Eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts kann angenommen werden, wenn die Parteien den gesamten Rechtsstreit - einschließlich der Revisionsinstanz - auf der Grundlage des deutschen Rechts führen. [LS der Redaktion]
Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich, nach dem Bruch des Keramikinlays ihrer Hüfttotalendoprothese auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
B.
[9] Die zulässige Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
[10] I. ... [11] II. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO von Amts wegen in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl. Senatsurteil vom 9. August 2022 -
[12] 1. Da die Klage vor dem 10. Januar 2015 erhoben worden ist, ergibt sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüssel I-VO). Nach Art. 66 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüssel Ia-VO) ist die Brüssel Ia-VO nur auf Verfahren anzuwenden, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 -
[13] 2. Nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Zuständig ist dann das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Nach Art. 60 Abs. 1 Brüssel I-VO haben Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet.
[14] 3. Der Begriff der unerlaubten Handlung in Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO ist autonom auszulegen und zwar in der Hinsicht, dass er sich auf jede Klage bezieht, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a Brüssel I-VO anknüpft (vgl. EuGH, NJW 2015, 1581 Rn. 44). Hierunter fallen auch Ansprüche gegen den Hersteller eines Produkts aus Produkthaftung (vgl. EuGH, RIW 2014, 139 Rn. 18 ff.; Wagner in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., Art. 7 EuGVVO Rn. 124).
[15] Der Ausdruck "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" in Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO ist nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs so zu verstehen, dass er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des diesem Schaden zu Grunde liegenden ursächlichen Geschehens meint. Der Hersteller kann vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden (vgl. EuGH, RIW 2014, 139 Rn. 23 mwN; Senatsurteil vom 17. März 2015 -
[16] III. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz weder nach §§ 1, 3, 8, 9 ProdHaftG noch nach § 823 Abs. 1 BGB zu.
[17] 1. Auf den Streitfall ist deutsches Recht anwendbar.
[18] a) Die richtige Anwendung des deutschen internationalen Privatrechts ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (Senatsurteil vom 9. August 2022 - VI ZR 1244/20 (IPRspr 2022-173), NJW 2022, 3072 Rn. 15 mwN).
[19] b) Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts getroffen. Dabei kann offen bleiben, ob die Rechtswahl auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (im Folgenden: Rom II-VO) oder auf Art. 42 EGBGB beruht.
[20] aa) Die Rom II-VO ist nach ihrem Art. 31 nur auf schadensbegründende Ereignisse anzuwenden, die ab dem 11. Januar 2009 eingetreten sind (vgl. EuGH, NJW 2012, 441 Rn. 37). Im Fall der Produkthaftung sieht die weit überwiegende Ansicht als schadensbegründendes Ereignis das Inverkehrbringen des Produkts an (vgl. BeckOGK/Schulze/ Fervers, Rom II-VO, Stand 01.08.2021, Art. 31 Rn. 15; MüKoBGB/Junker, 8. Aufl., Art. 31, Art. 32 Rom II-VO Rn. 6; BeckOK BGB/Spickhoff, VO (EG) 864/2007, Stand 01.05.2022, Art. 32 Rn. 4; HK-BGB/Dörner, Rom II-VO, 11. Aufl., Art. 32 Rn. 2; Grüneberg/Thorn, BGB, 82. Aufl., Art. 32 Rom II-VO Rn. 2; Engel in Herberger/Martinek/ Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art. 31 Rom II-VO Rn. 3; Wurmnest, EuZW 2012, 933, 936; von Hein, ZEuP 2009, 6, 11). Der Klägerin wurde die Prothese am 10. August 2007 implantiert, das Inverkehrbringen des Produkts durch die Beklagte lag zeitlich davor. Sieht man hingegen die Rechtsgutsverletzung als schadensbegründendes Ereignis an (so Knöfel in Hüßtege/Mansel, BGB, 3. Aufl., Art. 32 Rom II-VO Rn. 10; wohl auch Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 724; offen Halfmeier, VuR 2014, 327, 329), ist Art. 14 Rom II-VO anzuwenden, da der Bruch des Inlays nach dem Vortrag der Klägerin erst im Jahr 2011 erfolgte.
[21] bb) Selbst wenn man mit der überwiegenden Ansicht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Rom II-VO im Streitfall nicht für anwendbar hält, ergibt sich die Möglichkeit der Rechtswahl aber aus Art. 42 EGBGB. Nach Art. 42 Satz 1 EGBGB können die Parteien - wie auch gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Rom II-VO - nach Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis entstanden ist, das Recht wählen, dem es unterliegen soll. Ein letztmöglicher Zeitpunkt der Rechtswahl ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Art. 42 EGBGB - auch nicht aus dem des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Rom II-VO - noch aus Sinn und Zweck der Normen. Eine einvernehmliche Rechtswahl ist jedenfalls bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz möglich (vgl. Senatsurteil vom 9. August 2022 -
[22] So verhält es sich im Streitfall. Da der gesamte Rechtstreit - einschließlich der Revisionsinstanz - von beiden Parteien auf der Grundlage deutschen Rechts geführt wurde, verursacht die Rechtswahl keine Mehrarbeit und es sind auch keine schützenswerten Belange der Parteien erkennbar, die gegen die Berücksichtigung dieser neuen, unstreitigen Tatsache im Revisionsverfahren sprächen. Da die Rechtswahl alle anderen Anknüpfungen des Art. 5 Abs. 1 Rom II-VO bzw. des Art. 40 Abs. 1 EGBGB verdrängt, kommt es auf diese Regelungen nicht an.
[23] 2. ...