§ 2 EFZG ist keine Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 EGBGB alter Fassung.
§ 3 EFZG ist dann als Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 EGBGB alter Fassung anwendbar, wenn die betreffenden Arbeitsverhältnisse dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen.
[Im Band IPRspr. 2010 war die (teilweise) Parallelentscheidung des Hess. LAG vom 5.11.2010 – 10 Sa 1228/09 – unter der Nr. 80 berücksichtigt.]
Der Kl. nimmt die Bekl. auf Erteilung von Auskünften und auf Zahlung in Anspruch. Der Kl. ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung, der insbes. die Aufgabe hat, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck müssen die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber mtl. Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kl. zahlen. Die Bekl. ist eine Gesellschaft m.b.H. portugiesischen Rechts und nimmt mit nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern am Sozialkassenverfahren teil. Hinsichtlich von ihr entsandter baugewerblicher Arbeitnehmer gab die Bekl. Monatsmeldungen gegenüber dem Kl. ab. In diesen Monatsmeldungen waren die an die einzelnen Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne aufgeführt. Zugleich gab die Bekl. „Tage ohne Lohn“ an, mit denen sie die deutschen Feiertage und die Arbeitsunfähigkeitstage der Arbeitnehmer bezeichnete. Für diese „Tage ohne Lohn“ zahlte die Bekl. keine Vergütung. Der Kl. verlangt von der Bekl. Auskunft sowie die Zahlung des Mindestbeitrags hinsichtlich der "Tage ohne Lohn".
Das ArbG hat dem in erster Instanz allein gestellten Auskunftsantrag entsprochen, das LAG hat diesen ebenso abgewiesen wie den im Berufungsverfahren erstmals gestellten Zahlungsantrag. Hiergegen richtet sich die Revision des Kl.
[1]Die Revision des Kl. hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet ...
[2]II. Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Kl. kann von der Bekl. die begehrten Auskünfte und Beiträge nicht verlangen. Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (§§ 6, 18, 21, 22 VTV i.V.m. § 1 III AEntG a.F. liegen nicht vor. Die Bekl. schuldet den betreffenden Arbeitnehmern für die maßgeblichen ‚Tage ohne Lohn’ kein Entgelt. Die §§ 2, 3 EFZG finden auf die Arbeitsverhältnisse der Bekl. mit den hier betroffenen Arbeitnehmern im Anspruchszeitraum keine Anwendung.
[3]1. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit portugiesischen Arbeitsrechts auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse vorliegen. Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit der §§ 2, 3 EFZG aufgrund einer Rechtswahl oder nach dem im Streitzeitraum geltenden Art. 30 EGBGB (vgl. jetzt Art. 8 Rom-I-VO) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
[4]2. Die Anwendbarkeit der §§ 2, 3 EFZG folgt auch nicht aus Art. 34 EGBGB (Art. 9 Rom-I-VO). § 2 EFZG ist keine ‚Eingriffsnorm’ nach Art. 34 EGBGB. Entsprechendes gilt für § 3 EFZG, soweit die Arbeitsverhältnisse von Wanderarbeitnehmern betroffen sind, auf die dt. Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar ist.
[5]a) Nach Art. 9 I Rom-I-VO, der zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind ‚Eingriffsnormen’ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbes. seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen (vgl. BAG, 1.7.2010 – 2 AZR 270/09 (IPRspr 2010-179b) Rz. 31, AP GG Art. 25 Nr. 5 = EzA GVG § 20 Nr. 5; 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 (IPRspr. 2001 Nr. 52) zu B. II. 1 der Gründe, BAGE 100, 130). Inländische Gesetze sind daher nur dann Eingriffsnormen im Sinne des Art. 34 EGBGB, wenn sie entweder ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach den deutschen Kollisionsnormen anwendbare Recht gelten sollen. Nicht ausreichend ist, dass die betreffende Norm als Arbeitnehmerschutznorm einseitig zwingend (vgl. BAG 12.12.2001 aaO; Schlachter, Anm. AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB n.F.; BeckOK-Schönbohm, VO (EG) 593/2008 Art. 9 Rz. 3) und günstiger als die nach dem an sich anwendbaren ausländischen Recht einschlägige Vorschrift ist. Art. 34 EGBGB will zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts ohne Rücksicht auf ihren Schutznormcharakter und ‚ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anwendbare Recht’ durchsetzen (ErfK-Schlachter, 12. Aufl., Art. 9 Rom-I-VO Rz. 21; Schlachter, NZA 2000, 57; Markovska, RdA 2007, 352). Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden (BAG, 13.11.2007 – 9 AZR 134/07 (IPRspr 2007-50) Rz. 78, BAGE 125, 24, 42; 12.12.2001 aaO; 3.5.1995 – 5 AZR 15/94 (IPRspr. 1995 Nr. 57) zu III. 1. a der Gründe, BAGE 80, 84, 92 f.; 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 (IPRspr. 1992 Nr. 69b) zu IV. 1 der Gründe, BAGE 71, 297, 316 f.; 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 (IPRspr. 1989 Nr. 72) zu A. II. 6 der Gründe, BAGE 63, 17, 30 ff.). Bei der Bestimmung einer innerstaatlichen Norm als international zwingende Eingriffsnorm ist Zurückhaltung geboten, wie sich auch aus Erwgr. 37 zur Rom-I-VO ergibt, nach der der Begriff ‚Eingriffsnormen’ eng ausgelegt werden soll (vgl. Ferrari-Kieninger-Mankowski-Otte-Saenger-Staudinger, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl., Art. 9 VO (EG) 593/2008 Rz. 6).
