Die Kündigungsfristenregelung des § 622 Abs. 2 BGB ist eine zwingende Bestimmung iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB in der bis 16. Dezember 2009 geltenden Fassung.
Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Chicago, Illinois. Sie unterhielt in Europa neben ihrer „Inflight Service Base“ in London eine solche Basis auch am Flughafen Frankfurt am Main. Dieser waren vier Personen als Bodenpersonal und 227 Flugbegleiter mit unterschiedlichen Nationalitäten und Wohnorten zugeordnet. Der Kläger, ein niederländischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in den Niederlanden, arbeitete auf Grundlage eines in Chicago geschlossenen schriftlichen Vertrags vom 3. Mai 1993 als Flugbegleiter zuletzt mit Heimatbasis Frankfurt. In ihrem Arbeitsvertrag haben die Parteien die Geltung des Rechts der Vereinigten Staaten von Amerika einschließlich des Railway Labor Act und der AFA-Vereinbarung („Association of Flight Attendants“) geregelt. Am 5. Juni 2020 entschied die Beklagte, die "Inflight Service Base" in Frankfurt zu schließen. Sie erstattete mit Schreiben vom 28. September 2020 bei der Agentur für Arbeit in Frankfurt eine Massenentlassungsanzeige und beantragte vorsorglich deren Zustimmung im Hinblick auf die Entlassungssperre. Am 14. Oktober 2020 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben mit Datum 29. September 2020 mit dem Titel „Official Notice of Separation“, mit dem sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung zum 1. Oktober 2020 für beendet erklärte. Zum 1. Oktober 2020 wurde die „Inflight Service Base“ Frankfurt geschlossen. Am 21. Juli 2021 erhielt der Kläger ein weiteres Kündigungsschreiben der Beklagten vom 19. Juli 2021 zum 31. Juli 2021.
Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 29. September 2020 noch durch die Kündigung vom 19. Juli 2021 aufgelöst worden ist. Das Arbeitsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. September 2020 hinaus bis zum 31. Mai 2021 fortbestanden hat. Die hiergegen von beiden Parteien eingelegten Berufungen hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Bestandsschutzanträge weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision eine vollständige Abweisung der Klage.
[17] Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind unbegründet und waren daher zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat die von beiden Parteien eingelegten Berufungen zu Recht zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund der mit Schreiben vom 29. September 2020 erklärten Kündigung mit Ablauf des 31. Mai 2021 geendet.
[18] I. Die Revision des Klägers ist unbegründet ...
[19] 1. ... [20] 2. Die Revision des Klägers ist auch nicht deshalb unbegründet, weil seine Klage unzulässig wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegeben ist.
[21] a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist als eine von Amts wegen zu beachtende Sachurteilsvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz zu prüfen. Sie bestimmt sich für das vorliegende, am 30. Oktober 2020 anhängig gemachte Verfahren nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (im Folgenden Brüssel Ia-VO), die nach ihrem Art. 66 Abs. 1 für die seit dem 10. Januar 2015 eingeleiteten Verfahren gilt. Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO. Der dafür erforderliche Auslandsbezug ergibt sich aus dem Wohnsitz des Klägers in den Niederlanden und dem Sitz der Beklagten in den USA (vgl. BAG 1. Juni 2023 -
[22] b) Die Beklagte, die weder ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann als Arbeitgeberin vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem oder von dem aus der Kläger als Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (vgl. Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 21 Abs. 1 Buchst. b (i), Abs. 2 Brüssel Ia-VO).
