Für die Bestimmung des Vollmachtsstatuts ist das autonome Internationale Privatrecht des Forumsstaats maßgeblich, da diese Frage vom Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgenommen ist. Nach dem deutschen Kollisionsrecht ist diese Frage grds. eigenständig anzuknüpfen.
Vor Inkrafttreten des Art. 8 EGBGB galten unkodifizierte richterrechtliche Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts. Hiernach unterstand die rechtsgeschäftliche Vollmacht im Grundsatz dem Recht des Ortes, an dem von ihr Gebrauch gemacht wird oder gemacht werden sollte (sog. Gebrauchsortprinzip bzw. Wirkungsstatut). [LS der Redaktion]
Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Österreich, betreibt dort 145 Postfilialen, in denen sie unter anderem auch Zubehör für Mobiltelefone verkauft. Die Beklagte, eine in Deutschland ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, vertreibt das entsprechende Zubehörsortiment und belieferte die Klägerin seit Ende 2014 in ständiger Geschäftsbeziehung, ohne dass es einen schriftlichen Rahmenvertrag gab. Die Beklagte räumt in ihren - vorliegend allerdings nicht in die Vertragsbeziehung einbezogenen - Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihren Kunden ein Rückgaberecht "Ware alt gegen neu" (Rückgabe der Ware gegen Gutschrift des Kaufpreises zur Verrechnung mit Neubestellungen) ein, soweit es sich um Ware handelt, die sie für den Kunden ausgewählt hat. Die Geschäftsbeziehung der Parteien kam auf Vermittlung des von der Beklagten - nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts - "als Handelsvertreter" eingeschalteten Herrn S. zustande, der in W. ein eigenes Unternehmen betreibt. Nach einem vorangegangenen mündlichen Gespräch teilte Herr S. der Klägerin per E‑Mail vom 29. September 2014 unter Verwendung einer an die Firmenbezeichnung der Beklagten angelehnten E‑Mail‑Adresse sowie des unter seinem Namen am Ende der E‑Mail abgedruckten Zusatzes "Leitung Generalvertrieb Österreich" bezugnehmend auf den Termin bei der Klägerin folgendes mit:
"[…] und erlaube mir, Ihnen mit dieser Mail folgende Zusagen zu machen: Sie erhalten von uns ein 100%iges Rückgaberecht auf alle von uns erworbenen Produkte. Das Rückgaberecht wird unter der Voraussetzung gewährt, dass unser Produktständer 'P. […]' mindestens sechs Monate ab Anlieferung in jeder Postfiliale steht. Nach Ablauf der sechs Monate steht es der Post frei, alle angelieferten Produkte inklusive P. an unser Unternehmen zurückzusenden".
Zu Beginn der Geschäftsbeziehung stellte zunächst die Beklagte die Lieferungen für die einzelnen Postfilialen der Klägerin zusammen. Retouren erfolgten und wurden mit neuen Bestellungen verrechnet. Für die Jahre 2016 und 2017 erteilte die Beklagte mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 eine Gutschrift über ... €. Eine Auszahlung erfolgte nicht. Ab dem Jahr 2018 wählte die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das jeweils bei der Beklagten bestellte Sortiment für ihre Filialen selbst aus. In den Jahren 2018 und 2019 gab die Klägerin in großem Umfang gekaufte Ware an die Beklagte zurück. Die Beklagte erteilte weder eine Gutschrift noch zahlte sie Beträge an die Klägerin aus. Seit Mitte des Jahres 2020 erfolgten keine Bestellungen der Klägerin bei der Beklagten mehr.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. die Zahlung von ... € für Retouren aus den Jahren 2018 und 2019 sowie die Auszahlung des mit dem Schreiben der Beklagten vom 4. Dezember 2019 gutgeschriebenen Betrags von ... € für Retouren aus den Jahren 2016 und 2017 - jeweils nebst Zinsen - begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage im Hinblick auf die genannten Anträge mit Ausnahme eines Teilbetrags in Höhe von ... € betreffend die Retouren aus den Jahren 2018 und 2019 sowie mit einer Einschränkung hinsichtlich der geltend gemachten Zinshöhe stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht beschränkt auf den zugesprochenen Zahlungsanspruch in Höhe von ... € (... € - ... €) für die Retouren aus den Jahren 2018 und 2019 nebst Zinsen zugelassenen Revision begehrt die Beklagte insoweit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
[10] Die im Umfang der Zulassung eingelegte Revision hat Erfolg.
