASt. mit dem AGg. auch tatsächlich die gemeinsame elterliche Sorge aus, da jedenfalls ein regelmäßiger Umgang des Kindes mit der Mutter im Rahmen des gemeinsamen Sorgerechts stattfand. Dabei ist unerheblich, ob sich A. K. tatsächlich häufiger beim Vater aufgehalten hat als bei der Mutter.
[8]Seit dem Zurückhalten des Kindes ab dem 5.2.2004 bis zur Antragstellung auf Rückführung Ende Juni 2004 beim Generalbundesanwalt beim BGH ist kein Jahr vergangen, Art. 12 Satz 1 HKiEntÜ.
[9]Der Rückführung des Kindes steht auch nicht Art. 13 I 1 lit. b HKiEntÜ entgegen. Hiernach ist das Gericht nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Person, die sich der Rückgabe widersetzt, nachweist, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Dies ist nur bei besonders schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die über die mit einer Rücküberstellung gewöhnlich verbundenen Schwierigkeiten hinausgehen, der Fall (BVerfG, FamRZ 1996, 405 f. (IPRspr. 1996 Nr. 89); FamRZ 1999, 641 f. (IPRspr. 1999 Nr. 81b)).
[10]Solch schwerwiegende Gefahren im Sinne des HKiEntÜ sind nach Auffassung des Senats in dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nach dem Vortrag des insoweit beweisbelasteten Vaters und auch nach der Aktenlage nicht erkennbar.
[11]Das HKiEntÜ dient dem Ziel, die Beteiligten von einem widerrechtlichen Verbringen des Kindes ins Ausland abzuhalten und die Sorgerechtsentscheidung am Ort des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes sicherzustellen. Dem so verstandenen Schutz des Kindes würde die Berücksichtigung der zwangsläufig mit jeder Rücküberstellung verbundenen Belastungen für das Kind im Rahmen der Folgenabwägung widersprechen. Sie könnte dazu führen, zunächst geschaffenen vollendeten Tatsachen von vornherein ein Übergewicht zu geben (BVerfG, FamRZ 1996, 405) (IPRspr. 1996 Nr. 89). Es ist daher eine enge Auslegung geboten, in der nicht alleine das Wohl des Kindes von überragender Bedeutung ist, sondern vor allem und zuvörderst das schnelle Rückgängigmachen und das Verhindern widerrechtlicher Selbsthilfe durch Entführen und Zurückhalten von Kindern. Über das Wohl des Kindes soll das Gericht am bis dahin gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes entscheiden (KG, FamRZ 1997, 1098, 1099) (IPRspr. 1996 Nr. 103). Aus diesem Grunde ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, welche Regelung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspräche, das heißt, dass die Rollen der beiden Elternteile und die Beziehungen der beiden Elternteile zu den Kindern vor der Trennung und in der Zukunft nicht entscheidungserheblich sind (OLG München, FamRZ 1994, 1338 f.) (IPRspr. 1993 Nr. 102). Es kommt somit für die Entscheidung nicht darauf an, wer in der Vergangenheit die Hauptbezugsperson gewesen ist und wie die Betreuung in Australien gewährleistet wurde oder wird. Vielmehr ist zu fragen, ob eine schwerwiegende Gefährdung des Kindes durch die Rückführung und einen Aufenthalt bei der Mutter eintritt (Senatsbeschl. vom 3.12.2003 – 12 UF 184/03; OLG München, DAVorm 2000, 1157–1160 (IPRspr. 2000 Nr. 89); OLG Bamberg, FamRZ 1994, 183 (IPRspr. 1993 Nr. 92)).
