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Verfahrensgang

ArbG Cottbus, Urt. vom 01.09.2021 – 4 Ca 583/18
LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 19.05.2022 – 14 Sa 1396/21, IPRspr 2022-252
BAG, Beschl. vom 28.03.2023 – 9 AZN 502/22
BAG, Urt. vom 23.01.2024 – 9 AZR 115/23, IPRspr 2024-20

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht → Individualarbeitsrecht
Allgemeine Lehren → Rechtswahl

Leitsatz

Ein Formulararbeitsvertrag ist auch bei einer anderweitigen Rechtswahl durch die Parteien (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-​VO (juris: EGV 593/2008)) einer AGB-​Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) zu unterziehen, wenn ohne die Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden wäre. Ist danach eine den Arbeitnehmer belastende Vertragsklausel unwirksam, erübrigt sich der ansonsten erforderliche Günstigkeitsvergleich. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen etabliert als unabdingbares Recht iSd. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO ein Schutzniveau, von dem zu Lasten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden darf.

Rechtsnormen

BGB §§ 305 ff.; BGB § 306; BGB § 307; BGB § 389
EG-ZivilluftfahrtharmonisierungsVO 3922/91 Anh. III 1.1095
EGBGB Art. 30
Rom I-VO 593/2008 Art. 1; Rom I-VO 593/2008 Art. 3; Rom I-VO 593/2008 Art. 6; Rom I-VO 593/2008 Art. 8; Rom I-VO 593/2008 Art. 28

Sachverhalt

Der Kläger nimmt die Beklagte mit Sitz in Irland auf Zahlung von Arbeitsentgelt in Anspruch. Im Kern streiten die Parteien darüber, ob der Beklagten gegen den Kläger eine Forderung auf Rückzahlung von Schulungskosten zusteht, mit der sie gegen die Entgeltforderungen des Klägers hat aufrechnen können.

Das Arbeitsgericht hat sich mit rechtskräftigem Zwischenurteil vom 29. Januar 2020 für international zuständig erklärt. In der Sache hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

[10] Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet.

[11] I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte sei nicht Inhaberin einer Forderung gewesen, mit der sie gegen die Entgeltansprüche des Klägers habe aufrechnen können ...

[12] II. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte war nicht zur Aufrechnung berechtigt. Die Vereinbarung über die Erstattung von Schulungskosten (Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 des Arbeitsvertrags), auf die die Beklagte ihre Gegenforderung stützt, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie unterliegt einer AGB-​Kontrolle nach deutschem Recht. Die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB sind Rechtsnormen iSd. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO, da sie zwingendes Recht enthalten, das - auch - dem Schutz des Arbeitnehmers dient.

[13] 1. Die deutschen Gerichte sind ungeachtet der arbeitsvertraglich vereinbarten ausschließlichen Zuständigkeit irischer Gerichte (Nr. 36.1 Satz 3 des Arbeitsvertrags) international zuständig. Die internationale Zuständigkeit, eine Sachurteilsvoraussetzung, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BAG 30. November 2022 - 5 AZR 336/21 (IPRspr 2022-124) - Rn. 13), steht im Streitfall aufgrund des rechtskräftigen Zwischenurteils des Arbeitsgerichts fest.

[14] 2. ... [15] 3. Die Vergütungsansprüche des Klägers sind nicht - auch nicht teilweise - durch die seitens der Beklagten erklärten Aufrechnungen nach § 389 BGB erloschen. Die Beklagte war nicht Gläubigerin einer aufrechenbaren Gegenforderung. Die Rückzahlungsvereinbarung, die die Parteien unter Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 des Arbeitsvertrags getroffen haben, eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 BGB, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die rechtliche Prüfung der Klausel hat nach deutschem Recht zu erfolgen. Die Vorschriften über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehören zu den Bestimmungen iSd. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO, von denen nach deutschem Recht, das ohne die getroffene Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Rom I-​VO anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Die Unwirksamkeit führt gemäß § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Fortfall der Klausel unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen.