I [11] ... [27]
II.
[28] Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Umfang der Revisionszulassung nicht stand.
[29] Die Revision ist in dem Umfang, in dem die Beklagte das Berufungsurteil angreift, zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
[30] 1. Unausgesprochen hat das Berufungsgericht zunächst zu Recht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht. Die in jeder Lage des Verfahrens und damit auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urteile vom 2. März 2010 -
[31] 2. ... [32] a) ... [33] b) ... [37] c) ... [40] 3. Auf die vom Berufungsgericht damit nicht mit hinreichenden Feststellungen unterlegte Frage, ob Herr S. eine - nach dem Vortrag der Klägerin erteilte - Zusage eines umfassenden Retourenrechts zu deren Gunsten als Stellvertreter für die Beklagte abgegeben oder als Bote der Beklagten überbracht hat, kommt es für die weitere rechtliche Prüfung entscheidend an.
[41] Hat Herr S. die Zusage eines umfassenden Retourenrechts - wie die Klägerin behauptet - als Stellvertreter für die Beklagte abgegeben, erscheint klärungsbedürftig, ob sich die Frage nach dem Bestehen einer Bevollmächtigung und deren Reichweite sowie gegebenenfalls des Vorliegens der Voraussetzungen einer Rechtsscheinsvollmacht nach deutschem oder nach österreichischem Recht beurteilt. Für den Fall, dass Herr S. die Erklärung lediglich als Bote überbracht hat, stellt sich diese Frage hingegen nicht.
[42] Das Berufungsgericht ist - möglicherweise in stillschweigender Billigung der von der Klägerin in der Klageschrift vertretenen und vom Landgericht geteilten Annahme, Art. 8 Abs. 3 EGBGB sei anwendbar - davon ausgegangen, maßgebliches Recht für die mit der Stellvertretung zusammenhängenden Fragen sei das deutsche Recht. Diese Annahme bedarf jedoch anhand des gegebenenfalls zu ergänzenden Parteivortrags sowie noch zu treffender Feststellungen der Überprüfung.
[43] a) Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob der vom Berufungsgericht seiner Beurteilung - möglicherweise ebenfalls in stillschweigender Billigung der wiederum von der Klägerin in der Klageschrift vertretenen und vom Landgericht geteilten Annahme - zu Grunde gelegte Ausgangspunkt zutrifft, auf die vorliegende vertragliche Rahmenvereinbarung, die für die künftig zu schließenden einzelnen Kaufverträge zwischen den Parteien gelten sollte, finde mangels Rechtswahl gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. L 177 S. 6; im Folgenden: Rom I-VO) das deutsche Recht Anwendung, da die Beklagte als Verkäuferin beweglicher Sachen ihre Hauptverwaltung - welche nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO für die Zwecke dieser Verordnung den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts darstellt - in Deutschland habe.
[44] Ebenso kann dahinstehen, ob auf das Vertragsverhältnis der Parteien - was das Berufungsgericht nicht in den Blick genommen hat - das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (BGBl. 1989 II S. 588, berichtigt BGBl. 1990 II S. 1699; im Folgenden: CISG) Anwendung findet (zum Vorrang des CISG vgl. Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG, Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO).