[12]Der AGg. hat nicht nachgewiesen, dass die Rückgabe im Sinne des Art. 13 I 1 lit. b Alt. 3 (unzumutbare Lage auf andere Weise) HKiEntÜmit der schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens für das Kind verbunden ist. Zwar ‚signalisierte’ A. K. nach dem Bericht des Jugendamts des Kreises P. vom 1.2.2005, auf Helgoland bleiben zu wollen, weil sie sich dort wohlfühle, ihre Großeltern möge, viele Freunde habe und beim Vater bleiben wolle. Auch spricht die von dem Arzt X. abgegebene Stellungnahme ebenfalls dafür, dass A. K. lieber auf Helgoland bleiben möchte, weil sie sich dort wohlfühle und viele Freunde habe, während sie am neuen Wohnort der Mutter in Australien niemanden kenne. Andererseits mache sie der fehlende Kontakt zu ihrer bei der Mutter lebenden Schwester M. traurig. Dies sind aber keine Umstände im Sinne von Art. 13 HKiEntÜ. Es sind keinerlei Anzeichen für eine schwerwiegende Gefahr eines seelischen Schadens für das Kind durch die Rückführung zur Mutter ersichtlich. Der Arzt X. hat vielmehr angegeben, dass A. K. – sogar unter dem Eindruck der drohenden Rückführung – einen selbstbewussten, unbeschwerten Eindruck vermittelt habe. Auch spricht gegen das tatsächliche Vorliegen konkreter schwerwiegender Gefahren eines seelischen Schadens für das Kind, dass der AGg. noch am 22.12.2004 der Rückführung des Kindes zugestimmt hatte. Dies lässt sich nicht mit seiner im Schriftsatz vom 16.12.2004 geäußerten Sorge um eine ernstliche Gefährdung des Wohles seiner Tochter vereinbaren.
[13]Im Übrigen ist nicht zu verkennen, dass das Herausnehmen des Kindes aus seinem jetzigen Beziehungssystem natürlich eine Belastung des Kindes darstellt. Dies ist aber in solchen Verfahren immer der Fall. Die mit einer Rückgabe stets verbundenen Schwierigkeiten wie Wechsel der Bezugsperson, weite Entfernung des Heimatstaats, Wechsel des Sprachgebiets, Wechsel von Kindergarten, Schule usw. vermögen die Anwendung von Art. 13 I HKiEntÜ als Ausnahmetatbestand grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (Senatsbeschl. vom 3.12.2003; OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 643–645 (IPRspr. 2000 Nr. 90)).
[14]Auch Art. 13 Satz 2 HKiEntÜ steht der Rückführung des Kindes nicht entgegen, da der Widerstand des Kindes bei der Entscheidung keine Berücksichtigung finden kann. Angesichts des Alters des Kindes von sieben Jahren ist der Senat davon überzeugt, dass das Kind die erforderliche Reife für eine verantwortungsbewusste Entscheidung hierüber noch nicht besitzt. Eine genaue Prüfung der Verhältnisse muss daher dem Herkunftsland im Rahmen eines eventuellen neuen Sorgerechtsverfahrens überlassen bleiben (vgl. Senatsbeschl. vom 3.12.2003; OLG München, DAVorm 2000, 1157–1160 (IPRspr. 2000 Nr. 89)).
[15]Da somit ein Ausnahmefall des Art. 13 HKiEntÜ nicht vorliegt, hat das AG zu Recht die Herausgabe des Kindes zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Australien angeordnet.
[16]Eine Anhörung des Kindes durch den Senat war entsprechend der Zielsetzung des Übereinkommens, für eine rasche Wiederherstellung des verletzten Sorgeverhältnisses zu sorgen, hier nicht veranlasst, weil der Senat von der die Rückführung ablehnenden Haltung des Kindes ausgegangen ist, die Entscheidung der Bewertung des Vorderrichters folgt und keine neuen Tatsachen vorgebracht worden sind. Für das FamG bestand ebenfalls kein Grund, das Kind anzuhören, zumal in der mündlichen Verhandlung am 22.12.2004 sich beide Elternteile darüber einig waren, dass A. K. nach Australien zurückkehren sollte.