[16] a) Das anzuwendende Recht bestimmt sich nach der Rom I-​VO. Diese findet ausweislich ihres Art. 28 auf Verträge Anwendung, die - wie der Arbeitsvertrag der Parteien vom 16./28. April 2016 - nach dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden. Eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten besteht, weil die Beklagte, eine Designated Activity Company limited by Shares (DAC) irischen Rechts mit Sitz in Dublin (Irland), den Kläger, einen deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland, von seinem Heimatland aus eingesetzt hat (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Rom I-​VO).

[17] b) Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom I-​VO unterliegt der Vertrag - ganz oder zu Teilen (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 Rom I-​VO) - dem von den Parteien ausdrücklich oder konkludent (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO) gewählten Recht. Dies gilt auch für Individualarbeitsverträge (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-​VO). Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO darf die Rechtswahl jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der unabdingbare gesetzliche Schutz entzogen wird, der ihm nach Art. 8 Abs. 2 und 4 Rom I-​VO ohne die getroffene Rechtswahl zustände (vgl. ferner Erwägungsgrund 35 Rom I-​VO). Soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-​VO). Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen als dem in Art. 8 Abs. 3 Rom I-​VO bezeichneten Staat aufweist, ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden (Art. 8 Abs. 4 Rom I-​VO).

[18] c) Ohne die Rechtswahlklausel in Nr. 36.1 Satz 1 und Satz 2 des Arbeitsvertrags wäre auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht anzuwenden. Der Kläger verrichtete seine Arbeit gewöhnlich in Deutschland (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-​VO). Eine engere Verbindung iSd. Art. 8 Abs. 4 Rom I-​VO zu dem in Irland geltenden Recht besteht nicht. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

[19] aa) Der Ort, an dem der Kläger gewöhnlich seine arbeitsvertragliche Leistung zu erbringen hatte, war der in Deutschland gelegene Flughafen Berlin-​Schönefeld.

[20] (1) Das nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-​VO maßgebende Kriterium, der Staat, in dem der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeit gewöhnlich leistet, bezieht sich auf den Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten tatsächlich ausübt, und - in Ermangelung eines Mittelpunkts seiner Tätigkeiten - auf den Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Tätigkeiten verrichtet. Der Ort, „an dem“ Flugpersonal gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, ist im Zweifel derjenige, „von dem aus“ der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt. Er bestimmt sich nach einer indiziengestützen Methode. Besondere Bedeutung nimmt die Heimatbasis iSd. Norm OPS 1.1095 des Anhangs III der VO Nr. 3922/91 ein, an der das Flugpersonal systematisch seinen Arbeitstag beginnt und beendet sowie seine tägliche Arbeit organisiert und in dessen Nähe es für die Dauer des Vertragsverhältnisses seinen tatsächlichen Wohnsitz begründet hat und dem Luftfahrtunternehmer zur Verfügung steht(vgl. BAG 7. Mai 2020 - 2 AZR 692/19 (IPRspr 2020-142) - Rn. 25 ff. zu Art. 30 EGBGB).

[21] (2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der für die Bestimmung des objektiven Rechts maßgebliche Arbeitsort der Flughafen Berlin-​Schönefeld... Soweit der Kläger an insgesamt neun Tagen im europäischen Ausland Trainingsflüge absolvierte, handelt es sich um eine „vorübergehende“ Tätigkeit iSd. Art. 8 Abs. 2 Satz 2 Rom I-​VO, die für die Frage, an welchem Ort der Kläger seine Arbeit tatsächlich ausübte, nicht von Bedeutung ist.

[22] bb) Eine engere Verbindung zu einem anderen Staat iSd. Art. 8 Abs. 4 Rom I-​VO besteht nicht.

[23] (1) Art. 8 Abs. 4 Rom I-​VO bestimmt, dass die in Art. 8 Abs. 2 oder 3 Rom I-​VO genannten Anknüpfungskriterien nicht anwendbar sind, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staats anzuwenden. Für die „Gesamtheit der Umstände“ ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Vielmehr müssen die Anknüpfungsmomente gewichtet werden. Zu berücksichtigen sind ua. der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien und der Wohnsitz des Arbeitnehmers (vgl. BAG 26. April 2022 - 9 AZR 228/21 (IPRspr 2022-48) - Rn. 39, BAGE 177, 298). Die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien ist nur dann ein wesentliches Kriterium, wenn beide Parteien dieselbe Nationalität haben (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 252/12 (B) (IPRspr 2014-74) - Rn. 33, BAGE 147, 342 zu Art. 30 EGBGB). Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staats haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Verordnungsgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Art. 8 Abs. 4 Rom I-​VO will eine derartige Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz verhindern. Eine engere Verbindung zu einem anderen Staat ist nur anzunehmen, wenn die Einzelumstände insgesamt das Gewicht der einschlägigen Regelanknüpfung deutlich übersteigen (vgl. BAG 26. April 2022 - 9 AZR 228/21 (IPRspr 2022-48) - aaO).