[23] c) Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO richtet sich nach den dafür vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätzen. Nach diesen weist das Arbeitsverhältnis des fliegenden Personals einer Fluggesellschaft eine enge Verknüpfung mit dem Ort auf, von dem aus dieses Personal den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber erfüllt. Dabei handelt es sich um den Ort, von dem aus das Personal seine Verkehrsdienste erbringt, an den es danach zurückkehrt, an dem es Anweisungen dazu erhält und seine Arbeit organisiert und an dem sich die Arbeitsmittel befinden; er kann seiner Heimatbasis entsprechen (vgl. EuGH 2. April 2020 - C-370/17 - [CRPNPAC] Rn. 57; 14. September 2017 - C-168/16, C-169/16 - [Nogueira ua.] Rn. 60, 63, 69, 73 und 77).
[24] d) Der Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet, kann allerdings nicht mit dem der „Heimatbasis“ des fliegenden Personals eines Luftverkehrsunternehmens gleichgesetzt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass letzterer Begriff bei der Bestimmung des Ortes, von dem aus ein Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, irrelevant wäre. Vielmehr ist zur Bestimmung dieses Ortes eine indiziengestützte Methode anzuwenden, bei der die Heimatbasis einen wichtigen Aspekt darstellt. Dieser Ort wird weder beliebig noch vom Arbeitnehmer bestimmt, sondern gemäß der Norm OPS 1.1090 Nr. 3.1 des Anhangs III der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 vom „Luftfahrtunternehmer“ für jedes Besatzungsmitglied. Die Heimatbasis verlöre nur dann ihre Relevanz für die Bestimmung des „Ortes, von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, wenn unter Berücksichtigung aller möglichen tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falls der erhobene Antrag eine engere Verknüpfung mit einem anderen Ort als der Heimatbasis aufwiese (vgl. EuGH 14. September 2017 - C-168/16, C-169/16 - [Nogueira ua.] Rn. 65 ff.).
[25] e) Vorliegend ist Frankfurt der Ort, von dem aus der Kläger seine Arbeit gewöhnlich verrichtet hat. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen... Dort war nach seinen Feststellungen nicht nur seine Heimatbasis, wo seine Einsätze begannen und endeten. Die Beklagte war dem Kläger gegenüber nicht zur Übernahme der Anreisekosten verpflichtet und musste an diesem Ort nicht für seine Unterkunft sorgen. Dort befanden sich von der Beklagten gestellte Arbeitsmittel, der Kläger erhielt dort einen Teil seiner Arbeitsanweisungen und konnte bestimmte organisatorische Dinge erledigen. Insbesondere durch den Sitz der Beklagten in den USA, die gewählte Vertragssprache, die Bezugnahme auf US-amerikanische Normen und die von dort erteilten Weisungen wird zwar ein Bezug zu den USA begründet. Dem steht allerdings der Umstand gegenüber, dass der Kläger Staatsangehöriger der Niederlande ist und dort auch seinen Wohnsitz hat. Eine engere Verknüpfung der Bestandsschutzanträge zu den USA oder dem Königreich der Niederlande als der Heimatbasis des Klägers ist damit nicht begründet. Deshalb kann dahinstehen, ob die Ausweichklausel in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) im Rahmen von Art. 21 Brüssel Ia-VO analog anzuwenden ist (vgl. EuArbRK/Krebber 5. Aufl. Brüssel Ia-VO Rn. 12 f.). Art. 21 Brüssel Ia-VO sieht nach seinem Wortlaut keine Möglichkeit eines abweichenden Ergebnisses aufgrund der Gesamtumstände vor.
[26] 3. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 29. September 2020 das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls mit Ablauf des 31. Mai 2021 aufgelöst hat. Weder ist eine generelle Unwirksamkeit der Kündigung ersichtlich noch ein späteres Beendigungsdatum. Dabei ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, ob deutsches oder US-amerikanisches Recht (gegebenenfalls des Bundesstaats Illinois) gilt. Eines Sachgruppenvergleichs zwischen beiden Rechtsordnungen bedarf es nicht. Für die Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung - insbesondere niederländischen Rechts wegen des Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit des Klägers - gibt es keine Anhaltspunkte.