[6]b) Nach diesen Maßgaben sind § 2 und § 3 EFZG nicht als Eingriffsnormen auf den Streitfall anwendbar.
[7]aa) Die Vorschrift des § 2 I EFZG regelt die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen. Sie sichert dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, die Fortzahlung der Vergütung. Nach § 9 I ArbZG dürfen Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen nicht beschäftigt werden. Aus § 275 I BGB folgt, dass der Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen wegen Unmöglichkeit von seiner vertraglichen Leistungspflicht befreit ist. Der Arbeitgeber müsste bei Anwendung der allgemeinen schuldrechtlichen Regeln nach § 326 I BGB keine Arbeitsvergütung zahlen. Dem hilft § 2 I EFZG durch die Pflicht zur Entgeltfortzahlung ab. Die Vorschrift ist unmittelbar darauf gerichtet, dem Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch zu verschaffen, den er nach seinem Vertrag nicht hätte. Sie regelt das Austauschverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
[8]bb) Das im Zusammenhang mit gesetzlichen Feiertagen offenkundige öffentliche Interesse, das auch verfassungsrechtlichen Schutz genießt (BVerfG, 1.12.2009 – 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07, BVerfGE 125, 39), wird nicht durch § 2 I EFZG, sondern durch das Feiertagsrecht geschützt. Dieses Interesse gebietet, die Erwerbsarbeit an Feiertagen grundsätzlich ruhen zu lassen. Geschützt ist damit der allgemein wahrnehmbare Charakter des Feiertags als eines Tags der im Grundsatz verbindlichen (vgl. § 10 ArbZG) Arbeitsruhe. Dieser Schutzzweck wird durch § 2 I EFZG nur mittelbar unterstützt. Wahrnehmbare Arbeitsruhe würde auch dann herrschen, wenn Arbeitnehmer – wie es für Selbstständige ohnehin weitgehend der Fall ist – an Feiertagen kein Geld verdienen könnten. § 2 I EFZG erleichtert den Arbeitnehmern die Einhaltung der Arbeitsruhe und weist das Vergütungsrisiko einer Vertragspartei, nämlich dem Arbeitgeber zu, ist aber nicht selbst Voraussetzung der im öffentlichen Interesse liegenden Arbeitsruhe an Feiertagen.
[9]cc) Die Vorschrift des § 3 EFZG ist dann als Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 EGBGB anwendbar, wenn auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet und damit ein hinreichender Inlandsbezug besteht. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
[10]dd) Auch § 3 EFZG sichert dem Arbeitnehmer, der nach allgemeinen Regeln bei Arbeitsunfähigkeit zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet ist (§ 275 I BGB), jedoch nach § 326 I BGB keinen Anspruch auf die Gegenleistung hätte, einen Vergütungsanspruch. Insofern dient die Vorschrift dem Ausgleich der Interessen der Parteien eines privatrechtlichen Vertrags.
[11]ee) Nach der Entscheidung des BAG vom 12.12.2001 (aaO zu B. II. 2. b der Gründe) kann es sich bei § 3 EFZG dennoch um eine Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 EGBGB handeln. Das öffentliche Interesse an der in § 3 EFZG normierten Entgeltfortzahlungspflicht hat der Fünfte Senat damit begründet, dass die Pflicht des Arbeitgebers ganz wesentlich der Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen und damit mittelbar aller Beitragszahler dient. Deren Entlastung liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse und rechtfertigt es, § 3 EFZG als Eingriffsnorm einzuordnen, wenn für die betreffenden Arbeitnehmer deutsches Sozialversicherungsrecht gilt.
[12]ff) In Fällen, in denen die Arbeitnehmer nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, kann diese Erwägung nicht durchgreifen. Die Geltung des § 3 EFZG würde hier den Arbeitnehmern einen Anspruch verschaffen, dadurch den Arbeitgeber belasten und zu einer Entlastung allenfalls bei der ausländischen Sozialversicherung führen. § 3 EFZG hat damit in diesen Fällen keinen Bezug zum gesamtgesellschaftlichen öffentlichen Interesse in Deutschland.
[13]c) Auch § 7 AEntG a.F. (jetzt § 2 AEntG) benennt die §§ 2, 3 EFZG nicht als Eingriffsnormen. Die Vorschrift legt in Übereinstimmung mit Art. 3 I der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 16.12.1996 (ABl. Nr. L 018/1997) fest, welche Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung finden. Sie ordnet die international zwingende Geltung der betreffenden deutschen Normen an. Unter den in § 2 AEntG ausdrücklich erwähnten Regelungen befinden sich auch diejenigen Vorschriften, die nach a.A. als Eingriffsnormen im Sinne des Art. 34 EGBGB anzusehen sind, etwa die Vorschriften über Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Hygiene, Schutzmaßnahmen für Schwangere und Wöchnerinnen (vgl. § 2 Nrn. 5, 6 AEntG). Hätte der Gesetzgeber auch die hier betroffenen Normen über die Entgeltfortzahlung in jedem Fall als Eingriffsnormen angesehen, so hätte es nahe gelegen, sie in den Katalog des § 2 AEntG aufzunehmen (vgl. HK-ArbR-Mayer, 2. Aufl., § 2 AEntG Rz. 1).