[45] Denn das CISG enthält keine Regelungen zur Stellvertretung, sondern überlässt die Bestimmung des hierfür maßgebenden Rechts dem Recht, das vom Internationalen Privatrecht des Forums berufen wird (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2015 -
[46] Auch Art. 1 Abs. 2 Buchst. g Rom I-VO nimmt das Stellvertretungsrecht ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung aus, so dass hiernach das nationale Internationale Privatrecht des Forumstaats (vgl. BeckOGK-EGBGB/Mankowski, Stand: 1. Oktober 2019, Art. 8 Rn. 12; BeckOGK-Rom I-VO/Paulus, Stand: 1. März 2025, Art. 1 Rn. 132, 135) zur Anwendung kommt.
[47] b) Nach dem damit anwendbaren deutschen Internationalen Privatrecht folgt das Vollmachtsstatut nicht notwendigerweise dem Recht, das für die Beziehung zwischen dem Vertretenen und der dritten Partei gilt, sondern wird nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 5. Februar 1958 -
[48] c) Allerdings kann vorliegend das Vollmachtsstatut - vorbehaltlich weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts - nicht unter Anwendung der Vorschrift des Art. 8 EGBGB ermittelt werden.
[49] Art. 8 EGBGB wurde erst durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts vom 11. Juni 2017 (BGBl. I S. 1607) eingeführt. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 41 EGBGB setzt die Anwendung von Art. 8 EGBGB voraus, dass nach dessen Inkrafttreten am 17. Juni 2017 eine Vollmacht erteilt oder eine Erklärung im Namen einer anderen Person gegenüber einem Dritten abgegeben wurde (vgl. BT-Drucks. 18/10714, S. 27; Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2024, Art. 8EGBGB Rn. 13; MünchKommBGB/Kleinschmidt, 9. Aufl., Art. 8 EGBGB Rn. 28; Grüneberg/Thorn, BGB, 84. Aufl., Art. 8 EGBGB Rn. 1).
[50] Vorliegend geht es - soweit den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts zu entnehmen - entweder um eine mündliche Erklärung, die Herr S. vor dem 29. September 2014 abgegeben hat, oder um eine solche, die durch eine E-Mail des Herrn S. vom 29. September 2014 abgegeben wurde. Wenn eine Vollmacht für eine zu diesen Zeitpunkten abgegebene Willenserklärung des Herrn S. in Rede steht, liegt der dafür maßgebliche Zeitpunkt vor dem Stichtag des 17. Juni 2017.
[51] d) Insofern ist - nach den bisher getroffenen Feststellungen in Ermangelung einer abweichenden Rechtswahl - auf die vor dem Inkrafttreten des Art. 8 EGBGB geltenden unkodifizierten richterrechtlichen Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts zurückzugreifen (Art. 229 § 41 EGBGB; vgl. Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2024, Art. 8 EGBGB Rn. 13; BeckOGK-BGB/Huber, Stand: 1. November 2021, § 164 Rn. 111).
[52] Hiernach unterstand die rechtsgeschäftliche Vollmacht im Grundsatz dem Recht des Ortes, an dem von ihr Gebrauch gemacht wird oder gemacht werden sollte (Gebrauchsort bzw. Wirkungsstatut; vgl. BGH, Urteile vom 9. Dezember 1964 -
[53] Vorliegend erscheint es - auch wenn das Berufungsgericht hierzu noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat - nicht ausgeschlossen, dass bei Anwendung dieser Grundsätze österreichisches Stellvertretungsrecht zur Anwendung kommt, welches gemäß § 293 ZPO vom Tatrichter von Amts wegen zu ermitteln wäre (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2005 -
[54] e) Sofern die Prüfung des nach dem deutschen Internationalen Privatrecht für die Vollmacht anwendbaren Rechts nicht zu einer Bindung der Beklagten an die von der Klägerin behauptete Zusage eines umfassenden Retourenrechts durch Herrn S. führen sollte, stellte sich die Frage einer nachträglichen Genehmigung durch die Beklagte, welche gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem Vertragsstatut zu beurteilen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 22. Juni 1965 -
[55] 4. ...