[27] a) Das anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 27 ff. EGBGB in der bis 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (aF). Die Rom I-VO findet keine Anwendung, weil der Arbeitsvertrag der Parteien vor dem 17. Dezember 2009 (vgl. Art. 28 Rom I-VO) geschlossen wurde und es in der Folgezeit keine umfangreiche Vertragsänderung gab, die der Sache nach zu einer Ersetzung des bisherigen Vertrags geführt hätte (vgl. EuGH 18. Oktober 2016 - C-135/15 - [Nikiforidis] Rn. 35 ff.; BAG 7. Mai 2020 -
[28] b) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich mittelbar aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können etwa Gerichtsstandsklauseln, vertragliche Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht oder die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsortes Hinweise auf die getroffene Wahl geben (vgl. BAG 10. April 2014 -
[29] c) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF darf die Rechtswahl der Parteien bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB aF ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts gewährt wird. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass dem Arbeitnehmer als der typischerweise sozial und wirtschaftlich schwächeren Partei durch die Rechtswahl nicht der Mindestschutz „seines“ Rechts entzogen wird (vgl. BT-Drs. 10/504 S. 81). Diese Anwendung zwingender Bestimmungen setzt voraus, dass sie zu günstigeren Ergebnissen führt als das gewählte Recht. Dafür ist grundsätzlich ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen. Die zwingenden Bestimmungen des nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB aF maßgebenden Rechts sind den entsprechenden Regelungen der gewählten Rechtsordnung gegenüberzustellen. Bieten letztere keinen vergleichbaren Schutz, sind die nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB aF einschlägigen Vorschriften anzuwenden. Etwas anderes gilt gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB aF nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen „zu einem anderen Staat“ aufweist (vgl. BAG 10. April 2014 -
[30] d) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Parteien gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB aF in ihrem Arbeitsvertrag das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika einschließlich des Railway Labor Act und der AFA-Vereinbarung gewählt haben. Auch der Kläger geht in seiner Revisionsbegründung von der Vereinbarung von US-amerikanischen Recht aus. Dabei spielt es vorliegend keine Rolle, ob die im Formulararbeitsvertrag der Parteien verwendete Formulierung, wonach das Arbeitsverhältnis ausschließlich („exclusively“) durch US-amerikanisches Recht geregelt wird, einer etwaigen Klauselkontrolle (vgl. dazu BAG 23. Januar 2024 -
[31] e) Das Landesarbeitsgericht hat ohne revisiblen Rechtsfehler angenommen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Rechtswahl objektiv deutsches Vertragsstatut Anwendung gefunden hätte, ohne dass eine engere Verbindung zu den USA bestand.
[32] aa) Nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aF ist auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse das Recht des Staats objektiv anwendbar, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Das Kriterium des Staats, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, bezieht sich auf den Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten tatsächlich ausübt, und - in Ermangelung eines Mittelpunkts seiner Tätigkeiten - auf den Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Tätigkeiten verrichtet (vgl. BAG 7. Mai 2020 -
[33] bb) Die Würdigung des Berufungsgerichts und die Gewichtung der von ihm festgestellten Anknüpfungsmomente ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt. Es muss alle Gesichtspunkte berücksichtigen, die das Arbeitsverhältnis kennzeichnen, und den- oder diejenigen würdigen, die seiner Ansicht nach am maßgeblichsten sind (vgl. BAG 7. Mai 2020 -
[34] cc) Nach diesem Maßstab ist die tatrichterliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers hätte ohne Rechtswahl objektiv deutsches Vertragsstatut Anwendung gefunden, nicht zu beanstanden. Es hat bereits bei der Frage nach der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte alle maßgeblichen Umstände zum gewöhnlichen Arbeitsort des Klägers in den Blick genommen und hierauf verwiesen. Revisionsrechtlich erheblich Fehler sind weder zu erkennen noch werden sie von der Beklagten im Rahmen ihrer Revision aufgezeigt. Vielmehr setzt sie nur ihre Meinung gegen die des Berufungsgerichts.