[24] (2) ... [25] (3) Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabs ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es verbleibe bei der Anknüpfung an den Arbeitsort, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

[26] (a) ... [27] (b) ... [28] (c) ... [29] d) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorschriften über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) zu den Bestimmungen iSd. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO gehören, die ungeachtet der von den Parteien getroffenen Rechtswahl Geltung beanspruchen.

[30] aa) Einer freien Rechtswahl hat der Verordnungsgeber durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO Grenzen gesetzt. Die Parteien des Arbeitsvertrags verfügen nicht über die Rechtsmacht, durch die Wahl eines bestimmten Rechts zwingende Arbeitnehmerschutzbestimmungen des objektiven Rechtsstatuts zu umgehen oder zu beschneiden. In einem solchen Fall korrigiert das in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO normierte Arbeitskollisionsrecht das gewählte Vertragsstatut durch die Heranziehung des objektiven Vertragsstatuts, wenn und soweit dieses für den Arbeitnehmer günstiger ist (vgl. MHdB ArbR/Oetker 5. Aufl. § 13 Rn. 24). Der in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO normierte Schutzmechanismus greift unter zwei Voraussetzungen ein: Zum einen muss es sich um zwingendes Recht handeln. Zum anderen erfordert Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO eine Norm, die dem Schutz des Arbeitnehmers zu dienen bestimmt ist.

[31] bb) Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das dem Arbeitnehmer einen Schutz gewährt, der ihm durch die von den Parteien getroffene Rechtswahl nicht entzogen werden darf, gehört zu den Vorschriften des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO (vgl. HK-​ArbR/Däubler 5. Aufl. Rom I-​VO/EGBGB Rn. 31; Deinert IntArbR § 9 Rn. 53; Franzen AR-​Blattei SD 920 Rn. 125; Staudinger/Magnus 2021 Rom I-​VO Art. 8 Rn. 75; MüKoBGB/Martiny 8. Aufl. Rom I-​VO Art. 8 Rn. 36; MHdB ArbR/Oetker 5. Aufl. § 13 Rn. 28; ErfK/Schlachter 24. Aufl. Art. 9 VO (EG) 593/2008 Rn. 19; BeckOK BGB/Spickhoff 68. Ed. 1.8.2023 VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn. 16; aA Birk RdA 1989, 201, 206; Taschner Arbeitsvertragsstatut und zwingende Bestimmungen nach dem Europäischen Schuldvertragsübereinkommen 2003 S. 251).

[32] (1) Die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB gehören zum zwingenden Recht (vgl. BGH 20. März 2014 - VII ZR 248/13 - Rn. 28, BGHZ 200, 326), das als solches nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht (vgl. MüKoBGB/Martiny 8. Aufl. Rom I-​VO Art. 8 Rn. 38). Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen schränkt die Freiheit der Arbeitsvertragsparteien ein, durch die Vereinbarung von Klauseln, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer stellt (§ 305 Abs. 1 BGB) Regelungen zu schaffen, die einer AGB-​Kontrolle nicht standhalten. Stände es in der Macht der Vertragsparteien, die gesetzlichen Vorschriften, an denen sie zu messen sind, im Wege der Vereinbarung abzubedingen, liefe die Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenso leer wie der von ihnen bezweckte Schutz des Vertragspartners als der schwächeren Vertragspartei ...