[35] f) Vorliegend bedurfte es keines Sachgruppenvergleichs bezüglich der Günstigkeit der jeweiligen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften für den Kläger. Weder bei Anwendung US-amerikanischen Rechts noch bei Anwendung deutschen Rechts würde sich eine Unwirksamkeit der Kündigung mit Schreiben vom 29. September 2020 oder eine spätere Beendigung als zum 31. Mai 2021 ergeben.
[36] aa) Das gilt zunächst für das gewählte US-amerikanische Recht.
[37] (1) Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass nach der „Employment-at-will-Doktrin“ im US-amerikanischen Recht ein unbefristeter Arbeitsvertrag von jeder Partei jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann und es an einem (Sach-)Vortrag des Klägers fehlt, wonach gegen etwaige Ausnahmen von dieser Doktrin im Hinblick auf Diskriminierungsverbote verstoßen wurde, unabhängig davon, dass dies nur zu Schadensersatzansprüchen, nicht aber zur Unwirksamkeit der Kündigung und zur - antragsgemäßen - Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
[38] (2) Soweit man - wie es der Senat für zutreffend hält - davon ausgeht, dass ausländisches Recht nicht revisibel ist (vgl. BAG 7. Mai 2020 -
[39] (a) Eine solche Verfahrensrüge hat der Kläger hinsichtlich der Frage der US-amerikanischen Kündigungsschutzbestimmungen nicht erhoben. In seiner Revisionsbegründung rügt der Kläger, das Landesarbeitsgericht habe nicht ermittelt, ob nach US-amerikanischen Recht eine Umdeutung einer (zu einem falschen Termin ausgesprochenen) Kündigung in Betracht komme. Das ist ohne Bedeutung, da schon eine Auslegung der Kündigung ergibt, dass sie zum nächsten (rechtlich) möglichen Termin gelten sollte (vgl. dazu unten Rn. 48 ff.), ohne dass es auf eine Umdeutung ankäme. Die vom Kläger im Übrigen erhobene Verfahrensrüge betrifft nur die Frage, ob das C1/D-Visum den Kläger zu einer Weiterbeschäftigung in den USA befähigt hätte, was aber nur für § 1 KSchG eine Rolle spielt.
[40] (b) Soweit sich der Kläger gegen eine nach seiner Ansicht fehlerhafte Auslegung seines Arbeitsvertrags und des AFA-Abkommens wendet, ist damit keine Verfahrensrüge verbunden.
[41] (3) Auch wenn man davon ausginge, ausländisches Recht sei revisibel, wären die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des US-amerikanischen Rechts nicht zu beanstanden.
[42] (a) Soweit in der älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zuweilen angenommen wurde, ausländisches Recht sei revisibel (vgl. BAG 12. Dezember 1989 -
[43] (b) Vorliegend haben die Parteien - insbesondere der Kläger - nicht in Frage gestellt, dass nach der US-amerikanischen „Employment-at-will-Doktrin“ Arbeitsverhältnisse jederzeit, ohne Grund und ohne Frist gekündigt werden können. Vielmehr ist der Kläger selbst davon ausgegangen, weshalb er die Anwendbarkeit deutschen Rechts für richtig hält. Auch in der Revisionsbegründung stellt der Kläger dies nicht in Abrede. Angesichts dessen hat der Senat keine Veranlassung, in Zweifel zu ziehen, dass das Berufungsgericht sein Ermessen, wie es sich Kenntnis vom ausländischen Recht verschafft, rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (BGH 29. Juni 2022 -
[44] (4) Das Landesarbeitsgericht hat insbesondere nicht unzulässig eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des speziell in Illinois geltenden Rechts getroffen.
[45] (a) Da die Ermittlung des ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu erfolgen hat, kommt eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Inhalts des ausländischen Rechts nicht in Betracht. Ausländische Rechtsnormen sind Rechtssätze und keine Tatsachen. Eine prozessuale Beweisführungslast einer Partei für den Inhalt des ausländischen Rechts besteht im Rahmen des § 293 ZPO nicht. Nur der Umfang der Ermittlungspflicht kann durch den Vortrag der Parteien beeinflusst werden (vgl. BAG 7. Mai 2020 -
[46] (b) Das Landesarbeitsgericht hat zum Inhalt des US-amerikanischen Rechts unter Bezugnahme auf Schrifttum und Rechtsprechung festgestellt, dass - über die „Employment-at-will-Doktrin“ hinausgehend - eine Kündigung gegen Antidiskriminierungs- und Maßregelungsverbote verstoßen kann. Allerdings führte dies schon deshalb nicht zur Begründetheit des Klagebegehrens, da sich daraus nur Schadensersatzansprüche, nicht aber eine Unwirksamkeit der Kündigung ergeben würde. Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich aber bereits kein Verstoß gegen diese besonderen Kündigungsverbote, so dass eine Ermittlung der konkreten Rechtslage in Illinois nicht veranlasst sei.
[47] (c) Damit hat das Landesarbeitsgericht keine Darlegungs- und Beweislastentscheidung hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu Lasten des Klägers getroffen. Vielmehr hat es zugunsten des Klägers unterstellt, auch in Illinois würden Kündigungsverbote wegen Diskriminierung oder Maßregelung gelten. Darauf komme es aber nicht an, da auch dies weder zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führe noch der Kläger etwas zu einer Diskriminierung oder Maßregelung vorgetragen habe. Insbesondere die Ausführungen zu der fehlenden Rechtsfolge einer Unwirksamkeit der Kündigung selbst bei Verstößen gegen Diskriminierungs- und Maßregelungsverbote sind vom Kläger nicht in Frage gestellt worden, so dass eine weitergehende Erforschung des ausländischen Rechts vom Berufungsgericht nicht zu verlangen ist. Darüber hinaus trifft es zu und wird vom Kläger auch in seiner Revisionsbegründung nicht bestritten, dass er keinen Tatsachenvortrag dahin geleistet hat, die Kündigung verstoße gegen Diskriminierungs- oder Maßregelungsverbote.
[48] (5) Der Kläger beruft sich in der Revisionsinstanz zu Unrecht darauf, das Schreiben vom 29. September 2020 könne nicht als Kündigung zum nächstzulässigen Termin ausgelegt werden, da es an einem unbedingten Beendigungswillen der Beklagten fehle und das Berufungsgericht nicht festgestellt habe, ob eine Umdeutung nach US-amerikanischen Recht möglich ist.
[49] (a) ... [50] (b) ... [51] (aa) ... [52] (bb) ... [53] (6) ... [54] bb) Vorliegend ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn trotz der Wahl US-amerikanischen Rechts - jedenfalls in Teilbereichen - deutsches Recht zur Anwendung käme. Auch bei Anwendung deutschen Rechts würde sich die Kündigung mit Schreiben vom 29. September 2020 weder als unwirksam erweisen noch zu einem späteren Zeitpunkt als dem 31. Mai 2021 wirken.
[55] (1) Die Rechtswahl der Parteien darf nicht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF dazu führen, dass dem Kläger der Schutz entzogen würde, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Das wäre deutsches Recht (vgl. oben Rn. 31 ff.).
[56] (2) Der Kläger kann sich allerdings nicht auf die fehlende Schriftform der Kündigung nach § 623 BGB berufen.