[34] (2) Das AGB-​Recht dient dem Schutz von Arbeitnehmern. Dem Begriff der Schutzvorschrift Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO, die weit auszulegen ist (vgl. MüKoBGB/Martiny 8. Aufl. Rom I-​VO Art. 8 Rn. 40; siehe ferner die Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 30 EGBGB aF BT-​Drs. 10/504 S. 81) unterfallen nicht nur Normen des Arbeitsrechts, sondern auch solche, die Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer schützen (vgl. MHdB ArbR/Oetker 5. Aufl. § 13 Rn. 28). Konsequenterweise hat das Bundesarbeitsgericht allgemeine Bestimmungen wie zB Verjährungsregelungen, die nicht ausschließlich, sondern ua. Arbeitnehmer schützen, als zwingende Bestimmungen iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF, der Vorgängerregelung des Art. 8 Rom I-​VO, angesehen (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 252/12 (B) (IPRspr 2014-74) - Rn. 35, BAGE 147, 342). Daran ist festzuhalten. Es liefe dem Schutzzweck des internationalen Vertragsrechts zuwider, wenn eine Bestimmung, die den unabdingbaren Schutz einer Personengruppe - hier die der Arbeitnehmer - bezweckt, allein dadurch aus dem Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO herausfiele, dass der Gesetzgeber - möglicherweise aus denselben Erwägungen - auch anderen Personengruppen - zB Verbrauchern im Allgemeinen - diesen Schutz angedeihen lassen will.

[35] e) Zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist im Allgemeinen ein Günstigkeitsvergleich anzustellen zwischen den Bestimmungen der von den Parteien gewählten Rechtsordnung einerseits und den zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts, die dem Arbeitnehmer Schutz gewähren, andererseits (vgl. BAG 26. April 2022 - 9 AZR 228/21 (IPRspr 2022-48) - Rn. 36, BAGE 177, 298). Dazu ist ein Sachgruppenvergleich objektiv nach dem Maßstab des Gesetzes vorzunehmen. Zu vergleichen sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der fraglichen Rechtsordnungen (vgl. MüKoBGB/Martiny 8. Aufl. Rom I-​VO Art. 8 Rn. 42; siehe ferner BAG 21. März 2017 - 7 AZR 207/15 (IPRspr 2017-104) - Rn. 90, BAGE 158, 266 zu Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF). Erstreckt das objektive Recht die Vertragskontrolle, die die Richtlinie 93/13/EWG für Verbraucherverträge vorsieht, auf Arbeitsverträge, erübrigt sich ein Vergleich, wenn danach eine den Arbeitnehmer belastende Vertragsklausel unwirksam ist. Denn Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO etabliert ein Schutzniveau, das von dem Recht, das die Parteien für ihr Vertragsverhältnis gewählt haben, nicht unterschritten werden kann.

[36] f) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Rückzahlungsregelung, die die Parteien in Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 des Arbeitsvertrags vereinbart haben, unwirksam, da sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

[37] aa) ... [38] bb) ... [39] cc) ... [40] (1) ... [41] (2) ... [43] (a) ... [44] (b) ... [45] (c) ... [46] 4. ... III. Der Senat braucht nicht abschließend darüber zu befinden, ob bereits die Rechtswahlklausel (Nr. 36.1 Satz 1 und Satz 2 des Arbeitsvertrags), mit der die Parteien die ausschließliche Geltung irischen Rechts vereinbart haben, einer AGB-​Kontrolle standhält. Es könnte allerdings einiges dafür sprechen, dass eine Rechtswahlklausel wie die vorliegende, die geeignet ist, den Arbeitnehmer in die Irre zu führen, indem sie ihm den unzutreffenden Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht des gewählten Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-​VO - auch - den Schutz der zwingenden Bestimmungen des objektiven Rechts genießt, ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist (vgl. zu Verbraucherverträgen iSd. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-​VO EuGH 3. Oktober 2019 - C-​272/18 - Rn. 58, unter Bezugnahme auf EuGH 28. Juli 2016 - C-​191/15 -​).

[48] IV. ...

Fundstellen

LS und Gründe

AP, Nr. 59 zu § 611 BGB
BB, 2024, 1149
DZWIR, 2024, 490
JR, 2024, 560
NZA, 2024, 693
ZIP, 2024, 1096

nur Leitsatz

NJW, 2024, 1980

Bericht

NJW-Spezial, 2024, 339
Baumert, NZA, 2024, 817
Rolfs, ZIP, 2024, 1449

Permalink

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