[57] (a) Die Frage der „Günstigkeit“ der Norm oder ob diese zwingend iSv. Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB aF ist, stellt sich dabei nicht. Dem steht Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB entgegen. Für Formerfordernisse von Rechtsgeschäften ist auf das Recht des Staats abzustellen, in dem es vorgenommen wird. Das von Chicago abgesandte Kündigungsschreiben bedarf nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum US-amerikanischen Recht keiner Form. Der Umstand, dass (nur) in Art. 29 Abs. 3 EGBGB aF für Verbraucherverträge eine Ausnahmeregelung zu Art. 11 EGBGB besteht, nicht aber in Art. 30 EGBGB aF lässt mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, dass diese Einschränkung des Art. 11 EGBGB für den Bereich von Arbeitsverträgen nicht gilt (vgl. Staudinger/Hausmann [2021] Rom I-VO Art. 11 Rn. 37; MHdB ArbR/Oetker 6. Aufl. § 13 Rn. 66; Erman/Stürner 17. Aufl. Rom I-VO Art. 8 Rn. 8; KR/Weigand/ Horcher 13. Aufl. Int. ArbvertragsR Rn. 89; aA EuArbRK/Krebber 5. Aufl. VO (EG) 593/2008 Art. 11 Rn. 2).
[58] (b) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass keine Prüfung durchzuführen ist, ob § 623 BGB eine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF darstellt. Die Ausnahmeregelung des Art. 34 EGBGB aF gilt nur für „diesen Unterabschnitt“, in dem Art. 11 EGBGB aber nicht verortet ist. Unbeschadet dessen handelt es sich bei § 623 BGB nicht um eine Eingriffsnorm iSd. Art. 34 EGBGB aF (vgl. Staudinger/Oetker [2022] BGB § 623 Rn. 27; zum Begriff der Eingriffsnorm vgl. BAG 7. Mai 2020 -
[59] (3) ... [60] (a) ... [61] (b) ... [62] (c) ... [63] (d) ... [64] (4) ... [65] (a) ... [66] (b) ... [67] (c) ... [68] (5) ... [69] (a) ... [70] (b) ... [71] g) Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - spätestens mit Ablauf des 31. Mai 2021 beendet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Kläger das Kündigungsschreiben am 14. Oktober 2020 zugegangen. Wie bereits ausgeführt (vgl. oben Rn. 43) sind im US-amerikanischen Recht keine Kündigungsfristen geregelt. Bei einer Beendigung zum 31. Mai 2021 wäre die längste Kündigungsfrist nach deutschem Recht (§ 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB: sieben Monate zum Monatsende) eingehalten.
[72] II. Die Revision der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend § 622 Abs. 2 BGB als zwingende Norm iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF angesehen und eine Wirksamkeit der Kündigung erst zum 31. Mai 2021 mit der Frist des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB angenommen.
[73] 1. Die Revision der Beklagten ist nicht deshalb begründet, weil die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte unzulässig ist. Insoweit wird auf die Ausführungen oben zu Rn. 20 ff. verwiesen.
[74] 2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, neben dem von den Parteien gewählten Recht sei im Rahmen des Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF zu berücksichtigen, dass das objektive Vertragsstatut deutsches Recht sei. Auf die Ausführungen oben zu Rn. 31 ff. wird Bezug genommen. Gegenteiliges wird von der Beklagten in der Revisionsinstanz auch nicht geltend gemacht.
[75] 3. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt § 622 Abs. 2 BGB eine zwingende Bestimmung des Rechts iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF dar, die bei fehlender Rechtswahl anzuwenden wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
[76] a) Der in ihrer Revisionsbegründung enthaltene Hinweis, § 622 BGB sei keine zwingende Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF ist nicht geeignet, die Annahme des Berufungsgerichts in Frage zu stellen. Die Maßstäbe von Art. 30 Abs. 1 und Art. 34 EGBGB aF sind nicht identisch (vgl. hierzu und zum Folgenden BAG 7. Mai 2020 -
[77] aa) Nach Art. 34 EGBGB aF bleiben ohne Rücksicht auf eine nach Art. 27 ff. EGBGB aF getroffene Rechtswahl und das hiernach auf den Vertrag anzuwendende Recht diejenigen Bestimmungen des deutschen Rechts unberührt, die den Sachverhalt zwingend regeln. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO, der zwar auf den Streitfall nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann (vgl. BAG 21. März 2017 -
[78] (1) Nicht alle nach deutschem Recht zwingenden Bestimmungen sind Eingriffsnormen. Dies folgt für arbeitsrechtliche Vorschriften aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF. Danach darf die vereinbarte Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht den Schutz zwingenden deutschen Arbeitsrechts entziehen, sofern dieses ohne Rechtswahl nach den objektiven Anknüpfungen des Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF anzuwenden wäre. Diese Vorschrift wäre überflüssig, wenn jede vertraglich unabdingbare arbeitsrechtliche Norm über Art. 34 EGBGB aF auf das Arbeitsverhältnis einwirken würde (BAG 13. November 2007 -
[79] (2) Inländische Gesetze sind daher nur dann Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB aF, wenn sie entweder ausdrücklich (zB § 2 AEntG; vgl. ErfK/Schlachter 24. Aufl. Rom I-VO Art. 9 Rn. 21) oder nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach deutschen Kollisionsnormen anwendbare Recht gelten sollen. Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden (BAG 7. Mai 2020 -
[80] (3) Bei der Bestimmung einer innerstaatlichen Norm als international zwingende Eingriffsnorm ist Zurückhaltung geboten, wie sich auch aus Erwägungsgrund 37 zur Rom I-VO ergibt, nach dem der Begriff „Eingriffsnormen“ eng ausgelegt werden soll (EuGH 18. Oktober 2016 - C-135/15 - [Nikiforidis] Rn. 43 f.; BAG 18. April 2012 -
[81] bb) Insoweit ist es in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die Kündigungsfristenregelung in § 622 Abs. 2 BGB keine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF ist (vgl. BAG 7. Mai 2020 -
[82] b) Der Senat hat aber bereits in seinem Urteil vom 7. Mai 2020 (-
[83] aa) „Zwingende Bestimmungen“ iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF sind solche, die vertraglich nicht abbedungen werden können und dem Schutz des Arbeitnehmers dienen (BAG 21. März 2017 -
[84] bb) Bei der Kündigungsfristenregelung des § 622 Abs. 2 BGB handelt es sich um eine zwingende Bestimmung iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF.
[85] (1) Die Vorgaben des § 622 Abs. 2 BGB sind grundsätzlich nicht vertraglich abdingbar (vgl. BAG 21. August 2008 -
[86] (2) Es ist allerdings möglich, von den Vorgaben des § 622 Abs. 2 BGB gemäß § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB durch einzelvertragliche Vereinbarung abzuweichen, wenn sich die Vertragsparteien auf eine Kündigungsfristenregelung in einem Tarifvertrag beziehen, dessen Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis bei Tarifgebundenheit erfassen würde. Der Senat hat § 622 Abs. 2 BGB daher gelegentlich auch als „halbzwingend“ bezeichnet (vgl. BAG 29. Januar 2015 -
[87] (3) Eine solche Abweichungsmöglichkeit durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag reicht nicht aus, um § 622 Abs. 2 BGB die Eigenschaft einer zwingenden Bestimmung iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF zu nehmen. Hierfür wäre es erforderlich, dass die Vertragsparteien frei, ohne weitere normative Vorgabe den Inhalt der Kündigungsfristenregelung selbst bestimmen könnten. Durch § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB sind die Arbeitsvertragsparteien aber an die normativen Regelungen des Tarifvertrags gebunden und können über den Inhalt nicht frei entscheiden.
[88] c) Das Landesarbeitsgericht hat dementsprechend § 622 Abs. 2 BGB zu Recht als eine zwingende Regelung angesehen und ist nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien von einer Wirksamkeit der Kündigung erst zum 31. Mai 2021 ausgegangen.
[89] III. ...